Читать книгу Schloss der dunklen Leidenschaft | Erotischer SM-Roman - Angelique Corse - Страница 7
ОглавлениеKapitel 4
Die Musiker spielten den Charmant-Walzer. Für gewöhnlich mochte Celina dieses Stück, aber mit Rudolf an ihrer Seite klang es in ihren Ohren mehr wie ein Requiem. Während des Tanzes versuchte sie alles, seinem gierigen, skrupellosen Blick auszuweichen, was leider nicht immer möglich war. Selbst die sinnliche Erinnerung an den Fremden bildete nur einen schwachen Trost.
Zumal Rudolf nach einer Weile ihr Kinn packte und sie dazu zwang, ihn anzublicken. Celina schauderte. Das unverhohlene Verlangen in seinen Augen hatte nicht nachgelassen, im Gegenteil: Wie ein Feuer loderte es in der trügerisch sanften blauen Iris – jederzeit bereit, sie mit Haut und Haaren zu verschlingen.
Auf bizarre Art und Weise erinnerte es Celina an den Fremden, doch bei ihm hatte sie sich nach mehr gesehnt. Hier, in Rudolfs Armen, blieb nur der Gedanke an Flucht. Doch wie sollte sie das bewerkstelligen? Wieder musste Celina ihren Ekel unterdrücken, als Rudolf seine tänzerische Haltung aufgab und die Hände stattdessen um ihre Taille legte. Celina atmete ein und funkelte ihren Verehrer zornig an, in der Hoffnung, es würde ausreichen.
Doch er ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern wanderte mit den Fingern immer höher. Bedrohlich strichen sie über das Korsett in Richtung ihrer Brüste. Celina keuchte, diesmal jedoch vor Wut. Was bildete dieser Mann sich eigentlich ein?
»Rudolf, lasst das!« Sie hatte alle Mühe, die Panik in ihrer Stimme niederzukämpfen. »Ich möchte das nicht.«
Die Angesprochene grinste überheblich und schüttelte den Kopf. Offenbar passte eine Abfuhr überhaupt nicht in sein Weltbild.
»Aber, aber … Celina.« Rudolfs dreckiges Grinsen wurde immer breiter. »Ziert Euch nicht unnötig. Ich weiß sehr wohl um Eure Not und wäre fähig, Euch zu helfen.«
Celina zuckte zusammen. Wie um alles in der Welt hatte er davon erfahren? Caroline und sie selbst taten ihr Bestes, damit möglichst niemand davon erfuhr, und jetzt hatte die sorgsam aufgebaute Fassade einen Riss. Steckte Annes Familie dahinter? War der stille Bruch so tief? Obwohl alles in Celina sich gegen diese Möglichkeit sträubte, so war es dennoch möglich. Sie schluckte die aufsteigende Panik herunter, auf keinen Fall wollte sie Rudolf ihre Angst zeigen.
»Mit mir an Eurer Seite hättet Ihr keine Sorgen mehr, Celina«, fuhr dieser mit seiner Lobpreisung fort. »Ich habe viel Geld und gutes Ansehen. Außerdem verfüge ich über Kontakte zu einigen renommierten Nervenheilanstalten, falls Euer Vater eines Tages nicht mehr …«
Die Vorstellung, Alvin an einem solchen Ort zu sehen, schnürte Celina die Kehle zu. Gerüchte darüber, wie es dort zugehen sollte, waren ihr bereits zu Ohren gekommen. Angeblich wurden die vermeintlichen Patienten in ihrem eigenen Schmutz zurückgelassen oder grausam misshandelt. Um nichts in der Welt würde sie ihren Vater dorthin bringen lassen. Sie schwieg und versuchte vergeblich, Rudolf auf Distanz zu halten, was jedoch nur begrenzt gelang. Wie jemand dermaßen selbstherrlich sein konnte, würde sie niemals verstehen.
Geld und Ansehen sind schön und gut. Doch wenn dafür die Intelligenz nicht vorhanden ist …, dachte Celina gehässig und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen – was Rudolf jedoch falsch verstand.
»Meine Avancen scheinen Euch zu gefallen.« Er überwand den letzten Abstand zwischen ihnen und versuchte, nach ihren Brüsten zu greifen. »Es wird mir eine Freude sein, mit Euch das Bett zu teilen. Morgen früh können wir dann heiraten.«
Seine Lippen kamen immer näher und Celina reagierte blitzschnell.
»Lass mich sofort los, du widerliches Schwein!«, rief sie so laut, dass alle Köpfe sich geschlossen nach Rudolf und ihr umwandten und die Szene in einer Mischung aus Fassungslosigkeit, Bestätigung und Amüsiertheit betrachteten.
Celina presste die Lippen zusammen und zwang sich, jeden Gedanken an Schicklichkeit oder Benehmen zu verdrängen. Jetzt zählte nur noch eins: Sie musste hier raus.
»Was fällt dir ein, du liederliches Frauenzimmer?« Rudolfs Gesicht war rot angelaufen und seine Augen quollen wie kleine Punkte daraus hervor. Fast ähnelte er einem Laubfrosch.
Als seine Hände erneut in Celinas Richtung griffen, holte diese aus und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige, deren Echo von den Wänden widerhallte. Aufgeregtes Getuschel und erbostes Geschrei waren die Folge, doch Celina kümmerte sich nicht darum. Sie machte auf dem Absatz kehrt und rannte nach draußen. Hoffentlich folgte ihr niemand.
Es verging eine gefühlte Ewigkeit, ehe Celina es wagte, nach Luft zu schnappen. Nur langsam kehrte die Orientierung zurück und erlaubte ihr, sich langsam umzudrehen. Das fahle Mondlicht bildete die einzige Lichtquelle, was Celina erleichtert aufseufzen ließ. So konnte sie weniger gesehen werden.
Vorsichtig studierte sie die verschwommenen Konturen der riesigen Bäume. Konnte sie es wagen, einige Minuten auszuruhen? Dieser hauseigene Garten war offensichtlich recht groß und im Dunkeln nur schlecht überschaubar. Auch würde niemand sich die Mühe machen, mit Fackeln nach ihr zu suchen, bloß weil sie Rudolf in seiner Ehre gekränkt hatte. Trotz der ernsten Situation musste sie lachen. Es geschah diesem Casanova recht, schließlich hatte er ihre Weigerung nicht akzeptieren wollen.
Erschöpft ließ Celina sich gegen den breiten Stamm eines Ahornbaumes sinken. Ihr aufgeregter Herzschlag normalisierte sich allmählich und die Atmung kam zur Ruhe. Leider klebte der Stoff ihres Kleides erneut an ihrer Haut, zum zweiten Mal an diesem Abend.
Der erste Grund war sehr viel schöner, dachte Celina sarkastisch und versuchte, sich mit der Hand Luft zuzufächeln.
Für den Bruchteil einer Sekunde erinnerte sie sich an ihren Tagtraum. Jener war schön, erfüllend und ohne Bedenken gewesen. Kein Vergleich zu Rudolfs Prahlerei und seinem Tun. Innerlich schalt Celina sich eine Närrin. Dieser Fremde war nicht mehr als ein Trugbild. Und selbst wenn er tatsächlich existierte – woher sollte sie wissen, ob er ihr helfen würde?
Verärgert schlug Celina gegen den Baumstamm, spürte, wie die harte Rinde ihre Fingerknöchel aufscheuerte. Sie durfte jenem Hirngespinst nicht zu viel Raum geben. Aber leider gab es auch einen winzigen Funken Hoffnung, welcher sich nicht ersticken ließ.
»Überraschung!« Rudolfs zornig-aggressive Stimme riss Celina aus ihren Grübeleien.
Wie ein junges Reh sprang sie auf. Ihre Gedanken überschlugen sich, doch für eine Flucht war es zu spät. Mit unerwarteter Schnelligkeit packte Rudolf sie am Handgelenk und zog sie in seine Arme. Celina verzog das Gesicht, sein deutlich alkoholisierter Atem sorgte dafür, dass ihr übel wurde. Trotzdem wand Celina sich wie ein Aal, versuchte Rudolf zu kratzen oder zu beißen, jedoch nur mit mäßigem Erfolg. Seine fehlende Intelligenz schien er mit Körperkraft auszugleichen.
»Lasst mich sofort los!«, keifte sie. »Ich will nicht.«
Rudolf lachte in einer Art und Weise, die Celina an seinem Verstand zweifeln ließ.
»Aber meine Liebe, was habt Ihr denn?« Sein schleimiges, siegessicheres Lächeln jagte ihr einen Schauer über den Rücken. »Ich habe lediglich vor, unser kleines Stelldichein weiterzuführen. Der Schlag tat übrigens weh.« Celina biss sich auf die Zunge, um nicht laut loszulachen.
Man muss eben lernen, dass Frauen keinesfalls wehrlose Geschöpfe sind.
»Wir hatten kein Stelldichein, Rudolf, und das wisst Ihr auch. Und selbst wenn, so wäre mein Interesse an Euch erloschen, da Ihr meinen Willen nicht respektiert.« In Celinas Stimme lag eine deutliche Warnung, die ihr Gegenüber jedoch geflissentlich ignorierte.
Trotz deutlicher Gegenwehr umfasste er ihren nach oben gedrückten Busen und massierte ihn fordernd. Zu Celinas Verdruss reagierte ihr Körper sofort auf die ungefragte Berührung und winzige Flammen schossen durch ihre Venen. Aber anders als bei ihrem Traumbild verlor Celina sich nicht im Taumel der Lust, sondern war nach zwei Augenblicken wieder Herrin ihrer Sinne.
Sie fauchte wie eine wütende Katze und stieß Rudolf das Knie zwischen die Beine, noch bevor dieser wusste, wie ihm geschah. Er heulte zornig und schmerzerfüllt auf, bevor er ins Gras sank.
»Dreckige Schlampe.« Normalerweise hätten seine Worte Celina Angst gemacht. Doch sie wollte sich nur losreißen, um so schnell wie möglich zu verschwinden.
Leider war Rudolfs Griff trotz seiner offensichtlichen Pein noch recht fest. »Du entkommst mir nicht.«
Erneute Panik erfasste Celina und sie attackierte verbissen sein Gesicht. Hautfetzen und Blut klebten unter ihren Fingernägeln und das Geräusch reißenden Stoffes ließ sie einen Moment regungslos verharren. Dann aber nahm Celina ihre Beine in die Hand und rannte, ohne einmal zurückzuschauen, davon.
Das kalte Licht der Sterne schien sie in einem Augenblick zu beschützen, um danach wieder spöttisch zu lächeln. Ebenso verhielt es sich mit ihrer Angst, die, trotz großer Erleichterung, immer wieder herausbrach. Rudolf würde nicht aufgeben, so viel stand fest, obwohl er mit seiner Verletzung zweifelsohne eine Weile zu kämpfen hätte.
Wie genau sie nach Hause gekommen war, wusste Celina später nicht mehr. Ihre Füße schienen schwer wie Blei, als sie langsam die Treppe hinaufstieg und die Zimmertür hinter sich schloss. Wie hypnotisiert streifte Celina das kaputte Kleid ab. In den nächsten Tagen würde sie es waschen und den Schaden so gut wie möglich beheben, obwohl alles in ihr danach schrie, es ins Feuer zu werfen. Vorsichtig streichelte Celina ihren entblößten, fast weißen Oberkörper. Bis auf einige leichte Blessuren an Brüsten und Handgelenken hatte sie wohl keine ernsthaften Verletzungen davongetragen. Dafür tobte ein Aufruhr in ihrem Innern, wie sie es nie zuvor erlebt hatte. Heute Nacht hatte die Welt sich unwiderruflich verändert, tiefe Risse bedeckten die Oberfläche.
Entsetzt schlug Celina sich die Hand vor den Mund. Ihre zuvor durch den Schock unterdrückten Gefühle brachen wie ein Wirbelsturm über sie herein. Was hatte sie getan? Dieser schmierige Rudolf hatte sie in seiner Vorstellung, sich ihrer gewiss sein zu können, beinahe vergewaltigt. Und sie hatte sich gewehrt.
An der Richtigkeit ihres Tuns bestand keinerlei Zweifel. Doch was käme jetzt? Kalte Angstschauer ließen Celina zittern wie Espenlaub. Ob ihr jemand diese Geschichte glauben würde, war fraglich. Rudolf besaß neben einem beträchtlichen Vermögen auch mächtige Freunde, die sich ohne mit der Wimper zu zucken für ihn stark machen würden – ungeachtet dessen, was er wirklich getan hatte.
Außerdem teilte ein Großteil der Männer seine Ansicht, dass Frauen ihrem Mann untertan zu sein hatten. Aus ihrer Sicht hatte Celina einen unverzeihlichen Fehler begangen und würde zu Recht mit den Konsequenzen leben müssen.
Tränen liefen über Celinas Gesicht. Was sollte sie jetzt tun? Rudolf besaß genügend Macht, um ihre Aussicht auf eine gute Partie zunichtezumachen und ihre Familie ins Unglück zu stürzen. Ohne eine lukrative Heirat würden sie die Spielschulden ihres Vaters niemals tilgen können, von der Schande ganz zu schweigen.
Kraftlos sank Celina zu Boden. Der schon stark in die Jahre gekommene Teppich bremste ihren Fall kaum. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und nur mühsam unterdrückte sie den Impuls, sich die Haare zu raufen. Ihr Handeln war richtig gewesen und dennoch würde sie dafür bestraft werden. Nicht mit Schlägen, Tritten oder Nahrungsentzug, sondern mit Ächtung.
Celina versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Sollte sie zu Caroline gehen und mit ihr über das Erlebte sprechen? Bei ihr hatte sie immer Verständnis und vor allem Liebe gefunden. Doch auch ihre Mutter war den Regeln und Normen der Gesellschaft unterworfen wie Celina selbst. Außerdem lastete die Bürde, die Familie erhalten zu müssen, noch schwerer auf ihren Schultern.
Verbissen presste die junge Frau ihre Lippen zusammen. Es musste doch einen Ausweg geben. Unbewusst glitt ihr Blick durch das Fenster in die kalte Nacht hinaus. Ohne die Furcht im Herzen war es beinahe so wie vor einigen Tagen, als sie zum ersten Mal an ihren geheimnisvollen Fremden gedacht und sein Bild manifestiert hatte. Bis heute wusste Celina nicht, woher dieser Gedanke gekommen war. In ihrem Umfeld gab es niemanden, der ihm ähnlichsah, auch in den Büchern hatte es keinen derartigen Charakter gegeben.
An jenem Abend hatte Celina nach längerer Zeit wieder selbst Hand angelegt und es in vollen Zügen genossen. Die Erinnerung sorgte für ein merkliches Ziehen im Unterleib und ihre Brustwarzen stellten sich auf. Sie stieß einen überraschten Laut aus. Wie war es möglich, von einem Traumfetzen so erregt zu werden? Am Anfang hatte Celina geglaubt, der Fremde sei lediglich aus ihrer Sehnsucht heraus entstanden, doch mit jedem Mal wurden die Zweifel daran stärker. Wie sonst war es möglich, dass diese Fantasien immer intensiver wurden und auch vor der Öffentlichkeit nicht zurückschreckten? Es glich einem Wunder, dass auf dem Ball niemand etwas gemerkt hatte.
Celina atmete tief durch. Obwohl ihr Verstand sich gewaltsam sträubte, musste sie langsam die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass der Fremde tatsächlich irgendwo existierte. Einen Moment lang lachte sie spöttisch. Es klang so absurd und irgendwie verrückt. Doch gab es eine andere Erklärung?
Diese Frage traf Celina wie ein Schwall kaltes Wasser und holte sie in die Realität zurück. Nachdem, was heute Abend geschehen war, hatte Rudolf die Zügel in der Hand, um ihre Familie unter Druck zu setzen. Selbst wenn Caroline oder andere Verständnis für ihr Handeln aufbrachten, so würden sie seinen Bedingungen zustimmen müssen. Und was das hieß, wusste Celina ganz genau: Sie würde Rudolf ehelichen und ihr Leben als seine Frau verbringen müssen.
Der Gedanke daran legte sich wie eisige Finger um ihr Herz und drückte es schmerzhaft zusammen. Celina warf ihre Haare nach hinten, ballte die Hände zu Fäusten. So einfach würde sie nicht aufgeben, das lag nicht in ihrer Natur. Aber welche anderen Möglichkeiten gab es?
Ihr Blick wanderte erneut zum Fenster hinaus, ließ sich vom Mond und von den Sternen streicheln. Jenes Gefühl, dass der Fremde irgendwo dort draußen lebte, verstärkte sich schlagartig, während sich zeitgleich die schemenhafte Silhouette des Schlosses hinter den Bergen erhob. Bei Nacht wirkte es zweifelsohne gespenstischer als am Tage. Dennoch konnte Celina den Klatsch und Tratsch der Leute nicht verstehen. Seit einiger Zeit waren Gerüchte über das Schloss im Umlauf, von denen eines unrealistischer war als das andere. Angeblich sollte ein Ehepaar bei Nacht und Nebel dort eingezogen sein, über deren Herkunft niemand etwas wusste. Sie lebten sehr zurückgezogen und nur wenige Menschen hatten sie bisher zu Gesicht bekommen. Hinter vorgehaltener Hand wurde sogar über schwarze Magie sowie eine unkonventionelle Lebensweise getuschelt – etwas, das Celina nicht nachvollziehen konnte. Zugegeben, ihre Träume mit dem Fremden waren sonderbar, dennoch weigerte sie sich strikt, an etwas Übersinnliches zu glauben. Ein letztes Mal konzentrierte Celina ihre Gedanken auf ihn, den Blick starr auf das Schloss gerichtet. In ihrem Innern reifte ein Entschluss, der ebenso ungewöhnlich wie gefährlich war. Sie würde fliehen und irgendwo in der Ferne ihr Glück finden. Vielleicht würde sie sogar, sofern das Schicksal es bestimmte, auf den Fremden treffen. Doch selbst wenn nicht – sogar ein unsicheres Leben als Tagelöhnerin oder Dienstmädchen war besser als Rudolfs Ehebett. Denn dass dieser sie erbarmungslos schänden würde, stand in Celinas Augen fest.
Entschlossen ging sie in ihr Ankleidezimmer und nahm einige warme Kleidungsstücke heraus. Der Herbst war bereits auf dem Vormarsch und insbesondere die Nächte waren kühl. Sie fluchte leise, weil kein passendes Schuhwerk vorhanden war. Die dünnen Exemplare aus Stoff würden weder Kälte noch Feuchtigkeit standhalten. Trotzdem waren sie besser als nichts. So gut sie konnte, schnürte Celina ein Bündel mit ihren Habseligkeiten zusammen und verließ ihr Zimmer. Auf Zehenspitzen schlich sie die hölzernen Stufen hinunter, stets ängstlich darauf bedacht, dass sie niemand erwischte.
Erleichtert betrat Celina den Flur, dessen staubige Fenster das Haus heruntergekommen wirken ließen. Celina griff nach dem Hebel, als ihr schlechtes Gewissen sie überrollte. War es wirklich richtig, Alvin und vor allem ihre Mutter im Stich zu lassen? Sie waren eine Familie und verpflichtet, einander in schweren Zeiten beizustehen. Hatte sie wirklich das Recht, wegzulaufen?
Sie biss die Zähne zusammen und war schon kurz davor, ihre Hand zurückzuziehen, als Rudolfs Antlitz vor ihrem geistigen Auge erschien. Sein hungriger Blick glich dem eines Wahnsinnigen und das Gefühl seiner schleimigen Hände ließ Celina würgen. Eher würde sie sich in den Tod stürzen, als seine Ehefrau zu werden.
Entschlossen öffnete sie das Fenster und kletterte hinaus. Die Nacht empfing sie wie eine liebe Freundin, die Hoffnung versprach. Ohne sich umzudrehen, eilte Celina davon. Etwa eine Viertelstunde später erreichte sie den Wald, einen Ort ihrer Kindheit. Sehr oft hatten Anne und sie hier gespielt, sich gegenseitig die abenteuerlichsten Geschichten erzählt oder ihre Wildheit ausgelebt – bevor das, was man Leben nannte, erbarmungslos über sie hereingebrochen war.
Celina seufzte. Viel zu viel Zeit war seit ihrem letzten Besuch hier vergangen. Sie hatte geglaubt, den Wald gut zu kennen, doch je tiefer ihr Weg führte, desto deutlicher wurde der fatale Irrtum. Zwar standen einige der alten Bäume noch an Ort und Stelle, jedoch waren zahlreiche neue dazu gekommen. Von den teilweise wuchernden Sträuchern ganz zu schweigen.
Celina strich ihre Haare zur Seite und zwang sich zur Ruhe. Sie würde schnurstracks den Hauptweg entlanggehen, in der Hoffnung, dass dieser irgendwann hinausführte. Doch nur kurze Zeit später wurde deutlich, dass sie sich getäuscht hatte. Jener vermeintliche Hauptweg verlief nicht gerade, sondern mit komplizierten Verzweigungen, die oftmals durchbrochen wurden.
Celinas Herz schlug ein paar Takte schneller, auch weil sich nach und nach dichter Nebel bildete. Nicht mehr lange und sie würde keinen Meter weit sehen können. Panik stieg in ihr auf, ein Teil von ihr wollte auf dem Absatz kehrtmachen und nach Hause zurückgehen. Aber selbst das war nicht mehr möglich. Um sich zu beruhigen, setzte Celina sich auf einen Baumstumpf und schaute sich um. Ihre Gedanken liefen Amok. Im Mondlicht unter dem Nebelschleier sahen alle Wege gleich aus und sie hatte keine Ahnung, welcher von ihnen aus dem Wald herausführte. Wenn überhaupt.
Verzweiflung erfüllte ihr Inneres und Tränen strömten über ihre Wangen. Celina bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Der einzige Ausweg war, bis zum Morgengrauen zu warten und anschließend weiterzugehen. Aber wie lange würde das noch dauern? Bis dahin war sie erfroren oder Schlimmeres.
Celina zuckte zusammen, als sich aus dem Unterholz Schritte näherten. Sanfte, fast leichtfüßige Schritte. Trotzdem zitterte Celina am ganzen Körper und alles in ihr drängte sie zur Flucht. Schließlich wusste sie nicht, wer der- oder diejenige war, außerdem bildete der Wald, eingehüllt in das nächtliche Dunkel, den optimalen Nährboden für Gewaltverbrechen. Niemand würde ihre Schreie hören und bis man ihren leblosen Körper fände, würden Wochen oder sogar Monate vergehen.
Celina erstarrte und zu ihrem Ärger reagierten ihre Glieder nicht. Dennoch war sie entschlossen zu kämpfen, obwohl der Gegner ihr zweifelsohne überlegen wäre.
»Guten Abend, mein Kind.« Die sanfte Stimme ließ Celinas Furcht abrupt in Verwirrung umschlagen. Sie hob den Kopf.
Keinen Meter von ihr entfernt stand eine junge Frau mit schulterlangen, blauschwarzen Haaren. Sie reflektierten das weiße Licht wie einen Heiligenschein. Trotzdem reichte es nicht aus, um ihre Gesichtszüge zu erkennen. Dafür bemerkte Celina sofort die vornehme, ausladende Kleidung, bestehend aus einer Turnüre sowie einer schweren Samtjacke, und die schmale Silhouette. Kein Zweifel, es war eine Frau aus altem Adel. Unbeholfen erhob Celina sich.
»Guten Abend.« Sie versuchte einen Knicks, welcher jedoch aufgrund ihrer steifen Beine misslang.
Die Unbekannte machte einen letzten Schritt auf sie zu und legte ihre Hand auf Celinas Schulter. »Was tust du hier mitten in der Nacht allein im Wald?«
Die Angesprochene seufzte erleichtert, offensichtlich nahm sie ihr ihre Ungeschicklichkeit nicht übel. Dennoch hatte Celina Bedenken. Sollte sie sich wirklich einer Fremden anvertrauen? Dies könnte sich – möglicherweise fehlinterpretiert – wie ein Lauffeuer verbreiten. Außerdem erhöhte es das Risiko ihrer Auffindung.
Celina schluckte und versuchte vergeblich, der Fremden in die Augen zu schauen. Obwohl sie direkt vor ihr stand, verhüllte jedoch ein Halbschleier den oberen Teil ihres Gesichtes. Dafür erkannte Celina ihre weichen Züge, aus denen Güte, aber auch Traurigkeit sprach. Unwillkürlich fragte sie sich, was der Grund dafür sein könnte. Hatte diese besondere Frau ähnliche Erfahrungen gemacht wie sie? Celina holte tief Luft, wollte etwas sagen, doch ihre Lippen waren staubtrocken. Es dauerte eine Weile, bis ein Räuspern ihren Mund verließ und sie sich der Fremden offenbarte.
Celina nannte ihren Namen und erzählte ohne Punkt und Komma von den massiven Problemen in ihrer Familie, dem verzweifelten Entschluss, entgegen ihrer ursprünglichen Planung doch zu heiraten, sowie von Rudolfs schmierigen Annäherungsversuchen, die sie schließlich zur übereilten Flucht gezwungen hatten. Nur den geheimnisvollen Fremden verschwieg Celina, ohne zu wissen, warum.
Als sie geendet hatte, ballten die Hände ihres Gegenübers sich zu Fäusten. »Männer sind oft Schweine und denken mit der Körpermitte anstatt mit ihrem Hirn.« Jede Ruhe war aus ihrem Tonfall verschwunden. »Doch zum Glück gibt es Ausnahmen.«
Wieder fragte Celina sich, ob sie ähnliche Erfahrungen gemacht hatte, schaffte es jedoch nicht, danach zu fragen – auch weil die Fremde sie plötzlich in eine Umarmung zog. Celina spürte die Wärme ihres großen, aber festen Busens an ihrem und ließ ihre Finger unwillkürlich durch die seidenweichen Haare gleiten. Außerdem schlug ihr Herz ein paar Takte schneller, diesmal jedoch auf angenehme Weise.
»Wer seid Ihr?«, erkundigte Celina sich und erschrak, wie schwer ihre Stimme klang. Fast, als wäre sie in einer Art Trance.
Etwas plötzlich löste die Fremde ihre Umarmung und musterte sie mit festem Blick. »Ich heiße Sophia.« Ihr Blick wurde noch eindringlicher. »Aber dir bin ich wohl eher unter dem Namen Dunkelgräfin bekannt.«
Ein eisiger Schauer überkam Celina und sie wich reflexartig zurück. Die Gerüchte entsprachen also der Wahrheit. Es lebten tatsächlich eine Dunkelgräfin und – daran hatte Celina keinen Zweifel – ein Dunkelgraf in dem alten Schloss. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Wie viel von den Aussagen über schwarze Magie und eine unkonventionelle Lebensweise trafen zu? Was würde Sophia jetzt mit ihr tun? Und vor allem, was sollte sie jetzt machen?
Wieder durchzuckte der Geistesblitz Flucht ihre Überlegungen, doch Celina schüttelte den Kopf. Es hatte keinen Sinn. Zum einen wäre sie noch immer mitten in der Nacht allein im Wald, zum anderen machte die Gräfin den Eindruck, als würde sie diese Gegend gut kennen.
Die Besagte schaute sie durchdringend an. »Ich weiß, was du denkst, Celina.« Sophia umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen. »Selbst eine intelligente Frau wie du ist nicht gegen Gerüchte immun. Doch ich kann dir versichern, dass weder mein Gefährte noch ich schwarze Magie betreiben. Ich habe lediglich dein Weinen gehört und wollte dir eine Unterkunft anbieten. Der Wald ist zum Übernachten nicht geeignet und dazu gefährlich.«
Celina nickte. Sie schämte sich, den Gerüchten anstelle ihrer eigenen Vernunft geglaubt zu haben. Zumal Sophia recht hatte: Selbst ein von Sünde durchtriebenes Lustschloss war besser, als die Nacht hier draußen zu verbringen. Obwohl ein Teil ihres Verstandes hartnäckig protestierte, ergriff sie die angebotene Hand und ließ sich von Sophia führen.
Je näher sie dem Schloss kamen, desto schneller pochte Celinas Herz. Schon seit sie denken konnte, hatte es für die Entstehung von Geschichten gesorgt. Über seinen wahren Ursprung gab es nur wenige Aufzeichnungen, die letzte schriftliche Erwähnung stammte aus dem Jahre 1780 und ähnelte eher einer Randnotiz. Von diesem Zeitpunkt an hatte es, so glaubten die Menschen, leer gestanden, was sich nunmehr als Irrtum herausstellte.
Ein Wunder, dass es die Ausläufer der Französischen Revolution überstanden hat, überlegte Celina, während sie die äußere Fassade betrachtete.
Diese war säuberlich verputzt und anthrazitfarben bemalt, jedoch von den Spuren der Natur gezeichnet. Selbst im Dunkel konnte Celina die schwarzen, zum Teil sehr üppigen Efeupflanzen deutlich erkennen. Wie eine schützende, tiefgrüne Mauer schlängelten sie sich um die zahlreichen Fenster.
Wozu werden diese Räume wohl genutzt?, fragte sie sich und eine Gänsehaut überzog ihren Körper.
Führten Sophia und ihr Gefährte tatsächlich ein Leben jenseits der Konventionen? Und wenn ja, wie genau sah dieses aus? War ihre Aussage bezüglich der schwarzen Magie nur ein Lippenbekenntnis gewesen? Alle erdenklichen Vorstellungen von schmutzigen Geschäften über okkulte Praktiken bis hin zu Menschenhandel schossen Celina blitzartig durch den Kopf und ließen sie für einen kurzen Moment innehalten. War alles doch ein verhängnisvoller Fehler?
Sophia bemerkte Celinas Zögern und umschloss ihre Hand fester, während sie mit der anderen eine Fackel von der Wand nahm. »Hab keine Angst.«
Celina versuchte sich zu beruhigen und sah, wie ihre Begleitung die Eingangstür mit einem festen Stoß öffnete.
Überrascht betrat Celina die Eingangshalle. Bis auf einige Öllichter gab es keine Beleuchtung, trotzdem reichte es aus, um die vier hohen Treppen aus Ebenholz mit aufwendigen Schnitzereien zu erkennen. An den Wänden im Obergeschoss hingen zahlreiche Gemälde vornehmer Männer und Frauen, möglicherweise eine Ahnengalerie.
Celina räusperte sich. Respekt, dass die beiden sich trauen, die Bilder aufzubewahren. Heutzutage war es beinahe eine gesellschaftliche Pflicht, sich von derartigen ungeliebten Stücken zu trennen und sie am besten vor aller Augen dem Feuer zu übergeben. Niemand, der etwas auf sich hielt, wollte noch mit dem einstigen Adel in Verbindung gebracht werden. Im Gegenteil, die meisten verleugneten ihre Herkunft so gut wie möglich.
»Vergangenheit soll man ruhen lassen, sie jedoch nie gänzlich aus dem Blickfeld verlieren«, sprach die Gräfin, während sie Celina eine der Treppen hinaufführte.
Diese erschrak. Hatte Sophia ihre Gedanken gelesen? Gewundert hätte es sie nicht. Aber es blieb keine Zeit, darüber nachzugrübeln, denn nur wenige Sekunden später öffnete die Gräfin eine weitere Tür und trat ein.
Als Celina sah, was sich dort abspielte, gefror das Blut in ihren Adern und sie blieb erstarrt stehen. Auf einem großzügigen, aber augenscheinlich unbequemen Sofa lag eine schlanke, unbekleidete Frau. Ihre wallenden, goldblonden Haare bedeckten fast die ganze Sitzfläche, konnten jedoch nicht über den aus Celinas Sicht verstörenden Anblick ihrer gefesselten Hand- und Fußgelenke hinwegtäuschen. Diese waren ohne Abstand zusammengebunden und Erstere außerdem über ihrem Kopf fixiert. Doch entgegen Celinas Erwartung sträubte die junge Frau sich nicht, sondern schloss genießerisch die Augen. Ein Mann, dessen Alter schwer einzuschätzen war, stand gebeugt über ihr. Seinen Kopf zierte deutlich eine Halbglatze, andererseits schien sein Gesicht faltenfrei. Außerdem fiel ihm ein Fluss schwarzer Haare in die Stirn, während er die zarte Haut seiner Gespielin mit Bissen traktierte.
Vom schmalen Hals über die kleinen, aber festen Brüste hin zum flachen Bauch – kein Zentimeter war vor ihm sicher. Nach und nach wurden kleine, rötliche Wunden sichtbar, doch anstatt sich zu wehren, stöhnte die junge Frau verlangend auf und bog sich ihm entgegen. Der Mann – augenscheinlich der Dunkelgraf – grinste und schlug seine Hände grob in das willige Fleisch, knetete die Brüste oder umspielte die harten Warzen mit der Zunge.
Celina schluckte. Alles in ihr schrie danach, sich abzuwenden. Es gehörte sich nicht, andere Leute beim intimen Akt zu beobachten. Doch ihr Körper war wie festgefroren, kein Muskel gehorchte, so sehr sie sich auch bemühte. Stattdessen breitete sich eine große Hitze in ihrem Schoß aus und ihre Klitoris begann hungrig zu pochen. Celina presste die Lippen zusammen. Wie war es möglich, dass ein solcher Anblick sie erregte? Ihr eigener Saft benetzte die Innenseite der Schenkel und sie unterdrückte nur knapp den Impuls, ihr Kleid ein wenig höher zu schieben.
»Gefällt dir, was du siehst?« Sophias Stimme ließ Celina zusammenfahren. Ihre Gegenwart hatte sie vollkommen verdrängt, ebenso wie ihre Überraschung, dass sie dieser Anblick nicht zu stören schien. Celina nickte kaum merklich und ihre Augen weiteten sich, als der Graf seiner Gespielin befahl, die Beine zu spreizen. Ohne Widerspruch gehorchte diese und gab Celina den Blick auf ihr Lustzentrum frei. Jenes war deutlich angeschwollen und glich einer blühenden Rose. Ihr Saft lief an den Schamlippen herunter.