Читать книгу Nur eine Petitesse - Anja Gust - Страница 10

Eine geniale Idee

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In der Ferne grollte der Donner. Eddis Lunge brannte. Trotzdem quälte er sich weiter die Via Dimlej entlang in Richtung Lej da Staz. Längst war es ihm zum Bedürfnis geworden, seinen Astralkörper regelmäßig zu stählen, denn er musste fit bleiben. Zu vieles hing davon ab. Nicht auszudenken, er würde Straffheit und Esprit verlieren. Das war sein Kapital. Schon deshalb konnte er sich trotz seiner Zugehörigkeit zur ‚Wählscheibengeneration‘ nicht schonen.

Natürlich verband er dieses Training mit einer regelmäßigen Show, wobei er einen möglichst großen Effekt anstrebte. Das begann schon mit seinem knallgelben Joggingdress und den dunkelblauen Pantalons, die seine Figur ganz besonders betonten. Verbunden mit seinem weißen Stirnband und den albernen Wadenschonern erinnerte er damit zwar an einen Papagei. Aber genau das beabsichtigte er.

Spätestens wenn er locker tänzelnd in das Parkrondell einschwenkte und mit gespreizten Beinen seine Dehnübungen vollführte – besonders gern in Gegenwart weiblicher Passanten – wuchs er über sich hinaus. Dann pumpte er mit eingezogenem Bauch wie ein testosteronstrotzender Superathlet und hätte selbst einen Mitch Buchannon von Baywatch, alias David Hasselhoff, locker ausgestochen.

Zu seinem Bedauern musste diese Show heute jedoch ausfallen. Aufgrund des nahenden Unwetters waren die Straßen wie leer gefegt. Ununterbrochen wälzten sich neue Wolkenwände heran und verdunkelten den Himmel, während er unter mächtigen Rotbuchen hindurchlief.

Eddi hatte gerade den städtischen Park durchquert und nahm den Weg zum Grydasee, als ein greller Blitz die Wolken durchzuckte. Vereinzelte Schreie fliegender Räuber, die demnächst in den Bäumen, an schroffen Abhängen oder zerklüfteten Felshängen Schutz suchen würden, zerschnitten die Luft.

Jeder vernünftige Mensch wäre jetzt umgekehrt. Nicht aber ein Mann wie Eddi Corleone. Selbst wenn sich jetzt eine Erdspalte vor ihm aufgetan hätte, brächte ihn das nicht davon ab. Schließlich war er so etwas wie ein ‚Steher‘ und das in jeder Beziehung.

Jetzt hatte er einen Abschnitt erreicht, zu dessen linker Seite eine Steilwand aufragte, bedrückend und mächtig. Mit federndem Schritt und Rasierklingen unter den Armen steuerte er sie an.

Aufgrund der nachfolgenden Geröllstrecke verlor er jedoch bald an Tempo und kam aus dem Rhythmus. Das war für seine momentane Lage symptomatisch. Aber der Rauswurf aus dem Kempinski glich einem Fluch. Niemals zuvor empfand er eine solch beklemmende Endgültigkeit. Ganz zu schweigen von der nunmehr drohenden Finanznot, woran er noch gar nicht denken mochte.

„Dannazione, cazzo4!“, schimpfte er, einen Fluch, den er auf Deutsch auszusprechen stets vermied. Wieso musste ihm der Lapsus bei dieser Ziege passieren? Bisher hatte der Trick immer funktioniert. Wurde er langsam alt? Doch sein aufglimmender wilder Zorn wurde sogleich von Weinerlichkeit erstickt.

Wie sollte es bloß weitergehen? Ohne weitere Qualifikation würde er gnadenlos auf der Strecke bleiben. Seine Talente beschränkten sich im Wesentlichen auf Keckheit und weltmännisches Auftreten. Gepaart mit dem Gespür für den rechten Augenblick und ein paar passenden Worten verstand er, sich bisher immer gut zu verkaufen. Mehr hatte er leider nicht drauf.

Dabei hatte sein Werdegang durchaus verheißungsvoll begonnen. Nach seinem Schulabschluss und einer Lehre als Verkäufer für Skiausrüstungen waren ihm das lange Stehen und die ermüdenden Kundenfragen bald zu anstrengend. (Noch heute wurde ihm übel, dachte er an den musikbeschallten und nach Reinigungsmittel stinkenden Laden zurück). Folglich schmiss er bald hin. Er fühlte sich zu Höherem berufen und war überzeugt, eines Tages noch zu Potte zu kommen.

Und in der Tat – nach einigen unsteten Jahren, in denen er sich durchs Leben schlängelte, entdeckte er ein Geschäftsmodell, das seinen Talenten entgegenkam. Der Kern bestand darin, durch entsprechendes Auftreten, verbunden mit dem nötigen Charisma und einer Portion Skrupellosigkeit, Geschäftsabschlüsse zu erzwingen, die vorrangig den Vorteil seines Auftraggebers bedienten.

Nachdem er über kurz oder lang einige Klienten maßlos übertölpelt hatte und diese ihn vor Gericht bringen wollten, zog er sich aus diesem Geschäft zurück und wechselte in die Rotlicht- und Türsteherszene. Allerdings brach man ihm schon bald darauf nach einer Meinungsverschiedenheit die Nase, sodass er dort ebenfalls das Handtuch schmiss. In der weiteren Folge fokussierte er sich auf das Hotelgewerbe.

Hier fand er wiederum, unter Ausspielung seiner Talente und von seinem Bruder lanciert, schnellen Zugang und konnte als inoffizieller Begleiter gut betuchter Gäste einen halbwegs ordentlichen Schnitt machen. Zu seinem Ärger war es damit aber jetzt auch wieder vorbei. Wenn sich nicht bald Neues fände, könnte er sich den Strick nehmen. Kein Wunder, dass er seine Sorgen zunehmend in Alkohol ertränkte.

Von Stütze konnte er weder leben noch sterben. Anderweitige Hilfe hatte er nicht zu erwarten. Seine alte Mutter lebte von einer kärglichen Rente und sein Bruder Francesco wurde von seiner desolaten Beziehungskiste erdrückt. Dabei war noch unklar, ob die beiden rothaarigen Rabauken wirklich von ihm stammten. Weder er noch seine Gefährtin (oder besser Gespielin) verfügten über eine solche Eigenschaft. Dass dieses Weibsbild nicht das Schwarze unter dem Nagel taugte, stand außer Frage. Alle Welt wusste das, nur Francesco nicht oder wollte es nicht wissen. Aber ehrlich gesagt, gönnte er ihm diesen Drachen und konnte nicht genug von irgendwelchen Hiobsbotschaften bekommen. Das half ihm für Momente über sein eigenes Elend hinweg.

Aber selbst das vermochte ihn jetzt nicht mehr zu trösten. Was würde jetzt aus ihm werden? Darüber war er ständig am Grübeln. Und was ging ihm nicht alles durch den Kopf: Angefangen von einer möglichen Bewerbung als Beratungsassistent über Schnorren am Bahnhof bis hin zu möglichen Diensten als ‚Gay‘, obwohl er längst aus der Rolle herausgewachsen war. Es schien wie verhext. Nicht einmal auf seinen Instinkt war Verlass. Wütend drosch er gegen einen Laternenmast, der daraufhin bis in die Spitze vibrierte. Hätte ihn jetzt jemand schief angesehen – er hätte ihm sofort die Fresse poliert.

Anscheinend hatte sich alles gegen ihn verschworen, selbst das Wetter. Die Wolken zogen sich weiter zu und das Gewitter schien zum Entladen bereit. Erste große Buchen ächzten im Wind. Der Sandboden zwischen den folgenden Tannen war mit einem Teppich aus rotbraun gebogenen Nadeln bedeckt und dämpfte seine Tritte. Der modrige Geruch des Waldes erfüllte die feuchte Luft. Ab und an versetzte Eddi den am Boden liegenden Zapfen im Vorbeilaufen Fußtritte. Jetzt grollte es schon direkt über ihm. Hastig zog er seine Wasserflasche aus dem Gürtel und nahm einen Schluck, ohne den Lauf zu unterbrechen.

Der Wind wirbelte Laubblätter vor sich her. Ängstlich sah Eddi zu den Bergen hinauf. Die Gipfel verschwanden in einer grau-schwarzen Wolkenwand. Wenig später zuckte ein erster Blitz, gefolgt von grollendem Donner.

Sekunden später prasselte erster Regen nieder und durchnässte ihn bis auf die Haut. Sein Speichel schmeckte nach Blut, das Herz stach unter dem Brustbein. Doch er stemmte sich eisern gegen den Wind. Noch ein kleines Stück. Er biss die Zähne zusammen und hastete weiter. Das Bodengeröll ließ ihn stolpern. Laufen, weiterlaufen, immer vorwärts, nur nicht stehen bleiben. Bald würde das Ziel erreicht sein.

Rinnsale schossen inzwischen durch tiefe Pfade. Sämtliche Umrisse des Weges lösten sich auf. Die Umgebung verschwand hinter einer bleigrauen Regenwand. Der Boden wurde von Schritt zu Schritt weicher, aber Eddi gab nicht auf.

Plötzlich packte etwas wie aus dem Nichts seinen Fuß und riss ihn den Hang hinab. Machtlos schlitterte er über das Geröll und rutschte mehrere Meter die Schräglage hinunter. Seine Flüche verhallten ungehört. Niemals zuvor hatte er ein solches Seitenstechen verspürt. Es war, als stecke eine Heugabel zwischen den Rippen.

Mühsam quälte er sich wieder hinauf und setzte seinen Lauf fort. Keine hundert Meter und er hatte das Ziel erreicht. Die alte Birke am Wegesrand markierte das Ende der Strecke. Vornübergebeugt blieb er stehen und stützte keuchend die Hände auf die Knie. Wasser lief ihm in den Nacken. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals und seine Klamotten waren voller Dreck. Doch er war zufrieden. Er hatte nicht aufgegeben.

Langsam richtete er sich auf und setzte seinen Weg im Schritt fort. Nun war es nicht mehr weit. Als er kurze Zeit später den Stadtpark erreichte und in der Via Mezdi einbog, erregte ein Schaukasten seine Aufmerksamkeit. Er trat näher heran.

Laut Aushang beabsichtigte ein Maître de Cuisine namens Alfredo Hochstetter am letzten Freitagabend des Monats im Badrutt’s seinen neuen kulinarischen Marathon zu servieren. Spargel en papillote mit zartem Lammrücken. Anbei Pfifferlinge auf erlesenem Trüffelschaum. Das Ganze abgerundet durch einen 2016er Sauvignon Blanc und andere Delikatessen. Und, und, und …

„Ja, ist das die Möglichkeit?“, rief Eddi aus und bekam den Mund nicht mehr zu. Das war doch nicht etwa ‚Knolle‘ Hochstetter, die alte Flitzpiepe aus Jugendtagen? Nach seinen letzten Informationen war er im Kanton Freiburg abgetaucht und hatte nie wieder etwas von sich hören lassen. Und jetzt Michelin-Sternekoch? Wie ging das zusammen?

Einst waren sie gute Bekannte (Freunde wäre zu viel gesagt), denn Alfredo war in seinen Augen eine Schwuchtel und das konnte Eddi nicht leiden. Sie stammten aus dem gleichen Ort und kannten dort so manche Pappnase. Als der gelernte Koch auf der Suche nach einer Anstellung war, hatte ihm Eddi einen Tipp zu einem renommierten Hotel gegeben, wo eine Stelle als Koch frei geworden war. Dem vorherigen Küchenchef – ein Franzose namens Gaston – hatte man wegen Unzuverlässigkeit fristlos gekündigt.

Nach der Freistellung ging es mit diesem Gaston steil bergab. Zum Schluss hatte seine ganze Habe aus einem alten Mantel, einer wertlosen Uhr und einem aufwendig gearbeiteten Nesmuk Messer Besteck bestanden, an dem er sehr hing. Obwohl ihm von mehreren Seiten lukrative Kaufangebote unterbreitet wurden, wollte er sich davon nicht trennen. Alfredo hatte Eddi davon erzählt und seine Verwunderung darüber geäußert.

Da sich Knolle als sein Nachfolger dem Franzosen gegenüber verpflichtet fühlte, waren sie nach dessen Rauswurf miteinander verbunden geblieben. Aufgrund seiner Trunksucht hatte Gaston mehr und mehr die Kontrolle über sich verloren, sodass Alfredo die kostbaren Messer aus Furcht vor Verlust in Verwahrung nahm. Die Folge waren bald eigene Begehrlichkeiten.

Wiederholt erwähnte er überaus lobend die Schärfe der Klingen und dass man damit äußerst präzise filetiere. Mit einem solchen Besteck, meinte er, könnte man die besten Menüs zaubern. Angeblich habe Gaston versprochen, es ihm später zu vererben.

Wenig später kam der Franzose bei einem Verkehrsunfall unerwartet zu Tode. Alfredo wusste, dass er das Besteck unweigerlich verlieren würde, da das Hotel eine nachträgliche Geldforderung für etwaige Außenstände an den Verstorbenen erhoben hatte und somit einen Rechtsanspruch auf dessen Nachlass begründete.

Das sah er aber partout nicht ein. Sofort berief er sich auf die mündliche Zusicherung des Verstorbenen, ihn als Erben zu bestimmen. Es kam zu einem Rechtsstreit, in dessen Folge er einen Zeugen brauchte. Da sprang ihm Eddi bei, allein schon, um den Kläger zu ärgern. Im Brustton der Überzeugung beeidete er, jenes Versprechen zu kennen, mit der Folge, dass Alfredo die Messer behalten durfte. Zwar zog er sich dadurch den Zorn seines Arbeitgebers zu und verlor seine Anstellung, aber, wie man jetzt sah, zu seinem Vorteil. Eddi war davon überzeugt, dass es Alfredo ohne seine Hilfe niemals so weit gebracht hätte.

Was lag also näher, als ihn jetzt daran zu erinnern. Immerhin hatte er für ihn einen Meineid geleistet und das belastete seine Seele. Jedoch war die Vorstellung, auf diese Weise ein paar Fränkli in seine klamme Kasse zu bekommen, zu verlockend. Und siehe, schlagartig ging es ihm besser.

Zunächst einmal musste er zu Hause duschen und sich umziehen, um die Sache dann in Ruhe anzugehen. Aber was hieß schon ‚zu Hause‘. Jene spartanische Dachkammer in einem heruntergekommenen Haus in der Via Val Roseg von der Größe eines Schrankes konnte man kaum so nennen. Obwohl er sich tief im Mietrückstand befand, war er bisher nicht hinausgeflogen, weil diese Bude momentan unmöglich anderweitig zu vermieten war.

Schnell huschte er am Erdgeschoss vorbei, um seiner Wirtin, der alten Luise Bratfisch, nicht zu begegnen, die irgendwie immer auf ihn lauerte. Er hasste das dicke Weib mit dem aufgedunsenen Gesicht und der riesigen Oberweite. Dieser vor Bosheit dumme und skrupellose Blutsauger mit selbstgefärbtem Haar ließ keine Gelegenheit aus, ihn zu beschimpfen und zu beleidigen, weshalb er jedes Zusammentreffen tunlichst mied.

Nachdem Eddi es geschafft hatte und sich gerade seiner nassen Klamotten entledigte, hörte er sie schon von unten keifen: „Herr Corleone? Sind Sie es?“

Hartnäckig verweigerte er jede Antwort. Sekunden später hämmerte es gegen die Tür. „Ich weiß, dass Sie da sind! Öffnen Sie!“

„Ich bin nackt!“, antwortete er genervt.

„Dann ziehen Sie sich gefälligst was an!“

„Ich denke nicht daran!“

„Dann hole ich die Polizei!“, drohte sie unverhohlen.

„Ist Ihnen mein Pimmel so viel wert?“

„Jetzt werden Sie mal nicht frech!“

Was blieb ihm, als zu öffnen. Wutschnaubend stürmte dieser Drachen herein und maß ihn von oben bis unten. „Ich denke, Sie sind nackt!“, krakeelte sie.

„Hab’ mir was übergeworfen.“

„So schnell?“

„Bin eben Sportler.“

„Sie und Sportler! Ein Betrüger sind Sie!“ Schnaufend zeterte sie im besten Schweizerdeutsch: „Und? Haben Sie mir nichts zu sagen?“

„Machen Sie nicht so ein Geschrei“, sagte Eddi, sie genüsslich nachäffend, „Sie kriegen Ihr Geld!“

„Wenn Sie so weitermachen, werde ich …!“

„Ist ja gut. Ist ja gut.“ Eddi winkte ab, rubbelte sich das Haar trocken und schmiss das Handtuch achtlos aufs Bett. Danach steckte er sich eine Fluppe an.

Wieder spulte sie sich auf: „Das geht alles in die Vorhänge!“

„Sie haben mir nichts zu sagen!“, erwiderte er und hauchte ihr den Rauch entgegen.

Frau Bratfisch wurde puterrot: „Das ist ein ordentliches Haus, in dem anständige Leute wohnen! Und schreiben Sie sich ein für alle Mal hinter die Ohren: Hier habe ich das Sagen. Und außerdem …“

Entnervt starrte er aus dem Fenster. „Und außerdem habe ich im Moment keine Zeit.“

„Mein lieber Herr Corleone. Ich dulde keine Sekunde länger …“, echauffierte sie sich erneut.

„Okay. Okay. Morgen ist Zahltag, versprochen“, beruhigte er sie wieder.

„Und woher wollen Sie das Geld nehmen?“, fragte sie gehässig und wedelte angewidert den Dunst beiseite.

Nach einer kleinen Kunstpause erklärte er ihr mit trockener Selbstverständlichkeit, ein neues Arrangement bekommen zu haben.

„Arrangement? Dass ich nicht lache“, höhnte die alte Dame mit einem spöttischen und aufreizenden Grinsen.

„Sie werden es nicht glauben, aber dort schätzt man Leute wie mich.“

„Sie machen wohl Witze!“

„Keineswegs. Ich werde Sie bald auszahlen und dann von hier verschwinden“, verkündete er vollmundig. „Dann können Sie zusehen, wem Sie dieses Loch vermieten! Es ist ohnehin eine Zumutung, dafür monatlich hundert Franken zu nehmen!“

„Werden Sie nicht unverschämt! Seitdem Sie in meinem Haus wohnen, habe ich nichts als Ärger. Die Frau Wächter von unten beschwert sich laufend über Lärm. Und der Herr Kugler von rechts ist empört über Ihre ständigen Damenbesuche. Was mich betrifft, habe ich längst die Nase voll. Ich erinnere nur an den letzten Polizeieinsatz mit der beschädigten Tür. Ich gebe Ihnen eine letzte Frist von vierundzwanzig Stunden! Sind Sie darüber hinaus weiterhin im Rückstand, lasse ich die Wohnung räumen! Mein letztes Wort!“

„Von mir aus. Nur vergessen Sie nicht zu sagen, dass Sie seit Jahren in der Bruchbude nichts gemacht haben, trotz meiner Beschwerden!“ Zornig verwies er auf das zugige Fenster und den tropfenden Wasserhahn.

„Sie können froh sein, wenn Sie überhaupt noch eine Wohnung finden“, schoss die Bratfisch zurück. „Ich werde den Vermieterverein warnen, Sie Mietnomade! Verlassen Sie sich darauf!“

„Sonst noch was?“ Gelassen steckte er die Kippe in eine abgestandene Kaffeetasse.

„Sie sind ein Nagel an meinem Sarg! Vierundzwanzig Stunden und keine Sekunde länger!“, keifte sie und verschwand.

Kaum war sie weg, konzentrierte er sich auf sein Vorhaben. Es war ein besonderer Tag. Alles war wichtig. Flink föhnte er sein Haar, sprühte Conditioner drüber und tätschelte sich ein wenig Aftershave auf die Wangen. Wenig später machte er sich auf den Weg. Er wusste inzwischen genau, wo er seinen alten Kumpel abfangen konnte und wie die Sache anzugehen war.

Da ihm klar war, dass er zum Badrutt’s keinen Zutritt bekäme, blieb ihm nichts, als sich möglichst gedeckt auf einer gegenüber dem Haupteingang befindlichen Bank zu platzieren. Von dort aus war der ganze Frontbereich des Hotels einzusehen. Gott sei Dank hatte sich die Gewitterfront verzogen, aber als Rumpelstilzchen im Regencape hätte Eddi eine schlechte Figur gemacht. Geduldig wartete er und verfolgte das Treiben vor dem beleuchteten Eingangsbereich.

Ständig fuhren irgendwelche Limousinen vor, denen elegant gekleidete Gäste entstiegen. Der Portier verneigte sich artig und bezog sein Trinkgeld. Dabei gaben sich die meisten Damen affektiert. Nicht nur die Gesten, selbst die Blicke wirkten einstudiert. Offenbar schien es beim Renommieren keine Grenzen zu geben.

Und obwohl Eddi jenes ‚Who is Who‘ albern fand, war diese Glitzerwelt ohne dem nicht denkbar. Genau genommen war es Voraussetzung für diesen ganzen ‚Zirkus‘, – entsprechend ausgetragen – dann sogar einen eigenen Reiz entwickelte. Letztlich war jeder Lackaffe stets nur Opfer eigenen Dünkels.

Die Zeit verging, ohne dass Nennenswertes geschah, bis auf einen streunenden Hund, der an der Bank sein Bein hob. Empört jagte ihn Eddi davon.

Kurz vor Mitternacht verließen die ersten Gäste das Haus. Bald bildeten die edlen Karossen eine richtige Schlange. Und ebenso hochmütig, wie die Gäste gekommen waren, fuhren sie wieder davon. ‚Voll im Bauch und leer in der Birne‘, dachte er bei sich und spie grimmig aus.

Es mochte eine weitere Stunde vergangen sein, bis die letzten Besucher das Haus verließen. Blieb nur zu hoffen, dass Alfredo den richtigen Ausgang nahm und nicht durch irgendeine Hintertür verschwand. Zuvor hatte Eddi aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass der Maître keinesfalls dort übernachten würde.

Da weiterhin nichts geschah, wurde er unruhig. Sollte sein Informant gelogen haben? Zu guter Letzt fasste er sich ein Herz und begab sich ins Foyer. An der Rezeption erkundigte sich Eddi nach dem Maître Hochstetter. Der Bedienstete, ein junger, arroganter Schnösel, beäugte ihn abschätzig mit der stummen Frage auf den Lippen: ‚Wer hat dich denn eingelassen?‘

Augenblicklich legte Eddi nach und präzisierte, ein persönlicher Freund zu sein und in einer privaten Angelegenheit zu kommen.

„Tut mir leid. Darüber darf ich Ihnen keine Auskunft geben, Herr Corleone“, fertigte ihn dieser Milchbubi kalt lächelnd ab.

„Kennen wir uns?“

„Wie sollten wir nicht? Sie sind doch hier stadtbekannt.“ Geringschätzig sah ihn der Rezeptionist an. In der Tat verstand er sich auf das Beleidigen. Eddi fühlte sich versucht, ihn am Revers über den Tresen zu ziehen. Am liebsten hätte er ihm eine Erdnuss in die Nase gestopft. Leider erschien gerade in diesem Moment irgend so ein glatzköpfiger Bullenbeißer mit Knopf im Ohr und forderte ihn unmissverständlich auf, das Haus zu verlassen, anderenfalls …

„Was anderenfalls?“, fuhr ihn Eddi an. Kaum ausgesprochen, packte ihn das Muskelpaket am Schlafittchen und beförderte ihn nach draußen. Ein kräftiger Stoß, kombiniert mit einem wuchtigen Tritt in den Hintern, beschloss die Aktion und ließ den Ärmsten kopfüber neben der Tür in eine Rabatte stürzen.

Angewidert wischte sich das Schwergewicht die Hände an einem Lappen ab, als hätte er einen Eimer Jauche entsorgt. Eddi war am Ende. Er fühlte sich am Boden zerstört. Konnte es eine schlimmere Demütigung geben?

Er stützte sich gerade auf einen Mauersims, als ihn unverhofft eine vertraute Stimme von der Seite ansprach. „Eddi? Eddi Corleone? Ich werde verrückt! Mensch, was machst du denn hier?“

Erschrocken wandte sich der Angesprochene um und erblickte niemand anderen als seinen alten Kumpel Knolle, Alfredo Hochstetter. Er war aus einer Seitentür gekommen und hatte die ganze widerwärtige Szene mit angesehen.

Eddi glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Obwohl seit ihrer letzten Begegnung gute zehn Jahre vergangen waren, hatte sich Alfredo nur wenig verändert. Er war von der gleichen trägen Behäbigkeit, die ihn unkompliziert und liebenswürdig machte. So grinste er viel und wirkte dabei drollig wie ein unbedarfter Knabe. Nur sein Haar war mittlerweile leicht ergraut und kurz geschoren, weshalb sein ohnehin rundliches Gesicht noch voller wirkte.

„Du wirst es nicht glauben: Ich habe auf dich gewartet. Und das ist dabei herausgekommen“, erklärte Eddi zur Verwunderung seines Gegenübers.

„Du auf mich? Wieso?“ Alfredos Gesicht war eine einzige Frage.

„Es war ja nicht zu überlesen, dass sich der Maître heute Abend die Ehre gibt“, erklärte er in gekünstelter Ehrfurcht.

„Ach so, ja. Hehe!“ Alfredo lachte verschämt. „Und warum wartest du hier draußen? Du hättest reinkommen können.“

„Das wollte ich ja. Aber der Teufel steckt im Detail“, scherzte der Geschundene und hielt ihm, wie zum Beweis, die geröteten Handflächen entgegen.

„Wie ich sehe, bist du immer noch der Alte“, kicherte Alfredo.

„Was man von dir nicht sagen kann. Vom Tellerwäscher zum Maître de Cuisine! Wenn mir das früher jemand prophezeit hätte … Apropos, damals … Ich dachte, du bist in der Nähe von Bulle abgestiegen?“

Sogleich erzählte ihm Alfredo seine Odyssee: Nach seinem Fortgang aus dem Engadin war er zunächst durch mehrere Orte getingelt. Zu guter Letzt hatte er in der Four Seasons Hotelkette eine Anstellung als Abwäscher gefunden. Danach durchlief er einige Qualifikationen und hatte es bald darauf in die höhere Etage geschafft. Als es ihm zudem gelungen war, die Presse auf seine Seite zu ziehen und ein paar positive Resonanzen zu ergattern, lief der Rest wie geschmiert. „Weißt du, man muss nicht unbedingt gut sein. Es genügt, wenn man für gut gehalten wird. Und dafür gibt es die Presse, hahaha. Man muss nur an den richtigen Stellen den Mund aufmachen und ihn an den falschen halten, dann wird man weiterempfohlen. Und hat man erst mal eine gewisse Lobby, läuft der Rest wie von selbst. So funktioniert das.“

„Na, dann weiß ich ja, was ich die ganzen Jahre falsch gemacht habe“, beklagte sich Eddi. „Mich hat bisher noch niemand weiterempfohlen. Muss wohl an meiner Nase liegen, hehehe.“

„Kopf hoch, alter Knabe. Nimm’s nicht so schwer. Hier! Möchtest du probieren?“, fragte Alfredo und hielt ihm ein Bonbon hin. „Eigene Kreation.“

„Ich bitte dich.“

„Nun nimm schon.“

Nach einigem Zögern wickelte Eddi das Bonbon aus, kaute ein wenig darauf herum und sah Alfredo erstaunt an.

„Eine Wucht, was?“, strahlte der ihn an.

Eddi mimte Sachkunde, indem er langsam lutschend die Augen schloss und mit wiegendem Kopf urteilte: „Ja, das könnte was werden.“

„Ist es längst“, orakelte sein alter Freund mit geheimnisvollem Grinsen. „Und ich gedenke, damit demnächst den Markt zu erobern. Erste Gespräche mit Nestlé laufen bereits.“

„Mit Nest…“ Eddi verschluckte sich.

„Was ist? Ist dir nicht gut? Du siehst so blass aus?“

„Nein. Es könnte mir nicht besser gehen (‚verdammter Idiot‘ verkniff er sich). Bestimmt liegt’s am Bonbon“, scherzte Eddi und hielt kurz inne. Dann setzte er gedankenverloren hinzu: „Und wenn man bedenkt, dass alles seinen Anfang mit diesem Besteck nahm.“

„Besteck?“ Alfredo guckte ihn fragend an: „Welches Besteck?“

„Na, die Messer von deinem Freund, dem Franzosen. Wie hieß er gleich? Ach ja, Gaston!“

„Ach, das! Ja, das hat mir Glück gebracht“, wich er verschämt aus.

„Das freut mich. Da hat sich mein Einsatz wenigstens gelohnt.“

„Und wie ist es dir so ergangen?“, erkundigte sich Alfredo, dem das Thema sichtlich unangenehm war. „Wie ich sehe, nicht besonders“, nahm er die Antwort gleich vorweg.

„Ach was! Das täuscht“, winkte Eddi ab. „Es lag nur an den falschen Arrangements. Außerdem fehlte mir die Lobby, wie du so schön sagst.“

„Was hast du für Pläne?“, fragte Alfredo, der längst ahnte, dass sein alter Freund im Schlamassel saß.

„Welche Pläne?“

„Du hattest doch immer welche. Sollte sich das geändert haben?“

„Ach so. Ja, natürlich, hahaha … Nicht der Rede wert. Ich bin hergekommen, um dich zu sehen.“

„Wirklich?“, bezweifelte Alfredo und musterte ihn eingehend. „Sag, wenn ich dir helfen kann. Für einen alten Freund tue ich es gern.“

„Nein danke“, lehnte Eddi ab. „Sonst denkst du am Ende noch, ich sei nur deswegen gekommen.“

„Unsinn. Dafür kenne ich dich zu gut“, schmeichelte er und beschämte ihn gleichermaßen. „Komm, ich fahre dich nach Hause. In diesem Zustand kannst du unmöglich zu Fuß gehen. Mein Wagen steht um die Ecke.“

Zunächst zierte Eddi sich. Doch wenig später ließ er sich darauf ein. Zu seiner Verwunderung handelte es sich bei diesem Auto um einen exklusiven pinkfarbenen Maserati von enormem Wert. Während ihn Alfredo nach Hause fuhr, musste Eddi zu seiner Schande gestehen, noch nie in einer solchen Karosse gesessen zu haben. Das ließ auf einiges schließen.

Natürlich lehnte er Alfredos Hilfsangebot von hundert Franken ab. „Was soll das?“, raunzte er ihn an und tat, wer weiß wie, beleidigt. Kurze Zeit später waren sie in der Via Val Roseg angelangt. Nachdem Eddi ausgestiegen war, zündete er sich umständlich eine Zigarette an und wartete, bis Knolle verschwunden war. Er wollte nicht, dass er ihm ins Haus folgte.

Am nächsten Morgen sah er die Sache nüchterner und ärgerte sich, das Geld nicht genommen zu haben. „Mama Mia! Hundert Franken! Wie kannst du nur so bescheuert sein“, schalt er sich und hätte am liebsten in den Spiegel geschlagen. Freilich hätte er nie gedacht, dass es dieser pummelige Trottel so weit bringen würde. Doch für Neid war kein Platz. Von nun an galt es, Kasse zu machen. Und prompt hatte er eine Idee. Er nahm Alfredos Visitenkarte zur Hand und eruierte dessen Adresse. Wie nicht anders zu erwarten, befand sich der Wohnsitz in einer Schickimicki-Zeile, was seine Entschlossenheit ins Unermessliche steigerte.

Kurzerhand machte er sich zu Fuß auf den Weg. Als er sein Ziel erreicht hatte, schlich er erst einmal um das Wohnhaus. Dabei handelte es sich um ein mehrgeschossiges Gebäude, das ausschließlich Nobelsuiten beherbergte. Ein vergoldetes Klingeltableau wies allerhand hochtrabende Namen und Titel auf, von denen höchstens die Hälfte stimmte. Aber das gehörte zum guten Ton. Nur Idioten nannten ihren tatsächlichen Namen. Und Knolle gehörte dazu.

Neben dem Haus befand sich die Zufahrt zur Tiefgarage, deren Ausfahrt mit einer Lichtschranke gesichert war. Flink huschte Eddi darunter hindurch und suchte fiebernd nach dem Maserati. Aufgrund seiner auffälligen Farbe hatte er ihn auch schnell gefunden.

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand in der Nähe war, klappte er sein Taschenmesser auf und stach kaltblütig alle vier Reifen platt. Zügig verließ er die Garage wieder, begab sich in eine Nebenstraße und rief per Handy seinen Freund an.

Nach kurzem Klingeln nahm Alfredo ab. Eddi entschuldigte sich für die frühe Störung und gab sich untröstlich, jedoch sähe er in seiner Not keine andere Möglichkeit. Er habe soeben den Bus zum Bahnhof verpasst und müsse dringend nach Chur. „Jetzt weiß ich nicht, wie ich dahin kommen soll. Könntest du mir nicht aus der Klemme helfen?“, setzte er bittend hinzu.

Alfredo war über dieses seltsame Anliegen verwundert. Trotzdem erbot er sich, ihn bis nach Chur zu fahren.

„Das kann ich unmöglich annehmen, es genügt eine kurze Fahrt zum Bahnhof“, zierte sich Eddi. „Die nächste Bahn geht in zwei Stunden.“

„Kein Problem. Sag, wo du bist und ich hole dich ab“, sicherte ihm Alfredo zu.

„Nicht nötig. Ich komme.“ Eddi wartete etwa zehn Minuten. Dann begab er sich zum Wohnhaus zurück. Hier erwartete ihn Alfredo bereits vor der Tür, der sich freute, den Freund so schnell wiederzusehen. Gemeinsam begaben sie sich in die Garage und steuerten den Maserati an. Doch wie groß war Alfredos Schreck, als er alle vier Räder platt vorfand. Mit ein paar deftigen Flüchen teilte Eddi dessen Bestürzung.

„Ich verstehe das nicht“, stammelte Alfredo, kniete nieder und begutachtete fassungslos den Schaden. „Gestern war alles noch in Ordnung.“

Auch Eddi betrachtete die Ungeheuerlichkeit genauer. „Oje, ich fürchte, du hast ein paar neue Freunde gefunden. Das geht in diesem Viertel schnell“, folgerte er besorgt und zog ein düsteres Gesicht.

„Wie meinst du das?“ Fragend sah Alfredo ihn an.

„Na so, wie ich es sagte. Sieh’ hier“, er verwies auf die eindeutig schräg geführten Einstiche. Dies deutet auf die Al Frezis hin. Ja, eindeutig: die Al Frezis!“

„Auf wen?“

„Oh Gott, warst du lange nicht mehr da. Na, die Al Frezi-Brüder“, wiederholte Eddi mit routinierter Selbstverständlichkeit. „Das ist eine marokkanische Gang, die in letzter Zeit in dieser Gegend ihr Unwesen treibt. Es sollte mich nicht wundern, wenn die es auf dich abgesehen haben.“

„Auf mich?“ Alfredo erblasste.

„Auf wen denn sonst. Du bist bekannt. Bei dir wittert man Kohle. Sollte mich nicht wundern, wenn bald eine Schutzgeldforderung auf dich zukommt. Früher hatte ich mit den Typen zu tun. Ich sage dir, die fackeln nicht lange. Einer von ihnen, ein gewisser Guiseppe, hat eine verkrüppelte Hand und kann keinen geraden Stich führen, verstehst du? Von daher die schrägen Einstiche. Keine Frage, das war Guiseppe.“

„Nein … Wie ist das ...“ Alfredo bekam den Mund nicht mehr zu. „Das ist eine Tragödie!“

„In gewisser Weise ja. Aber ich könnte dir helfen“, tröstete ihn Eddi.

Dann stieß Alfredo einen langen Seufzer aus und rieb sich den Nacken. „Sollte ich es nicht lieber der Polizei melden?“

„Um Gottes willen!“, intervenierte Eddi. „Die machen nichts! Im Gegenteil. Sie stellen nur dumme Fragen und heften es zu den Akten! Pass auf – ich regele das.“

„Wirklich? Du bist ein wahrer Freund.“ Alfredo war gerührt. Wiederholt umarmte und drückte er den alten Kumpel.

„Ich habe mit denen ohnehin noch eine Rechnung offen. Na, die können was erleben!“

In diesem Moment näherte sich ihnen eine aufgetakelte, mit Pelz und Schmuck behängte ‚Luxusjüngerin‘, die mit ihrem Chanel-Handtäschchen genau Eddis Beuteschema entsprach.

Als sie näher kam und er ihr Gesicht erkannte, erstarrte er jedoch. Handelte es sich um keine andere als seine alte Bekannte und Ex-Partnerin Lola Monré, von der er sich nach einem Streit getrennt hatte. Er kannte sie aus seiner Zeit im Rotlichtmilieu, wo sie einige Jahre gestrippt hatte und danach im Escort-Service tätig war. Das durfte doch nicht wahr sein! Eddi war schockiert. Natürlich wusste er, dass sie sich seit Längerem auf ältere Herren spezialisiert hatte – freilich ab einer gewissen Gehaltsgruppe. Dass es aber ausgerechnet Alfredo treffen würde, schlug dem Fass den Boden aus.

Auch sie blieb bei seinem Anblick schlagartig stehen. Man konnte förmlich sehen, wie ihr Atem stockte.

„Ah, Donnimaus. Da bist du ja, Liebling. Du kommst gerade recht!“, begrüßte Alfredo sie mit Wangenkuss. „Darf ich bekannt machen, Donatella Samproni aus Bergamo, Designerin bei Versace.

„Was du nicht sagst“, murmelte Eddi und maß sie mit abschätzigem Grinsen.

„Donatella, das ist Eddi Corleone aus Pontresina, ein alter Freund von mir.“ Alfredo verfolgte mit Unbehagen, wie dieser Donatellas Hand nahm und diese zärtlich küsste.

„Angenehm. Es ist sicherlich interessant, als Designerin bei Versace beschäftigt zu sein!“, stichelte Eddi süßlich und genoss ihr Zittern.

„Selbstverständlich“, erklärte Alfredo an ihrer Stelle und ging augenblicklich dazu über, seiner Freundin das Problem mit dem Maserati zu erörtern.

„Unglaublich“, empörte sich Donatella und schlug gekünstelt die Hand auf den Mund. Dann rang sie sich ein Lächeln ab, während sie Eddi mit den Blicken durchbohrte.

„Das kann man wohl laut sagen! Doch vertrauen Sie mir. Ich regele das“, versicherte Eddi selbstbewusst.

„Das würden Sie tun?“ Lola zeigte sich erleichtert.

„Gewiss. Für Ihren Mann und Sie jederzeit“, provozierte Eddi weiter und brachte sie damit zum Erröten.

„Ich rufe jetzt einen Service an, damit der Schaden behoben wird“, sagte Alfredo und zückte auf der Stelle sein Handy. Dann trat er beiseite, um in Ruhe telefonieren zu können. Eddi nutzte die Gelegenheit und zog Lola etwas näher. „Du erinnerst dich an unsere Abmachung? Ich sagte: Kein Alleingang!“, fuhr er sie sofort an.

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht!“, schnappte sie.

„Das wollen wir ja mal sehen.“ Er packte sie am Kragen und war kurz davor, ihr eine zu kleben.

Prompt schlug ihr sein leicht säuerlicher Geruch entgegen und sie hatte alle Mühe, die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken. Ihre Augen funkelten. „Ich mach, was ich will“, erwiderte sie und warf den Kopf in den Nacken.

„Wie viel schuldest du …?“

„Ich bitte dich!“, zischte sie und sah zu Boden.

„So gefällst du mir schon besser.“ Beim Sprechen hielt er seine Augen unverwandt auf sie gerichtet, was sie aus der Fassung brachte.

„Eddi, ich bitte dich, verrate mich nicht. Es soll dein Schaden nicht sein.“ Beschwichtigend ergriff sie kurz seine Hand.

Beide wussten um ihre Positionen und dass sie den jeweils anderen jederzeit auffliegen lassen konnten. Zu ihrem Entsetzen zeigte sich Eddi unentschlossen. „Wie stellst du dir das vor? Er ist mein Kumpel. Ich lasse doch nicht zu, dass jemand wie du …“ Er konnte den Satz nicht mehr beenden, da Alfredo wieder auf sie zutrat. Sichtlich erleichtert verkündete er, dass ein Service unterwegs wäre.

„Was ist? Habt ihr was?“, fragte er die beiden, die ihn schweigend empfingen.

„Nichts, was soll sein?“, meinte Lola und errötete. „Liebling, ich glaube, du solltest dich Herrn Corleone gegenüber für seine Mühen erkenntlich zeigen“, forderte sie Alfredo auf.

„Natürlich, natürlich“, stimmte er sofort zu und kramte fahrig seine Brieftasche heraus. Flugs entnahm er zwei Hunderter und wollte sie Eddi in die Hand drücken.

Doch zu seiner Verwunderung brüskierte er Alfredo mit der Frage, ob er ihn beleidigen wolle. Was er getan habe, geschah aus Freundschaft und so etwas bezahle man nicht! Und er würde auch auf anderen Wegen nach Chur kommen. Er gab sich jetzt derart schwer gekränkt, sodass Knolle alle Mühe hatte, den alten Freund wieder versöhnlich zu stimmen.

Damit schockierte er nicht nur Alfredo. Vor allem Lola verstand die Welt nicht mehr. Sie konnte sich aber denken, dass irgendein perfider Plan dahintersteckte, den sie nur noch nicht durchschaute. Dennoch ahnte sie bereits Schlimmes.

Nur eine Petitesse

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