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Der Pate

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Die untergehende Sonne über den Bergen des Diavolezza-Massivs in der Nähe Pontresinas verwandelte den Himmel in eine Feuersbrunst aus kupfernen Wolkenfetzen. Ihre schrägen Strahlen entzündeten die schneebedeckten Gipfel mit sprühenden Funken und verliehen ihnen einen absonderlichen Glanz. Der Wind hatte sich erhoben und rauschte durch eine Tannenschonung. Unverhofft traten zwei Hirsche aus der Deckung, hielten majestätisch inne und lauschten. Behutsam näherten sie sich einem Bachlauf, der sich wie ein silbern schimmerndes Band durch das Tal schlängelte und irgendwann in dunstiger Ferne verlor. Die Tiere senkten die Hälse und tranken.

„Möge das Wild unbesorgt äsen und der Atem Gottes über ihr Fell streichen“, flüsterte Baron von Billow ergriffen, der die malerische Szene von seiner Veranda aus beobachtete.

Sein Gast, der ehemalig hochdekorierte Kundschafter der Abteilung A XII der Hauptverwaltung für Aufklärung, Diethard Säuberling, ein stämmiger Mann mit blondem, schütterem Haar, hoher Stirn und auffallend stechenden Augen, stimmte ihm zu. Allerdings dachte er sich seinen Teil. Was blieb ihm auch anderes übrig, kannte er doch die Neigung dieses sentimental verschrobenen Aristokraten zu romantischen Anwandlungen, selbst wenn man sie ihm gar nicht zutraute.

Der Baron war eher klein, unscheinbar und hatte einen leichten Buckel. Sein Gesicht war recht gewöhnlich, drückte nichts weiter aus und wirkte gar etwas vertrottelt. Man hätte ihn glatt für einen beflissenen, mit Ärmelschonern und Mütze versehenen Postbeamten halten können, dessen schlechtsitzendes Gebiss für eine feuchte Aussprache sorgte. Schon deshalb war eine zu große Nähe nicht ratsam, besonders bei längeren Debatten. Er gab sich gelehrtenhaft zerstreut, wobei sein gewaltsam unterdrückter Hochmut immer wieder hervorbrach und ihn als das auszeichnete, was er war: ein pedantischer, gern in Allegorien schwadronierender Möchtegernschöngeist.

Natürlich pflegte er als Mäzen und Poet höchste Umgangsformen und schätzte Stil und Eleganz. Er las auch gern schwere Kost, vor allem Nietzsche und Schopenhauer. Sogar an Kant hatte er sich schon herangewagt, selbst wenn er kaum etwas davon verstand. Doch gerade das verlieh ihm noch mehr Würde. Kein Wunder, dass er Geschwätzigkeit verachtete und Geistreichelei liebte, selbst wenn er beides nicht immer zu trennen vermochte.

Allerdings tat man gut daran, ihn nicht darauf anzusprechen. Folglich verzichtete Säuberling vorerst darauf, dessen Seelenlabsal durch die Nichtigkeit seines Problems zu stören, auch wenn er eigens deswegen aus Mailand angereist war. Durch den entstehenden Eindruck der Beiläufigkeit beließ er den Baron bewusst im Glauben an dessen heile Welt mit einer nur ihm vorbehaltenen einzig gültigen Wahrheit. Und Billow dankte es ihm durch sein Wohlwollen, obwohl er den Grund des Besuches längst ahnte, oder genauer, fürchtete.

Doch statt endlich zur Sache zu kommen, wie es eigentlich zu erwarten war, zeigte der Hausherr keine Eile. Lieber führte er seinen Gast in bester Plaudermanier in das großzügige Kellergeschoss – einem im römischen Stil mit weißem Alabaster verkleideten Gewölbe, dessen Deckenbögen mit feinstem Berkovitza-Marmor überzogen waren. Die Wände bestachen durch sorgsame Stuckarbeiten. Hier befand sich die hauseigene Sauna.

Unter gedimmtem Licht aus gusseisernen, schwarzverschnörkelten Lampen an den Wänden entkleideten sich die beiden Herren. Lediglich mit einem um die Hüften geschlungenen Baumwolltuch platzierten sie sich bäuchlings auf zwei Liegen aus massivem Mahagoni mit Auflagen aus schneeweißem Byssus. Der Baron mochte Antikes und trank seinen Tee entsprechend aus einem silbernen Becher mit aus griechischen Mythologien entlehnten Ziselierungen.

Danach wies er eines der im Hintergrund wartenden, spärlich bekleideten Mädchen an, mit der Massage zu beginnen. Sichtlich genoss er die Geschmeidigkeit der flinken Hände, dieses Prickeln und Kribbeln, was seinen Kreislauf wieder in Schwung brachte, so dass er sich wonnevoll in den Arm biss. Augenblicklich fühlte er sich um zehn Jahre verjüngt und könnte glatt einen Ochsen niederringen, zumindest theoretisch.

Sein Gast tat es ihm gleich und ließ sich auf selbe Weise durchkneten. Jedoch schien er, im Gegensatz zu seinem Gastgeber, nicht so recht bei der Sache. Er blieb sehr nachdenklich und verspannt, weshalb seine Blockierungen einfach nicht zu lösen waren. Selbst als sein Mädchen zu weiteren Aktivitäten ansetzte und dazu langsam ihr Tuch von den Hüften löste und damit einen makellosen Körper entblößte, drückte er sie weg.

Das entging dem Hausherrn nicht und er begann sich nach Säuberlings Befinden zu erkundigen. Immerhin beliebte der Baron in seiner Großzügigkeit, jedem ankommenden Besucher allen nur denkbaren Luxus zu bieten, selbst erotischen. Schließlich war man hier unter sich, und die eigens dazu verpflichteten mandeläugigen Schönheiten aus Borneo verstanden sich vorzüglich auf weitere Künste. Dennoch beinhaltete die Atmosphäre etwas Beklemmendes, Unwirkliches. Hier wurde nicht gesprochen, nicht mal geflüstert. Man hatte nur zu gehorchen, vor allem aber zu funktionieren. Der Baron machte dem Mädchen ein Zeichen, worauf sie mit der Massage innehielt und eifrig Tee nachschenkte.

„Was haben Sie denn, Säuberling? Gefällt Ihnen die Kleine nicht?“, fragte er seinen Gast verwundert. Diesem blieb daraufhin nichts anderes, als mehr oder weniger herumzudrucksen, was den Hausherrn zur allgemeinen Überraschung ganz von selbst zum Thema führte.

„Und Sie meinen, der Vorfall könnte für uns unangenehm werden?“

„Nun ja, wenn Sie mich so fragen …“, erwiderte sein Gast und zog ein besorgtes Gesicht.

„Ich frage Sie so, also antworten Sie bitte auch so, Säuberling!“, fuhr ihn der Baron unerwartet scharf an.

„Wir haben ein Problem mit der Sicherheit!“, räumte dieser nach einigem Zögern ein.

„Das heißt, Sie haben die Schlüssel noch nicht gefunden?“, folgerte daraufhin der Baron.

„Leider nein. Dabei haben wir alle nur möglichen Varianten durchgespielt und bestimmt nichts ausgelassen. Ich versichere Ihnen, Herr Baron, in Erwägung aller Umstände hätte das gar nicht passieren dürfen. Das ist mir unbegreiflich!“

Es folgte ein längeres Schweigen. Dieses wurde nur von den in Leinöl getauchten Händen der beiden leichtfüßigen Masseusen unterbrochen, sobald das Gleichmaß ihrer Massage durch leichtes Klopfen zur Lockerung der Muskulatur in kreisende Bewegungen überging. Und wie bogen und wanden sie sich dabei mit ihren Körpern gleich einer eigens dafür entworfenen Choreografie. Da glitt schon mal eine unbedeckte Brust über eine Wange oder verlockte ein leichtes Lippenspiel am Ohr zur Sünde. Das beherrschten sie und vermochten dem alten Bock schon mal ein gelegentliches „Ah“ oder „Oh“ zu entlocken. Einmal bäumte er sich sogar auf, um gewisse sich im Schritt des Mädchens abzeichnende Details genauer zu betrachten (er war nämlich kurzsichtig). Danach sank er in lustvoller Verzückung mit dem Ausruf: ‚Che grazia meravigliosa‘1 wieder zurück und starrte selig lächelnd vor sich hin.

Säuberling hingegen blieb völlig unterkühlt, obgleich sich seine kaffeebraune Masseuse nicht weniger bemühte. Im Gegensatz zum Baron wusste er längst, wie kompliziert die Angelegenheit war und dass sich deren Tragweite noch gar nicht abschätzen ließ. Aber es lag wohl in der Natur der Sache, unangenehme Dinge zu verharmlosen, vor allem dann, wenn sie von besonderer Brisanz waren. Nun hätte er durchaus dabei bleiben und den Baron in seiner Hoffnung belassen können, zumal er selbst nicht der direkte Verursacher war. Doch schon aus persönlichen Gründen wollte er die Sache so schnell wie möglich bereinigen.

Freilich wäre der Verlust von fünf Schlüsseln durchaus zu kompensieren. Doch darin bestand nicht das Problem. Dieses ergab sich ganz einfach aus dem damit verbundenen Code, der im Fall seiner Dechiffrierung unüberschaubare Folgen für die Sicherheit des ganzen Syndikats bewirken könnte. So weit dachte Herr von Billow natürlich nicht. Dafür hatte er ja auch seine Leute.

Außerdem musste er nicht wissen, dass sich im Syndikat längst ein Maulwurf von der Konkurrenz tummelte. Nachdem dieser die Schlüssel an sich gebracht und in verschiedene Gartenzwerge versteckt hatte, um sie seinem Auftraggeber zukommen zu lassen, wurden sie ihm jedoch gestohlen und über eBay in mehrere Länder verkauft. So jedenfalls seine letzte Aussage kurz vor dessen Exekution.

„Ach, was reden Sie da“, winkte der Pate unwirsch ab und wies das Mädchen an, mit der Massage fortzufahren. „Ich sehe noch keine Veranlassung, den Code zu ändern und damit die ganze Software umschreiben zu lassen. Sie wissen wohl nicht, was das kostet, ganz zu schweigen von unserem Imageschaden! Sie entwickeln nur das Unwahrscheinlichste aller Szenarien. Ich für meine Person glaube jedenfalls nicht daran. Selbst wenn jemand diese Schlüssel durch Zufall fände, wüsste er damit kaum etwas anzufangen. Er würde sie also wegwerfen.“

„Da mögen Sie durchaus recht haben, Herr Baron“, wandte sein Gast in aller Bescheidenheit ein. „Und ganz bestimmt würde es auch so sein. Dennoch bleibt ein unverantwortliches Restrisiko, das wir unterbinden müssen. Daher schlage ich vor, dass wir in dieser Frage auf Nummer sicher gehen. Wir sollten unbedingt einen unserer Spezialisten darauf ansetzen.“

„Haben Sie denn einen?“

„Durchaus. Einen sehr geeigneten sogar.“

„Sie machen mich neugierig.“

„Wenn es nicht übertrieben klänge, würde ich jetzt sagen, ich habe ihn zu dem gemacht, was er jetzt ist!“

„Oho, das hört sich sehr vielversprechend an“, frohlockte von Billow und schlürfte genüsslich seinen Tee. „Und was wissen wir zum möglichen Versteck der Schlüssel?“

„Nach unbestätigten Angaben sollen sich diese in kleineren Fächern von Gartenzwergen befinden, die zur allgemeinen Gartendekoration dienen.“

„Gartenzwerge?“ Der Baron kicherte. Dann aber runzelte er nachdenklich die Stirn. „Das ist interessant.“ Sein Nicken und die anerkennende Handbewegung bekundeten darüber hinaus einen gewissen Respekt.

„Das kann man wohl sagen“, stimmte ihm Säuberling zu. „Wer kommt schon auf die Idee, ausgerechnet in solchen Figuren nach einem Schlüssel zu suchen.“

„Da haben Sie recht. Zweifellos niemand. Jedenfalls kein normaler Mensch“, setzte der Baron lachend hinzu und klapste dem Mädchen vergnügt auf den Hintern mit der Frage, wo sie den kleinen Zwerg wohl suchen würde. Natürlich verstand sie nicht oder wollte es nicht, sondern lächelte nur gleichmütig wie alle diese Mädchen, die ihre Reaktionen offenbar programmiert bekamen. Trotz allem entging dem Paten die Unsicherheit seines Gastes nicht und er begann zu ahnen, dass dies nur die halbe Wahrheit war. Er kannte diese Finessen und es ermüdete ihn, sie so schnell zu durchschauen, wie er überhaupt diesen ganzen Kerl längst durchschaut hatte.

Im Bestreben, darüber hinwegzutäuschen, kam Säuberling auch gleich wieder zur Sache. „Genau genommen benötigen wir nur einen einzigen Schlüssel. Dann kann der Code nicht geknackt werden“, erklärte er weiter. „Die sich dann ergebende Kombinationsvielfalt wäre so groß, dass kein Rechner der Welt sie mehr lösen könnte. Nach unseren Informationen sind die relevanten Figuren nach Polen gelangt. Dort soll ein größerer Posten von einem uns nur unter dem Vornamen ‚Volker‘ bekanntem Deutschen käuflich erworben und nach Schleswig-Holstein gebracht worden sein; genauer eingegrenzt wird der Raum Angeln bis ins Südholsteinische. Hier verliert sich die Spur.“

„Das ist doch schon mal was!“, bemerkte der Baron anerkennend und nahm einen weiteren Schluck von seinem Tee. „Jetzt haben Sie mich mit Ihrem Spezialisten neugierig gemacht. Sagen Sie, kenne ich ihn?“

„Nein. Er hatte noch nicht das Vergnügen, bei Ihnen vorstellig zu werden“, erklärte Säuberling daraufhin.

„Ist das jetzt ein Vorwurf?“ Der Baron zog verwundert die Brauen hoch.

„Mit Verlaub, keineswegs. Nur muss er sich erst noch ein paar Sporen verdienen. Ich bin zuversichtlich, dass er auf dem besten Wege dazu ist.“

„Mein lieber Freund! Wie Sie das sagen! Richtig herzlos, als hätten Sie gar kein Gefühl“, tadelte ihn der Hausherr mit fröhlichem Schmollen.

„Glauben Sie mir, Gefühle sind bei seiner Tätigkeit nur hinderlich. Wie Sie wissen, muss er Dinge tun, die ihm womöglich widerstreben. Ich kann Ihnen nur versichern, er wird alles veranlassen, was nötig ist.“

„Wie alt ist er?“

„Anfang dreißig.“

„Und wie viele hat er schon ‚geschafft‘?“

„Ein Dutzend, denke ich mal.“

„Sie nehmen die Angelegenheit persönlich, nicht wahr?“ Der Pate horchte auf.

„Ja, das tue ich.“

Den Baron verwunderte diese unerwartete Offenheit, welche ihn ahnen ließ, dass es damit noch mehr auf sich hatte. Er entließ das Mädchen mit einem Wink und zog sich wieder an. Sein Gast tat es ihm gleich. Danach stiegen sie die kunstvolle Wendeltreppe wieder hinauf und begaben sich in den Salon zurück, wo es wie im Café „Macarons“ in Paris nach Croissants und Jasmintee roch.

Der Hausherr hatte nebenbei ein Faible für frankophile Cuisine und war für seine lukullischen Genüsse bekannt. Als Künstler und Ästhet, wie er sich sah, vertrat er den Standpunkt, dass ein gepflegter Geist einer stilvollen Lebensart entsprang und umgekehrt. Er sah darin eine tiefe Dialektik, die am Ende zu einer inneren Vervollkommnung führte. Schon deshalb verabscheute er jede Form von Gewalt und empfand sogar eine tiefe Verachtung für all diejenigen, die derart emotionslos reagieren konnten.

Freilich äußerte er das nicht, wie er überhaupt vieles nicht sagte, worüber er insgeheim sinnierte, auch über seinen heutigen Gast. Aus seiner Sicht war dieser nichts weiter als ein Versager, der seinen Zenit überschritten hatte und schon längst hätte eliminiert werden sollen. Wenn es bisher noch nicht geschah, dann nicht aus Respekt oder gar Mitgefühl, sondern einzig aus Bequemlichkeit. Jetzt aber war die Entscheidung über dessen Schicksal gefallen.

Selbst wenn nach wie vor jener Zweckoptimismus galt, der einen guten Paten auszeichnete, hatte er ihn abgeschrieben. Schon deshalb lud er seinen Gast zu einem Cointreau in den Salon ein, in der Absicht, noch Weiteres über die anstehende Vorgehensweise zu erfahren. Da jener aber zögerte und der Hausherr längst fühlte, dass Diethard Säuberling etwas auf der Seele brannte, versuchte es der Baron mit Nonchalance und einigen Verweisen auf eigene Schwächen.

Ob es nun an der besinnlichen Atmosphäre bei Kerzenschein und Sandelholzduft oder seiner vertraulich lockeren Art lag, war schwer zu sagen. In jedem Fall begann ihm sein Gast daraufhin tatsächlich einige Dinge zu gestehen, die er so nicht erwartet hätte. Nicht dass er manches von dem, was er tat, bereute, räumte er dabei zögerlich ein. Vielmehr bedauerte er, in manchen Situationen nicht stark genug geblieben zu sein.

„Wie meinen Sie das?“, wollte der Baron sogleich wissen.

„Haben Sie schon mal jemanden sterben sehen, der nicht sterben will? Es ist weniger das Mitgefühl für den Sterbenden als die Gewissheit, damit etwas Vollendetes, Einmaliges und Unwiederbringliches für immer auszulöschen. Wenn man demjenigen in die Augen schaut und die Erwartung auf das Ende darin lesen kann, ist es, als würde man einen Teil von sich selber töten.“

Der Baron zeigte sich beeindruckt, wog den Kopf hin und her und schien ernsthaft zu überlegen. Dann sah er sein Gegenüber mit festem Blick an. „Das ist sehr bemerkenswert und beweist, dass Sie sich ihre Menschlichkeit bewahrt haben. Das findet man heutzutage selten“, lobte er. „Wissen Sie, Skrupel sind niemals ein Zeichen von Schwäche, sondern im Gegenteil von Stärke, wenn man bedenkt, dass man immer einen Grund für ein Befinden voraussetzt. Und dieser wiederum bedarf einer Motivierung, um sich seiner bewusst zu werden. Je stärker diese ist, je geringer die Gewöhnung an eine Ursacheninterpretation als Hemmnis ihrer Erforschung. Wahrlich ein Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen ist. Aber glauben Sie mir, niemand von uns tötet aus Vergnügen. Es ist immer eine dahinterstehende Notwendigkeit, und Sie können mir glauben, ich hasse nichts mehr als gerade diese. Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit.“

Daraufhin stießen die beiden Herren an und leerten ihre Gläser, obwohl Baron von Billow schon jetzt Diethards Verlust bedauerte. Fast hätte Säuberling seine Zuneigung gewonnen. Aber ein Koordinator, der auf solche Weise die eigenen Fehler korrigieren musste, war nicht länger tragbar.

Kein Wunder, dass der Baron unmittelbar nach diesem Treffen eine bestimmte Nummer wählte und die nötige Anweisung gab.

Danach betupfte er pedantisch die manikürten Finger mit einer vorgewärmten Zitronenserviette und las sorgsam ein kaltes Stück Wachtelfleisch vom Teller auf. Der Kaviar folgte. Seine brillantgeschmückte Rechte langte in die Traubenschale. „Nun gut“, räusperte er sich wenig später. „Vielleicht sollte ich noch etwas meditieren. Das beruhigt den Geist. Denn, wie sagte einst Chrysippos: ‚Man soll leben mit gehöriger Kenntnis des Herganges der Dinge in der Welt‘.“ Von Billow starrte aus dem Fenster in den großzügigen Garten des Anwesens und war, wie immer, mit sich sehr zufrieden.

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