Читать книгу Wettbewerbsvorteil Gender Balance - Anke van Beekhuis - Страница 14
Die Unterschiede machen den Unterschied
ОглавлениеZehn Jahre Beratung zeigen mir: Empowerment für Frauen, also ihre Stärkung im Bereich der Selbstdarstellung und im Auftreten, ist gut und wichtig. Aber diese Maßnahme alleine reicht nicht aus, um einen Paradigmenwechsel in Unternehmen zu bewirken. Top-Management und Führungskräfte müssen zuerst verstehen, was das »Mehr« bei »Mehr Frauen« bedeutet und wie das Unternehmen davon profitiert.
Ich wecke dieses Verständnis für Unterschiede gerne in Form eines klassischen Beratungsworkshops. Die Ausgangssituation ist klar: Wenn ich nur meine Verhaltensweise kenne, dann bin ich die Messlatte für alle anderen. Kenne ich aber auch andere Verhaltensweisen (von Frauen und Männern) und verstehe ich, wie sie im Arbeitsalltag eingesetzt werden und die Kommunikation beeinflussen, kann ich auch die Vorteile dieser Vielfalt erkennen. Spätestens dann werde ich mich gedanklich für Gender Balance öffnen (müssen). Der Umkehrschluss: Wenn uns jemand fremd ist, gehen wir eher in den Widerstand und tun uns schwer, die andere Sichtweise zu verstehen – egal ob Mann oder Frau.
Es ist wichtig, über Unterschiede zu sprechen, wenn unterschiedliche Verhaltensweisen im Unternehmen zur Geltung kommen sollen. Es gilt Führungskräfte dafür zu »sensibilisieren«, um Verständnis für das andere Geschlecht zu schaffen und zu lernen, dass es Platz im Unternehmen hat. Mehr noch: zu lernen, dass unterschiedliche Verhaltensweisen im Projektalltag einen Mehrwert bringen. Dieses Verständnis für Unterschiede – und hier geht es nicht um besser oder schlechter, sondern um anders – ist nach meinen Untersuchungen genau das, woran es vielen Unternehmenskulturen mangelt.
Ziele meiner entsprechenden Beratungsworkshops sind, voneinander zu lernen, MitarbeiterInnen offen zu begegnen und sie somit besser zu fördern. Wie gehe ich dabei vor? Zunächst teile ich Männer und Frauen in einzelne Gruppen. Jede Gruppe bekommt die gleiche Aufgabe: Frauen und Männer beschreiben jeweils ihre eigenen Verhaltensweisen:
• Wie verhalten Sie sich im Arbeitsalltag?
• Was ist Ihnen in Bezug auf Ihre Arbeit wichtig?
Ich mache diese Workshops seit zehn Jahren und stelle dabei immer die gleichen Fragen. Interessanterweise bleiben auch die Antworten weitgehend gleich. Und ich spreche hier von je rund 2000 befragten Frauen und Männern.
Wie läuft die Beantwortung ab? Ich stelle kreisförmige Moderationskarten in unterschiedlichen Farben und drei Größen zur Verfügung. Die Aufgabenstellung lautet: Die Damen und Herren sollen ihre stark ausgeprägten Verhaltensweisen in unterschiedlicher Gewichtung je nach Kreisgröße an eine Pinnwand heften. Was mich immer wieder fasziniert: Knapp die Hälfte aller Frauen wählen rote und fast alle Männer blaue Kärtchen, obwohl ich bei der Auswahl der Kärtchen komplett freie Hand lasse.
Wirklich spannend wird es, wenn man betrachtet, wie Männer und Frauen sich gegenseitig einschätzen. Denn wenn ich den Spieß umdrehe und Männer das ausgeprägte Verhalten von Frauen bzw. Frauen das ausgeprägte Verhalten von Männern beschreiben lasse, fällt das Ergebnis exakt gleich aus – egal, aus welcher Branche die Befragten kommen. Haben wir es hier mit Erkenntnissen zu tun oder mit Klischees? Für mich ist klar, dass eines sehr deutlich gezeigt wird: Es gibt unterschiedliche Verhaltensweisen von Mann und Frau, die von beiden Seiten bestätigt werden. Im vorherigen Kapitel habe ich die Studie von Tomas Chamorro-Premuzic zitiert, die ähnliche Ergebnisse erbrachte. Meine Arbeit ist jedoch nicht wissenschaftlich untermauert, sondern beruht rein auf praktischen Erfahrungen. Sollte es WissenschaftlerInnen geben, die diese unterschiedlichen Verhaltensweisen bestätigen, freut es mich natürlich.
So bewerten sich Männer
Rund 1000 befragte Männer schätzen sich wie folgt ein:
Große Kreise – sehr stark ausgeprägt:
Status ist wichtig, direkte Durchsetzungsfähigkeit, Mut, Risikobereitschaft, machtorientiert, Loyalität / Freundschaft, Rationalität, Sachlichkeit, Entscheidungen einfach halten, größenwahnsinnig
Mittlere Kreise – mittelmäßig ausgeprägt:
effizient, Einzelkämpfer, Konsequenz, umsetzungsstark, Veränderungsbereitschaft, direkte sachliche Kommunikation
Kleine Kreise – wenig bis gar nicht ausgeprägt:
emotional, Struktur, zuhören und verstehen können, Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten
So bewerten sich Frauen
Rund 1000 befragte Frauen schätzen sich wie folgt ein:
Große Kreise – sehr stark ausgeprägt:
diskutieren und abwägen, Perfektionismus, selbstkritisch, empathisch, emotional, selbstreflektiert, wenig Selbstbewusstsein, strukturiert, organisiert
Mittlere Kreise – mittelmäßig ausgeprägt:
kommunikativ, lachen gerne, Weitblick, kultiviert, fürsorglich, teamorientiert, harmoniebedürftig, gesellig, kreativ und verspielt
Kleine Kreise – wenig bis gar nicht ausgeprägt:
selbstbewusstes Auftreten, vorne stehen, zielorientiert