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Butter geborene Stucki

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Sie hatten geheiratet, aber bereits als Verlobter hatte Marti neben der Braut sitzend im Hause Stucki die Angewohnheit getadelt, beim Abendessen mit dem Brot immer solche Mengen von Butter zu servieren. Jede, enorm dick geschnittene, Scheibe bestrichen die Stuckis hingebungsvoll, jeder auf seinem eigenen Teller, bis an den Rand mit dicken Schichten Butter, die nicht nur die Finger fettig machten. Die jüngere Tochter, bisweilen auch die erwachsenen Töchter einschliesslich der Verlobten be­streuten die gebutterte Scheibe mit Zucker: schönem rationiertem Zucker, man befand sich ja im Krieg. Eltern und Töchter bissen in die Scheibe und gruben dabei jeweils in gestickten Halbmonden die Intimität ihrer Zähne hinein: grausame, miteinander verwandte Zähne.

Marti, gesittet, mager, lehnte gleich beim ersten Abend­­essen ab: entschieden: Gut erzogen, wie er war, reichte er allenfalls die geriffelte Tafel weiter, ohne sich die Hände fettig zu machen. «Pardon», hustete er auf Französisch schon am ersten Abend, das längliche Tellerchen in der Hand, um es weiterzugeben, und nahm den fremden Schweiss der Butter wahr, Stucki-Schweiss.

Die Kinder, die Marti und seine Frau nach dem Krieg in die Welt setzten, hielten es teils mit dem Vater, teils mit der Mutter, und als auch für sie der Augenblick kam, sich zu ver­loben und zu heiraten, mussten sie ihrerseits in neuen Häusern, jeder auf seine Weise, für oder gegen neue Butter und neue Geschlechter Partei ergreifen.

Sie waren nun wieder allein beim Abendessen, Marti und seine Frau: Sie sassen einander gegenüber, die Katze döste neben der Zuckerdose, und zu beiden Seiten des Tisches standen in langer Reihe leere Stühle.

Marti stellte absichtlich keine Butter auf den Tisch, er rechnete mit der Zerstreutheit seiner Frau; auf Anordnung des Arztes musste verhindert werden, dass sie weiter zunahm. Doch ohne Ausnahme suchte die Dame des Hauses Abend für Abend bei der ersten Scheibe Brot, das Messer erhoben, mit den Augen nach der Butter: Marti wusste Bescheid und eilte sofort in die Küche, entnahm dem Buttervorrat hustend die frischeste Tafel und stellte sie auf den Tisch, wobei er alle Schuld und alle Vergebung auf diese gesegneten hundert Gramm setzte.

Genusssüchtig stürzte seine Frau sich jeden Abend auf die Butter, bediente sich wiederholt und strich mehrere Schich­­ten auf dieselbe Scheibe, die sie, bereits angebissen, dann grosszügig auch ihrem Mann, auch der Katze anbot.

«Nein danke», schnappte der Ehemann und ging auf Distanz zum Tisch, während die Katze zutraulich und begeistert zustimmte: Sie leckte das Brot und leckte der Hausfrau die Ringe.

«Butter ist ungesund», sagte Marti sich immer wieder an jenem schlimmen Abend, an dem er ohne seine Frau ihm gegenüber am Tisch sass und aus alter Gewohnheit mit dem letzten Rest Stimme die ausgepackte Tafel auf dem Tellerchen tadelte; nur die Katze war noch da.

An dem Tag, an dem schliesslich auch die Katze fehlte, blieb Marti, nur noch Papier und Husten im letzten Amen, dem die Butter immer fremd geblieben und der doch stets ihr Vorbote gewesen war, der Abdruck jener ersten Tafel geborene Stucki lebhaft im Gedächtnis, die in Zukunft zum Abendessen Frau und Katze zu servieren war, in einem Jenseits, das vielleicht gegen jede Butter eine Abneigung hatte.

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