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Offenbarung

Wir laufen immer weg – sind auf der Flucht vor etwas oder vor jemandem. Wir verstecken uns vor Konflikten und vor Herausforderungen. Oftmals kehren wir Hass, manchmal auch der Liebe, unseren Rücken zu, da wir geradezu nicht wissen, wie wir mit unseren Seelenleben umgehen sollen. Wir ziehen uns eigene Grenzen, damit wir unseren Problemen fern, aber trotzdem gerade noch nah genug sind, um diese im Blick zu haben. Und dennoch haben wir alle einen Ort, an dem wir keinen Drang verspüren, wegzulaufen, eine Umgebung, in der alle Umrisse verschwimmen und keine Bedeutung mehr haben, einen Ort der Ruhe, des Friedens und der Glückseligkeit.

Dieser eine Punkt auf der Erde ist wie unser Zuhause – scheinbar fernab jeglicher Realität und oftmals doch näher als wir glauben. Diese eine Heimat hält uns fest und man gibt nach: Man hört auf, zu rennen, sich gegen seine Umwelt zu wehren, man will nicht mehr fliehen und findet die Geborgenheit, nach der man sich so sehr sehnte. Dieses Haus gleicht einer Festung, in der die eigene Seele und der eigene Geist in Einklang kommen und wir das finden, wovor wir uns eigentlich immer versteckt haben und das an einem Ort, der unbewusst das Ziel unserer Flucht war: das Zuhause unseres persönlichen Glücks.

Dazu, wie das Haus aussehen soll, hat wohl jeder ein eigenes Konzept, aber eins steht für die meisten von uns fest: Man muss sein eigenes Glück suchen. Der eine sucht dieses wohl doch lieber im Geld, der eine in der Liebe und einem anderen genügt seine Gesundheit; Manch einer „hat aber Glück gehabt“, rein zufällig und ohne eigenes Zutun, der andere ist „zweifellos glücklich“, ein Zustand, der einem Lebensziel gleicht.

Bei all den unterschiedlichen „Glücks“ verliert man schnell den Überblick und weiß nicht, wie man dieses nun doch erlangt. Aber was ist, wenn die Investition der Kräfte in die ewige Glückssuche einem mehr Unglück bringt, anstelle des Gesuchten? Und wann genau empfinden wir denn das berühmte Glück?

Wer immer glücklich war, der wird es immer bleiben, würde einem hier der Biologe sagen, womit auch die Glückssuche für nichtig erklärt werden kann. Denn wenn ich schon immer glücklich war, warum soll ich überhaupt dieses noch suchen, wenn ich auch ohne jegliches Beisteuern lebenslang glücklich bleibe [1]. Fraglich wird diese Theorie dann, wenn man „besitzlos und verlassen“ in der Ecke kauert: Ich wage zu bezweifeln, dass Sie sich dann als glücklich beschreiben würden. Somit steht schon mal fest, die Flüchtigkeit des Glücks ist unbestreitbar – der Weg zum Glück muss infolge dessen immer wieder neu aufgenommen werden. Nichts leichter als das, denkt sich manch einer, denn wenn man in der ausgeübten Tätigkeit aufgeht – wenn es läuft, wie geschmiert – dann ist man bekanntermaßen glücklich. Der Kenner spricht dann von einem Flow-Erlebnis [2].

Aus dem vorher Gesagten erhält man den Eindruck, dass die Glückssuche sich einfach gestaltet: Man macht das, was man liebt und ist pausenlos die glücklichste Kreatur auf Erden. Auch Aristoteles, ein griechischer Gelehrter, bediente sich dieser Devise und erklärte die Eudaimonia, das Glück der Vollkommenheit, zum höchsten Gut der Menschheit. Ganz nach dem Motto „Jeder ist des eigenen Glückes Schmied“ soll man der Tätigkeit nachgehen, die einen nach Vollendung charakterbedingt glücklich macht. Der Grieche ergänzte seine Theorie jedoch mit der Tugendhaftigkeit und ihrer Macht zwischen dem autarken Glück und reinem Genuss abzuwägen [3]. Die heutige Gesellschaft macht sich allerdings selten Gedanken darüber, welche Art von Glück man momentan besitze, oder auch empfinde. Es zählt: Glück ist Glück. Ganz gleich welches.

Die Gegner davon sind sich der Utopie des Menschen bewusst, weisen jedoch trotzdem darauf hin, dass ohne Leid und Schmerz, der Erdbewohner nie zu verstehen wüsste, was Glück ist. Auch müsse man aber wissen, wie das Glück sich anfühle, wenn man nach diesem zu streben vermag.

Bereits Epikur, ein griechischer Philosoph, wusste davon ein Lied zu singen, als er davon sprach, dass der Mensch durch seine angeborene Lust darüber abwägt, nach welchem überstandenen Schmerz er das größere Glück empfinden werde. Damit steht fest, ohne Sorgen gibt es kein Glück, man muss sich nur das Übel aussuchen, wonach das größere Glücksempfinden folgt [4].

Nachdem nun auch der Schmerz auf dem Weg zum Glück überwunden werden muss, wenden sich immer mehr dem Geld zu. Wenn der Rubel rollt, dann kommt auch die Glückseligkeit. Doch ist das Paradoxon des Glücks im Reichtum so fatal, wie man es uns glauben zu machen versucht? Ja und nein. Statistiken zeigen, dass reiche Gesellschaften sich für glücklicher empfinden, als ärmere. Doch der Clou dabei ist, dass ab einem bestimmten Geldbetrag, das Glücksbarometer stagniert, solange das eigene Geld nicht zur Gefälligkeit anderer ausgegeben wird [5].

Man bräuchte also nicht mehr Geld, um der Glückseligkeit nahezukommen, sondern Freude am Teilen. Wäre da nicht der gute, alte Neid. Insofern fällen wir unser Glücksurteil je nachdem, wie wir im Vergleich zu anderen stehen: Hat das Gegenüber mehr, verurteile ich die Situation; Habe ich mehr, so bin ich glücklich, möchte aber sicherlich nicht teilen.

Machen Sie hier bitte eine kurze Pause und denken Sie darüber nach, wann Sie das letzte Mal glücklich waren. Mit Freunden? Mit der Familie? Mit dem Partner? All diese Menschen haben eines gemeinsam: Sie bereichern unsere sozialen Bindungen. Dadurch wird deutlich, dass unser Sozialleben in engster Verbindung mit dem Glücksempfinden steht [6]. Hierzu schreibt George Vaillant, ein US-Amerikanischer Psychiater: „Glück ist Liebe. Punkt [7].“

Dies müsse heißen, dass man sich anstelle einer Glücksuche eher auf eine Partnersuche begeben sollte, das Glück komme dann von allein. Glauben Sie? Man gestatte sich nun aber die Frage, woher all die kommen, die sich trotz Familie und Freunden für unglücklich ansehen und sich im Alleingang den Weg zum Glück legen. Und noch eine weitere Frage: Wie viel Zeit haben Sie bereits mit der Glückssuche verbracht? Wohl eine Menge. Aber ist es nicht der Zeitdruck, der einen oftmals unglücklich macht? Auf der Suche nach Glück rennt uns die Zeit davon, und so beschert uns die Glückssuche ironischerweise mehr Unglück. Die heutige Gesellschaft betrachtet die Glückssuche als eine Art „Ersatzreligion“, wobei Zeit investiert wird, um das Glück, als höchstes Gut, zu erreichen. Infolgedessen wird vergessen, dass der Weg das eigentliche Ziel ist. Das Streben nach Glück allein macht nicht unglücklich, sondern der Weg dorthin. So sind Menschen, die offen für Zufälle agieren, oftmals glücklicher im Verlauf ihrer Suche, als diese, die verbissen das reine, bisher unbekannte Glück als Ziel ihrer Sehnsucht ansehen [8].

Denn man darf nicht vergessen, dass es beim Glücklichsein nicht um einen Dauerzustand gehen sollte. Glück ist keine Droge! [9] Man kann es mit einer Achterbahn vergleichen: Mal ist man ganz oben, mal ganz unten. Und nur wer schon mal unten war, weiß auch das Oben zu schätzen. Diese Geschichte – diese Erzählung – geht genau von den Fragen aus, die Ihnen oben gestellt wurden: wann, wo und mit wem? Es soll nicht „den einen“ Weg zum eigenen Haus zeigen, sondern es zeigt einen Weg – den Weg meines geliebten „Franzosen“ und mir. Unser Geheimnis des Glücks besteht in der inneren Harmonie, der Fähigkeit, wir selbst zu sein, unsere Herzen zu fühlen und vor allem zu hören, wie unsere „Seele“ das Lied der Liebe und des Glücks singt. Für jeden von uns ist diese Melodie besonders und einzigartig. Sie basiert auf den ersten Worten des Wiegenlieds, das die Mutter einem gesunden hat, dem Timbre ihrer Stimme und Klängen, die uns unser ganzes Leben begleiten. Wir sind so sehr an täglichen Sorgen interessiert, dass wir im Laufe der Zeit unser Leben in einen „mechanischen Prozess“ verwandeln, uns selbst verlieren und vergessen, dass das Leben zu kurz ist, um nur Skizzen für das traute Heim anzufertigen und darüber nachzudenken, dass es noch Zeit gebe, dieses zu bauen.

Jeder von uns muss träumen können und wollen, auch wenn es nicht einfach ist. Eine glänzende Zukunft besteht aus unseren Gedanken, Träumen und Wünschen wie aus den dünnen Fäden des Schicksals. Wie es sein wird, hängt nur von uns ab. Wir genießen jeden Tag, an dem wir leben, wir singen, träumen, planen für die Zukunft, leben in „unserer“ Welt der Träume und Wünsche. Wenn wir glücklich sind, spielt die Melodie der magischen „Seele“, ihre Saiten schwingen und die sie beginnt zu klingen. Dies ist die Zeit, auf die wir manchmal unser ganzes Leben warten, Momente des Glücks, die wir verlängern und in die Ewigkeit verwandeln wollen. Nach unserer Reise in die Provence gelang es mir und meinem „Franzosen“, meine Einstellung zum Leben, zum Glück und zur Harmonie mit der Außenwelt zu ändern. Dieser Ort auf der Karte wird für mich immer ein besonderer „roter Punkt“ bleiben, an den ich immer wieder zurückkehren, meinen Herzschlag fühlen, in Harmonie mit der Natur leben, den Moment nutzen, die gewöhnlichen kleinen Dinge genießen, das Schöne bemerken und, natürlich, von ganzem Herzen lieben möchte.

Der Geruch von Lavendel und die Küche der Sonne

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