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Prolog

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In der Dunkelheit erschien der Nebel, im Nebel ein Schatten. Ein leises Schnauben war zu hören. Das Schnauben ertönte ein zweites Mal, doch bis auf die finsteren Umrisse vermochte man nichts in dem grauen Nebel zu erkennen. Es war wieder still – beunruhigend still. Dann vernahm man Hufgetrappel. Erst unscheinbar, leise, dann immer lauter und schließlich lichtete sich der Nebel. Ein Pferd, ein wahres Ungetüm, riesig, trat aus der Finsternis. Sein Fell war pechschwarz, doch es glänzte blutig rot im schwachen Mondlicht. Seine Augen leuchteten wild. Immer wieder blähte es seine Nüstern, weißer Schaum tropfte ihm aus dem Maul und fiel auf den Waldboden. Weitaus furchterregender als der prächtige Hengst jedoch war sein Reiter.

Angeglichen an das Fell des Tieres, trug der Reiter eine schwarze Hose, ein schwarzes, weites Hemd und einen schwarzen Umhang, dessen Ränder mit wenigen goldenen Schriftzeichen verziert waren. An seinem Rücken hing ein Schwert mit roter Schneide und silbernem Griff. Es war mit einem braunen Lederband befestigt und schlug ihm bei jedem Schritt des Pferdes leicht gegen den Rücken. Den Mann störte das jedoch wenig. Sein Gesicht war bis zur Hälfte mit einem Tuch verhüllt und nur seine Augen blitzten gefährlich auf. Er ritt vollständig aus dem Nebel heraus und entblößte den mächtigen Anblick seiner Gestalt.

Der Hengst bäumte sich erschreckt auf, als ihm der Reiter mit einem kräftigen Tritt die Fersen in die Seite rammte. Er warf seine Vorderhufe in die Luft, schlug mit ihnen aus und hätte leicht eine Schädeldecke zertrümmern können. Als die Hufe wieder aufsetzten, erzitterte der Boden. Ein leichter Wind erhob sich und ließ die Nebelschwaden durch die Luft tanzen. Der Blick des Reiters wanderte langsam zum Eingang der Höhle, der dunkel und still vor ihm lag. Es war ein klaffender, tiefer Schlund, der sich vor ihm öffnete, doch er fürchtete sich nicht. Sein Blick ruhte ruhig auf den Dingen, die vor ihm lagen. Plötzlich sprang er mit einem Satz leichtfüßig und elegant von seinem mächtigen Hengst herunter. Als er auf dem Waldboden aufkam, klimperten seine mit Metall besetzten Stiefel leicht. Er ließ die Zügel los, vertraute darauf, dass sich sein Tier nicht von der Stelle rühren würde. Der Hengst hob gespannt den Kopf und betrachtete seinen Herrn, wie er langsam aus dem Nebel trat.

Der Reiter ging bis zum Eingang der Höhle, dann streckte er seine Hand aus und berührte die Dunkelheit. Seine Finger wurden verschluckt, er konnte sie nicht mehr sehen. Es war, als ob eine Barriere aus völliger Schwärze seine Sicht störte und ihn am Weitergehen hinderte. Der Reiter zog seine Finger wieder aus dem Schlund heraus und sobald sie den Eingang der Höhle verlassen hatten, kehrte auch die Farbe in ihnen zurück. Seine Augen blitzten erfreut auf und obwohl sein Gesicht bis zur Hälfte im Verborgenen lag, konnte man erkennen, dass er lächelte. Seine Reaktion war merkwürdig, sie wies Anzeichen von Verwirrung auf, denn nur ein Narr belächelte die tödliche Gefahr der unbändigen Finsternis. Der Reiter jedoch wusste genau, was er tat und wo er sich befand. Er kannte den Tod, den die Nacht und ihre Geschöpfe mit sich brachten, kannte das Grauen, das diese Welt im Stillen beherrschen mochte, nur zu gut. Er entfernte sich langsam vom Eingang und ging mit großen Schritten an den Wänden entlang. Wieder streckte er seine Finger aus, berührte dieses Mal zuerst den rauen Stein der Höhlenwände, dann die glatte und makellose Oberfläche des schwarzen Weges. Er schlug seine Augen nieder, seine Aufmerksamkeit erregte eine gerade geschliffene Steinplatte, die am Rand der Höhle lag. Der Reiter neigte seinen Oberkörper ein Stück nach vorne, um die eingemeißelte Schrift auf der Platte entziffern zu können. Sollte sie ihm etwas sagen, so verriet seine Miene dieses Mal nichts. Schließlich drehte er sich um und ging zurück zu seinem Hengst.

Das Tier hatte sich tatsächlich nicht vom Fleck bewegt. Es wartete geduldig darauf, dass sein Herr sich gründlich genug umgesehen hatte. Der Reiter strich seinem Pferd über den muskulösen, rötlich schimmernden Hals. Man hätte angenommen, dass das Fell warm war, doch anstatt der Körperwärme seines Tieres spürte der Reiter nur die Kälte. Schon hob er einen Fuß, wollte ihn bereits in einen der Steigbügel setzten, doch da hielt er plötzlich mitten in der Bewegung inne. Er ging zurück auf den steinernen Weg und kniete am Rand nieder. Seine Hand umfasste den Stängel einer kleinen Blume, von der unzählige den Rand des Weges schmückten. Er riss sie mit einem Ruck samt ihrer Wurzel aus der Erde und betrachtete neugierig ihre Blätter. Natürlich verschwendete der Reiter seine Zeit nicht mit der Betrachtung irgendeiner gewöhnlichen Pflanze, aber diese Blume war nicht gewöhnlich. Zwei ihrer Blütenblätter leuchteten weiß. Sie sahen zerbrechlich aus, wie aus einer dünnen Schicht Schnee geformt, die seltsamerweise nicht schmolz. Die anderen zwei Blätter waren strahlend blau und es schien, als ob sie sich wie Wellen im Wind bewegten. Das Mondlicht fiel durch diese Blätter hindurch und brachte sie zum Strahlen.

Der Reiter hatte genug gesehen, er hatte verstanden. Mit schnellen Schritten ging er zurück zu seinem Tier, steckte die Blume in eine der Satteltaschen und gab seinem Pferd die Sporen. Es stieß ein leises Wiehern aus, das jedoch seltsamerweise eher an das Brüllen eines Löwen statt an den rufenden Laut eines Pferdes erinnerte. Der Hengst spitzte die Ohren, wartete auf weitere Befehle seines Herrn, während der Reiter davonritt.

Mit ihm verschwand der Nebel. Mit ihm verschwand die Kälte.


Todesritter

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