Читать книгу Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht - Anne Hahn - Страница 304

1.5 Die Freiheit der Meinungsäußerung und ihre Grenzen bei der Abwägung im Einzelfall (Schmähkritik, Formalbeleidigung, Menschenwürde)

Оглавление

60

Die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit sind eng auszulegen. Der Persönlichkeitsschutz genießt nur Vorrang, wenn sich die Äußerung als Schmähkritik, reine Formalbeleidigung oder Angriff auf die Menschenwürde darstellt oder sonst die Einzelfallabwägung bei schwer wiegenden persönlichen Vorwürfen zu einer Verletzung führt.[169]

61

Eine Schmähkritik liegt vor, wenn die persönliche Kränkung und Herabsetzung das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängt und es nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache, sondern um die Diffamierung des Betroffenen geht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik persönlich herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll.[170] Der Begriff der Schmähkritik ist dabei eng auszulegen[171] und im Übrigen eher auf die sog. Privatfehde beschränkt.[172] Dient der Beitrag dem geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, spricht die Vermutung für die Zulässigkeit.[173] Das gilt auch für eine der Wahrheit entsprechende Kritik an Gewerbetreibenden.[174] Zum anderen ist kein Raum dort für Schmähkritik, wo eine sachverhaltsmäßige Grundlage noch vorhanden ist, auf die sich die Äußerung bezieht.[175] Regelmäßig müssen auch Anlass und Kontext der Äußerung berücksichtigt werden.[176] Schließlich darf das Werturteil umso schärfer sein und um so eher herabsetzenden Charakter haben, je stärker der Angegriffene von sich aus „Anlass“ zu einer derartigen Reaktion gegeben hat.[177]

62

Als nicht von der Meinungsäußerung geschützt gilt auch die reine Formalbeleidigung.[178] Es liegt auf der Hand, dass solche reinen Formalbeleidigungen i.d.R. keine sachverhaltsmäßige Grundlage haben und dabei bewusst eine Diffamierung im Vordergrund steht. Aber dies ist nicht zwingend. Die Schmähabsicht wird durch Formalbeleidigung lediglich, aber eben auch indiziert.

63

Es bleibt die Frage, ob Meinungsäußerungen in Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unzulässig sein können, auch wenn sie keine Schmähkritik darstellen. Dies haben BVerfG und BGH in Einzelfällen bejaht.[179]

Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

Подняться наверх