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2.2 Benachbarte Regelungsbereiche

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In enger Nachbarschaft zum Rundfunkrecht existieren im europäischen Sekundärrecht u.a. Regelwerke für das Urheber-, Telekommunikations-, Datenschutz- und IT-Recht.

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An der Schnittstelle zum Urheberrecht[98] wurde 1993 ergänzend zur Fernsehrichtlinie die RL 93/83/EWG zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (CabSat-Richtlinie) verabschiedet.[99] Mit ihr sollten Rechtsunsicherheiten beseitigt werden, die sich durch die kumulative Anwendung von mehreren nationalen Rechten auf einen einzigen Sendeakt ergaben und die grenzüberschreitende Ausstrahlung von Rundfunk über Satelliten bzw. die zeitgleiche, unveränderte Kabelweiterverbreitung von Rundfunkprogrammen in anderen Mitgliedstaaten als dem Sendestaat behindern konnten.

Festgelegt wurde auch hier das Sendestaatsprinzip. Danach findet beim Satellitenrundfunk allein das Recht desjenigen Mitgliedstaates auf den Rechteerwerb Anwendung, in dem das Signal zum Satelliten geschickt wird (Ort der öffentlichen Wiedergabe). Die Rechteübertragung selbst hat auf vertraglicher Basis zu erfolgen; die Geltendmachung von Rechten ist in Bezug auf die Kabelweiterverbreitung der kollektiven Wahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften vorbehalten.

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Darüber hinaus wurden zur Angleichung des unterschiedlichen Schutzniveaus für geistiges Eigentum in den Mitgliedstaaten von Seiten der Europäischen Union im Laufe der Zeit Richtlinien erlassen, die für den Schutz einzelner Werkarten Mindestanforderungen definieren. Dies sind RL 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen,[100] RL 96/9/EG, in der Fassung der RL 93/98/EWG, über den rechtlichen Schutz von Datenbanken und die RL 2006/115/EG zum Vermiet- und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums.[101] Besondere Bedeutung für die materielle Ausgestaltung des Urheberrechts erlangte die RL 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Urheberrechtsrichtlinie). Mit ihr sollte den Entwicklungen des Internetzeitalters Rechnung getragen werden. Wesentliche Vorgaben sind die Gewährung ausschließlicher Rechte für Urheber und Leistungsschutzberechtigte (ausübende Künstler, Tonträgerhersteller, Filmhersteller, Sendeunternehmen) betr. die Vervielfältigung und die öffentliche Wiedergabe ihrer Werke bzw. sonstigen Schutzgegenstände, Ausnahmeregelungen zur (vorübergehenden) Vervielfältigung sowie wirksamer Rechtsschutz gegen die Umgehung von Schutzmaßnahmen. Mit dieser Richtlinie wurden zugleich der 1996 im Rahmen der WIPO geschlossene Urheberrechtsvertrag (WIPO Copyright Treaty, WCT) und der Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WIPO Performances and Phonograms Treaty, WPPT), mit denen einer unberechtigten Verbreitung von Werken und Gegenständen des Leistungsschutzes im Internet entgegengewirkt werden sollte, in Gemeinschaftsrecht umgesetzt. Die Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum (Enforcement Richtlinie) dient dazu, den Schutz des geistigen Eigentums in der Europäischen Union zu verstärken und zu harmonisieren. Eine Harmonisierung der Schutzdauer von Urheber- und Leistungsschutzrechten, die erstmals mit der RL 93/98/EWG vorgenommen wurde, erfolgt durch die RL 2011/77/EU.[102] Wesentliche neuere Regelwerke sind die RL 2012/28/EU über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke und die RL 2014/26/EU über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt. Aktuell liegt ein Vorschlag der Europäischen Kommission vom September 2016 für eine Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt[103] vor. Diskutiert werden hier insbesondere ein beabsichtigtes Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse wie auch Filter zur automatischen Urheberrechtsdurchsetzung.

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Der noch lange durch Monopole staatlicher Unternehmen dominierte Telekommunikationssektor[104] ist seit den 1990er Jahren Gegenstand europäischer Bestrebungen zur Schaffung von Märkten mit echtem Wettbewerb. Zwei der ersten zwischen 1990 und 1999 erlassenen Richtlinien, deren Ziel es war, den Telekommunikationsmarkt zu öffnen und zu liberalisieren, waren die Richtlinie 90/388/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste und die sog. ONP-(Open Network Provision-)Richtlinie.[105] Erstere verpflichtete die Mitgliedstaaten, die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen, mit Ausnahme des Sprach-Telefondienstes, nicht mehr einzelnen Betreibern als ausschließliches Recht vorzubehalten und für etwaige Genehmigungs- und Anmeldeverfahren von Betreibern an objektive, nicht diskriminierende und durchschaubare Kriterien anzuknüpfen. Ergänzend wurde mit der ONP-Richtlinie der Zugang zu den bis dahin bestehenden, meist staatlichen (Post- und) Telekommunikationsnetzen auch anderen Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen eröffnet. In der Folge fand mit weiteren Richtlinien eine Liberalisierung des gesamten Telekommunikationssektors statt. Im Jahr 2002 erfolgte dann, u.a. mit dem Ziel einer weitergehenden Liberalisierung des Marktes, aber auch um den Entwicklungen im Bereich des Internets und der Mobiltelefondienste sowie der Konvergenz der Medien gerecht zu werden, eine umfassende Reform hin zu einem einheitlichen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste. Dieser neue Rechtsrahmen, der im Wesentlichen aus fünf Richtlinien bestand (Rahmenrichtlinie, Genehmigungsrichtlinie, Zugangsrichtlinie, Universaldienstrichtlinie und Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation),[106] erstreckte sich auf die Gesamtheit aller Netze und Dienste im Bereich der elektronischen Kommunikation, mithin Festnetztelefonie, Mobilfunk und Breitbandkommunikation ebenso wie Kabel- und Satellitenfernsehen. Während der Fokus des europäischen Gesetzgebers zunächst darauf gelegen hatte, Wettbewerb mittels einer Öffnung der Märkte zu ermöglichen, lag dem neuen Rechtsrahmen angesichts des bereits erreichten Wettbewerbs die Zielsetzung zugrunde, die sektorspezifische Vorab-Regulierung schrittweise durch eine ex post-Kontrolle nach allgemeinem Wettbewerbsrecht zu ersetzen. Eine erneute Überarbeitung des Rechtsrahmens führte diese Linie fort.[107] Nach langwierigem Einigungsprozess in Rat und Europäischem Parlament trat das Richtlinienpaket am 19. Dezember 2009 in Kraft.[108] Die Umsetzung erfolgte in Deutschland mit der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) im Mai 2012.[109] Streitpunkt waren dabei u.a. Netzzugangssperren bei Urheberrechtsverstößen im Internet.[110] Diese sind nach dem erzielten Kompromiss zulässig, jedoch an eine Reihe von Voraussetzungen, insbesondere ein vorheriges, faires und unparteiisches Verfahren sowie Rechtschutzmöglichkeiten, geknüpft. Wesentliche Aspekte der Neuregelung[111] waren vor allem die Verbesserung der Marktregulierung, der Frequenzverwaltung und des Verbraucherschutzes. So wurde das Ziel weiterverfolgt, die Vorabregulierung abzubauen. Das Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahren wurde optimiert und als neuer Mechanismus zur Behebung festgestellten Marktversagens die funktionale Separierung eingeführt. Für eine effizientere Frequenznutzung wurde die Frequenzverwaltung flexibilisiert. Eine Stärkung der Verbraucherrechte erfolgte u.a. durch Mindestanforderungen an Verträge und eine Erleichterung des Anbieterwechsels. Aktuell wird erneut über die Überarbeitung des Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation beraten.[112] Ein neuer Rechtsrahmen, der u.a. die relevanten Richtlinien vereint, sollten Mitte 2017 vorliegen.

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Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung des Internet für den freien Kommunikationsprozess und neuer Geschäftsmodelle der Telekommunikationsunternehmen wurden 2015 durch Verordnung[113], die zugleich die Senkung von Roaming-Gebühren im EU-Ausland betrifft, einheitliche Regelungen zur Netzneutralität auf europäischer Ebene aufgestellt. Diese überlassen den Mitgliedstaaten und ihren Regulierungsstellen jedoch einem weitreichenden Ausgestaltungsspielraum.

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2006 erfolgte eine Anpassung der RL 2002/58/EG durch die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten.[114] Zweck der Novellierung war es, Daten zur Ermittlung, Feststellung und Verfolgung schwerer Straftaten verfügbar zu machen. Während die formelle Rechtmäßigkeit der Richtlinie vom EuGH bestätigt wurde,[115] ist die Frage, ob die Richtlinie mit europäischen Grundrechten vereinbar ist, hingegen eindeutig verneint worden.[116] Generalanwalt Pedro Cruz Villallón hatte bereits dem EuGH in seinen Schlussanträgen von Dezember 2013 zu Vorabentscheidungsersuchen Irlands und Österreichs vorgeschlagen, eine Unvereinbarkeit der Richtlinie mit Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festzustellen.[117] Dem ist der EuGH im Wesentlichen gefolgt. Zwar stellte er fest, dass die nach der Richtlinie vorgesehene Vorratsdatenspeicherung nicht geeignet sei, den Wesensgehalt der Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten anzutasten (Art. 52 Abs. 1 S. 1 EU-Grundrechtecharta).[118] Allerdings sei mit der Vorratsdatenspeicherung ein Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere gegeben, ohne dass durch entsprechende Bestimmungen gewährleistet sei, dass sich der Eingriff auf das absolut Notwendige beschränke (Art. 52 Abs. 1 S. 2 EU-Grundrechtecharta).[119] Mit Urteil vom 21.12.2016 bestätigte er die Unzulässigkeit einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung für Zwecke der Bekämpfung von Straftaten.[120] Die Umsetzung der Richtlinie in Deutschland durch eine Anpassung des TKG[121] war bereits im Jahr 2010 vom BVerfG wegen Verstoß gegen Art. 10 GG für nichtig erklärt worden.[122] Mit dem Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten ist am 18.12.2015 in Deutschland eine neue Regelung zur Vorratsdatenspeicherung in Kraft getreten.

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Auch im Bereich des Datenschutzes sind mittlerweile weitreichende Harmonisierungsmaßnahmen getroffen worden. Im Zuge der von der Kommission 2012 eingeläuteten EU-Datenschutzreform hat die EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) die RL 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr abgelöst. Die Verordnung wird ab dem 25.5.2018 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten gelten. Sie enthält Maßgaben für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch private Unternehmen und öffentliche Stellen, die damit EU-weit vereinheitlicht werden. Auf nationaler Ebene besteht derzeit noch Regelungsbedarf, insbesondere für den Bereich der Presse und des Rundfunks zum Schutz der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit.[123] Aktuell liegt zudem ein Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation vor.[124] Mit ihr sollen Internetdienste, die der Individualkommunikation dienen, (bspw. VoIP-Telefonie, Instant-Messaging oder webgestützte E-Mail-Dienste) in den Datenschutzrahmen einbezogen werden.

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Im IT-Recht schuf die damalige EG durch die E-Commerce-Richtlinie[125] (RL 2000/31/EG) einen einheitlichen Rahmen für den Geschäftsverkehr im Internet. Erfasst sind „Dienste der Informationsgesellschaft“. Dazu zählt jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Ausgenommen sind TV-Dienstleistungen und -Sendungen sowie nicht kommerzielle Dienste zwischen Nutzern (z.B. E-Mail). Die Richtlinie legt für die übrigen Dienste die Anwendung des Rechts des Mitgliedstaats, in dem der Anbieter seine Niederlassung hat, fest und regelt den Schutz vor Spam-Nachrichten sowie die Provider-Haftung. Die Richtlinie 98/84/EG über den rechtlichen Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten (Zugangskontrolldiensterichtlinie) bezweckt die Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von ausschließlich entgeltlich empfangbaren Diensten wie Pay-TV.

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