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Was Etablierte von Jungunternehmen lernen können

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Früher galten die namhaften Unternehmensberatungen als Kaderschmieden für das Topmanagement. Heute sucht man mehr und mehr nach Talenten, die eine leitende Stelle in einem jungen Digitalunternehmen bekleiden. Denn mit ihnen erwirbt man zugleich die digitale Denke und das agile Handeln. Gestandene Unternehmen, von Jungunternehmern liebevoll Grown-ups genannt, können von den Startups viel lernen.

Was Sie sich bei der jungen Elite abschauen können

Pivotieren: Das ist ein kontrollierter Kurswechsel, bevor es zu spät ist. Ursprünglich geplante Vorgehensweisen werden sofort über Bord geworfen, wenn sie sich als marktuntauglich erweisen. Ein Pivot ist allerdings kein Komplettausstieg, sondern bedeutet, dass mindestens ein Aspekt des ursprünglichen Geschäftsmodells gezielt geändert wird. Als etwa Kevin Systrom, Mitgründer von Instagram, erkannte, dass die User den Instagram-Vorläufer Burbn hauptsächlich wegen der Fotoposting-Funktion nutzten, richtete er sein Start-up neu aus und legte damit den Grundstein für die Instagram-Erfolgsgeschichte. In Unternehmen alter Schule hingegen hält man an laufenden Projekten und / oder an seiner Jahresplanung auch dann noch fest, wenn die Nichtmachbarkeit längst absehbar ist. Bewahrenwollen ist dort die Norm. Und die daraus folgende Verachtung für gescheiterte Vorhaben ist legendär.

Verschwendung vermeiden: Dies ist ein Grundprinzip in agilen Jungunternehmen, denn Ressourcen in Form von Zeit, Geld und Mitarbeitern sind ständig knapp. Aufwendige Reportings, unnötige Meetings sowie die gesamte Selbstbeschäftigungsbürokratie klassischer Organisationen sind dort tabu. Generell arbeitet man viel mit Freelancern zusammen. Bei Arbeitsspitzen versorgt man sich mit »Staff on Demand«. Die Fixkosten werden so niedrig wie möglich gehalten. Man zahlt für Zugang und Nutzung, nicht für Besitz. Das systematische Teilen von Wissen führt zu einer äußerst produktiven Form der Zusammenarbeit. Das »Sharen« von Gegenständen, bei dem das Web als Organisationsplattform dient, spart Geld und schont die Umwelt. Wenn alle ihr geistiges und materielles Eigentum teilen, bleibt mehr für alle. So mischt sich Unternehmertum mit sozialem Engagement.

Iteratives Lernen: Die Geschäftsidee selbst sowie die dazugehörigen Produkte und Lösungen werden inkrementell, also schrittweise, entwickelt. Zudem werden sie iterativ, also über permanente Lernschleifen, mithilfe von Kundenmeinungen optimiert, um frühzeitig auszusondern, was niemand braucht. So kommt validiert nur das auf den Markt, wofür die Menschen tatsächlich Geld ausgeben wollen. Bei der Ideation, der Ideenentwicklung, nutzt man das Prinzip der »Weisheit der Vielen«. Die besten Ideen kommen dabei oft von draußen. Das ständige Feedback über »testen – lernen – verbessern – testen – lernen – verbessern« macht sofortige Kurskorrekturen möglich. Hierzu werden nutzbare, minimal funktionsfähige Produkte (Minimal Viable Products) schnell auf den Markt gebracht und sukzessive durch User in deren realem Umfeld getestet. Überflüssiges kommt frühestmöglich weg. Brauchbares wird in einem laufenden Prozess optimiert. »Permanent Beta« nennt man das auch. Ein prima Nebeneffekt: Über Updates ist man regelmäßig in Kontakt mit seinen Kunden.

Vom Kunden her denken: »Raus auf die Straße, Nutzer beim Anwenden beobachten und mit (potenziellen) Kunden reden« ist eine Basisdevise. Wer zum Beispiel eine App für junge Zielgruppen entwickelt, geht in ein Café, spendiert ein paar jungen Leuten einen Drink, schaut ihnen über die Schulter und lauscht ihren Kommentaren, während sie mit der App hantieren. In traditionellen Unternehmen hingegen wird eine vermeintlich perfekte Lösung komplett inhouse entwickelt, dann in den Markt geworfen und in einer Rückschau durch aufwendige Kundenzufriedenheitsuntersuchungen validiert. Repräsentativität sei aber doch wichtig? Unsinn! Wenn zehn von zehn Testern ein Leistungsmerkmal unerträglich oder völlig unnötig finden, ist das ziemlich aussagekräftig.

Skalieren: Skalieren bedeutet, dass sich ein Grundmodell relativ mühelos um einen Faktor X vervielfachen lässt. Digitale Lösungen haben dabei einen entscheidenden Vorteil: Bei ihnen verursacht eine Skalierung kaum Kosten. Ein physisches Produkt oder ein Filialkonzept zu multiplizieren kann sehr aufwendig sein. Das Duplizieren einer Anwendung oder der Zuwachs um ein paar Hunderttausend Webportalnutzer hingegen kostet so gut wie nichts. Oder: Die üblichen Werkstattbesuche sind für einen Autobesitzer mühsam und teuer. Das Aufspielen einer neuen Software, etwa beim Tesla, geht hingegen virtuell, zudem erfolgen die Updates dann bei allen Autos gleichzeitig. Insofern streben Gründer vorrangig nach hohen Skalierungseffekten. Das macht sie für den Kapitalmarkt sehr interessant. Nach einer Durststrecke des Aufbaus sind extrem hohe Wertsteigerungen möglich.

Alle fünf Vorgehensweisen können auch in klassischen Unternehmen, egal, welcher Größe und Branche, umgesetzt werden. Voraussetzung ist natürlich, dass »Old School« von »New School« lernen will und ein Perspektivenwechsel gelingt. Anthropologisch betrachtet ist es ja neu, dass Wissen von Jung auf Alt übertragen wird. Bislang war das stets umgekehrt. Die Blockaden sitzen also tief eingewoben in unseren Genen. Und genau deshalb sind die zu überspringenden Hürden so hoch.


Abb. 6: Wesentliche Vorgehensweisen in New-School-Unternehmen

Mit Häme wird von Old-School-Managern gern darauf hingewiesen, dass viele Start-ups nicht überleben. Dazu Zahlen von 2017 für Deutschland: In die Insolvenz gingen 11,4 Prozent der Unternehmen mit einem Betriebsalter bis zu zwei Jahren, jedoch 18,3 Prozent der Unternehmen, die mehr als 20 Jahre alt sind.17 Häme ist also ganz gewiss kein guter Plan. In den USA ist seit dem Jahr 2000 bereits gut die Hälfte der Firmen aus der Fortune-500-Liste verschwunden.18 Die Hauptgründe dafür: Selbstherrlichkeit, verpasste Trends und fehlende Anpassungsfähigkeit. Längst stehen neue, junge Player an der Spitze der Wirtschaft. Und die Old Economy fällt immer weiter zurück.

Zudem floppen beim klassischen Vorgehen Geschäftsmodelle oder Produkte erst ganz zum Schluss, nachdem man sie mit hohen Entwicklungs- und Werbekosten in den Markt gedrückt und die Konsumenten vor vollendete Tatsachen gestellt hat. Die Flops in jungen Unternehmen hingegen kommen schnell, passieren früh und mit wenig spektakulären Folgen. Die gemachten Erfahrungen werden sogleich dazu genutzt, ein zweites, besseres Unternehmen aufzubauen. Viele Investoren ziehen inzwischen sogar Gründer vor, die schon einmal gescheitert sind. Weil Fehlschläge Lernchancen sind.

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