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Vom Zusammenhang zwischen Essen und Sprechen

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Um überhaupt sprechen zu können, bedarf es neben einem ausgeprägten Hörvermögen und einer ansprechenden Umwelt auch der Entwicklung der Mundmotorik. Ohne Lippen, Zunge, Gaumen und Wangen ist Sprechen unmöglich, und wenn das Zusammenspiel nicht reibungslos funktioniert, wirkt sich das häufig auf die Sprachentwicklung aus. Auch wenn es auf den ersten Blick seltsam anmuten mag: Die Geschicklichkeit der Zunge ist für das Sprechen ausschlaggebend. Und wie könnte man die Zunge besser trainieren als beim Essen?

Der kindliche Mundraum

Die Zunge eines Neugeborenen ist so groß, dass sie seinen ganzen Mundraum ausfüllt. Die obere Begrenzung der Zunge ist der Gaumen, die untere der Mundboden und nach vorne schließen die Lippen den Mundraum ab. Viel Platz für Bewegung hat die Zunge im Moment noch nicht, dafür aber umso mehr Kraft fürs Saugen.

Der kindliche Kehlkopf ist in den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt noch relativ hoch gestellt. Wenn das Baby schluckt, schließt sich der Verschlussmechanismus zum Schutz der Luftröhre noch nicht automatisch, weshalb Säuglinge annähernd gleichzeitig schlucken und atmen können.

Stillen trainiert die Mundmuskeln

Idealerweise stillt eine Mutter ihr Baby etwa sechs Monate lang. Denn neben vielen anderen sinnvollen Gründen für das Stillen fördert es auch die kräftige Ausbildung der Mundmuskulatur. Warum? Der Unterkiefer liegt bei Neugeborenen etwas hinter dem Oberkiefer, und er ist schmaler als dieser (das nennt man Neugeborenen-Rückbiss). Diese anatomische Besonderheit erleichtert dem Baby nicht nur den Weg durch den engen Geburtskanal, sondern bietet auch die Voraussetzung für das optimale Saug-Schluck-Muster. Beim Saugen schiebt sich die Zunge des Babys über die untere Zahnleiste, wodurch es das Brustgewebe von unten gegen den Gaumen drückt. Im Zusammenspiel mit dem Vor- und Zurückbewegen des Unterkiefers entsteht dadurch die klassische Saugbewegung.

Es mag noch so einfach aussehen, aber das Saugen an der mütterlichen Brust erfordert eine enorme Mundmuskelkraft. Dabei trainiert ein Säugling sämtliche Gesichts- und Nackenmuskeln, bis hinunter zu den Schultern. Vor allem aber kräftigt das Saugen seine Kiefer-, Wangen- und Zungenmuskulatur, was wiederum den Weg für die spätere Lautbildung ebnet. Denn wenn Zunge, Lippen und Kaumuskulatur ausreichend trainiert und in Form sind, fällt es dem Baby leichter, eine bestimmte Menge an Luft anzusaugen, sie am richtigen Punkt zu stoppen und sinnvoll wieder einzusetzen, um damit Laute zu erzeugen.

Beim Trinken aus der Flasche muss ein Baby weniger Muskelkraft aufwenden. Wenn Sie auf Flaschennahrung zurückgreifen, sollten Sie daher besser nicht das Saugloch nachträglich vergrößern (um Zeit zu sparen). Sonst trainiert das Baby seine Mundmuskulatur kaum.

Feste Nahrung fördert das Sprechen

Etwa mit einem halben Jahr vergrößert sich der Mundraum, wodurch die Zunge mehr Bewegungsspiel hat. Sie kann sich jetzt nicht mehr nur vor und zurück bewegen, sondern auch auf und ab. Weil langsam die ersten Zähne durchbrechen, wird der Raum der Zunge darüber hinaus noch einmal neu definiert.

Ebenfalls mit etwa sechs Monaten, parallel mit dem Einschießen oder sogar Durchbruch der Schneidezähne, rückt der kindliche Kehlkopf samt Zungenbein und Zungenwurzel weiter nach unten. Von nun an verlagert die Zunge ihren Stammplatz ein wenig weiter nach hinten, sodass sie nicht an den vorderen Zähnen anstößt. Damit ist das Baby in der Lage, Nahrung mit der Zunge nach hinten zu transportieren und herunterzuschlucken. Da trifft es sich gut, dass gerade um diese Zeit ein weiterer Reflex abhanden kommt: Die Mutter muss nicht mehr den Mund berühren, damit das Baby ihn öffnet. Es sperrt seinen Schnabel jetzt ganz von alleine auf, wenn es essen will. Aus diesem Grund sollten Sie auch keinen Brei aus der Flasche anbieten, sondern mit dem Löffel füttern.

Es empfiehlt sich zudem, langsam mit der Umstellung auf festere Nahrung zu beginnen – ganz abgesehen davon, dass das stetige körperliche Wachstum reichlich Energie erfordert. Denn je fester die Kost wird, desto mehr unterstützt sie die Rückverlagerung der Zunge.

VOM MEILENSTEIN DER ZUNGENDREHUNG

Jetzt geschieht etwas Faszinierendes: Ungefähr zur gleichen Zeit, zu der sich das Baby von alleine aus der Rücken- in die Bauchlage drehen kann (und umgekehrt), ist es auch in der Lage, seine Zunge zur Seite hin und her zu bewegen. Die Zunge kann damit festere Nahrungsbestandteile immer geschickter im Mund hin und her bewegen und einspeicheln, um sie anschließend leichter schlucken zu können. Und diese Geschicklichkeit kommt später auch dem Sprechvermögen zugute.

Ab jetzt heißt es, die Neugier der kindlichen Zunge durch unterschiedliche Geschmacksrichtungen und Konsistenzen zu wecken. Denn je wacher die Zunge ist, desto experimentierfreudiger wird ein Baby mit seinen Lippen und der Spucke spielen, lallen und unterschiedliche Laute bilden. Für jeden einzelnen Laut nehmen Zunge, Lippen und Unterkiefer eine andere Position ein. Je besser das Zusammenspiel der Mundmotorik gefördert wird, desto leichter fällt es dem Baby, sprechen zu lernen.

ZAHNEN UND MUNDMOTORIK

Wenn Zähne einschießen, stecken viele Babys ihre Fingerchen oder ein Spielzeug in den Mund, um die Stelle, unter der bald das Zähnchen hervorblitzt, zu massieren und die mitunter schmerzende Empfindung zu reduzieren. Ein positiver Nebeneffekt dieses »Alles-in-den-Mund-Steckens«: Lippen, Zunge und Wangen erhalten mehr sinnvolle Reize, die Mundmotorik und der Spürsinn werden geschult – denn Mund und Zunge erkunden anfangs genauer als Hände. Ob Hände, Füße oder Spielzeug – nichts ist vor dem Mund sicher …

Die ersten 3 Jahre meines Kindes

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