Читать книгу Pflege von Menschen mit geistigen Behinderungen - Annelen Schulze Höing - Страница 7
Vorwort zur 3. Auflage
ОглавлениеZentrales Anliegen dieses Buchs bleibt es weiterhin, pflegefachliche Anleitung zur Risikoeinschätzung und Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung zu geben.
Seit der Veröffentlichung der 2. Auflage im Jahr 2015 wurden in der Eingliederungshilfe und in der Pflege die Sozialversicherungssysteme umgebaut und neu ausgerichtet mit einer Neuordnung der Pflegeversicherung (Pflegegrade, Anerkennung kognitiver und psychischer Beeinträchtigungen als auslösendes Moment für Leistungen). Ein wichtiger Aspekt bezüglich der Frage, wer Pflege plant und ausführt, ist die Einführung des Pflegeberufereformgesetzes zum 1. Januar 2020. Ziel ist es, die Ausbildung zur Pflegefachkraft zu modernisieren, attraktiver zu machen und den Berufsbereich der Pflege insgesamt aufzuwerten. Kern des Pflegeberufegesetzes ist die Einführung einer dreijährigen, generalistischen beruflichen Ausbildung mit dem Abschluss »Pflegefachfrau«/»Pflegefachmann« und sieht für den Pflegeberuf vorbehaltene Tätigkeiten vor, welche von anderen Berufsgruppen nicht mehr ausgeübt werden dürfen. Dieser Umstand ist bei der Ausübung von Pflege durch pädagogisch ausgebildete Mitarbeitende zu berücksichten.
Mit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention und des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) stellen Personenzentrierung und Teilhabe die zentralen Leitbegriffe für eine zukunftsweisende Behindertenhilfe dar. Im Besonderen stärkt das neue Teilhaberecht die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Bezug auf Selbstbestimmung und auf volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Das BTHG vollzieht darüber hinaus mit der Umsetzung der Personenzentrierung einen umfassenden Wandel im Bereich der Behindertenhilfe, was sich nicht nur auf die Durchführung von Teilhabeplanverfahren, sondern auch auf die Haltung zu und den Umgang mit Menschen mit geistigen Behinderungen auswirkt.
Nun werden die Leistungen in gemeinschaftlichen Wohnformen getrennt und keine Tagessätze mehr vereinbart, sondern jede Klientin erhält nach einer umfassenden Bedarfserhebung personalisierte Leistungen. In diesem neuen System gehört die Grundpflege (und damit die überwiegende Anzahl der Expertenstandards) und die sog. Einfachste Behandlungspflege zu den Aufgaben der überwiegend pädagogischen Fachkräfte der besonderen Wohnformen.
Dieser Umstand stellt eine hohe Anforderung an Pädagogen der Behindertenhilfe dar und erfordert eine Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Pflege und mit pflegerischer Qualitätsentwicklung.
Für diese 3. Auflage wurden folgende Gastbeiträge neu aufgenommen:
• Gastbeitrag 1: »Die Ermittlung des individuellen Hilfebedarfs in der Verwirklichung des Personenzentrierten Ansatzes«, verfasst durch die bundesweit hochgeschätzten ICF- und BTHG-Experten Thomas Schmitt-Schäfer und Konstantin Schäfer. Dieser Gastbeitrag umfasst auch eine Einführung in das BTHG (Bundesteilhabegesetz) und in die ICF-basierte Bedarfsermittlung.
• Gastbeitrag 2: »Eingliederungshilfe und Pflege«. Herr Schmitt-Schäfer führt uns in seiner Funktion als Sozialrechtsexperte durch die komplexe Fragestellung, wie sich Leistungen der Eingliederungshilfe von den Leistungen der Pflege abgrenzen lassen.
Zusätzlich haben sich auf Grundlage der Einführung des BTHG und der ICF folgende Änderungen ergeben:
• Die Neustrukturierung des Gesprächsleitfadens Pflegeerfassung®. Bisher war der Gesprächsleitfaden gemäß H. M. B.-W-Teilhabeplanung strukturiert und wurde nun auf Grundlage der ICF neu strukturiert.
• Das Protokoll »Pflegeerfassung« wurde ebenfalls auf Grundlage der ICF angepasst.
• Im Rahmen der Entbürokratisierten Pflege verzichtet Pflege inzwischen auf die Definition von Pflegezielen, dies wurde im Praxisbeispiel Pflegeerfassung entsprechend kenntlich gemacht.
• Und schließlich wurden die Auswirkungen des Pflegeberufegesetzes dargestellt, auch wenn zur Zeit noch unklar ist, wie diese Anforderungen in der Eingliederungshilfe Anwendung finden werden.
Dem aufmerksamen Leser ist vielleicht aufgefallen, dass wir den bisherigen Untertitel der 2. Auflage »Pflegebedarfsanalyse und integrierte Hilfeplanung« wie folgt umgeändert haben:
»Gesetzliche Grundlagen, Pflegebedarfsanalyse, Praxiswissen Pflege«
Die beschriebenen Veränderungen der Rahmenbedingungen, insbesondere die Stärkung der Selbstbestimmmung aller Klienten, betreffen die Dienste der Behindertenhilfe auf allen Ebenen und erfordern einen Organisationsentwicklungsprozess, um diesen Paradigmenwechsel zu bewältigen. Es gilt, sich aktuelles Wissen anzueignen, die Arbeitsroutinen und Abläufe zu überprüfen, Konzepte anzupassen und schließlich den Umgang mit den Klienten konsequent auf die Stärkung der Selbstbestimmung auszurichten.
Mein besonderer Dank gilt Thomas Schmitt-Schäfer und Konstantin Schäfer!
Viel Spaß beim Lesen.1
Anmerkungen und Änderungsvorschläge zum Buch werden dankbar via E-Mail entgegengenommen (annelen@schulzehoeing.de).
Ihre Annelen Schulze Höing
1 Eine Bemerkung zur verwendeten Sprache: Ich nutze in meinem Buch männliche und weibliche Pluralformen willkürlich wechselnd, wenn die Verlaufsform »Pflegende« sich nicht anbietet. Schreibe ich also von Pflegerinnen, dann können genauso auch Pfleger gemeint sein. Ist von Klienten die Rede, sind selbstverständlich auch Klientinnen gemeint.