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Revolutionärin Maria

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Der Ökumenische Christinnenrat lädt an Katholikentagen, Evangelischen und Ökumenischen Kirchentagen jeweils zum Frauengottesdienst ein. Beim Evangelischen Kirchentag in Berlin 2017 stand dieser Gottesdienst unter dem Thema „Maria“.

Ich habe gerade meinen Teller nach einem ziemlich späten Abendessen in die Spüle gestellt, da klingelt es. Vor der Tür steht Gott mit einem Sixpack Altbier unter dem Arm und sagt: „Guten Abend, ich würde gerne mit dir über mich sprechen.“

„Ach Gott“, sag ich und halte die Tür auf. „Du bist es. Komm rein. Ich hoffe, Du machst das nicht bei anderen, die müssen ja denken, du hast nicht mehr alle Dornen an der Hecke.“

„Hehe, kleiner Scherz am Rande“, sagt Gott, setzt sich auf den Küchentisch und macht sich ein Bier auf.

„Hast du in letzter Zeit eigentlich mal was von Maria gehört?“, fragt Gott und gibt mir auch eins.

„Nein“, sag ich, „warum?“

„Ach“, sagt Gott, „ich hab den Eindruck, sie könnte mal wieder mehr von sich reden machen. Mir fehlt ein bisschen die Frauenpower in meinem Laden.“

„Na hör mal“, sag ich, „das ist doch wohl dein eigener Job, oder nicht?“

Gott nimmt einen Schluck Bier und guckt verlegen.

„Willst du mir sagen, dass deine Leute das immer noch nicht auf der Kette haben, dass du kein Typ bist?“, frag ich. „Prost übrigens.“

„Hrmpf“, sagt Gott.

„Oh“, sag ich.

„Genau“, sagt Gott.

„Mensch Gott“, sag ich, „du hast es aber auch nicht leicht mit deiner Kirche.“

„Nein“, sagt Gott. „Aber das Gute am Gottsein ist ja, dass ich weiß, dass das nicht immer so bleiben wird.“

„Also du und deine Kirche, das ist aber auch echt ein Treppenwitz der Weltgeschichte“, sage ich. „Warum genau hast du nochmal eine Kirche haben wollen, wenn sie dann nicht so aussieht, wie du sie gerne hättest, und warum wollten deine Leute nochmal ausgerechnet dich als Gott, wenn du eigentlich gar nicht so bist, wie sie es gerne hätten?“

„Ach, du weißt doch, wie das ist“, seufzt Gott. „Irgendwann kommt man aus so ’ner Nummer nicht mehr raus.“

Ich gucke.

„Ja, du hast ja recht“, sagt Gott widerstrebend, „ich hab da wohl bei der einen oder anderen Filiale ein bisschen was schleifen lassen. Aber echt mal, da muss man auch erst einmal drauf kommen, dass es für die eigenen Leute so unglaublich wichtig sein kann, ob jemand im Stehen oder im Sitzen pinkelt. Das ist mir doch so dermaßen egal.“

„Du musst ja auch nicht das Klo putzen“, sag ich.

Gott bekommt einen Hustenanfall.

„Also, was ist jetzt mit Maria?“, frag ich.

„Ich könnte sie mal wieder brauchen“, röchelt Gott. „Aber es wäre schön, sie würde selbst reden. Es wird schon so viel über sie geredet und das meiste hat mit ihr etwa so viel zu tun wie die AfD mit Weltoffenheit.“

„Ach, echt?“, frag ich. „Was denn?“

„Na ja, Jungfrau, immer lieb und nett und so“, sagt Gott. „Ich könnte dir da das eine oder andere erzählen, von wegen lieb und nett.“

„Apropos Jungfrau“, sag ich. „Hab ich dir eigentlich schon mal erzählt, dass ich mich als Kind immer gefragt habe, warum nur Maria immer mit ihrem Sternzeichen genannt wird?“

„Jetzt hast du mich abgehängt“, sagt Gott.

„Na weil ihr Geburtstag doch im September gefeiert wird“, sag ich. „Da ist doch klar, dass sie Jungfrau ist, oder? Ich hab mich nur immer gewundert, warum dann nie vom Steinbock Jesus die Rede war.“

Gott fängt wieder an zu husten.

„Da kann man noch so lange Gott sein“, keucht Gott zwischen zwei Hustern, „kleine katholische Kinder haben echt die abstrusesten Ideen von allen. Darf ich einen von den Keksen da?“

„Tu dir keinen Zwang an“, sag ich.

„Also, ich hätte Maria gern wieder etwas weiter vorne“, sagt Gott. „Ich hätte gern, dass meine Leute etwas mehr von der Energie haben, mit der sie damals über das Gebirge gestürmt ist. Und von ihrem Jubel über meine Barmherzigkeit und Gerechtigkeit.“

„Hm“, sag ich. „Vielleicht würde es helfen, du würdest deinen Leuten auch so nahe kommen wie ihr damals.“

„Vielleicht würde es helfen, meine Leute wären so aufmerksam wie Maria damals“, sagt Gott.

„Sollen wir Schnickschnackschnuck darum spielen, wer recht hat?“, frag ich.

„Nee, lass mal“, sagt Gott und nimmt sich noch einen Keks.

„Weißt du, was mir daran nicht gefällt, wenn Maria immer das leuchtende Vorbild ist?“, frag ich.

„Du wirst es mir sagen“, sagt Gott.

„Diese ganze Kiste mit empfangend und demütig und so“, sag ich. „Maria ist da immer so passiv und still.“

„Passiv und still, Maria? Ich glaub, es hackt“, sagt Gott. „Das wäre nun wirklich das Letzte, was mir zu ihr einfallen würde. Maria wäre die Richtige, eine Weltrevolution anzuzetteln.“

„Die Mächtigen vom Thron zu stürzen?“, frag ich.

„Ja“, sagt Gott. „Zum Beispiel.“

„Aber heute ist es komplizierter“, sag ich. „Die Mächtigen sitzen nicht mehr auf dem Thron. Sie kaufen Saatgutkonzerne und privatisieren das Wasser, sie handeln mit Waffen und spekulieren ganze Volkswirtschaften in Grund und Boden.“

„Aber niemand kann sagen, er hätte mich dabei auf seiner Seite“, sagt Gott und knallt das Bier so heftig auf den Tisch, dass es ein bisschen spritzt. „Dafür hat Maria gesorgt.“

„Und du hättest gern, dass sie das nochmal klarstellt“, sag ich.

„Nein, nein, das war schon klar genug“, sagt Gott wieder ruhiger und wischt den Tisch mit dem Ärmel trocken. „Aber sie ist ja schon jemand, die Leute zusammenbringen kann. Mehr Frauen, die gemeinsam was reißen, das fände ich gut.“

„Nichts dagegen“, sag ich. „Aber wenn Maria gerade nicht greifbar ist, dann könntest du ja vielleicht doch noch mal gucken, wie du deinen Leuten selber beibringst, dass du kein Macho-Gott bist. Hast du noch so ein Bier für mich?“

„Klar“, sagt Gott. „Aber weißt du, eigentlich ist das Coole am Gottsein ja gerade, sich nicht erklären zu müssen.“

„Da ist vermutlich was dran“, sag ich.

„Kann ich heute bei dir pennen?“, fragt Gott.

„Fühl dich wie zu Hause“, sag ich.

„Danke“, sagt Gott. „Und morgen starten wir dann die Weltrevolution.“

„Oder wir gehen nochmal zu den Ladys in deiner Kirche und lassen ihnen eine Portion Mut und Hoffnung herüberwachsen“, sag ich. „Wenn du dabei bist, dann geht das bestimmt. So wie bei Maria damals. Weil sie zu deinem Team gehören und für Gerechtigkeit aufstehen können.“

„Hab ich dir eigentlich schon mal gesagt“, sagt Gott, „dass ich es immer toll finde, wenn wir zwei das Gleiche vorhaben? So machen wir das.“

„Ja“, sag ich. „Ich freu mich drauf. Und Amen.“

Wenn Gott zum Kaffee kommt

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