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Bratkartoffeln

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Bei Zeitfenster haben wir in den vergangenen Jahren in der Karnevalszeit jeweils einen Gottesdienst mit einem Preacher-Slam anstelle einer Predigt gefeiert. Dabei geht es um einen Wettbewerb zwischen mehreren Prediger*innen, zu einem vorgegebenen Thema dicht, poetisch und natürlich auch theologisch zu sprechen. 2017 stand der Zeitfenster-Preacher-Slam unter dem Thema „Essen ist fertig“.

„Warum genau sind wir nochmal hier?“, fragt Gott und hebt die gebratene Garnele sorgfältig mit der Gabel an, um den darunter liegenden Kokos-Chili-Schaum zu betrachten.

„Du wolltest eine Location für den nächsten Betriebsausflug testen“, sag ich. „Und du wolltest, dass es richtig schön ist und man richtig gut essen kann.“

„Ja“, sagt Gott. „Ich dachte dabei aber eher an Bratkartoffeln und ‚All you can eat‘, verstehst du? Also schön ist es ja, aber ich hatte eigentlich nicht an Portionen im unteren zweistelligen Grammbereich gedacht.“

„Das klingt, als wären wir hier am falschen Ort“, sag ich.

Gottes Miene hellt sich auf.

„Nach allem, was du mir erzählt hast“, sagt Gott, „ist das bestimmt ein katholisches Restaurant, oder?“

„Was?“, frag ich. „Wie kommst du denn darauf?“

„Ich dachte“, sagt Gott, „weil Katholiken ja auch die sind, die mein Abendmahl mit kleinen runden Esspapierscheibchen feiern. Ich dachte, das hätte vielleicht Prinzip. Abstraktes Essen oder so. Immerhin klingeln die Scheibchen auch beim Hochheben.“

„Erstaunlicher fand ich als Kind immer, dass der Kelch klingeln konnte“, sag ich.

„Ich weiß“, sagt Gott. „Das war witzig, wie du immer den Hals gereckt hast, um zu sehen, wo an diesem Kelch die Glöckchen waren.“

„Die Dorfkirche war klein und ich durfte halt nie vorne bei den Messdienern sein“, sag ich. „Und eigentlich können weder der Kelch noch die Scheibchen klingeln.“

„Du bist echt süß, dass du mir das erklären willst, Herzchen“, sagt Gott. „Auch wenn ich im Nachhinein beim letzten Abendmahl einen klingelnden Kelch schon schick gefunden hätte. Erklär mir lieber, wie man hiervon satt werden soll.“ Gott balanciert probeweise ein wenig Kokos-Chili-Schaum auf der Gabel.

„Komm“, sag ich und lege mein Besteck beiseite. „Wir gehen besser.“

„Bezahlst du für mich mit?“, fragt Gott. „Aber lieber den verlangten Preis, nicht den Materialwert. Das gäbe sonst bestimmt Ärger. Und dann gehen wir zu dir und machen Bratkartoffeln.“

„Hör mal, Gott“, sag ich auf dem Weg, „weißt du noch, wie du neulich abends bei mir warst und mit mir über Maria reden wolltest?“

„Klar“, sagt Gott. „Deine Kekse waren gut.“

„Ich hab ein paar Leuten davon erzählt“, sag ich. „Also wie du vor meiner Tür standest und ein Sixpack Altbier unter dem Arm hattest und so. Und weißt du“, sag ich, „niemand, wirklich niemand hat sich darüber gewundert, dass du einfach so vorbeikommst. Aber ALLE haben gefragt, warum ausgerechnet Altbier?!“

Gott lacht.

„Na das ist nun aber wirklich Level eins“, sagt Gott. „Wir sind doch beide vom Niederrhein! Und Heimat ist eben, wenn man Sachen mag, die schon ein paar Kilometer weiter als Gefahrgut durchgehen würden.“

Jetzt bin ich es, die lacht.

„Das ist eventuell ein kleines bisschen übertrieben“, sag ich.

„Eventuell“, sagt Gott. „Und außerdem, Kölsch kann ja jeder. Und Gottsein hat halt auch was mit Stil zu tun.“

„,Altbier‘ und ‚Stil‘ in einem Zusammenhang“, sag ich. „Das ist bemerkenswert.“

„Jaha“, sagt Gott. „Meine Wege sind eben nicht eure Wege, nicht wahr.“

„Aber dieser Weg war kurz“, sag ich. „Hier um die Ecke sind wir ja schon bei mir.“

„Ich geh nochmal kurz zum Markt“, sagt Gott.

„O.k.“, sag ich, „dann kann ich eben noch zu den Pfadfindern nebenan und eine richtig große Pfanne leihen. Ich nehme an, du magst lieber große Portionen.“

„Gut mitgedacht“, sagt Gott. „Und sag schon mal Bescheid, dass es gleich Essen gibt.“

Als wir ungefähr zeitgleich zurückkommen, knallt Gott den 20-Kilo-Sack Kartoffeln auf den Küchentisch, dass es staubt wie bei einem Autorennen in der Wüste, und geht zum Kühlschrank.

„Ach, da ist ja noch eins übrig!“, sagt Gott, nimmt sich das letzte Alt, dreht das Radio laut auf, setzt sich auf den Tisch neben den Kartoffelsack und greift sich das zweite Schälmesser.

18 Kilo später, als ich gerade die Pfanne startklar mache, geht Gott zum Fenster, öffnet es weit, lehnt sich raus und ruft lauthals zum Essen.

„Bringt Stühle und Teller mit!“, ruft Gott.

„Wen lädst du denn alles ein?“, frag ich.

„Na alle“, sagt Gott. „Du kannst schon mal die Türen aushängen und über die Kisten da legen, wir brauchen einen wirklich großen Tisch.“

„Du kommst auf Ideen“, sag ich.

„Klar“, sagt Gott und muss ziemlich laut werden, um das sich nähernde Fußgetrappel und Stimmengewirr zu übertönen. „Gottsein ist nur halb so schön, wenn der Tisch nicht voll ist.“

„Ja“, sag ich. „Ich hab dich schon lang nicht mehr so glücklich gesehen.“

Gott strahlt.

„Essen ist fertig“, sagt Gott.

„Ja“, sag ich. „So ein Glück. Und Amen.“

Wenn Gott zum Kaffee kommt

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