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Zwei

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Beim Frühstück hatte ich die ganze Zeit über einen Ohrwurm. Dabei konnte ich eigentlich nicht mehr als zwei Zeilen des Refrains. Aber eben diese liefen unaufhörlich durch meinen Kopf. Paula und ich saßen in unserem Lieblingscafé, an unserem Lieblingstisch ganz hinten in der Ecke, und ließen uns ein Frühstück mit Latte Macchiato, gekochten Eiern und einem bunten Obstsalat schmecken. Es war irgendwann zu einer Tradition geworden, dass wir nach Konzertbesuchen hier frühstücken gingen. Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, wann wir damit angefangen hatten. Ich wusste nur, dass es mittlerweile zu einem festen Bestandteil nach einer durchtanzten Nacht geworden war. Warum wir immer ausgerechnet nach Konzerten hier hingingen, wenn wir völlig übermüdet waren und wohl eigentlich besser ins Bett gehörten, wusste ich nicht. Aber auch wenn ich jetzt wieder so müde war, dass ich mich kaum mit Paula unterhalten konnte, genoss ich es mit ihr hier zu sitzen, den besten Kaffee überhaupt zu schlürfen und dabei mit ihr den Abend noch einmal gedanklich durchzugehen. Wir konnten nicht nur ständig auf Konzerte gehen, wir konnten auch stundenlang darüber reden. Das war schön, so hatte ich wenigstens ein bisschen das Gefühl, das Konzert wäre noch nicht ganz vorbei, denn nach jedem Livegig war ich neben aller Euphorie auch immer ein bisschen traurig, dass es schon wieder vorbei war.

„Es war so toll. Ich wünschte, wir könnten die Zeit zurückdrehen“, sagte ich seufzend. Ich schmierte Honig auf mein Rosinenbrot und biss davon ab. Mit Frühstück im Magen, löste sich die Müdigkeit, die mich wie ein Nebelschleier umgab, wenigstens ansatzweise auf.

„Ja, das wäre toll. Aber wir gehen sicher bald auf das nächste Konzert.“

„Zum Glück.“

„Am besten von Broken Home. Ich vermisse Max jetzt schon wieder. Hast du gesehen, wie er bei dem Gitarrensolo abgegangen ist?“, schwärmte Paula. „Und wie er weitergespielt hat, obwohl sein Gitarrengurt gerissen ist?“ Dabei glänzten ihre Augen so wie sie es nur taten, wenn sie von Max sprach.

Ich musste grinsen. Paula und ihr Max. Ihr wurde es nie langweilig von ihm zu schwärmen und egal was der Gitarrist tat, Paula fand es toll. „Du und dein Max!“, sprach ich meine Gedanken laut aus.

„Was denn? Hast du gesehen, wie er einfach weitergespielt hat? So als ob gar nichts passiert wäre. Das muss doch verdammt anstrengend sein ohne Gurt. Er hat sich überhaupt nicht davon stören lassen, dass alle um ihn rumgefuchtelt haben, um den Gurt provisorisch festzukleben.“

Ich stimmte ihr zu. Sie hatte ja recht, aber die Euphorie mit der sie darüber sprach, brachte mich einfach zum Schmunzeln. Auch das restliche Frühstück drehte sich unser Gespräch fast ausschließlich um den vergangenen Abend. Zwischendurch schwiegen wir, zu müde zum Sprechen und einfach unseren Gedanken nachhängend. Die einzigen Momente, in denen Stille zwischen uns entstehen konnte, kamen nach durchfeierten Konzertnächten vor. Sonst plauderten wir Nonstop.

„Was machen wir heute noch?“, fragte Paula mich, nachdem wir bezahlt und uns von unserer Lieblingsbedienung verabschiedet hatten. Ich mochte sie sehr. Sie hatte immer für jeden Besucher ein Lächeln auf den Lippen. Bei ihr hatte ich jedes Mal das Gefühl, dass sie das nicht nur tat, weil es ihr Job war, sondern weil ihre Arbeit ihr wirklich Freude bereitete.

„Irgendwas Ruhiges.“ Trotz Kaffee fühlte ich mich nicht bereit für große Unternehmungen. „Ich habe auch nicht mehr so lange Zeit. Ich wollte nachher noch zu Elias.“

„Vielleicht einen Film gucken?“, schlug Paula vor.

„Gute Idee. Coco hat sich doch den neuen Film mit Kostja gekauft. Hast du den schon gesehen?“

„Nein, noch nicht.“

„Dann wäre ich für den!“

„Wartest du nochmal kurz? Ich hätte gerne noch einen Latte zum Mitnehmen.“ Paula drehte sich um und öffnete die Cafétür, die sich gerade erst hinter uns geschlossen hatte. Paula war süchtig nach dem Kaffee mit Nussgeschmack. Aber ich konnte es ihr nicht verübeln. Das Zeug war auch einfach zu gut.

„Willst du auch noch einen?“ Da konnte ich nicht Nein sagen. Mit unseren zwei Kaffeebechern machten wir uns schließlich auf den Weg zu Paulas Wohngemeinschaft. Wir hatten es nicht weit und so konnten wir es uns schnell auf ihrem Bett gemütlich machen. Obwohl der Film super witzig war, nickte ich zwischendurch mehrmals kurz ein.

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