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Fünf

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Die Uniwoche war endlich überstanden und wir waren bereit das Wochenende mit einem Konzert einzuläuten. Ungeduldig warteten Paula, Coco und ich vor der Disco. Ein typischer Berliner Club im Shaby-Chick-Style. Der Hinterhof, in dem der Eingang lag, war mit einer Lichterkette überspannt, die sicherlich schon bessere Zeiten gesehen hatte. Nur noch ungefähr jede zweite Birne leuchtete und das auch nicht mehr besonders hell. Wir ließen uns auf einer schmalen Holzbank – eher ein Holzbalken – nieder. Es war noch ziemlich viel Zeit bis zum Einlass und so konnten wir unsere Füße noch etwas schonen, während wir uns ein Bier genehmigten.

„Habt ihr schon das Bier mit Ginger und Minze probiert?“, fragte Coco.

„Ja. Das ist richtig lecker“, antwortete Paula. „Das gab es doch letztens auch auf der Party von Michi.“

„Wie war die Party eigentlich?“, erkundigte ich mich. Ich war auch eingeladen gewesen, aber konnte meine Freundinnen leider nicht begleiten, da ich Babysitten musste. „Ihr habt noch gar nichts davon erzählt.“

„Super witzig. Michi hat versucht uns das Tanzen beizubringen. Du glaubst gar nicht, wie schnell er seine Füße bewegen kann. Wir hatten alle keine Chance“, erzählte Coco sichtlich beeindruckt. Paula stand auf, drückte mir ihre Flasche in die Hand und versuchte Michi nachzuahmen. Ihre Bewegungen sahen allerdings ein wenig verkrampft aus. „Naja ungefähr so. Nur viel schneller und viel cooler natürlich.“

Als sich der Hinterhof langsam füllte, erhoben wir uns von unseren Plätzen. Wir wollten ja nicht, dass die, die später gekommen waren, sich einfach vordrängelten.

„Welche Tür ist eigentlich der Eingang?“ Fragend blickte Paula erst zu der einen und dann zu der gegenüberliegenden Tür.

„Keine Ahnung“, erwiderte ich achselzuckend. Ich hatte den Namen des Clubs zwar schon oft gehört, war aber selbst noch nie hier gewesen.

„Wo geht es denn zum Konzert von Großstadtleben ?“, fragte ich eine Frau, die das Logo des Clubs auf ihrem T-Shirt trug. Sie musste es ja wissen.

„Ich glaube da links.“

„Hoffentlich stimmt das“, sagte ich, als wir uns als erstes vor die dunkle, mit Aufklebern übersäte Metalltür stellten. Hinter uns reihten sich einige andere Konzertbesucher auf. Ohne, dass ich etwas hörte, strömten auf einmal die Hälfte aus unserer Reihe zu der andern Tür.

„Wehe die Tür hier ist falsch. Wir waren so früh da, jetzt will ich auch in die erste Reihe“, schimpfte Paula. In dem Moment sah ich, wie Jacob mit seinem Instrumentenkoffer in den Hinterhof kam, gefolgt von Nick mit zwei großen Taschen beladen. Sie steuerten auf unseren Eingang zu. Jacob lächelte mir zu, während er vorbeiging.

„Hi“, begrüßte Nick mich, als er mich entdeckte und nahm mich zur Begrüßung in den Arm. „Alles gut?“ Es fühlte sich so an, als würden wir uns schon ewig kennen.

„Auf jeden Fall.“ Ich spürte die neidischen Blicke der anderen Mädchen in meinem Rücken. „Und bei dir?“

„Auch! Wir freuen uns schon riesig auf den Abend. Das wird richtig geil!“

„Weißt du zufällig, wo der Eingang ist?“ Ich wollte unbedingt wissen, ob wir in der richtigen Schlange standen, schließlich wollte ich nicht umsonst so früh dagewesen sein. Die erste Reihe stand auf dem Spiel. Paula und ich waren ziemlich verwöhnt, was das betraf, da es uns fast immer gelang ganz vorne zu stehen. Wir waren zuerst da gewesen, hatten also ein Recht darauf!

„Nee, keine Ahnung. Ich darf ja einfach so rein“, antwortete Nick schulterzuckend.

„Kannst du mich nicht mitnehmen?“

„Wenn wir so tun, als wärst du meine Freundin bestimmt.“ Ich schaute ihn einen Moment verwirrt an. Meinte er das jetzt ernst? Meine Frage sollte eigentlich nur ein Scherz gewesen sein. Da ich zögerte, nahm Nick wie selbstverständlich meine Hand und zog mich an den anderen Mädchen vorbei zur Tür.

„Bis gleich. Ich halte euch einen Platz frei“, rief ich meinen Freundinnen noch schnell zu.

Eifersüchtige Blicke verfolgten mich, bis die schwere Metalltür mit einem Knall hinter uns ins Schloss fiel.

„Komm, ich stell dir die anderen vor.“ Er hielt noch immer meine Hand, obwohl es so dunkel war, dass es sowieso niemand sehen konnte. Die einzelne Glühbirne an der Decke konnte den langen Flur mit dem schwarzen Boden und den dunklen Wänden nicht nennenswert erhellen. Auch als Nick mich den anderen Jungs vorstellte, lag meine Hand noch immer in seiner. Seine Fingerkuppen fühlten sich rau auf meiner Haut an. Spielte er etwa auch Gitarre?

„Boys, das ist Mia. Mia das ist Tom.“ Er ließ meine Hand los und deutete auf den braunhaarigen Jungen mit Brille, der gerade seine Gitarre stimmte. Meine Hand fühlte sich immer noch warm an, auch wenn Nick sie nicht mehr festhielt.

„Das ist Jan und Jacob kennst du ja schon.“ Die beiden reichten mir die Hand und aßen dann ihre Pizza weiter.

„Wir machen gleich Soundcheck. Setz dich doch so lange noch“, forderte Nick mich auf und deutete auf das Sofa. Wo genau zwischen Pizzakartons, handgeschriebenen Setlisten und leeren Flaschen? Er deute meinen Blick richtig und schob alles in eine Ecke, so dass ich auf der anderen Seite Platz fand. Er quetschte sich daneben. Die von ihm freigeräumte Fläche war so schmal, dass sich unsere Oberschenkel und Arme berührten. Spürte Nick das genauso deutlich wie ich? Wenn ja, ließ er es sich auf jeden Fall nicht anmerken.

„Ist das deine neue Freundin?“, wollte Jan wissen.

„Heute Abend schon.“ Nick grinste mich an und nahm meine Hand, so als ob ich wirklich seine Freundin wäre. „Wenn schon, dann spielen wir es auch richtig“, flüsterte er mir zu. Mir stieg die Röte ins Gesicht, daran ließen meine glühenden Wangen keinen Zweifel. Ich hoffe die Jungs schoben es auf die unerträgliche Wärme in diesem muffigen Zimmerchen.

„Möchtest du etwas trinken?“ Nick stand auf.

„Gerne. Was gibt es denn?“

„Cola, Bier?“

„Eine Cola.“ Nick holte ein Flasche aus dem Kühlschrank und reichte sie mir. Ich hielt sie mir zur Abkühlung an mein glühendes Gesicht. Dabei saugte ich die Atmosphäre in mir auf. Ich hätte niemals gedacht, dass ich so einen Raum jemals betreten würde. Nach einer Weile verzogen Tom und Jan sich und schalteten den Fernseher ein, um Fußball zu schauen, während Jacob, Nick und ich in der Sofaecke blieben. Das Leder unter mir klebte an meinen Hosenbeinen, mit den Füßen schob ich irgendwelchen Müll zur Seite, es roch nach Bier und Zigarettenrauch.

„Sicher hast du dir das Backstageleben spannender vorgestellt, oder?“, erkundigte sich Jacob. Im Gegensatz zum letzten Mal, als ich ihn gesehen hatte, umspielte ein leichter Bartschatten seine Wangenknochen.

„Wer weiß, was noch kommt“, gab ich grinsend zurück. In der Tat passierte in meinen Vorstellungen hinter der Bühne immer etwas ungeheuer Aufregendes. Keine Ahnung was, aber ich war mir ziemlich sicher, dass hier immer ziemlich verrückte Aktionen stattfanden.

„Ich gehe mal eben eine rauchen und besorge mir dann noch einen Kaffee. Wollt ihr auch einen?“

Nick lehnte ab, aber ich nahm das Angebot dankend an.

„Ich würde gerne was richtig Verrücktes hören, was ihr Backstage mal erlebt hat?“, wandte ich mich neugierig an Nick.

„Normalerweise passiert hier wirklich immer einiges Kurioses. Wenn nicht gerade Fußball kommt. Dann kannst du Tom und Jan total vergessen. Aber da ich grundsätzlich kein Fan von diesem Backstage abhängen bin, hab ich da gar nicht so viel zu erzählen. An der Theke ist meistens viel mehr los.“

„Jetzt tu mal nicht so, als ob du keine Stories erzählen könntest.“ Jacob reichte mir eine Tasse. Den Kaffee als lauwarm zu bezeichnen, wäre eine ziemliche Beschönigung gewesen.

„Schon fertig?“, lenkte Nick ab.

„Mein Feuerzeug geht nicht. Also erstmal Kaffee. Wie wäre es zum Beispiel mit der Geschichte vom letzten Konzert? Ich sage nur: Pfeffer!“

Dieses Stichwort brachte beide genau im selben Moment zum Lachen.

„Sonst erzähle ich Mia die Story“, drohte Jacob seinem Sänger.

„Okay okay, ich erzähle es ja schon. Wir spielen uns untereinander immer sehr gerne Streiche. Die können auch manchmal ein bisschen böse sein. Vor dem letzten Gig hatte ich den grandiosen Einfall, dass es ja mal richtig lustig wäre, Jan weißen Pfeffer auf die Snaredrum zu streuen. Ich stellte mir vor, wie der ganze Pfeffer beim ersten Schlag in seinem Gesicht landen würde. Ich fand es einfach so witzig, dass ich gar nicht weiter nachgedacht habe. Also habe ich vor dem Konzert die ganze Zeit auf meine Chance gewartet. Zum Glück ging Jan kurz vor dem Auftritt noch einmal aufs Klo. Er muss nämlich ständig pinkeln. Ich bin also ganz schnell zum Schlagzeug gerannt und habe den Pfeffer überall verteilt und mir dabei schon so richtig schön ins Fäustchen gelacht. Und was passierte dann? Jan hat gemerkt, dass irgendwas seltsam ist, keine Ahnung wie. Deswegen nahm er sein doofes Handtuch und wischte den ganzen schönen Pfeffer mit einer einzigen Bewegung weg. Echt total unlustig.“

„Aber das, was dann passierte war schon ziemlich witzig“, unterbrach Jacob ihn.

„Ansichtssache.“ Doch Nick grinste dabei. Ihm Nachhinein schien er es auch lustig zu finden. „Beim Konzert hab ich ordentlich geschwitzt. Ich wollte mir das Gesicht abtrocknen und erwische genau das Handtuch. Ich habe den ganzen blöden Pfeffer richtig schön in meine Augen geschmiert. Ich war also der Einzige, der wegen dem dämlichen Pfeffer ein Problem bei diesem Gig hatte.“ Er schaute gequält.

Ich konnte nicht anders als laut loszuprusten. Ich lachte so lange, bis mir der Bauch weh tat und ich nach Luft schnappen musste.

„Geschah dir ganz recht“, kommentierte Jacob, wobei er ebenfalls lachte.

Schließlich wurden die Tore für die Konzertbesucher geöffnet. Paula und Coco gesellten sich zu mir, direkt vor das Mikro von Nick.

„Sag mal Mia, hab ich etwas verpasst?“, flüsterte Paula mir zu.

„Nein, wieso?“

„Da läuft doch was zwischen euch, oder?“

„Quatsch“, stritt ich es ab.

„Warum hat Nick dich sonst schon vorher mit in den Club genommen?“

„Weil ich ihn gefragt habe.“

Keiner den ich kannte, konnte die Augenbrauen so hoch ziehen wie Paula. „Ich glaube nicht, dass er jede mit reingenommen hätte.“

„Ach bestimmt“, tat ich Paulas Verdacht ab.

Glücklicherweise betrat die Band in diesem Augenblick die Bühne, so dass meine Freundinnen mich nicht länger ins Verhör nehmen konnten.

Party, Tanzen, Abfeiern. Der perfekte Start ins Wochenende. Jetzt, da ich die Lieder schon etwas kannte, gefielen sie mir noch etwas besser. Ich konnte schon ein bisschen mitsingen und an den Stellen, an denen mir der Text fehlte, improvisierte ich einfach. Großstadtleben gelang es uns vom ersten Lied an zu fesseln. Die Musik und die Texte berührten mich gleichermaßen auf unheimlich starke Art und Weise.

Nach dem Auftritt verschwand die Band erst einmal hinter der Bühne. Es dauerte jedoch nicht lange bis Jan und Tom wieder zum Vorschein kamen, um Autogramm- und Fotowünsche ihrer Fans zu erfüllen. Coco schoss ein Selfie zusammen mit Jan. Neben Jans gebräunter Haut, sah Coco ziemlich blass aus.

„Typisch Coco“, kommentierte ich an Paula gewandt.

„Stimmt.“ Sie musste lachen. Warum steht sie eigentlich immer auf die Schlagzeuger?“

„Ich habe keine Ahnung.“ Seltsamerweise war es aber bei fast jeder Band der Fall. Coco stand auf die Schlagzeuger. Paula auf die Gitarristen. Nur bei mir war es immer unterschiedlich.

„Wo der Sänger doch viel hübscher ist“, flüsterte Paula mir zu.

„Findest du?“, fragte ich irritiert.

„Keine Sorge. Ich stehe nicht auf deinen Nick.“ Mist, Paula hatte mich nur provozieren wollen und ich war natürlich voll in ihre Falle getappt.

„Wie fandet ihr es?“ Nick war hinter uns aufgetaucht, ohne dass ich es gemerkt hatte. Er legte seinen Arm um mich und drückte mir einen leichten Kuss auf die Wange, gefolgt von einem frechen Grinsen.

„Toll“, antwortete ich begeistert. „Es war wirklich richtig gut.“

„Danke.“ Ihm war anzusehen, dass er sich ehrlich über das Kompliment freute. „Wir waren ziemlich nervös. Wir wissen ja noch nicht so, wie unser neuer Style bei den Fans ankommt.“

„Ziemlich gut würde ich sagen“, beteiligte sich Paula an dem Gespräch.

„Das freut uns riesig.“

„Ich finde es toll, dass ihr jetzt auf Deutsch singt. Dann verstehe ich wenigstens etwas“, gab Paula weiter ihre Meinung kund. „Wieso habt ihr euch dazu entschieden?“

„Hauptsächlich weil wir so eine ganz andere Nähe zu den Songs haben. Ich als Sänger fühle die Texte so auf eine ganz andere Art, wenn ich sie singe. Und ich hoffe, dass auch die Hörer sie anders wahrnehmen.“

„Kann ich ein Foto mit dir machen?“ Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass Coco neben uns aufgetaucht war.

„Klar.“ Nick löste unsere Umarmung und stellte sich neben Coco. Paula schaute auf Cocos Smartphone und drückte auf den Auslöser. Damit hielt sie den Moment und auch Nicks Lächeln für die Ewigkeit fest. Paula machte ebenfalls ein Foto mit ihm. Eigentlich hätte ich auch gerne eins gehabt, aber etwas hielt mich davon ab, ihn danach zu fragen. Ich wollte mich nicht verhalten, wie ein Fan, schließlich war ich für den heutigen Abend seine Freundin. Auch wenn es nur ein Spiel war, ich wollte meine Rolle auf jeden Fall weiterspielen.

Nick machte noch einige Fotos mit anderen Mädchen, doch irgendwann schien er genug zu haben. Als ihn gerade keiner nach einem Foto oder einer Unterschrift fragte, nahm er meine Hand erneut in seine. „Komm, ich muss noch abbauen. Sonst werden die anderen böse. Magst du mir helfen?“

„Klar.“ Ich folgte ihm auf die Bühne, traute mich allerdings nicht irgendetwas anzufassen. Ich war mir sicher, sobald ich ein Kabel in die Hand nehmen würde, würde ich sofort den schrecklichsten Kabelsalat verursachen. Keine Ahnung, wie man durch dieses Strippengewirr durchblicken konnte.

„Kann ich dir irgendetwas helfen?“ Auch wenn mir diese Technik Respekt einjagte, wollte ich nicht nur blöd im Weg rumstehen.

„Kannst du die mit nach hinten nehmen?“ Er drückte mir eine Kiste in die Hand und nahm selbst zwei andere. Sie war schwerer als sie aussah.

„Wohnst du eigentlich auch in Berlin?“, fragte er mich, als wir zum Bandbus liefen.

„Ja, schon mein ganzes Leben.“ Ob er aus Berlin kam, musste ich ihn gar nicht fragen. Sein Dialekt verriet eindeutig, dass er hier geboren war.

„Und wo wohnst du?“, wollte er wissen. „Wo du heute meine Freundin bist, sollte ich so etwas ja unbedingt wissen.“

„In Zehlendorf.“ Leider immer noch bei meinen Eltern. Das würde ich gerne schnellstmöglich ändern. Doch das Studium war schon teuer genug, da war eine eigene Wohnung leider noch nicht drin. Außer ich würde mir noch einen zweiten Job suchen, aber zwei Jobs zwischen die Vorlesungen zu quetschen wollte ich auch nicht. Dann hätte ich ja gar keine freie Minute mehr. „Und du?“

„Prenzlauer Berg.“ Oho, hatte er so viel Geld? „In einer WG, sonst könnte ich die Miete dort auch nicht bezahlen“, fügte Nick noch hinzu. Konnte er meine Gedanken lesen?

„Wo genau?“

„In der Nähe vom Mauerpark.“

„Da war ich noch nie“, gab ich zu.

„Was?“ Nick schaute mich mit weit aufgerissen Augen voller Verwunderung an. „Du warst noch nie im Mauerpark?“ Er klang völlig entsetzt.

„Irgendwie nicht.“

„Dann wird es aber dringend mal Zeit. Dort gibt es immer Livemusik und der Flohmarkt sonntags ist echt richtig cool. Der wäre sicher was für dich. Hast du noch nichts davon gehört?“ Nick wollte gerade einen Gitarrenkoffer im Wagen verstauen, doch Tom kam ihm dazwischen: „Warte, wir müssen erst die zwei Großen unterbringen.“ Er hievte eine riesige Kiste in den Kofferraum. „Es ist ziemlich eng in unserem Bus. Das ist immer wie Tetris spielen“, erklärte Tom zu mir gewandt. Ich musste über den Vergleich lachen. Sofort kam mir die Tetris-Melodie in den Kopf und ich sang sie nach. Dabei machten wir uns auf den Weg neues Equipment zu holen.

„Du solltest unbedingt mal auf den Flohmarkt.“

„Das werde ich“, versprach ich ihm.

Als wir voll beladen erneut auf den Bus zusteuerten, fingen Paula und Coco mich ab.

„Wir wollen nach Hause“, ließ Paula mich wissen, woraufhin sie einen Zug von ihrer Zigarette nahm. „Kommst du mit?“

„Ja klar. Wartet, ich verabschiede mich nur noch schnell.“

Nick hatte inzwischen den Bulli schon erreicht und versuchte seine Kisten darin unterzubringen. Tom half ihm dabei.

„Meine Freundinnen wollen los. Danke für den schönen Abend.“

Nick nahm mich zur Verabschiedung in den Arm. „Danke dir. Es war schön dich einen Abend als Freundin zu haben.“ Er hauchte mir einen leichten Kuss auf die Wange.

„Mia“, rief Paula ungeduldig. Ich schaute mich zu ihr um. Sie tippelte auf einer Stelle, so als würde sie schrecklich frieren. So kalt war es doch gar nicht. Naja in ihren sehr kurzen Shorts fror sie sicherlich schon etwas.

„Ich muss los.“

„Bis bald Mia!“

*

Wie schön es war, sich endlich ausstrecken zu können. Ein Traum! Paulas Bett war riesig, so dass ich mich so breit machen konnte, wie ich wollte. Meine Füße schmerzten so, als wäre ich gerade einmal quer durch Berlin gerannt. Oder sogar zweimal. Erschöpft verschränkte ich die Arme unter dem Kopf, schloss die Augen und ließ den Abend noch einmal in aller Ruhe Revue passieren. Es fühlte sich fast unreal an, dass ich einen Blick hinter die Kulissen hatte werfen dürfen. Schon so oft hatte ich mich gefragt, was hinter der Bühne so ablaufen würde. Jetzt hatte ich es selbst einmal erleben dürfen.

„Läuft da jetzt eigentlich was zwischen dir und Nick?“, griff Paula ihr neues Lieblingsthema erneut auf.

Ich seufzte. Der Laut war mir automatisch herausgerutscht. Jetzt konnte ich mich leider nicht mehr schlafend stellen. „Natürlich nicht. Wie kommst du darauf?“

„Weil er dich vor dem Einlass mit reingenommen hat.“

„Nur weil ich ihn gefragt habe. Er hätte sicher jede mit reingenommen.“

„Und warum hat er ständig deine Hand gehalten?“

„Das war doch nur ein Spiel. Er hat mich früher reingelassen und ich habe dafür für einen Abend lang seine Freundin gespielt.“

„Habt ihr etwa nur so getan, als wärt ihr ein Paar?“

„Ja natürlich. Das war doch nur Spaß.“ Ich lachte Paula aus, weil sie darauf reingefallen war. Da es dunkel war, konnte ich die Reaktion darauf in Paulas Gesicht nicht sehen, doch ich kannte sie gut genug, um mir ihren Gesichtsausdruck vorstellen zu können. Zusammengekniffene Augenbrauen, eine gerunzelte Stirn.

„Sicher?“

„Ganz sicher.“ Was auch sonst? Wir hatten uns einfach einen Spaß daraus gemacht und ich hatte es genossen, wie eifersüchtig einige weibliche Fans darauf reagiert hatten. Wer träumte nicht davon einen Rockstar kennen zu lernen und einmal Backstage zu sein?

„Für mich sah das irgendwie nicht so aus.“

„Du hast eindeutig zu viel Fantasie.“ Paula las wirklich zu viele Liebesromane. Auf ihrer Kommode stapelte sich schon wieder ein Haufen neuer Bücher. Die meisten mit rosa Buchrücken, was eindeutig bewies, dass es sich dabei um Kitschbücher handelte. Warum sie so etwas las, obwohl sie nicht daran glaubte, dass es für sie die wahre Liebe gab, war mir allerdings ein ziemliches Rätsel. Es konnte eigentlich nur bedeuten, dass sie insgeheim doch darauf hoffte. Zugeben würde sie das aber nie.

„Ich habe nur Augen im Kopf“, widersprach Paula mir.

„Vielleicht brauchst du eine Brille“, konterte ich lachend und schlug ihr ein Kissen ins Gesicht.

„Ey, was soll das?“ Paula schleuderte das Kissen zurück und in Sekundenschnelle entbrannte eine wilde Kissenschlacht. An Schlafen war nicht zu denken. Wie nach jedem Konzert waren wir viel zu aufgedreht.

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