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2.

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Inge hatte das goldbraune Samtkleid angezogen und stand nun vor dem Spiegel ihres Schlafzimmers, in dem sie sich vom Kopf bis zu den Füßen betrachten konnte. Sie war mit sich zufrieden und trällerte vor sich hin. So, nun noch einen Hauch von Perlpuder auf das Gesicht gestäubt und ein wenig Rot auf die Lippen. Sie lächelte sich im Spiegel an und dachte, Fred Ulrich war reich, sie war schön, und das paßte gut zusammen. Schönheit braucht Reichtum, um sich voll zu entfalten.

Indessen hatte sich der Gutsherr im blauen Zimmer mit dem Besucher unterhalten. Zuerst waren ein paar allgemeine Sätze gewechselt worden, dann war die Rede auf eine Angelegenheit gekommen, die Herrn von Arnsdorf ungemein interessierte.

Ferdinand von Arnsdorf sprach ein bißchen zu lebhaft. Es war wohl Nervosität in ihm, ob einer der reichsten Männer des Kreises, der Fabrikbesitzer Ulrich, wirklich Inge zur Frau begehrte, und Fred Ulrich fand nicht den rechten Übergang zu der Frage, die ihn eigentlich hierhergeführt. Schließlich kam es aber auch auf eine Viertelstunde mehr dabei nicht an. Er glaubte seiner Sache ja sicher zu sein. Inge von Arnsdorf hatte ihn diesen Winter, wenn man sich bei gemeinsamen Bekannten und hier getroffen, stets sehr liebenswürdig behandelt, und ihre Augen hatten noch eine besondere Sprache gesprochen, hatten ihn merken lassen, daß er ihr nicht gleichgültig war. Vielleicht hätte er sie selbst schon fragen können, und es war vielleicht etwas altmodisch von ihm, erst mit ihren Eltern zu sprechen.

Er wollte doch nun endlich das Gespräch abbrecben, um auf den Anlaß seines Besuches zu kommen, als es klopfte und das Mädchen meldete: „Der Inspektor ist da. Er möchte ganz schnell nur ein paar wichtige Worte mit Herrn von Arnsdorf sprechen.“

Ferdinand von Arnsdorf nickte. Er wußte schon Bescheid. Es handelte sich um den Verkauf einer kleinen Wiese; der Inspektor vermittelte das Geschäft.

Fred Ulrich ermunterte: „Lassen Sie mich ruhig ein paar Minuten allein, Herr von Arnsdorf. Nachher reden wir über eine wichtige Sache, die mich hergeführt.“

Der Gutsherr, gespannt, ob der Verkauf der Wiese, an dem ihm viel lag, zustande gekommen, nickte dankend.

Ich bitte also um Entschuldigung. In spätestens fünf Minuten bin ich wieder zurück, Herr Ulrich. Wenn Sie sich inzwischen unterhalten wollen“ — er öffnete die Tür zum Nebenzimmer — „hier in der Bibliothek gibt es allerlei zu kramen.“

Nachdem sich Arnsdorf entfernt, ging Fred Ulrich in die Bibliothek. Er war ein großer Bücherfreund, und die Bibliothek von Arnsdorf war im ganzen Kreise berühmt als Schatzkammer uralter Bücher. Er wußte nicht, daß sich nebenan die Wohnstube der Gutsfrau befand, und wußte nicht, daß sie, die sich sehr schnell umgezogen, dort auf Inge wartete. Als er eine Tür gehen hörte, wußte er nicht, daß es Inge war, die eben nebenan eingetreten. Aber er hörte sprechen, vernahm die Stimme Inges, die deutlich sagte: „So, Mutti, jetzt kann es losgehen. Vater wird uns ja holen. Ich freue mich ja so sehr!“

Fred Ulrich schmunzelte! Also wußte Inge schon, warum er heute hierhergekommen! Und sie freute sich so sehr!

Wie schön das war, wie beglückend!

Er konnte nicht anders, er mußte ein wenig lauschen, denn leider sprach die helle Stimme jetzt leiser. Aber wenn er dicht an die Flügeltür zum Nebenzimmer heranträte, müßte er eigentlich alles verstehen, überlegte er.

Ich freue mich ja so sehr! klang es glückselig in ihm nach. Er stand vor einem deckenhohen Bücherschrank mit einem alten in Schweinsleder gebundenen Folianten in der Hand. Nun machte er ein paar Schritte und neigte sein Ohr gegen die Tür, vernahm, wenn auch noch immer gedämpft, so doch ganz klar: „Weißt du, Mutti, die ganz große Liebe kommt meist bloß in Romanen vor. Darauf kann man nicht warten. Fred Ulrich ist mir nicht unsympathisch, das muß genügen. Über alles andere hilft dann sein Reichtum weg. Ich freue mich auf die eleganten Toiletten, die ich mir bald werde kaufen können, und auf den Schmuck, mit dem ich den Neid des ganzen Kreises herausfordern will.“

Eine andere Stimme erwiderte: „Vor allem muß er Arnsdorf halten, besonders für deinen jungen Bruder. Vater weiß oft nicht mehr ein und aus. Also sei klug, Inge. Und dann für später den Rat: Laß Ulrich nie merken, daß du ihn nicht liebst. Alles verzeiht ein Mann seiner Art eher als das. Einer wie er will Illusionen.“

Der große Foliant zitterte in den Händen Fred Ulrichs. Er schob ihn lässig sacht wieder in die Reihe, der er ihn entnommen, ging auf den Zehenspitzen in das blaue Zimmer zurück, nahm auf dem Stuhl von vorhin Platz und tat, als hätte er sich gar nicht von hier fortbewegt, seit Herr von Arnsdorf ihn verlassen.

Der Gutsherr trat jetzt ein. Er hatte ein vergnügtes Lächeln um den dicken, braungrauen Schnurrbart hängen. Der Verkauf der Wiese war geglückt, ein für übermorgen drohender Wechsel konnte bezahlt werden.

Lächelnd kam er näher, sagte ein wenig burschikos: „So, nun wollen wir von dem reden, was Sie heute hierhergeführt, Herr Ulrich, Sie sagten vorhin, es wäre eine wichtige Sache.“

Fred Ulrich war dunkelhaarig, viel größer als Herr von Arnsdorf und war schlank. Sein scharfgeschnittenes Gesicht sah beinahe ein wenig spöttisch aus, als er aufstand und sagte: „Ich bin gekommen, um Sie um die Hand eins der bekannt schönen Arnsdorfmädchen zu bitten. Ich habe noch nicht mit ihm über meinen Wunsch gesprochen, denn ich hielt es für richtiger, mir erst bei Ihnen die Gewißheit zu holen, daß ich auch Ihnen mit einer Bitte willkommen bin.“

Ferdinand von Arnsdorf, sehr zufrieden durch den Verkauf der Wiese, erst recht in froher Stimmung durch die Gewißheit, einen der reichsten Männer der ganzen Gegend bald Schwiegersohn nennen zu dürfen, klopfte ihm auf die Schulter.

„Sie sind ein bißchen verlegen, mein Verehrtester, ich verstehe! Liebe macht befangen, wenn man noch nicht ganz genau weiß, woran man ist. Aber beruhigen Sie sich, das Mädel ahnt schon, um was es heute geht, und ich kann Ihnen verraten, sie hat sich bereits in Wichs geworfen, damit sie Ihnen das Jawort würdig geben kann. Meine Frau und ich nehmen Sie natürlich mit weitgeöffneten Armen in unsere Familie auf. Und nun wollen wir das Verfahren abkürzen, ich rufe das Mädel.“

Er war schon zur Tür hinaus, und Fred Ulrich sah ihm nach; ein scharfer Zug prägte sich um seine Lippen ein. Seinen Züge schienen hart geworden.

Gleich darauf wurde die Tür geöffnet. Frau von Arnsdorf, in schwarzem Seidenkleid, das Gesicht leicht überpudert, das dunkle Blondhaar glänzend gebürstet, trat zuerst ein. Ihr folgte in strahlender Schönheit Inge; zuletzt kam der Gutsherr.

Doch ehe jemand der drei Eingetretenen auch nur ein Wörtchen zu sagen vermochte, lächelte Fred Ulrich: „Sie verrieten mir doch eben offenherzig, lieber Herr von Arnsdorf, das Mädel ahne schon, um was es heute geht, und hätte sich bereits in Wichs geworfen. Warum kommt es dann aber nicht mit? Ich erwarte es doch voll Unruhe. Es braucht sich ja gar nicht so schön zu machen für mich; mir gefällt das Fräulein auch im einfachsten Hauskleid.“

Inge erblaßte, und der rotgeschminkte Mund sah jetzt fast zu brennend aus in dem bleich gewordenen Gesicht. Frau Berna fühlte ihre Knie wanken, und der Hausherr stieß ein wenig plump hervor: „Von wem reden Sie denn eigentlich? Meine Tochter Inge steht doch vor Ihnen.“

Inge rief heftig erregt und krampfhaft lächelnd: „Ich verstehe dich nicht, Vater! Was hat denn Herrn Ulrichs Besuch mit mir zu tun?“

Ein seltsamer Blick aus den dunklen Männeraugen traf sie.

„Natürlich, gnädiges Fräulein, Sie errieten wohl längst den Grund meines Besuches. Ich kam, um Ihre verehrten Eltern um die Hand Fräulein Waltrauts zu bitten.“

Herr und Frau von Arnsdorf wechselten einen raschen und sehr verständnislosen Blick, Inge aber, der zumute war, als hätte der schlanke Mann ihr mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, behielt Haltung. Sie konnte sogar scheinbar vergnügt lachen, und unter Lachen brachte sie hervor: „Mein Vater hat anscheinend geglaubt, Sie und ich ―“

Sie brach jäh ab, als könne sie vor Lachen nicht weiter, sagte schließlich atemlos: „Zu komisch ist das! Nicht wahr?“ Sie sah ihren Vater an. „Ich sagte dir doch erst gestern, Herr Ulrich müsse sich sehr für Waltraut interessieren, ich hätte das beobachtet.“ Sie schnippte mit den Fingern. „Ein Glück, daß Sie nicht meinetwegen kamen, denn dann hätten Sie sich einen ordentlichen Korb geholt.“

Komödiantin! dachte Fred Ulrich, aber er lächelte und wandte sich zu Frau von Arnsdorf: „Darf ich wohl hoffen, daß Fräulein Waltraut mir günstig gesinnt ist?“

Berna von Arnsdorf hatte sich schnell mit der neuen Hoffnung angefreundet. Sie nickte eifrig. „Ich glaube dessen sicher zu sein!“ Sie hatte überlegt, schließlich war es wohl ziemlich gleich, welches der beiden Mädchen die glänzende Partie machte. Da Inge ja Fred nicht liebte, würde sie über die Enttäuschung rasch wegkommen.

Sie beauftragte Inge: „Hole doch Waltraut und bereite sie vor!“

Inge ging sofort; aber Frau von Arnsdorf folgte ihr bald. Man konnte bei Waltraut nicht wissen, wie sie die überraschende Werbung aufnahm.

Die Herren unterhielten sich ein bißchen bedrückt. Es war jetzt etwas zwischen ihnen wie eine Mauer von Peinlichkeit.

Liebe ist die größte Macht

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