Читать книгу Liebe ist die größte Macht - Anny von Panhuys - Страница 7

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Am nächsten Vormittag befand sich Ferdinand von Arnsdorf in der Bibliothek, um ein bestimmtes Buch zu suchen. Auch Inge war da. Sie stäubte Kleinkram ab, der hier in einer Vitrine aufgehoben wurde — Ordensbänder von Vorfahren, Meißner Figürchen, Tassen aus Sevresporzellan und sonst noch allerlei.

Ihr Vater schalt ärgerlich: „Wer war denn wieder am großen Bücherschrank? Die Bücher sollen doch immer alle ordentlich in Reih‘ und Glied stehen wie die Soldaten, und nun ist gerade der wertvolle Foliant aus Schweinsleder ganz schief reingedrückt. Wer ist zuletzt an diesem Bücherschrank gewesen? Gestern früh war ich gerade noch an dem Schrank, aber da standen die Bücher alle wie die Grenadiere.“

Inge zuckte die Achseln: „Ich war schon seit Wochen nicht mehr bei den Büchern, und soviel ich weiß, Waltraut auch nicht. Mutter liest nur Familienblätter; also wirst du wohl selbst der Sünder gewesen sein, Vater.“

Ferdinand von Arnsdorf erklärte: „So gehe ich nicht mit den Büchern um. Ich lese nicht gerade besonders viel darin, doch ich achte darauf, daß sie gerade dastehen. Aber da fällt mir ein, vielleicht war Ulrich gestern vormittag in der Bibliothek. Ich wurde für ein paar Minuten hinausgerufen und öffnete ihm die Tür zur Bibliothek, damit er sich, wenn er Lust hätte, die Zeit mit den Büchern vertreiben sollte. Als ich zurückkam, saß er zwar wieder im blauen Zimmer, doch das schließt nicht aus, daß er ein Weilchen in der Bibliothek gewesen ist. Natürlich, so wird es sein! Na, da ist‘s ja gut. Hauptsache, daß keiner von euch das Buch so liederlich ‘reingestopft hat.“

Er steckte sich eine Zigarre an und achtete nicht auf Inge. Die stand da wie erstarrt. Sie sah plötzlich Zusammenhänge zwischen dem liederlich in seine Reihe geschobenen Buch und der seltsamen Werbung Fred Ulrichs um Waltraut. Sie erinnerte sich mit übergroßer Deutlichkeit daran, was sie in dem neben der Bibliothek gelegenen Wohnzimmer der Mutter gestern vormittag über Fred Ulrich geäußert. Natürlich! Fred Ulrich hatte sich in der Bibliothek befunden und Wort für Wort gehört. Das aber hatte ihn in letzter Minute bestimmt, statt um sie, um Waltraut zu werben.

Sie fühlte Eiseskälte über ihren Körper gleiten und sann, war da denn nichts mehr gutzumachen? Nein, es war nichts mehr gutzumachen, darüber war sie sich sofort klar. Er hatte sie geliebt, ihre Worte aber hatten ihn verletzt, und um ihr den Trumpf des Reichtums aus der Hand zu nehmen und sie zu demütigen, hatte er getan, als wäre er Waltrauts wegen gekommen.

Und Waltraut liebte ihn — —

Mechanisch beschäftigte Inge sich wieder mit den Nippsachen. Nun hatte ihr ein Zufall enthüllt, wie es gekommen, daß nicht sie, sondern Waltraut die Braut Fred Ulrichs geworden. Sie rief sich die Worte, die sie im Wohnzimmer zur Mutter gesprochen, klar ins Gedächtnis zurück und darunter die: Fred Ulrich ist mir nicht unsympathisch, und über alles andere hilft mir dann sein Reichtum weg! Sie wußte auch noch genau, daß die Mutter gesagt: Und dann für später den Rat: Laß Ulrich nie merken, daß du ihn nicht liebst. Alles verzeiht ein Mann seiner Art eher als das. Einer wie er will Illusionen!

Ja, jetzt wußte sie genau, warum Fred Ulrich gestern vormittag nicht um sie geworben hatte.

Sie hätte sich selbst vernichten mögen, so zornig war sie auf sich. Aber wie hatte sie auch ahnen können, daß ihm der Vater die Bibliothek öffnen würde!

Sie entfernte sich schnell; sie mußte mit ihren aufgeregten Gedanken allein sein.

Eins aber wußte sie jetzt auch, Fred Ulrich liebte Waltraut nicht, nein, er liebte sie nicht. Beinahe tat Waltraut ihr ein bißchen leid; aber der Zorn in ihr, daß alles anders gekommen, als sie gehofft, war noch zu stark, drängte das Mitgefühl zurück.

Liebe ist die größte Macht

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