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II

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Gaston de Vernon schob seine schlanke Gestalt durch das abendliche Leben und Treiben der Straße links vom Ostbahnhof, betrat ein Haus, in dem es aus einer Fischhalle abscheulich roch, stieg zum zweiten Stock hinauf. Eine schlampige Frau öffnete auf sein Klingeln. Puder hatte ihr welkes und aufgeschwemmtes Gesicht zu einer hellila Maske gemacht.

Sie zog ein wenig die Lippen hoch, zeigte ein paar falsche Zähne und ein paar Zahnlücken.

„Ah, Monsieur de Vernon. Mademoiselle Lucie ist zu Hause.“

Sie ließ ihn eintreten. Es roch nach nasser Wäsche auf dem Korridor. Er klopfte an eine Tür. Ein Lachen, klar wie die Tonleiter hinauf und hinunter, sprang hinter der Tür auf, und dann ward es auf dem halbdunklen Korridor hell. Die zierlichste Pariserin, auf hohen Hakkenschuhen, mit extravaganter Bubikopffrisur, stand auf der Schwelle.

„Gaston, dein Klopfen kenne ich sofort!“

Sie zog ihn in ein großes Zimmer, in dem schwerer Parfümduft wie ein Nebel lag und allen Gegenständen zu entströmen schien, die es hier gab.

„Ich habe dich lange nicht gesehen, Gaston. Weshalb hast du dich so rar gemacht?“

„Heute mittag wollte ich kommen“, antwortete er, „da riß ich im letzten Augenblick einen Herrn, der beinahe aus der Untergrundbahn gestürzt wäre, zurück, er lud mich aus Dankbarkeit zu Tisch.“ Er setzte sich. „Lucie, ich habe wieder mein Geld bis auf eine unbedeutende Summe verspielt. Leihe mir, wenn du kannst, ein wenig, du weißt, du erhältst es wieder.“

„Natürlich leihe ich dir etwas. Gestern habe ich ja meine Monatsgage bekommen.“ Sie ging an einen kleinen Schreibtisch, schloß ein Fach auf. „Wieviel willst du, Liebster?“

Sie hielt ihm mehrere Hunderfrankenscheine entgegen.

Er nahm zwei, sagte fast befangen: „Ich hoffe, im Spiel Glück zu haben. Sei mir mal ein bißchen untreu, bitte, du weißt, Lucie, Unglück in der Liebe, Glück im Spiel.“

Sie stand vor ihm, legte die schmalen Arme auf seine Schultern.

„Ich dich betrügen? Du, Gaston, nicht einmal im Scherz darfst du so etwas zu mir sagen. Hast auch schon Glück im Spiel gehabt, Liebster. Versuch es nochmals. Aber tausendmal besser wäre es, du würdest dich nach einer Stellung umtun. Bist doch so klug und gebildet. Sprichst alle möglichen Sprachen, siehst vorzüglich aus. Und wenn du eine lohnende Stellung gefunden hast, dann heiraten wir, nicht wahr, Liebster? Wir haben uns ja beide lieb, und ich meine immer, wir beide gehören zusammen.“

Gaston sagte fast ein wenig gerührt und doch ungeduldig: „Natürlich! Es werden so viele Dummheiten in der Welt gemacht, da kommt es auf eine mehr gar nicht an. Aber jetzt muß ich fort, ich will heute abend mein Glück versuchen. Uebrigens, morgen abend komme ich wahrscheinlich in Begleitung des Herrn, dessen Bekanntschaft ich heute machte und der mich als seinen Lebensretter in allen Tonlagen feiert, zu dir in eure Neppbude. Laß dann bitte nicht sehr merken, wie wir beide miteinander stehen.“

„Warum?“ fragte sie, und ihr hübscher Mund blieb fragend ein wenig offen stehen.

„Weil das unvornehm ist. Kennst du niemand, der mir ein paar Stunden seine Wohnung leiht?“

„Natürlich, mein Zimmer steht dir gerne zur Verfügung, wenn ich auch nicht begreife, was du vorhast.“

„Unsinn, Lucie! Was ich brauche, ist eine elegante Etage oder ein eigenes Haus. Es handelt sich um eine Wette.“

„Eine Wette?“ wiederholte sie.

Er betonte: „Es handelt sich um eine Wette. Am liebsten wäre mir etwas, das außerhalb läge.“

Lucie sah ihn groß und nachdenklich an.

„Vielleicht leiht dir Yvette Brosse ihre Etage. Sie wohnt in Vincennes sehr elegant, und ich bin gut mit ihr befreundet. Natürlich müßte ich mich dafür verbürgen, daß sie für ihre Freundlichkeit nicht noch Unannehmlichkeiten hätte.“

Der junge Mann fiel ihr hastig ins Wort: „Es handelt sich ja nur um eine Wette. Ich kenne ja Yvette durch dich, und sie tut mir vielleicht den Gefallen.

Lucie versprach, sich zu bemühen. Gaston verließ sie und dachte ärgerlich, wie dumm, daß man sich nicht allein helfen konnte. Denn es war doch gar nicht zu umgehen, den Gutsbesitzer einmal zu sich einzuladen. Und wenn er ihn in dem Stübchen im dritten Stock des Hotelchens empfing, würde der so überaus dankbare Gerettete doch wohl ein bißchen die Augen aufreißen und vielleicht vorsichtig seine impulsive Einladung zurückziehen.

Und das durfte nicht sein.

Irgendwie mußte ihm dort auf Groß-Rampe der Schachzug gelingen, seiner schwankenden Zukunft Festigkeit zu geben.

*

Unweit der weltberühmten Kathedrale Notre Dame de Paris beginnt ein Gewinkel von Gäßchen. Ein Stück Alt-Paris, schmutzig und pittoresk, scheint hier von der Vergangenheit zu träumen. Und doch pulst das Gegenwartsleben warm und unruhevoll hier, aber es verbirgt sich auch vieles, was sich nicht auf die hellen, weiten Straßen wagt, im Dämmerdunkel der alten Häuser.

Unter düsterem, niedrigem Dach hatte der Spielklub „Les Messieurs“ sein derzeitiges Heim gefunden. Alle zwei Monate wechselte der Klub sein Domizil, weil es ihm klug und ratsam schien.

Gaston de Vernon hatte anfangs flüchtig überlegt, ob er Eberhard Mallentin in den Klub einführen sollte, aber er sagte sich sofort, damit hätte er alles verdorben.

Er traf dort heute ein paar seiner Bekannten, gescheiterte Existenzen, Abenteurernaturen wie er. Sie hatten ein paar Fremde eingefangen.

Gaston spielte mit wenig Glück. Er überlegte, ob er Fortuna ein wenig „korrigieren“ sollte. Die Fremden schienen ihm ausgemachte Dummköpfe.

Allmählich hatte sich das große, niedrige Zimmer ziemlich gefüllt. In dem kleinen Nebenraum schenkte die Frau eines notorischen Spielers, die schöne Madelon, Getränke aus.

Gaston war wütend. Was konnte man auch mit zwei lumpigen Hundertern anfangen! Noch ein paar lächerlich kleine Sätze durfte er wagen, dann war seine Tasche leer, und Lucie konnte lange warten, bis er ihr das Geld wiederzugeben vermochte. Und für die Reise hatte er auch nichts.

Wenn er jetzt nicht durch eine ganz besondere Schicksalsfügung zu Geld kam, konnte er sich die Gelegenheit, seine Verhältnisse einmal endgültig zu ordnen, gar nicht zunutze machen.

Mißtrauisch verließ er den Klub, kehrte heim und ging zu Bett.

Er sann und grübelte. Bilder aus der Verganhenheit stiegen auf, wollten zum Alpdruck werden. Endlich schlief er ein.

Am nächsten Morgen ging Gaston de Vernon früh aus, weil er sich nach frischer Luft sehnte. Er bummelte durch den Tuileriengarten, in dem der Frühling sein Standquartier aufgeschlagen zu haben schien.

Im Gehen überlegte er allerlei Pläne und verwarf sie wieder. Er mußte sich Geld verschaffen, gleichviel auf welche Art, um Eberhard Mallentin begleiten zu können.

Mißmutig kehrte er um. Ihn ärgerten hier die netten, koketten Kindermädchen, die ihre fröhlichen Schutzbefohlenen spazieren führten.

Er ging am Continental-Hotel vorbei. Dort hatte er gewohnt, als er zuerst nach Paris kam, als er ―.

Ach, nicht zu sehr an Vergangenes denken, damit verbaut man sich den Weg zur Zukunft.

Er ging wieder nach Hause, unlustig und müde.

Lucie Manin stand vor der Tür des Hotels, sie hatte eben drinnen nach ihm gefragt. So gingen sie zusammen in ein nahes Kaffee.

Lucie sah entzückend aus in einem neuen, grauen Frühjahrskostüm und dazu passendem Hütchen. Ihr regelmäßiges Gesicht war wie verklärt.

„Sieh nicht so brummig aus, Gaston, ich habe dir Gutes zu berichten.“ Sie trank einen Schluck Schokolade. „Du, höre nur, ich bin entdeckt worden! Der Duran, du weißt, der schon so viele Größen entdeckt und lanciert hat, war gestern abend bei uns und sah mich tanzen. Er hat nachher mit mir eine Flasche Sekt getrunken und mir gesagt, ich hätte großes Talent, aber ich müsse aus dem Milieu der kleinen Singspielhallen heraus. Er will mir dazu verhelfen.“

Gaston brummte: „Ich wünsche dir viel Glück dazu, aber meinen Rat wegen der Untreue hättest du gar nicht so überschnell zu befolgen brauchen. Genützt hat es doch nichts, denn ich hatte gestern größeres Pech im Spiel als je.“

Die Tänzerin sah ihn traurig an.

„Du solltest so etwas doch nicht sagen. Ich bin dir nicht untreu gewesen und will es auch nicht sein. Seit ich dich kenne, kann ich gar nicht anders als dir treu bleiben.“ Sie lachte. „Und den stadtbekannten Agenten Duran kennst du doch, der alte Herr hat nur so viel Interesse für unsereins, als es ihm geschäftlich Vorteil bringt.“ Sie sah ihn glücklich an. „Ich freute mich so sehr auf das Versprechen Durans, daß ich nicht schlafen konnte, und da bin ich dann in aller Herrgottsfrühe gleich zu Yvette Brosse gefahren. Sie lag noch im Bett und fand es sehr drollig, daß sie dir ihre Wohnung für einige Stunden leihen soll. Sie hat nichts dagegen und erwartet deinen Besuch.“

„Nett, daß du dich bemüht hast“, nickte er. „Morgen gehe ich zu ihr.“

Lucie fragte noch, ob er heute abend in die Singspielhalle „La corbeille de bonheur“ käme.

Gaston zuckte die Achseln.

„Wenn mein neuer Freund mag.“

Das Mädchen sah ihn bittend an.

„Ich werde mich so vornehm benehmen, wie du nur wünschen kannst, und gar nicht merken lassen, wie lieb ich dich habe. Ich spiele die flüchtige Bekanntschaft, sogar die Unbekannte, wenn du willst, aber komm ein Weilchen.“

Er versprach es, und sie trennten sich.

Am Abend erschien Gaston de Vernon im Hotel Moderne. Er ließ sich hinauffahren zum zweiten Stock, klopfte an die bezeichnete Tür.

Mallentin stand schon im Abenddreß bereit. Sein gerötetes Gesicht war voll eitel Wohlwollen.

„Heute abend soll es ein bißchen lustig werden, nicht wahr, Monsieur de Vernon?“ rief er dem Eintretenden entgegen, ihm beide Hände schüttelnd.

Nach einer kleinen Pause begann er etwas verlegen: „Herr de Vernon, ich habe gestern abend und heute früh immer nachgegrübelt, ob ich Ihnen nicht irgendeine besondere Freude bereiten könnte.“ Er drückte den Jüngeren in einen mit Gobelinstoff bezogenen Sessel, nahm unweit von ihm Platz. „Nun ist das natürlich sehr schwer, jemand eine Freude zu bereiten, der jenseits aller finanziellen Nöte steht wie Sie, Monsieur Vernon, denn es gehört ja nicht einmal besonderer Scharfblick dazu, das zu sehen.“

Vernon mußte seine Gesichtsmuskeln bezähmen, daß sie nichts von dem Hohn merken ließen, der ihn jetzt erfüllte.

„Ich bummelte heute vormittag über den Boulevard des Italiens, und da kam ich bei einem Juwelier vorbei, sah etwas in seinem Schaufenster, was mir sehr gefiel — und nun bitte ich Sie herzlich, es von mir anzunehmen und es zu tragen zur Erinnerung an meine Lebensrettung.“

Er nahm vom Tisch ein viereckiges Etui, reichte es mit fast schüchterner Bewegung Vernon hin.

Dieser war sofort Herr der Lage.

„Aber, Monsieur Mallentin, wenn Sie mir gern ein sichtbares Zeichen Ihrer Dankbarkeit geben wollen, ich sehe keinen Grund, es abzuschlagen.“

Sein liebenswürdigsts Lächeln legte sich um seinen Mund, und er öffnete das sehr elegante Etui aus mattem Leder.

Nur mühsam drängte er einen lauten Ruf der Ueberraschung zurück. Das war ja eine fürstliche Gabe, die da auf veilchenblauem Samtpolster vor ihm lag! Manschettenknöpfe aus Perlen und großen Brillanten, eine dazu passende Schlipsnadel, ein Ring und ein Zigarrenetui. Alles war im gleichen Muster gehalten. Eine jener hochmodernen Garnituren, wie sie reiche Leute gern zu Geschenkzwecken verwenden.

Alle Selbstdisziplin hatte Gaston de Vernon nötig, um seine weltmännische, etwas blasierte Miene nicht durch den Ausdruck naiven Staunens zu zerstören. Immerhin, ein kleines Aufleuchten in den Augen schadete wohl nichts.

Er sagte lebhaft: „Welch eine geschmackvolle Gabe haben Sie gewählt, Monsieur Mallentin! Ich trage im allgemeinen keinen Schmuck, aber diesen werde ich gern tragen.“

Nun brauchte er sich vorläufig keine Geldsorgen zu machen. Dankend reichte er dem Aelteren die Hand.

„Ich werde Ihr schönes Andenken stets in Ehren halten.“

Dann überlegte er flüchtig, morgen früh wollte er das Zigarrenetui verkaufen. Er kannte einen Juwelenhändler, der so etwas anständig bezahlte.

„Wie froh bin ich, daß Sie mich nicht zurückweisen“, versicherte Mallentin. „Ich habe heute auch meinen Kindern geschrieben von Ihnen, passen Sie auf, die empfangen Sie mit Ehrengirlanden auf Groß-Rampe. Uebrigens, wo sollen wir heute speisen? Schlagen Sie, bitte, vor. Oder wollen wir das wieder hier im Hotel abmachen? Man ißt hier gut, meine ich.“

Nach dem Souper stiegen beide in ein Auto, und Gaston gab die Adresse der Singspielhalle an, in der Lucie Manin auftrat. Es war halb elf, und kaum daß die zwei in einer kleinen Loge Platz genommen hatten, sprang Lucie mit federnden Tanzschritten auf die Bühne.

Sie trug ein Kleid aus silberübersponnener rosa Seide.

Eberhard Mallentin schmunzelte. „Ein bildhübsches Dingelchen!“ Nach einem Weilchen stellte er fest: „Sie kann auch tanzen, ich finde, sie tanzt mit Empfindung, tanzt vielleicht besser als mancher Star. Ich verstehe das ja nicht so genau, aber der Tanz gefällt mir.“

Gaston überlegte, was er bestellen sollte, denn von jetzt an mußte er wohl die Unkosten tragen. Für einen vergnügten Abend reichte seine Kasse, morgen half ihm das kostbare Zigarrenetui weiter.

Mallentin kam ihm zuvor, bestellte Sekt. Der Kellner ging. Mallentin sagte lächelnd: „Ich habe Sie um Ihre Führung gebeten, Monsieur de Vernon, die Unkosten trage also natürlich ich.“

Um so besser, dachte Gaston, wehrte sich scheinbar noch ein wenig, lächelte dann achselzuckend: „Wenn Sie durchaus wollen!“

Lucie tanzte noch einmal, in einem weißen, reichfaltigen Kleid, einen Tanz aus längst verschollenen Tagen. Sie erntete großen Beifall.

Die Singspielhalle war gefüllt. Unten im Saal saß das Publikum, das nur gekommen war, zu hören und zu sehen, das Kaffee oder Bier trank, während oben in den kleinen, diskreten Logen meist Herren saßen, die sich für die Sängerinnen und Tänzerinnen interessierten, die, nachdem sie ihre Nummer beendet hatten, gerne eine Einladung annahmen.

Lucie Manin ging langsam den Gang hinter den Logen entlang. Sie trug jetzt ein großes, blaues Samtcape, ihr Haar war unbedeckt.

Mallentin bemerkte sie.

„Ist das nicht die kleine, graziöse Tänzerin?“ fragte er leise seinen Begleiter.

Geston nickte. „Wir wollen sie einladen. Ich kenne sie.“

Der Aeltere dachte an manchen vergnügten Abend von einst. Weshalb sollte er sich nicht für kurze Zeit einbilden, dreißig Jahre jünger zu sein?

Gaston trat auf den Gang hinaus, wo er Lucie erblickte. Wie wartend stand sie da.

In ihrem Gesichtchen leuchtete es auf, sie kam ihm entgegen.

„Wie hübsch von dir, Gaston, daß du kamst.“ Er sah sie ein wenig verliebt an.

„Bist doch ein charmantes Käferchen! Mein Freund ist begeistert von dir. Komm mit, kriegst Sekt!“

„Daraus mache ich mir zwar auch was“, gab sie zurück, „ich möchte aber noch lieber etwas essen.“

„Ich weiß“, lachte er, „Kaviar, Hummern, Täubchen und Pfirsich. Ich kenne ja die Wünsche deines verwöhnten Magens. Sollst du alles haben, aber benimm dich! Zause mich vor dem Herrn nicht an den Ohren, bespritze mich nicht mit Sekt und sprich auch nicht von der Wette, derentwegen ich Yvettes Etage geliehen haben möchte, erwähne auch nicht, wo ich wohne.“

Lucie schüttelte den Kopf.

„Ich werde gar nichts reden. Am besten ist’s, ich wackle nur mit den Ohren, nicht wahr?“

Er lachte wieder. „Also komm!“ Sie betraten zusammen die Loge.

Mallentin hatte sich erhoben und machte Lucie Komplimente über ihren Tanz. Das hörte sie gern und vergaß, daß sie eigentlich nur mit den Ohren hatte wackeln wollen.

Sie erzählte Eberhard Mallentin von dem Agenten Duran und ihren ehrgeizigen Hoffnungen.

„Da werden Sie in absehbarer Zeit also einen Siegeszug durch Europa antreten“, sagte Mallentin. „Vielleicht darf ich Sie dann auch einmal im Berliner Wintergarten bewundern.“

Lucies Zierlichkeit saß zwischen den beiden Herren, den Samtmantel ließ sie über die Lehne des Stuhls zurückfallen. Ein schwarzseidenes Abendkleid mit leichter, roter Stickerei zeigte sich. Es war verblüffend einfach und doch von raffiniertem Schick.

Sie antwortete Mallentin, sie hoffe natürlich auch in Berlin zu tanzen.

„Wenn Sie einmal in den Zeitungen lesen werden, ich tanze in Berlin, dann kommen Sie doch, bitte, und machen Sie mir einen Besuch. Dann sprechen wir von heute abend.“

Mallentin fand die Idee nett.

„Ja, Mademoiselle Lucie, das will ich Ihnen versprechen. Also wundern Sie sich nicht, wenn Sie sich mit Ihrem charmanten Tanz den Beifall der Berliner holen, und es tritt plötzlich so ein alter Bauer an und behauptet, Sie schon von Paris her zu kennen.“

Gaston achtete kaum auf die Unterhaltung der beiden, die ihm reichlich töricht schien.

Lucie fragte, ob man denn eine französische Tänzerin gut in Deutschland aufnehmen würde.

Mallentin trank ihr zu.

„Schönheit und Kunst werden in der ganzen Welt gut aufgenommen, Schönheit und Kunst sind international. Sie werden gut empfangen werden in Deutschland., seien Sie sicher.“

Der diskrete Kellner erschien lautlos.

„Monsieur Duran ist hier, er möchte Mademoiselle Manin dringend sprechen.“

Lucie war schon von ihrem Stuhl empor. „Ich komme sofort.“ Sie warf graziös den blausamtnen Umhang über die Schultern, reichte Mallentin die Rechte. „Duran ist der Agent, der mir hochhelfen will. Au revoir, Monsieur Mallentin, au revoir eines Tages in Berlin.“

Gaston erhob sich, und nach kurzer Entschuldigung gegen Mallentin begleitete er Lucie bis auf den Gang.

Sie war erregt. „Was mag Duran wollen, ich sollte ihn doch morgen in seinem Büro aufsuchen?“

Gaston zuckte die Achseln.

„Das wirst du ja hören, chérie, ich wünsche dir das Beste!“

Sie blickte sich flüchtig um, fiel ihm um den Hals. Der nur mit einer Silberschließe zusammengehaltene Umhang fiel weit auseinander.

Mallentin, der Lucie noch ein paar impulsive Worte hatte nachrufen wollen, sah von der Tür aus etwas, das wie ein großer, blausamtner Fächer war, über dem ein lockiger Bubikopf saß, der sich fest gegen das Gesicht Gastons de Vernon drückte.

Er trat schnell zurück, aber er beneidete den Jüngeren ein wenig um den Kuß der zierlichen Tänzerin.

Gaston schob Lucie von sich.

„Geh nun, Kleine, ich darf meinen Begleiter nicht so lange allein lassen. Uebrigens, morgen vormittag gegen elf Uhr werde ich Yvette Brosse aufsuchen.“

Lucie nickte. „Nun weiß ich auch, wozu du eine Renomierwohnung brauchst. Genierst dich mit deiner Bude vor dem Deutschen, nicht wahr?

„Stimmt!“ gab er zu.

Sie raffte ihren Umhang zusammen.

„Vor allem ist so eine Spiegelfechterei gar nicht nötig, das ist kein Talmimensch, der seine Mitmenschen nach dem einschätzt, was sie besitzen.“

Gaston war ein wenig ungeduldig.

Das zu beurteilen, überlaß mir, Lucie. Es ist so peinlich, als Habenichts vor einem so reichen Menschen dazustehen.“

„Ist er so sehr reich?“ fragte sie neugierig.

„Wenigstens reicher als ich“, erwiderte er leichthin. „Und nun allons, allons, dein Agent wartet.“

Er eilte zurück, Mallentin winkte ihm entgegen.

Auf der Bühne stand jetzt eine Sängerin. Sie war dick und hatte ein paar Bänder als Kostüm gewählt. Ihre Stimme war heiser und unangenehm.

Mallentin sagte leise: „Wollen hier fortgehen. Nach der hübschen Mademoiselle Lucie mag man so was gar nicht sehen und hören. Wenn es Ihnen recht ist, Monsieur de Vernon, setzen wir uns in irgendein gemütliches Kaffee und plaudern ein bißchen.“

Gaston war damit einverstanden.

Ein elegantes Kaffee an der Opera war ihr Ziel.

Hier taute Mallentin auf, erzählte ein wenig von dem Zweck seiner Reise nach Paris. Es stimmte mit dem überein, was Gaston in den Zeitungen gelesen.

Beim Abschied sagte dieser, daß er morgen eine Einladung nach außerhalb hätte, sich aber freuen würde, wenn er übermorgen nachmittag Monsieur Mallentin zum Tee abholen dürfe, in seine Junggesellenbude.

Mallentin nahm an, und nachdem Gaston am nächsten Tage mit Yvette Brosse gesprochen, stand ihm die elegante Etage für den kommenden Nachmittag bis zum Abend zur Verfügung.

Er verkaufte das goldene Zigarrenetui mit den Brillanten und Perlen für einige tausend Franken, ein Lohndiener servierte den Tee, und Gaston entschuldigte sich bei seinem Gast, daß er immer außer dem Haus speise und deshalb alles zu sehr den Stempel Junggesellenheim trage.

Eberhard Mallentin fand, sein Lebensretter wohnte sehr elegant, aber ein bißchen weibisch, doch so ein Pariser Lebemann liebt das wohl. Er ahnte nicht, daß er den Tee in den Räumen trank, die von der eleganten Kabarettistin Yvette Brosse bewohnt wurden, deren Freund sie ihr eingerichtet hatte.

Ich bleib dir treu

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