Читать книгу Ich bleib dir treu - Anny von Panhuys - Страница 8
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ОглавлениеEines Tages, drei Wochen nach seiner Heimkehr, fuhr Mallentin mit seinem Sohn nach Berlin, um die Juwelen von der französischen Gesandtschaft abzuholen.
In einer kleinen, harmlos wirkenden Reisetasche trug Heinz die Werte in das Herrenhaus von Groß-Rampe, diese köstlichen Juwelen, die man so gern in Frankreich behalten hätte.
Niemand, außer Mallentin und seinen Kindern, wußte, was sich in dem Reisetäschchen befand. Gaston de Vernon aber ahnte es. Er wartete gespannt, ob man auch ihm die Schmucksachen zeigen würde, aber er wartete vergebens darauf.
Mallentin hatte unterwegs mit Heinz darüber gesprochen, hatte gemeint, man müsse Gaston de Vernon den Schmuck anschauen lassen.
Heinz hatte widersprochen.
„Ich meine, Vater, dazu liegt keine Veranlassung vor. Du bist ihm Dank schuldig, wir alle sind es, aber schließlich wissen wir doch so wenig von ihm, kennen ihn eigentlich gar nicht, und man soll Neid und Habgier nie in seinen Mitmenschen wecken.“
Der Aeltere hatte gelächelt, aber zugegeben, er hätte recht.
So erzählte denn Mallentin beim Abendbrot, er hätte den Schmuck von der Gesandtschaft abgeholt und sofort auf seine Bank gebracht.
Gaston de Vernon dachte ärgerlich und beleidigt, weshalb redete man ihm nur etwas vor?
Oder hatte Mallentin die Wahrheit gesagt?
Nach dem Abendbrot gingen die Herren noch ein wenig in den Park, um eine Zigarette zu rauchen, dann trennte man sich ziemlich früh. Mallentin hatte geäußert, die Fahrt heute, an dem warmen Tag, habe ihn sehr ermüdet.
Vernon war feinhörig, er kannte schon die Geräusche der verschiedenen Türen im Hause, konnte die verschiedenen Tritte der Hausbewohner unterscheiden. So wußte er denn bald, daß sich Mallentin mit Sohn und Tochter im Wohnzimmer des Gutsherrn zusammenfanden.
Er fühlte ein seltsames Prickeln in seinen Fingerspitzen, wie höchste Ungeduld. Er mußte wissen, ob er recht habe, ob sich der Schmuck im Hause befände.
Das Wohnzimmer Mallentins lag drei Zimmer entfernt von seinem eigenen. Was hätte er jetzt für eine Tarnkappe aus dem Märchenbüchern gegeben, um sich unsichtbar machen und da hineinschauen zu können.
Er überlegte blitzgeschwind. Eine Idee schwebte ihn vor. Möglich, daß sie glückte.
Er eilte wieder die Treppe hinunter und durch eine kleine Hintertür in den Park.
Das Wohnzimmer Mallentins ging auf den Park hinaus.
Es war ziemlich dunkel heute, nächtlicher Regen schien zu drohen. Eine alte Buche mit tiefgewachsenen Zweigen lockte ihn. Den Baumstamm umgab eine Bank. Im Nu stand er auf der Bank, zog sich am tiefsten Zweig empor. Er war ein guter, geübter Kletterer, bald befand er sich in Fensterhöhe.
Natürlich, die Herrschaften waren unvorsichtig, aber daß ihnen von draußen jemand ins Fenster schauen könnte, lag wohl außerhalb ihrer Berechnung.
Die Scheiben zu Mallentins Wohnzimmer verhüllte nur ein dünner Spitzenvorhang, der dem Auge, weil das Zimmer erleuchtet war, fast kein Hemmnis bot.
Vater, Sohn und Tochter saßen um den Tisch, auf dem die ererbten Schmucksachen lagen.
Gaston meinte das Sprühen und Funkeln der Edelsteine bis zu sich herüber zu sehen, es war ihm, als müsse er die Arme ausstrecken und laut schreien: Gebt her, gebt her, ihr seid schon reich genug! Er mußte an sich halten, daß er es nicht wirklich tat. Wie ein Fieber schüttelte es ihn.
Jetzt hörte er Schritte nahen. Angst preßte ihm die Brust zusammen.
Er hockte mäuschenstill, dachte geängstigt, ob jemand ihn verfolgt und beobachtet haben könnte.
Plötzlich bellte unter ihm ein Hund scharf auf, und der vom Baum Niederspähende sah unter sich eine Laterne aufleuchten. Nun wußte Gaston, der Nachtwächter von Groß-Rampe machte seine Runde mit seinem Wolfshund Leo.
Der Kletterer konnte beobachten, daß die Laterne sich langsam rund um den Baum bewegte und daß der Hund aufrecht auf der Bank stand und die Vorderpfoten gegen den Stamm preßte. Böses Knurren machte Vernon die Situation nicht angenehmer.
Der Nachtwächter lachte verhalten: „Komm, Leo, brauchst doch den Eulen in den Bäumen kein Ständchen zu bringen!“
Aber der Hund wollte nicht folgen, er knurrte wütend weiter.
Und wieder kreiste das Licht der Laterne um den Stamm, ohne etwas Verdächtiges im Bereich ihrer Helle zu gewahren.
Dem Mann oben im Baum ward heiß und kalt. Dieser gräßliche Hund!
Dem Nachtwächter wurde die Sache anscheinend zu langwierig. Seine Schritte entfernten sich.
„Komm, Leo, komm, wir müssen noch weiter, unsere erste Runde ist noch nicht mal fertig.“
Jetzt pfiff er dem Tier, und mit kurzem, ärgerlichem Bellen folgte ihm der Hund.
Gaston wartete ein paar Minuten, dann trat er hastig und doch vorsichtig den Rückweg an, atmete auf, als er auf festem Boden landete. Doch fast in demselben Augenblick kam der Hund zurückgestürmt, bellte wütend, ließ ihn keinen Fuß weitersetzen.
Gleich darauf stand der Nachtwächter vor ihm. Er kannte den Gast des Gutsherrn, grüßte.
Gaston sagte kurz: „Ihr ’und sein verruckt, ik make einer Promenade in der Park, und er ’at mir überfallt und schimpft mir.“
Der Nachtwächter schmunzelte über das komische Deutsch.
„Verzeihung, Herr, aber Leo kennt Sie noch nicht, wenn jemand von der Herrschaft noch spät durch den Park ginge, er würde nicht so wütend sein.“
Gaston grüßte kurz und ließ den Mann stehen. Leo kümmerte sich nun nicht mehr um ihn, dachte wohl: Wen Herrchen als ungefährlich laufen läßt, den kann ich mit ruhigem Gewissen auch laufen lassen!
Der junge Mann beeilte sich, ins Haus zu gelangen, war froh, als er sein Zimmer erreicht hatte. Donnerwetter, die Geschichte hätte schlecht auslaufen können. Nun, wenigstens wußte er, was er hatte wissen wollen: der Schmuck befand sich im Hause. Aber ihn, den man fast ein bißchen zuviel als Lebensretter pries und feierte, ihm erzählte man, der Schmuck sei auf der Bank. Schon dafür mußte er sich rächen.
Wenn er nur wüßte wo der Schmuck aufbewahrt würde.
Wahrscheinlich in dem geschnitzten Schrank im Wohnzimmer, der so biedermännisch treu und zuverlässig aussah und doch allerlei Geheimabteilungen besaß und komplizierte Schlösser. Mallentin hatte ihn einmal besonders auf den interessanten Schrank aufmerksam gemacht, ihm genau erklärt, wie man mit ihm umgehen mußte.
Gaston de Vernon lächelte ein wenig und öffnete ein Fenster, um die frische Nachtluft einzulassen. Er hörte im Park sprechen und unterschied die Stimmen von Heinz Mallentin und dem Nachtwächter.
Er drehte sein Licht aus, versuchte zu lauschen, doch verstand er kein Wort.