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VI
ОглавлениеAm anderen Tage beim Frühstück sagte der Gutsherr: „Es tut mir sehr leid, daß Sie gestern abend bei einem kleinen Parkspaziergang von dem Hund des Nachtwächters gestört wurden. Mein Sohn ging noch hinunter, weil wir das Bellen hörten. Der Hund ist sonst so klug, aber der Wächter meinte, gestern habe er sich ganz blöd betragen und, ehe er Sie attackierte, die Buch mitsamt der Bank angebellt.“
Vernon lächelte.
„Vielleicht saß eine Katze im Baum.“
Der Gutsherr mußte am Vormittag in die Kreisstadt wegen einer baulichen Veränderung auf dem Gut. Heinz begleitete ihn. Er wollte die verwitwete Frau Professor von Britzkow besuchen, die mit ihrer Tochter Susi von einer längeren Besuchsreise bei Verwandten zurückgekehrt war. Heinz wollte die Damen begrüßen, sie zu einem Gartenfest einladen, das in vier Tagen in Groß-Rampe stattfinden sollte.
Während der Autofahrt nach der Kreisstadt sagte Heinz, der selbst das Auto steuerte, zu seinem neben ihm sitzenden Vater: „Herr de Vernon ist nun schon seit Wochen bei uns, ich finde die Gastfreundschaft wurde ein bißchen stark von ihm ausgenützt.“
Sein Vater machte eine ablehnende Kopfbewegung.
„Aber, lieber Junge, erstens hatten wir schon öfter Logierbesuch, der sogar bis zwei Monate bei uns blieb, und dann bot ich ihm extra an, so lange zu bleiben, wie er Lust hätte.“
„Na ja, aber so was nimmt man, wenn man sich kaum kennt, als gebildeter Mensch doch nicht wörtlich“, hielt Heinz an seinem Standpunkt fest.
„Dir ist Herr de Vernon nicht besonders sympathisch“, sagte ihm der Aeltere auf den Kopf zu.
Heinz zuckte leicht mit den Schultern.
„Er ist mir nicht direkt unsympathisch, das wäre zuviel gesagt, aber das weiß ich, Freundschaft könnte ich nicht mit ihm schließen. Weißt du, Vater, ein Mensch, der so in den Tag hineinlebt, der nichts tut und doch durchaus kein Dummkopf ist, stört mich wie etwas Ueberflüssiges. Und da er auf gar so schlechtem Fuß mit unserer Sprache steht, ist er so abhängig von uns, man muß immer um ihn sein. Die Logiergäste, die sonst zu uns kommen, beschäftigen sich auch mit sich allein, Herr de Vernon ist einem gewissermaßen im Wege. Ich finde, es wäre taktvoll, wenn er trotz deinem Angebot endlich mal von seiner Abreise spräche.“
Vor der Wohnung des Baumeisters setzte Heinz den Vater ab und fuhr dann zu Frau von Britzkow.
Vor einer hübschen, weißen Villa hielt das Auto. Im Vorgärtchen bei den ersten Rosen stand Susi. Ihre braunen Augen leuchteten auf, als Heinz durch die Gartentür trat.
Sie war schlank und rotblond, ihr Haar war kraus und lag flockig über Stirn und Ohren.
Heinz begrüßte sie: „Ich bin froh, Susi, daß Sie wieder daheim sind, die Wochen waren unerträglich, die Sie fern gewesen.“
Susi wurde ganz altmodisch rot.
Sie erwiderte: „Im Herbst soll ich für längere Zeit zu meinen Verwandten kommen und den ganzen Winter über dort bleiben.“
Er sah sie ehrlich erschreckt an.
„Den ganzen Winter über? Nein, das dürfen Sie nicht tun, Susi, das müssen Sie Ihren Verwandten schreiben.“
„Aber Mama will es doch auch“, gab sie zurück.
Er lachte. „Ihre Mama wird mir recht geben und Sie hierlassen, das heißt, auf Groß-Rampe lassen, wenn —.“
Sie schüttelte langsam den Kopf.
„Ich soll den Winter über auf Groß-Rampe bleiben? Aber das kann doch nicht sein.“
„Weshalb nicht?“ fragte er kurz.
Sie blickte ihn verdutzt an. Er sagte: „Darf ich Sie bitten, mich zum Eintritt einzuladen, Susi? Ich will nämlich Ihrer Mama sagen, ich möchte nicht, daß Sie den Winter über fortreisen.“
„Aber —.“ Susi starrte ihn an. War Heinz Mallentin in Weinlaune? Er kam ihr gar so seltsam vor.
„Es gibt kein Aber, Susi, ich will Ihrer Mama sagen, ich möchte Sie zur Frau, und das spätestens im Herbst, und meine Frau soll bei mir auf Groß-Rampe bleiben.“
Susis Blässe wich neuer Röte, dann schrie sie „Huch!“ und rannte wie gejagt ins Haus.
Heinz starrte ihr nach, Susi war wirklich altmodisch. Schrie in einem Zeitalter, in dem vermännlichte Frauen weibischen Männern Heiratsanträge machten, wie ein Altjüngferchen des vorigen Jahrhunderts auf einen Heiratsantrag „huch!“
Und wenn er nun wenigstens noch genau gewußt hätte, ob das „Huch“ ja oder nein bedeutete.
Natürlich „ja“, tröstete er sich.
An der Haustür erschien die noch immer hübsche Frau Professor.
„Susi kommt zu mir gestürmt und behauptet, Sie verulken sie, aber das kann ich nicht glauben, Herr Mallentin.“
Heinz küßte der Dame die Hand.
„Ich möchte Sie gern sprechen, gnädige Frau, es handelt sich um eine Lebensfrage.“
Die Dame nickte, führte ihn in ihr Zimmer. Heinz bat ohne Umschweife um die Hand ihrer Tochter.
Frau von Britzkow strahlte. „Aber gern gebe ich Ihnen mein Mädel, von Herzen gern — doch wo ist sie nur?“ Sie rief mehrmals, bis Susi auftauchte.
Ihre Augen schimmerten noch tränenfeucht.
Ihre Mutter ging zur Tür.
„Ich weiß längst, Susi, daß du Heinz Mallentin liebst, nun laß dir von ihm selbst sagen, daß er dich zur Frau möchte.“
„Huch“, schrie Susi wieder.
Frau von Britzkow verschwand schnellstens, zog die Tür hinter sich zu.
Heinz lachte nicht mehr.
„Susi, liebe kleine Susi, verzeih, daß ich eine ernste Sache bisher lustig und vergnügt behandelte, aber ich weiß, du liebst mich, das macht mich wie trunken.“
Susi stand wie gelähmt vor Schreck. Heinz Mallentin wollte sie zur Frau, sie, die einfache Susi von Britzkow, deren Mutter von der Pension leben mußte, die man der Witwe eines Gymnasialdirektors zubilligte.
Heimlich gehofft und gewünscht hatte sie es immer, aber doch nicht bestimmt erwartet.
Er trat auf sie zu.
„Susi, ich habe dich über alles lieb!“
Ihr Gesicht war wie verklärt, und sie ließ sich küssen, immer wieder küssen.
Er steckte ihr einen Ring aus Rubinen und Brillanten an die Hand.
Sie sah starr auf den Schmuck und sagte erschrocken: „Dergleichen ist zu wertvoll und schön für mich.“
Er küßte sie wieder und wieder.
„Uebermorgen beim Gartenfest verkündet Vater unsere Verlobung, dann erhältst du ein paar Ohrringe, die zu diesem Ring passen und gehören. Beides stammt aus dem Nachlaß meiner Urgroßmutter.“
Susi war ganz verwirrt.
„O du Liebster, ich kann mich noch gar nicht dareinfinden, daß ich des vielbegehrten Heinz Mallentin Frau werden soll, und an die Brillanten werde ich mich wohl auch erst gewöhnen müssen.“
Die Blicke der Liebenden tauchten ineinander, und zwei Lippenpaare formten aufs neue die uralten, unendlich oft gesprochenen Worte: Ich hab’ dich lieb!