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Die Ausrede.

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Als Martha mit den Zigarren nach Hause kam, war man eben im Begriff, sich zum Essen zu setzen. —

Wie schön die Schwester war! Martha wurde es fast ehrfürchtig zumute, und sie begrüsste die Aeltere mit einer Art verlegener Scheu. —

Karl Overmann füllte seinen Teller.

„Ich habe ehrlichen Hunger abends, denk daran, Margarete, und komm nicht immer so spät.“ Er drohte ihr gutmütig mit dem Finger. „Sonst glaube ich schliesslich, du hast dir einen Schatz zugelegt.“

Margarete wurde flammend rot, und ihre Augen sahen den gutmütig lächelnden Mann nicht an. Er wechselte einen Blick mit seiner Frau, der zu sagen schien: „Da stimmt wirklich nicht alles,“ aber er brach das Thema ab und langte tüchtig zu. —

Als man nach dem Essen noch ein Weilchen beisammen sass, meinte Margarete leichthin:

„Ich möchte mit zwei Kolleginnen, die mich einluden, am Sonntag einen Ausflug nach Potsdam machen und von dort nach Babelsberg. Ich hoffe, ihr habt nichts dagegen, Onkel und Tante?“

Martha fühlte ein heimliches Zittern über ihren Körper gehen. Ob auch Onkel und Tante jetzt ahnten, was sie bestimmt wusste, nämlich, dass Margarete die Unwahrheit sprach? Deutlich meinte Martha die dunkelgefärbte, weiche Männerstimme bitten zu hören: „Mein Lieb, du musst dir diesen Sonntag für mich freimachen, einen ganzen Frühlingstag lang musst du mir gehören. Sieh, wie du es möglich machst, schliesslich wird sich doch eine Ausrede finden!“

Der Ausflug nach Potsdam mit den Kolleginnen war die Ausrede! Mine Overmann stopfte an einem Wollstrumpf. —

„Was sollten wir dagegen haben, wenn du mal mit ein paar jungen Mädchen ausfliegen willst? Jugend gehört zu Jugend, und mit Vatern und mir Sonntags als höchsten Genuss bei Schultheiss zu sitzen, ist für dich ein bisschen eintönig. Aber vielleicht könntest du das Kind, die Martha, am Sonntag auch mitnehmen.“

Da stotterte Margarete, dass sie nicht wisse, ob das den Kolleginnen recht sei, Martha sei noch zu jung.

Martha zwang sich, gleichgültig zu erscheinen. „Ach, Tantchen, lass doch, ich sitze lieber mit euch bei Schultheiss, mir macht das Vergnügen.“

Man trennte sich an diesem Abend ziemlich früh, um sich zur Ruhe zu begeben, dennoch blieb das alte Ehepaar noch lange beisammensitzen.

Karl Overmann rauchte eine Zigarre nach der anderen und äusserte dabei allerlei Gedanken zu seiner Frau.

„Weisst du, Mine, heute abend bin ich mir endgültig klar geworden, mit Margarete stimmt etwas nicht, sie verbirgt was vor uns. Und was hätte ein Mädchen in ihrem Alter wohl anderes zu verbergen als eine Liebschaft? Gott, das Mädchen ist auffallend schön und kann einem Mann schon ordentlich den Kopf verdrehen. Wenn es aber nur ein solider, zuverlässiger Mensch ist, nicht etwa bloss so ’n Windhund, der uns das Frauenzimmerchen unglücklich macht!“ Seine kleinen Augen blitzten: „Zum Deibel, das wäre eine Geschichte!“

„Aber Karl, beruhige dich doch, das sind doch nur Einbildungen! Vorläufig wissen wir ja nichts,“ begütigte Frau Mine.

Er lachte grimmig. „Bei solchen Sachen ist’s meistens schon zu spät, wenn man erfährt, was los ist.“

Frau Mine nickte. „Stimmt! Und wahr ist’s, Margarete ist ganz eigentümlich verwandelt. Manchmal sitzt sie versunken da und lächelt still vor sich hin, ein anderes Mal gibt sie ganz konfuse Antworten. Na, ich will acht geben.“ Ihr Gesicht hellte sich auf. „Seien wir doch vergnügt, mit Margarete kann es doch kein Mensch schlecht meinen, und sie ist schön genug für einen Thron.“

Karl Overmann seufzte. „Ein armes Mädchen auf einem Thron! Ne, Mine, das kommt bloss im Märchen vor, an das kleine Kinder glauben; unsereiner weiss längst, was für ’ne Rolle das Geld spielt, Liebe und Glück wird ja um schmutziges Geld verkauft.“

Mine Overmann stimmte ihrem Gatten bei.

„An Margarete soll kein Unglück heran, solange wir’s verhüten können, das sind wir schon ihren Eltern schuldig, waren doch beide unsere besten Freunde. Weisst du noch Karl, als wir draussen in Charlottenburg mit ihnen in demselben Hause wohnten? Die schöne junge Künstlerfrau war gar nicht stolz und sie kam oft zu mir zum Kaffee.“

„Und der Glasmaler, der in so vielen Berliner Kirchen wundervolle Fenster gemalt, war ebensowenig stolz. Manche Flasche hat er mit dem simplen Bäckermeister geleert.“ Er sann vor sich hin. „Wie unsere Freundschaft eigentlich entstand? — Genau weiss ich’s nicht mehr, aber wir verstanden uns gut, und das Herz wurde mir warm, wenn ich in seinem Atelier sass und in all der Schönheit von bunten Vorhängen, seltenen Bildern und vielen Blumen ein Weichen mein Philistertum hinter dem Backtrog vergass.“ Die beiden alten Leutchen sahen sich an. „Schön war’s!“ sagten sie wie aus einem Munde. —

„Wolfgang Römer hat darunter gelitten, seine Kinder arm zurücklassen zu müssen!“ Frau Mine putzte ein eilfertiges Tränlein weg.

Ihr Mann zuckte die Achseln.

„Künstlerschicksal! Mein Backtrog war rentabler, aber dafür habe ich auch mein Leben lang im Teig herumgeknetet, während er —“ er brach ab, um nach einem Weilchen weiterzusprechen: „Geld brachten wir ja zusammen, aber den Mädeln dürfen wir doch nichts davon geben, das könnten uns unsere eigenen Jungen böse vermerken. Der Franz hat mit seiner Gärtnerei in Halensee und seinen sechs Kindern zu tun, und Robert in Eberswalde heisst zwar Herr Betriebssekretär, aber so ’n Beamter muss immer nobel nach aussen auftreten und hat es nicht dazu, auf Erbteile zu verzichten. Sonst, weiss Gott, Frau, ich hätte den zwei Mädchen ein anständiges Sümmchen festgelegt. Immerhin, wenn sie einmal heiraten, lässt sich Karl Overmann nicht lumpen!“

Frau Mine drückte ihres Mannes Hand.

„Bist ein guter braver Kerl, mein lieber alter Karl.“

Der Schwester Rache

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