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II

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Leonhard Werkentin betrat nach kurzem Anpochen das Büro seines Oberingenieurs Dr. Konrad von Rauberg, der, den Kopf über eine Zeichnung geneigt, an einem großen Tische saß.

Nun sah Rauberg auf und erhob sich.

„Herr Werkentin . . .“, begann er ein bißchen verlegen und brach dann ab, denn er ahnte, was seinen Chef zu ihm führte. Wenn es sich um etwas Geschäftliches gehandelt hätte, würde er ihn in sein Kontor haben bitten lassen.

Werkentin war ein untersetzter, robuster Herr mit großknochigen Zügen und buschigem Schnurrbart. Seinen Reichtum sah man ihm nicht an, nichts an ihm ließ auf einen Emporkömmling schließen. Er war und blieb, was er gewesen, der biedere, derbe Schlossermeister aus Frankfurt-Bornheim, der heute eine der bestbekannten Maschinenfabriken Mitteldeutschlands besaß. Einfach und schlicht, wie er vor langen Jahren als junger Schlossermeister draußen in dem dörflichen Teil der Frankfurter Vorstadt gearbeitet, so war er in Wesen und Benehmen geblieben, so war auch seine Frau Luise, die sich noch immer nicht an ihre Stellung und ihren Reichtum gewöhnen konnte.

Anders, ganz anders aber, wie eine Blume in fremdem, gepflegtem Garten erblüht, lebte Amadora, ihr einziges Kind zwischen ihnen, war ihr Stolz, ihre Freude, ward von ihnen bewundert, verwöhnt und angestaunt.

Stumm standen sich die zwei Männer sekundenlang gegenüber, der breite, vierschrötige Leonhard Werkentin und der schlanke, rassige Konrad von Rauberg, dessen vornehme Züge eine gewisse peinliche Gespanntheit verrieten.

Endlich nahm der Ältere das Wort.

Er reichte dem Jüngeren die Hand, sagte mit etwas breitem Lächeln:

„Habe mal was läuten hören, wenn der Prophet nicht zum Berge kommt, muß der Berg zum Propheten kommen, und das dürfte in unserem Fall ja wohl so ziemlich stimmen.“

Er machte eine etwas ungeschickte Bewegung, suchte nach Worten. „Ach, wozu die langen Fisimatenten!“ stieß er dann mit einer scharfen Falte über der Nasenwurzel hervor. „Ich verstehe von Diplomatie rein gar nichts, deshalb will ich vorneweg gleich offen erklären, meine Frau schickt mich zu Ihnen.“ Er schlug sich auf den Mund, der buschige Schnurrbart sträubte sich vor Empörung. „Bin doch ein rechter Olwel, wie die Frankfurter zu sagen pflegen, denn meine Alte hat mir noch extra verboten, ihre Person mit ins Gespräch zu bringen.“ Er lachte. „Na, nu ist’s schon schnuppe, immerhin können wir ja vorläufig die Lesart beibehalten, daß mich nur Vatergefühle zu Ihnen führen, Herr von Rauberg. Gelt, ich darf mich setzen?“

Er saß bei der Frage bereits, winkte dem Jüngeren, seinem Beispiel zu folgen.

Leonhard Werkentin drehte ein paarmal an dem etwas plumpen Siegelring der Rechten.

„Ich bitte Sie, Herr von Rauberg“, sagte er dann etwas unvermittelt, „offen und ehrlich Farbe zu bekennen. Weshalb machen Sie seit ungefähr zwei Wochen um unser Haus, ja um meine Familie und besonders meine Tochter einen förmlichen Bogen?“ Er atmete tief. „Sehen Sie, verehrter Herr von Rauberg, früher hätte ich mir dabei nichts Besonderes gedacht, wenn Sie unsere Gesellschaft plötzlich gemieden hätten, ich würde mich sicher nicht aufgedrängt haben. Meine Frau und ich, so sympathisch Sie uns sind, wir beide hätten uns mit Ihrem Benehmen abgefunden; aber da ist Amadora, unser Mädel, die plagt sich und grämt sich, und nur ihretwegen suchte ich Sie heute in Ihrem Büro auf. Ich wollte ja nichts merken, drückte beide Augen zu, dachte, der Doktor von Rauberg ist ein feiner, anständiger Mensch, der wird schon wissen, was er tut, und wenn er was mit Amadora gehabt hat, vielleicht ’ne kleine Meinungsverschiedenheit, dann wird sich das schon wieder einrenken, um eine Bagatelle willen macht der niemanden unglücklich. Wie ich aber beobachten mußte, daß Amadora täglich blasser wurde und morgens um die Augenlider immer so einen dünnen roten Strich wie von nächtlichem Weinen hatte, gefiel mir die Sache doch nicht mehr recht. Da meinte ich zu meiner Frau: Hör’ mal, Luise, erst sitzt der Doktor Rauberg Tag für Tag bei unserem Mädel, musiziert mit ihm, radelt mit ihm aus, schmachtet es nach Noten an, und als wir, ganz einverstanden mit dem Zukunftsbild, allem freien Lauf lassen, macht er plötzlich so schroff Schluß, daß man vor einem Rätsel steht.“

Konrad von Rauberg fuhr sich über die Stirn, ihm war heiß geworden, und er saß wie ein Angeklagter, der nichts mehr erhofft, vor seinem Richter.

„Meine Frau war froh, daß ich endlich ein Thema anschnitt, das sie schon lange quälte, und sie wußte auch schon Bescheid und berichtete mir alles, was zwischen Amadora und Ihnen gewesen, und daß unser Mädel Tag für Tag auf Ihren Besuch bei uns gewartet hat. Amadora hat sich ihrer Mutter anvertraut, und Sie wissen nun, Herr von Rauberg, weswegen ich kam.“

Sein Organ hatte jetzt einen rauhen Beiklang. „Sie haben unser Kind geküßt, haben Amadora von Ihrer heißen Liebe gesprochen und allerlei bunte Träume von einer gemeinsamen Zukunft mit ihr gesponnen. Sie haben ihr gesagt, Sie würden in Kürze von mir ihre Hand erbitten, und statt dessen sind Sie ihr schon zweimal auf der Straße geflissentlich aus dem Wege gegangen.“ Er sprang auf, sah den Jüngeren zornig an. „Herr Doktor von Rauberg, weshalb unterbrechen Sie mich denn mit keiner Silbe, weshalb lassen Sie mich denn immer nur reden? Das ist doch unnatürlich! Schließlich können Sie mir doch durch eine kurze Erklärung all die lange Salbaderei ersparen, denn Sie wissen doch so gut Bescheid wie ich, was ich von Ihnen will. Lassen Sie sich doch nicht erzählen, was Sie viel besser als ich wissen!“

Konrad von Rauberg seufzte heimlich. Aber sein Entschluß war gefaßt.

Ein weiches, kosiges Dämmerstündchen im Wintergarten der Werkentin schen Villa hatte ihn schwach gemacht, ein liebreizendes, blondes Wesen alle seine Vorsätze umgeworfen. Viel zu schade war das blondeste, zarteste Mädchen für einen Rauberg, über dessen Haupt ein alter Fluch lag, der sich erfüllen konnte, wenn Amadora sein Weib geworden.

Ihr, der Zarten, Feinen, für die das Leben ein langer blumenbestreuter Weg sein sollte, durfte nichts Häßliches, Mißgestaltenes begegnen.

Die Raubergs mit den drei Fingern! — Entsetzlicher Gedanke!

Aber was sollte er tun?

Sollte er dem erregten Vater erzählen, daß er zufällig nach jenem Tage, an dem er Amadora seine Liebe gestanden, einen Brief vom Bruder erhalten hatte, darin ihm dieser von Ilmas endgültigem Verzicht auf Liebe und Ehe sprach und auch seinen eigenen Entschluß nicht unerwähnt ließ? Sollte er Leonhard Werkentin davon reden, ihm damit sein Verhalten erklären?

Konnte er das? Würden seine Bedenken dem Ohr des sehr nüchter urteilenden Vaters Amadoras nicht übertrieben und phantastisch klingen?

Leonhard Werkentin ärgerte das lange Schweigen. Was fiel Konrad von Rauberg nur ein, ihm so unhöflich zu begegnen?

Die Falte zwischen seinen Brauen vertiefte sich, und die Züge seines groben, wenn auch angenehmen Gesichts verdüsterten sich sehr.

„Herr Doktor von Rauberg, ich weiß wirklich nicht mehr, wie ich zu Ihnen sprechen soll. Werden Sie sich nicht innerhalb Minutenfrist herbeilassen, mir eine Erklärung abzugeben, so verlasse ich dieses Zimmer, um meinem Kind zu sagen, daß es sein Herz an einen Unwürdigen gehängt hat.“

Jetzt erhob sich auch Konrad von Rauberg. Alles Blut war aus seinen Wangen gewichen.

„Nicht so schnell den Stab über einen armen Sünder brechen, Herr Werkentin!“ entgegnete er fast heftig. „Glauben Sie mir, ich quäle mich seit langen Tagen mit der marternden Frage herum, ob ich es wagen darf, mein Allerliebstes, mein Bestes und Schönstes auf der Welt in den entsetzlichen Bannkreis meiner Ängste zu reißen!“

Leonhard Werkentin blickte betroffen auf den Jüngeren, fand keinen Sinn hinter dem rätselhaften Satz.

Konrad Rauberg zuckte nachlässig die Schultern.

„Sie verstehen mich nicht, können mich nicht verstehen, und deshalb will ich mich Ihnen deutlicher erklären, selbst auf die Gefahr hin, von Ihnen als Narr verlacht zu werden.“ Er zupfte an seinem Jackett herum. „Vielleicht würde mir ein richtiges gesundes und unverfälschtes Lachen sogar gut tun.“ Er wies auf den Stuhl neben Werkentin. „Bitte, nehmen Sie nochmals Platz! Ich will Ihnen eine Geschichte erzählen von einem alten Geschlecht.“

Nun saßen sich die beiden Herren wieder gegenüber, und Konrad von Rauberg sprach dem still Lauschenden von dem Fluch aus den Tagen des Dreißigjährigen Krieges, der noch heute, gleich einem Damoklesschwert, über dem Haupte jedes Rauberg hing.

„In jenen stürmischen Zeiten vor fast dreihundert Jahren“, endete Konrad von Rauberg, „nannten unsere Vorfahren einen trotzigen Edelsitz ihr eigen. Dörfer und Höfe gehörten dazu, soweit der Blick vom Wartturm zu schweifen vermochte, der zugleich einem Astrologen als Heim diente. Heute steht nur noch der Turm. Die Burg von einst ist der Erde gleichgemacht. Ein kleiner Gutshof mit Äckern und Wiesen ringsum, allzu viele Morgen sind es nicht, ist alles, was uns vom Einst geblieben. Mancher Bauer nennt eine größere Scholle sein als mein älterer Bruder Norbert. Also reich sind wir nicht, wir Raubergs, und durch den Fluch sind wir zudem gedrückt, beengt. Niemand von uns vermag die Flügel zu regen. Wir fürchten uns wie arme verfolgte Hasen vor dem scharfen Biß der Jaghunde.“

Leonhard Werkentin war fast verblüfft den Ausführungen gefolgt.

Jetzt schlug er mit der Faust auf den Zeichentisch, ein paar Bleistifte rollten entsetzt auf den Fußboden.

„Herr Doktor, beabsichtigen Sie mich zu uzen?“ schrie er mit Donnerstimme. „Möchten Sie mir mit ollen Märchen und Sagen den Kopf dumm machen? Daß Sie kein reicher Mann sind, ist mir vollständig gleichgültig, Sie sind ein ungewöhnlich tüchtiger Ingenieur, darauf kommt es mir an, und daß einer von altem Adel sich so einen ordentlichen, gediegenen Beruf wie Sie erwählten, gefällt mir erst recht.“ Er überhastete sich förmlich. „Daß Sie mir aber faulen Zauber vormachen wollen, ärgert mich. Wenn Sie sich übereilt haben mit Ihrer Küsserei, wenn Sie sich, der Lockung einer schönen Stunde folgend, zu etwas haben hinreißen lassen, was Sie heute reut, dann bringen Sie als Mann aber wenigstens so viel Mut auf, ehrlich zu sein. Man spielt nicht mit Amadora und ihrem Vater Versteck, Herr von Rauberg.“

Zornig blitzten Leonhard Werkentins Augen den Jüngeren an. Konrad von Raubergs Brust hob sich schwer atmend.

Er hatte es ja gewußt, der einfach denkende Vater der Geliebten würde ihm nicht glauben.

„Wie können Sie mich nur mit solchen Albernheiten ins Bockshorn jagen wollen?“ sagte der Ältere kopfschüttelnd.

Konrad von Rauberg erwiderte sehr ernst:

„Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, alles, was ich Ihnen erzählte, entspricht der Wahrheit. Ich fürchte lediglich den alten Fluch, nur er ist es, der zwischen Amadora und mir steht, er schreckt mich wie ein böses, hartes Urteil!“

Da schüttelte der Ältere abermals den Kopf.

„Der Himmel soll mich bewahren, diesen Unsinn ernst zu nehmen! Das ist Spinnstubenklatsch und Waschweibertratsch. Paßt zu Wahrsagerinnen, die einen schwarzen Raben auf der Schulter hocken haben und Dumme belügen. Paßt aber doch nicht zu Ihnen und Ihren Geschwistern.“ Er lachte. „Sie haben ein Paar durchaus normale Hände, und das genügt mir. Wenn Sie verwachsen wären, würde ich Sie ja auch nicht gern an Amadoras Seite sehen, aber solch Mumpitz schreckt mich nicht.“

Er begann lauter und herzhafter zu lachen.

„Wenn das wirklich alles ist, was Sie hindert, meinem Kinde die Ruhe wiederzugeben, dann zögern Sie keine Minute mehr, dann nehmen Sie Ihren Hut und Überzieher und kommen Sie mit mir zu Tisch. Wir können daheim gleich so eine kleine intime Vorverlobung feiern.“ Konrad von Rauberg wollte aufstehen; doch im selben Augenblick klopfte es schüchtern an, und dann stand ein feines, kleines Wesen auf der Schwelle mit großen Mandelaugen von tiefblauer Farbe und lichtblondem, wirrem Haargelock.

Ein leichtes weißes Kostüm, ein winziges weißes Seidenbarett kleideten das zierliche, anmutige Mädchen entzückend.

Jetzt sprang Konrad von Rauberg auf, polternd fiel sein Stuhl zu Boden.

Daraufhin drehte sich Leonhard Werkentin um, starrte auf die holte, achtzehnjährige Blondheit.

„Amadora, was willst du hier?“

Amadora Werkentin sah von einem zum anderen.

„Ich wollte dich abholen, Vater, und nachdem ich lange in deinem Kontor gewartet und dann im Vorbeigehen hier laut sprechen hörte, deine Stimme hörte, Vater, fürchtete ich . . .“

Jetzt zog Leonhard Werkentin mit unendlich zärtlicher Bewegung seine prinzessinfeine Tochter vollends ins Zimmer.

„Was fürchtetest du denn, Amadora?“ fragte er, und ein leichtes, schalkhaftes Lächeln lag um seinen breitlippigen Mund.

Sie errötete. „Mutter hat mir vorhin gesagt, sie hätte dir alles verraten, und da fürchtete ich . . .“ ihr Blick flog zu Konrad von Rauberg, da fürchtete ich, du würdest ihn schelten“, stotterte sie.

Leonhard Werkentin schaute seinen Oberingenieur mit ernst forschenden Augen an, sprach leise:

„Ich verlache Ihre Bedenken, wollen Sie feiger sein als ein Vater?“

Amadora zog die schmalen, dunklen Brauen hoch.

„Was sagtest du da eben, Vater?“

Konrad von Rauberg warf im Moment jedes weitere Bedenken über Bord als überflüssigen, beschwerenden Fahrballast. Er nahm Amadoras beide Händchen in seine Hände, küßte sie eine nach der anderen wie zerbrechliche Kostbarkeiten aus einem Altarschrein.

„Amadora, ich wagte nicht recht, um dich zu werben, trotz unserer Küsse, du schienest mir zu schade, zu gut für einen, der den herben Namen Rauberg trägt. Doch nun ich mich mit deinem Vater ausgesprochen, ist es mir, als dürfte ich es wagen, und deshalb, hier vor deinem Vater, nimm mein Versprechen, daß ich dich achten und ehren werde als mein köstlichstes Gut, wenn du mein Weib werden willst.“

Da entzog ihm Amadora die feinen Fingerchen und mit strahlendem Glücksleuchten in den wundervollen tiefblauen Augen jubelte sie, während sie ihre Arme um seinen Hals schlang:

„Ob ich will, ob ich will? Tausendmal ja! ich will, weil ich dich liebhabe, Konrad.“

Leonhard Werkentin fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Komisch, es war ihm fast, als kitzele ihn ein Tränlein der Rührung.

Dummes Zeug, ein Leonhard Werkentin ist nicht gerührt, der freut sich laut und lacht ein paarmal derb auf, jagt damit alle Rührung zum Teufel. Und nun lachte der breitschulterige, grobknochige Mann wirklich und konnte doch nicht verhindern, daß ein paar vorwitzige Tränenperlchen über seine Wangen kollerten.

Er putzte die feuchten Kugelchen schnell fort und blickte auf sein Mädchen.

Wie eine Elfe sieht sie aus, mußte er denken. Mochte nur der Himmel geben, daß sie an der Seite des von ihr erwählten Mannes wirklich das reine, echte Glück fand!

In seinen Augen wetterleuchtete es.

Wenn sie das Glück nicht fand, dann wehe dem Manne! Und von der dummen Sage von der verstümmelten Rechten der Raubergs brauchte sie eigentlich überhaupt nichts zu erfahren. Wenn die Geschichte auch lächerlich war, konnte man schließlich doch nicht wissen, wie Amadora sie aufnahm. Er wollte Konrad von Rauberg nachher gleich einen diesbezüglichen Wink geben.

Und er tat es bei erster Gelegenheit.

Konrad erwiderte lächelnd:

„Ich werde schweigen. Mein Glück steht mir viel zu hoch, als daß ich es in Gefahr bringen möchte. Und ich begreife nicht, wie ich noch vor kurzem so abergläubisch sein konnte. Nun ich Amadora vor aller Welt meine Braut nennen darf, erscheint mir der alte Fluch wirkungslos geworden.“

Er sandte einen langen Brief an die Geschwister, meldete ihnen, was geschehen, und nannte Ilma feige.

„Nimm dir dein Glück, zerbrich es nicht in Scherben um eines Phantoms willen, Schwester!“ schrieb er.

Norbert hatte ihr den Brief, nachdem er ihn in seinem Arbeitszimmer gelesen, bei der Abendmahlzeit übergeben. Jetzt saß sie in ihrem Schlafzimmer, las ihn noch mehrmals, und tausend Gedanken schossen dabei durch ihren Kopf. Konrad bat in dem Brief, niemals zu Amadora eine Silbe von dem Fluch zu äußern. Ein Bild Amadoras lag dem Briefe bei.

Ilma dachte: Sie ist so fein, sie zerbräche, wenn sich das Geschick an ihr erfüllen würde.

Sie legte den Brief und das Bild auf ein Tischchen und ging an das breite Eckfenster, das einen Ausblick auf die nahen Berge gewährte.

Auf dem leicht vorgelagerten Kegel hob sich der alte Wartturm gleich einem breiten, drohenden Finger, schob sich massig und düster in den hellen Dämmer des Herbstabends.

Ilmas Gedanken flogen unwillkürlich weit zurück in die Vergangenheit. Während des letzten Teils des Dreißigjährigen Krieges sollte eine Zeitlang ein landfahrender Astrologe auf dem Turm gehaust, sollte Herrn Ottomar Erhardt oft das Horoskop gestellt haben. Denn in jener Zeit liebten es die Herren, sich aus den Gestirnen ihr Schicksal künden zu lassen. Glaubten fest daran, daß die urewigen, unendlich fernen, unendlich großen Gestirne im Weltraum das Schicksal der Menschen bestimmten.

Der Liebe Zaubermacht

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