Читать книгу Ich konnte dich nie vergessen - Anny von Panhuys - Страница 9

6.

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Stefan Pilger befand sich nun in Gesellschaft des jungen Mädchens in dem Zimmer, das ihm seine Schwester beschrieben hatte. Er sah die großen Scheibenschränke mit den Hüten, und wünschte sich weit fort von hier, bereute seinen Gang, denn jetzt glaubte er über Christa völlig im Bilde zu sein. Sie war verlobt und er begriff, daß sie absichtlich der Bekanntschaft mit seiner Schwester aus dem Wege gegangen war.

Sie hätte auch gar nicht anders handeln können, ohne die unangenehmsten Folgen fürchten zu müssen.

Noch glaubte er Christas Stimme zu hören, wie sie ihrem Verlobten beteuerte: Ich habe dich bis jetzt mit keinem Blick und keinem Wort betrogen. Du warst der erste Mann in meinem Leben, der mich geküßt hat, und kein Männermund außer dem deinen hat bisher meine Lippen berührt. Das kann ich beschwören.

So überzeugt das auch geklungen, war es doch alles Lüge gewesen. Keiner wußte das besser als er. Von ihm hatte sich Christa Dörfel küssen lassen und seinen Liebesworten hatte sie gelauscht und sie erwidert. Der Verlobte mochte sein wie er wollte, zur Eifersucht besaß er genügend Grund.

Er riß sich zusammen. Ein Stern war von seinem Himmel hinuntergefallen, ein schöner Traum hatte sich in nichts aufgelöst, seine Liebe lag in Scherben vor ihm.

Es wäre Zeitverschwendung, hier noch länger zu warten. Er hatte hier nichts mehr zu suchen.

Das blutjunge Mädel lächelte ihn zaghaft an.

„Wer sind Sie, mein Herr, und was wünschen Sie? Ich war ein paar Minuten oben in unserer Mansarde, um etwas zu suchen und habe aus Bequemlichkeit die Korridortür offen gelassen. Das war leichtsinnig von mir, denn Sie sind einfach eingetreten und haben ein bißchen von dem Spektakel gehört, den Hansjörg jeden Sonntag Vormittag mit meiner Cousine anstellt.“ Sie spottete: „Es ist ihm allmählich zur lieben Gewohnheit geworden. Leider hat Christa immer wieder Geduld mit ihm gehabt, aber ich glaube doch, jetzt hat sie es gründlich über, sich weiter piesacken zu lassen.“ Die klugen blauen Augen blitzten. „Mich sollte ein Mann so behandeln wie Hansjörg Christa behandelt, dem wollte ich heimleuchten! Aber Christa hört immer wieder mitleidig auf sein Betteln, wenn er bereut, nachdem er es wieder einmal zu toll getrieben.“ Sie atmete tief auf. „Ich erkläre Ihnen das nur, wenn es Sie auch nichts angeht, damit Sie nicht glauben, meine Cousine hätte dem Menschen jemals wirklich Grund zur Eifersucht gegeben. Wenn man nämlich so vom Korridor als Unparteiischer zuhört, könnte man das sogar glauben. Aber Christa ist die Reinheit und Wahrheit selbst.“

Stefan Pilger hätte ihr die Augen über Cousine Christas Reinheit und Wahrheitsliebe öffnen können, doch weshalb sollte er dem jungen vertrauensseligen Geschöpf den Glauben an das Ideal nehmen, das Christa für die hübsche Kleine zu sein schien.

Er erwiderte sachlich: „Sie fragten mich vorhin, wer ich sei und was ich wünschte. Ich hätte Fräulein Christa Dörfel gern persönlich etwas ausgehändigt, was sie letzthin verloren hat. Man übergab mir den Gegenstand für sie und ich übernahm es, ihn ihr zu überbringen.“

Das junge Mädchen meinte: „Ich kenne Christas Sachen natürlich nicht alle, darf ich vielleicht sehen, um was es sich handelt?“

Er holte aus seiner Brusttasche die in weißes Seidenpapier eingeschlagene Brosche hervor und überreichte sie ihr.

Das junge Mädchen zupfte das verhüllende Seidenpapier auseinander und das mit bunten geschliffenen Steinen übersäte Schmuckstück kam zum Vorschein.

Ein Weilchen betrachteten es die blauen Augen genau, dann erklärte der hübsche junge Mund: „Die Brosche ist wundervoll und könnte mir auch gefallen, aber ich erinnere mich nicht, sie bisher bei Christa gesehen zu haben. Es ist ein geschmackvolles Stück, keine Massenware. Es muß viel Geld gekostet haben. Aber Christa liebt das, was nicht jeder trägt.“

Sie fragte und es lag Mißtrauen in ihrer Frage: „Wer sind Sie eigentlich?“ Und als nicht gleich eine Antwort erfolgte, sagte sie: „Ich heiße Huberta Meister. Ein viel zu gediegener Name für mich, nicht wahr? Christa meint, ich sollte eigentlich Gustl Tralala heißen.“

Er mußte lächeln und ihm war doch so bedrückt ums Herz.

Er stellte sich vor: „Ich heiße Stefan Pilger.“ Er erklärte: „Ich weiß bestimmt, daß die Brosche Fräulein Dörfel gehört und von ihr in der letzten Zeit täglich getragen wurde, also daß sie die Brosche verloren haben muß. Ich möchte sie auf keinen Fall wieder mitnehmen. Geben Sie die Brosche Ihrer Cousine und bestellen Sie ihr zugleich, daß ich leider zufällig einen Teil ihrer sehr lebhaften Unterhaltung mit ihrem Verlobten mitanhören mußte, sie möge das entschuldigen, es wäre mir sehr peinlich. Aber ich glaube, es ist am besten, wenn ich mich jetzt empfehle.“ Er spöttelte, doch sie merkte den Spott nicht: „Wenn ich noch bleibe, stoße ich möglicherweise mit dem eifersüchtigen Herrn zusammen und gerate in den Verdacht, ein Freund Fräulein Dörfels zu sein.“

Er machte ein paar Schritte, doch blieb er wieder stehen, denn eben wurde draußen eine Tür zugeschlagen und ein fester Männerschritt auf dem Korridor laut, gleich darauf flog auch die Korridortür heftig ins Schloß.

„Jetzt ist Hansjörg gegangen“, sagte Huberta Meister, „und ein paar Tage lang läßt er sich nach solchen Szenen nicht blicken. Er entfernt sich immer so wirkungsvoll in letzter Zeit. Und nun noch einen Augenblick, mein Herr, ich werde nach meiner Cousine sehen und sie gleich wegen der Brosche befragen.“

Schon befand sich Stefan Pilger allein.

Er überlegte, ob er sich nicht einfach davonschleichen solle. Aber wiederum reizte es ihn, Christa noch einmal zu sehen, ihr gegenüber zu stehen, die ihn so bitter enttäuscht hatte.

Ich konnte dich nie vergessen

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