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Mit vier Ohren hören

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Wie Sie gerade gelesen haben, kommunizieren wir eher aus unserer Gefühlswelt heraus, nämlich auf der Beziehungsebene. Dort sind die meisten unserer Handlungsmuster abgespeichert. Daher stellt sich die Frage: Wie können wir unsere Kommunikation so steuern, dass wir mehr über den Verstand agieren und dementsprechend auf der Sachebene im Gespräch bleiben?

Die Lösung liegt in dem Kommunikationsmodell des „Vier-ohrigen-Hörens“ von Friedemann Schulz von Thun. Er ist deutscher Psychologe und Kommunikationswissenschaftler sowie Gründer des Schulz von Thun Instituts für Kommunikation in Hamburg.

In diesem Kommunikationsmodell wird beschrieben, dass wir nicht nur mit zwei Ohren hören, sondern mit vier Ohren. Daraus folgt, dass jede Nachricht, die wir senden und die wir empfangen, vier Seiten hat.


Schauen wir uns zunächst dieses Modell aus der Empfängerperspektive an. Sobald Sie eine Botschaft erhalten, haben Sie als Empfängerin die Wahl zwischen vier Möglichkeiten, auf welcher Kommunikationsebene Sie diese Botschaft ansiedeln wollen. Sie entscheiden, welches Ohr Sie aufsperren möchten.

Als Erstes betrachten wir das Sach-Ohr. Empfangen wir Nachrichten auf diesem Ohr, befinden wir uns auf der Sachebene. Hier stellen wir den Sach-Inhalt des Gehörten in den Mittelpunkt. Die Sachaussage und Information werden wahrgenommen, weil wir etwas über Tatbestände, Gegenstände und Inhalt erfahren. Die Art und Weise, wie diese Information gesendet wird, führt jedoch beim Empfänger häufig dazu, dass er eher das Wie als das Was „hört“.

Dann können Sie das Ohr der Ich-Aussage öffnen. Damit hören Sie auf der Ebene der Selbstoffenbarung. In jeder Nachricht stecken auch Informationen über die Person des Senders. Ohne aktiv über sich selbst zu informieren, offenbart der Sender Teile seiner Persönlichkeit.

Als Nächstes kommt das Beziehungs-Ohr. Darin liegen alle unsere Emotionen. Wenn Sie das Beziehungs-Ohr öffnen, befinden Sie sich immer auf der Beziehungsebene.

Aus jeder Nachricht können wir entnehmen, was die Senderin vom Empfänger hält und wie sie die Beziehung zwischen sich und dem Empfänger sieht. Sie gibt Auskunft darüber, wie sie zueinander stehen. Diese Information wird oft nonverbal über die Körpersprache vermittelt: Mimik, Tonfall, Gestik, Körperhaltung.

Gerade wenn Sender und Empfängerin in einer engen Beziehung zueinander stehen, besteht die Gefahr, dass eher auf der Beziehungsebene kommuniziert wird. Die Wahrnehmung der Empfängerin ist jeweils durch die gute (oder auch schlechte) Beziehung geprägt. Besonders dann, wenn die Empfängerin mit dem Sender in der Vergangenheit eher schlechte Erfahrungen gemacht hat, wirken sich diese Erfahrungen mehr auf die Botschaft aus als der eigentliche Sach-Inhalt.

Und dann gibt es noch das Appell-Ohr. Dieses Ohr hört die Aufforderung zum Handeln, also den Appell, aus der Botschaft heraus. Fast alle Nachrichten haben die Funktion, auf den Empfänger Einfluss zu nehmen. Die Nachricht dient also auch dazu, den Empfänger zu veranlassen, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen, zu denken oder zu fühlen.

Stellen Sie sich folgende Situation während der Frühstückspause im Kollegenkreis vor: Reihum bringt jeder Mitarbeitende eine Packung Kekse mit in die Pause und alle bedienen sich.

Heute haben Sie ganz besondere Kekse mitgebracht, die Sie in einem Hofladen mit Bioprodukten gekauft haben. Diese Kekse sind aus reinen Naturprodukten hergestellt und waren erheblich teurer als die Kekse aus dem Supermarkt.

Nun sitzen Sie im Kollegenkreis zusammen, eine Kollegin nimmt sich einen Keks, beißt hinein und sendet folgende Botschaft: „Was ist das denn für ein komischer Keks? Der schmeckt ja ganz anders“.

Sie haben jetzt analog des Kommunikationsmodells des Vier-ohrigen-Hörens vier Möglichkeiten, diese Aussage aufzunehmen und entsprechend zu reagieren.


Das Sach-Ohr: „Das ist ein Keks aus Dinkel und Hafer.“

Sie stellen den Sachaspekt in den Mittelpunkt und antworten auf der Sachebene – selbstverständlich freundlich und höflich, ohne sarkastischen Unterton. Schließlich kommt es neben der Formulierung auch auf die Stimme an. Schaffen Sie es, hier konsequent auf der Sachebene und freundlich zu bleiben, wäre die Frühstückspause gerettet. Ein Konflikt wird vermieden.

Das Ohr der Selbstoffenbarung: „Schmeckt es dir mal wieder nicht?“

Sie interpretieren in das Gesagte der Kollegin die Ich-Aussage, dass ihr der Keks nicht schmeckt. Genauso gut könnten Sie auch wie auf der Sachebene antworten: „Das ist ein Keks aus Dinkel und Hafer“. In diesem Fall hätten Sie die Ich-Aussage so interpretiert, dass die Kollegin diese Kekssorte nicht kennt und nicht weiß, wie solche Kekse schmecken. Hier zeigt sich, dass Sie über Ihre Interpretation steuern, ob die Frühstückspause entspannt bleibt oder sich daraus ein Konflikt entwickelt. Denn mit der Antwort „Schmeckt es dir mal wieder nicht?“ zeigen Sie, dass sie sich provoziert fühlen und provozieren nun Ihrerseits.

Das Beziehungs-Ohr: „Dauernd hast du was zu meckern. Demnächst bringe ich auch nur noch Billigkekse aus dem Supermarkt mit.“ Oder: „Du kaufst immer nur Billigkekse und wenn ich mal etwas Gesundes mitbringe, meckerst Du nur rum.“

Sie fühlen sich durch die Frage nach dem Keks angegriffen. Da Sie vielleicht sowieso schon genervt waren, weil sich die Kollegin häufig über Dinge beschwert, hat Ihr Unterbewusstsein sofort die Frage der Kollegin als Angriff gewertet. Daraufhin gehen Sie in den Gegenangriff und versuchen, sich zu wehren. Auch mit dieser Reaktion ist die Frühstückpause wahrscheinlich gelaufen und die Stimmung für den Rest des Tages eher negativ.

Zum Glück haben Sie noch eine vierte Möglichkeit.

Das Appell-Ohr: „Soll ich lieber andere Kekse kaufen, die nicht mit Dinkel und Hafer hergestellt sind?“

Sie nehmen die Frage der Kollegin als Aufforderung zum Handeln auf und fragen nach, ob Sie den Appell richtig verstanden haben. Würde die Kollegin jetzt antworten: „Ja, das wäre mir sehr recht“, wäre die Pause ebenfalls gerettet. Vielleicht würde die Kollegin sogar sagen, warum sie keine Dinkel-Hafer-Kekse mag: „Naturkost-Produkte vertrage ich nicht so gut, besonders wenn sie aus Dinkel und Hafer sind.“

Die wichtigste Frage im Dialog lautet: Wer bestimmt, auf welcher Ebene die Kommunikation stattfindet? Die Antwort: Immer der Empfänger.

Es ist nie die Senderin der Botschaft, die die Ebene bestimmt, sondern immer der Empfänger. Für die Gesprächsführung heißt das, dass der Empfänger immer die Möglichkeit der Wahl hat. Wenn Sie sich von Ihrem Gesprächspartner angegriffen fühlen, haben Sie immer die Entscheidung, wohin Sie das Gespräch mit Ihrer Antwort steuern können. Außerdem können wir feststellen, dass die Reaktion auf der Sachebene oder der Appell-Ebene eher deeskalierend wirkt. Die Reaktion auf der Ebene der negativen Ich-Aussage (Selbstoffenbarung) und der Du-Aussage (Beziehungsebene) führt eher zur Eskalation.

Das hört sich alles ganz leicht an und ist doch so schwer, im Kommunikations-Alltag umzusetzen. Denn hier kommt wieder die Erkenntnis aus dem Eisbergmodell zum Tragen: Wir werden mehr durch unsere Gefühle als durch unseren Verstand gesteuert. Und damit landen wir viel schneller auf der Beziehungsebene als auf der Sachebene.

Die gute Nachricht: Wie wir gesehen haben, können wir unsere Handlungsmuster aktiv verändern. Hier kommt jetzt wieder unser Kopfkino ins Spiel. Wenn Sie sich in einer Situation ertappen, in der Sie auf der Beziehungsebene kommuniziert haben, obwohl Sie eigentlich sachlich bleiben wollten, dann ärgern Sie sich bitte nicht über sich selbst. Besser ist, wenn Sie die Situation vor Ihrem inneren Auge noch einmal durchspielen und nun mit der Antwort oder Reaktion auf der Sachebene agieren. Nun speichert Ihr Gedächtnis diese positive Reaktion ab – und nicht nur die negative.

Konsequent überzeugen!

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