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Ein Attentat

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Das Zimmer von Meistermagier Eresus war das erste auf der achten Turmebene.

Meister Milax klopfte zaghaft an die Tür. Es dauerte einige Zeit bis diese sich öffnete.

Der Meistermagier sah ungnädig auf seinen späten Besucher. Der geübte Blick des alten Magiers erkannte, dass sich der Ratsmagier gerade in Meditation befunden hatte. Er seufzte unwillkürlich. Das war kein guter Anfang. Er selbst reagierte ebenfalls sehr ärgerlich auf solche Störungen und konnte daher den Ärger in Meistermagier Eresus Augen gut nachvollziehen.

„Hmrpf“, räusperte er sich. „Ehrwürdiger Meister, es tut mir außerordentlich leid, dass ich Euch stören muss, doch habe ich ein Anliegen, das äußerst dringend ist.“

Meister Eresus sah, dass das Bedauern des Magiermeisters echt war und sein Ärger verflog.

„Kommt herein, Meister Milax. Ich hoffe doch, dass Ihr gute Nachrichten habt.“

Kaum war die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen, da sprudelte Meister Milax auch schon los. Erstaunt und schließlich mit sichtlicher Bestürzung vernahm Meister Eresus seine Worte.

„Meister Milax, das sind wirklich schlechte Neuigkeiten. Ihr seid Euch sicher, dass jemand ermordet werden soll?“

„Ja Meister Eresus. Ziemlich sicher. Und alles was ich verstand, deutet daraufhin, dass es in diesem Turm geschehen wird.“

Meister Eresus überlegte.

„Wenn das stimmt, wird es wohl noch heute Nacht passieren, denn morgen beginnen wir die Befragung. Geduldet Euch Meister Milax, ich werde mich mit Meister Laelaps und Meister Sarpus in Verbindung setzen, um mich mit ihnen zu beraten.“

Milax nickte zustimmend und hockte sich auf einen Stuhl.

Meister Eresus hatte seine beiden Kollegen schnell erreicht. Beide befanden sich wie er selbst kurz zuvor in Meditation, schenkten ihm aber sofort ihre Aufmerksamkeit. Auch sie reagierten mit Bestürzung auf die Neuigkeiten.

Rumex hat uns gewarnt, meinte Laelaps. Eine solch einschneidende Maßnahme wie die Befragung fordert kriminelle Energien geradezu heraus. -

Doch wie erfahren wir, wer ermordet werden soll, fragte Meister Sarpus. Die Nacht ist nicht mehr lang und es leben sehr viele Menschen in unserem Turm. -

Ich glaube, es ist nicht schwer den Kreis der möglichen Opfer einzuengen, überlegte Meister Eresus. Denkt doch mal nach. Was wollen die Mörder mit dieser Tat bezwecken? Einer Tat, die sie kaum bei einer Geistbefragung leugnen können? -

Sie wollen die Befragung verhindern, dachte Laelaps. Du hast recht. Und die einzige Möglichkeit ist, uns davon abzulenken. -

Und würden wir uns von einem Mord an einem unserer Magiermeister abhalten lassen?

Wohl kaum, eher das Gegenteil würde wohl eintreten. -

Aber was würde passieren, wenn es einen von uns träfe? Einen aus dem Rat?

Laelaps und Sarpus schluckten. Das mochten sie sich nicht vorstellen. Ihnen war durchaus klar, was dies bedeuten würde. Die Verbindung zwischen den Ratsmitgliedern war so eng, dass der Tod eines von ihnen sie alle mit Sicherheit für zumindest kurze Zeit außer Gefecht setzen würde. Wie stark der Schock eines solchen Todes sein würde, wussten sie nicht, und sie wollten diese Erfahrung möglichst niemals machen.

Wir müssen die anderen warnen, sagte Meister Sarpus schließlich. Wir alle müssen wachsam sein.

Es herrschte tiefe Stille im Turm, nur durchbrochen von den üblichen Schlafgeräuschen. Auch in der achten Etage war völlige Ruhe eingekehrt.

Die Verschwörer trafen sich leise und ohne ein überflüssiges Wort zu verlieren auf dem Treppenabsatz. Es war Magiermeister Orchis, der den ersten Zauber webte.

Es war ein kleiner Zauber, kaum wahrzunehmen. Wie ein zarter Schleier senkte sich Stille um sie herum und verschluckte jegliches Geräusch.

Meister Orchis setzte sich mit Meister Simus und Meister Acorus in Bewegung. Die Magier Gordius und Ceto sicherten den Korridor nach beiden Seiten ab.

Meister Sicyos lächelte zufrieden und zog sich auf den unteren Treppenabsatz zurück. Seine Aufgabe war es dafür zu sorgen, dass niemand nach oben gelangte.

Die drei Magier huschten an den Türen vorbei, bis sie vor einer der Räumlichkeiten hielten. Dabei versuchten sie unwillkürlich leise zu sein, obwohl Meister Orchis dafür sorgte, dass kein von ihnen verursachtes Geräusch zu hören war.

Vor der Tür sank Meister Simus auf die Knie und blickte durch das große Schlüsselloch. Meister Acorus Hand ruhte auf seiner Schulter und sorgte dafür, dass die Augen des Magiers problemlos die Dunkelheit des Magierzimmers durchdringen konnten. Vorsichtig zog er ein schmales Stückchen Holz aus seiner Manteltasche. Es war sehr dünn und kurz und besaß einen ebenso länglichen Deckel.

Meister Simus nahm den Deckel ab und hielt den Atem an. Im Inneren des Holzstiftes befand sich ein feines weißes Pulver.

Geschickt schob Meister Simus das winzige Gefäß durch das Schlüsselloch. Bevor er es losließ, sah er kurz zu Meister Orchis. Dieser holte tief Luft und berührte die Tür sowie Simus Schulter. Es dauerte nur kurze Zeit und die Tür wurde vor seinen Augen durchsichtig.

Meister Simus überblickte beinahe das gesamte Zimmer. Aber das Wichtigste war, dass er sein Ziel vor Augen hatte.

In der rechten Ecke des Zimmers, auf der gegenüberliegenden Seite, stand ein Bett. Darauf lag regungslos eine Person. Simus lächelte triumphierend.

Meister Sicyos Plan, dass alle zusammenarbeiten mussten, war einfach und Erfolg versprechend: Orchis und Acorus sorgten mit geringen Mitteln für seine Sicht, so dass er sich völlig auf seine Aufgabe konzentrieren konnte.

Lautlos schickte er das Schiffchen auf die Reise.

Meister Rumex hatte sich wie die meisten seiner Kollegen in einer tiefen Trance befunden, als ihn der Ruf von Meister Eresus erreichte.

Nur aufgrund der großen Verbundenheit, die die Ratsmitglieder teilten, war es ihm möglich aus der Trance sofort in das Zwiegespräch zu gleiten. Aufmerksam verfolgte er die Erklärungen der drei Magiermeister, und er spürte deutlich den Zorn und die Erregung, die in allen acht Ratsmitgliedern anschwollen. Er selbst empfand gleichzeitig ein gewisses Maß an Trauer.

So waren ihre schlimmsten Befürchtungen doch wahr geworden. Verrat und Mord hatten in dem Turm der Magier, dem Sinnbild für Loyalität und Rechtschaffenheit, Einzug gehalten.

Alle acht Ratsmitglieder waren sich einig, dass sie mit den Mordgesellen selber fertig werden mussten. Schon allein deshalb, um jedem zu demonstrieren, dass der Rat seine mächtige Position zu Recht besaß und nicht auf andere Hilfe angewiesen war.

Also hieß es abwarten, was passieren würde.

Reglos lagen die acht Meistermagier auf ihren Liegestätten, die Augen geschlossen, doch alle Sinne aufs Höchste angespannt. Die Verbindung untereinander war latent, aber spürbar.

Meister Rumex lauschte wie alle anderen auch. Er achtete auf Geräusche, Gerüche und magische Schwingungen.

Die Zeit zog sich endlos hin, und die Dunkelheit verleitete die Gedanken abzugleiten.

Der Magiermeister überlegte, wie er es anstellen würde, wenn ... Es waren ungewohnte und abstoßende Gedanken. Magie? Oder besser gar keine? Von jedem ein bisschen?

Es gab viele Möglichkeiten zu morden. Wieviele gab es, einen Magiermeister zu überwältigen? Nun, in den Raum konnte kein Mensch gelangen, ohne dass sein Wachzauber anschlagen würde. Aber wie sah das mit Gegenständen aus? Doch wie sollten diese ins Zimmer kommen, wenn die Tür nicht geöffnet werden konnte?

Rumex öffnete vorsichtig die Augen und versuchte, ohne den Kopf zu bewegen, den Raum zu erfassen. Es war dunkel, und nur schemenhaft vermochte er seine Möbel zu erkennen.

Ob er sich magische Sicht verschaffen sollte? Dies war nur ein kleiner Zauber und mochte nicht auffallen, falls ... In seinen Gedankengängen rastete etwas ein. Seine Erkenntnis blieb niemandem seiner Ratskollegen verborgen. Automatisch konzentrierten sich alle auf die feinsten magischen Schwingungen, derer sie gewahr werden konnten.

Es war beinahe ein Schock für Meister Rumex, als er der Magie vor seiner eigenen Tür gewahr wurde, - aber nur beinahe. Es war eigentlich naheliegend, dass der Anschlag auf den obersten Magier die meiste Unruhe auslösen würde.

Aufmerksam verfolgte er die zarten Schwingungen, hütete sich aber, sie zu analysieren.

Vorsichtshalber schlug er wieder die Augen auf. Fast hätte er gelächelt, als er den Raum überblickte. Meister Laelaps sorgte für seine gute Sicht.

Dann sah er das winzige Schiffchen durch die Luft auf sich zuschweben und verstand.

Gift! Dieser Mordplan war so primitiv und doch -, wenn sie nicht gewarnt worden wären, hätte es klappen können. Doch jetzt war es an der Zeit, dieses mörderische Spiel zu beenden.

Entschlossen setzte er sich auf.

Meister Simus blieb fast das Herz stehen, als sein Opfer sich erhob.

Plötzlich ging alles sehr schnell.

Nahezu gleichzeitig öffneten sich die Kammern der anderen Ratsmitglieder, und die Magiermeister traten heraus.

Die Magier Gordius und Ceto waren davon so überrascht, dass sie ihre Gegner mit offenem Mund anstarrten. Als sie sich dann zur Flucht wenden wollten, war es zu spät. Der Weg nach unten wurde ihnen durch eine graue undurchsichtige Nebelwand versperrt.

Mit einem entsetzten Ruf sprangen sie zurück. Durch diese Wand zu treten war äußerst ungesund, das war ihnen nur zu klar.

Die drei Verschwörer vor Meister Rumex Tür waren ebenfalls zurückgewichen, doch Meister Orchis und Meister Acorus waren nicht gewillt einfach aufzugeben.

Wilde Blitze, Schreie und Rauch erfüllten den Korridor.

Als schließlich Ruhe einkehrte und der Rauch sich verzogen hatte, bot sich den Magiern ein Bild des Grauens.

Meister Simus hockte schluchzend auf dem Boden, eng an die Wand gedrückt. Seine Kleidung war angesengt und einige Brandblasen verzierten seine bloßliegenden Hautpartien.

Neben ihm lagen die verkohlten und verschrumpelten Leichen von Meister Acorus und Meister Orchis.

Meister Ceto und Meister Gordius hatten sich von der Panik anstecken lassen. Doch während Meister Ceto sich ohne große Hoffnung auf Erfolg Meister Laelaps entgegenstellte, rannte Gordius kopflos vor Angst durch die graue Nebelwand.

Meister Sicyos lauschte angespannt die Treppe hinauf. Ein leiser Fluch entglitt seinen Lippen, als er die Kampfgeräusche vernahm. Er hätte sich denken können, dass diese Dummköpfe versagen würden. Der Magiermeister gab sich nicht der Illusion hin, dass seine Komplizen eine Chance gegen die Ratsmagier hatten. Ohne länger zu zögern drehte er sich um und rannte die Stufen hinunter. Jetzt blieb ihm nur noch die Flucht. Gut, dass er darauf schon vorbereitet war.

Kaum hatte er seinen Posten verlassen, da torkelte Meister Gordius die Treppe herab. Sein Gesicht war aschgrau, seine Augen von einem grauen Schleier getrübt.

„Sicyos“, stieß er krächzend hervor. Als keine Antwort kam, brach er zusammen. So wurde er von heran eilenden Bewohnern des Turms gefunden: Ein hilfloses, blindes Bündel Angst.

Dämonenherr

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