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I.
ОглавлениеDer Hain, in dem die Druidentagung des Jahres 1886 stattgefunden hat, liegt auf der Höhe gegenüber dem Schloss Mainberg, der gegen Süden von Weinbergen, gegen Osten vom Bachtal begrenzt wird. Der Hain ist ein herrlicher Eichenwald, der an seinem südlichen Rande einen prachtvollen Ausblick auf das Maintal bis zum Steigerwald und Schwanberg eröffnet. Dieser Hain bildete einst den Mittelpunkt eines Reiches, das vor der deutschen Völkerwanderung von den über Mittel- und Süddeutschland, Belgien und Frankreich, die Alpen und Oberitalien ausgedehnten Kelten, einem zweifellos hochbegabten Volke, bewohnt war. Äußerlich glichen sie den Germanen, sprachlich aber waren sie in ebenso viele Abarten geteilt wie die Landschaften, die die einzelnen Stämme bewohnten. Ein englischer Forscher will sechzig verschiedene Mundarten erkannt haben. Die durch Jahrhunderte währende Nachbarschaft, Handelschaft und Vermischung von Kelten und Deutschen hat, nach den überkommenen Fluss-, Flur-, Orts- und Personennamen zu schließen, in unserer Gegend ein eigenes Sprachidiom erzeugt, wie es auch bei anderen Völkern unter ähnlichen Verhältnissen sich herausbildete. Deutsche Namen wurden keltisiert, keltische Worte hinwiederum ins Deutsche umgemodelt, sodass oft schwer zu sagen ist, von welchem Ursprung sie sind. In sozialer Beziehung unterschieden sich die Kelten in Priester (Druiden) und Edelleute einerseits, in Handwerker und Bauern andererseits. Die Druiden standen im gleichen Rang mit den Edelleuten und nahmen vornehmlich aus diesen Familien ihren Ersatz. Sie waren also die herrschende Aristokratie, die nicht bloß durch ihren materiellen Besitz und ihre politische Macht, sondern auch durch ihre religiöse Bedeutung und überragende Bildung den maßgebenden Einfluss auf das gesamte Volkstum ausübte. Aber auch die Götter sterben.
Zahlreiche Ausgrabungen liefern die urkundlichen Beweise für das Dasein der Kelten im Maingebiet, wenn auch die Gelehrten nicht von einer keltischen, sondern von der Hallstattzeit sprechen, so benannt von dem Ort Hallstadt bei Ischl, in dessen Nähe im Jahre 1846 ein ganzes Gräberfeld mit allen möglichen Fundstücken aufgedeckt wurde. Unter der Hallstattzeit versteht man jene Periode in der Entwicklung des Menschengeschlechtes, die etwa die Jahre von 1200 bis 550 vor Christus begreift und durch die Einführung des Eisens neben der Bronze sich kennzeichnet. Die deutschen Gelehrten betrachten sie weniger vom völkergeschichtlichen als vom kultur- und stilgeschichtlichen Standpunkte. Wenn aber einige von ihnen die Hallstattzeit gar den Deutschen zuweisen, die in der Kultur noch sehr rückständig waren, so ist das der Ausdruck eines falschen Patriotismus. Gewiss sind an der Kultur dieser Periode keltische Elemente am stärksten beteiligt. Eine ausgesprochene keltische Kultur mit vielfach neuen eigenartigen Formen haben wir in der Latnezeit, etwa 500-100 vor Christus vor uns. Diese Bezeichnung nach dem Fundort Latne in der französischen Schweiz scheint mir ebenso unglücklich wie die Bezeichnung Hallstattzeit. Mit größerem Recht durfte man doch die beiden Zeiten als keltische zusammenfassen, wenn auch unter den Funden solche sich befinden, die auf illyrische oder rhätische Herkunft schließen lassen. Wer kann denn behaupten, dass diese Völker nicht stammverwandt waren, zumal es kaum geleugnet werden kann, dass die Kelten in dem Jahrtausend vor Christus die Länder von Spanien bis Ungarn und von Oberitalien bis Mitteldeutschland besessen haben?! Auch geben die Depotfunde (versteckte Warenniederlagen aus der Keltenzeit) von den regen Handelsbeziehungen, die zwischen den Völkern südlich und nördlich der Alpen bestanden haben, Zeugnis davon. Einsicht in diese Funde geben die Sammlungen in Würzburg. Die größten Verdienste um die Erforschung dieser Kulturperiode im Maingebiet hat sich der Konservator der staatlichen Sammlungen Herr Universitätsprofessor Dr. Georg Hock erworben, von dessen unermüdlicher Tätigkeit auch die sehr interessanten Sammlungen des städtischen Museums zu Würzburg mit seinen Töpferarbeiten, Schmucksachen, Waffen und Geräten aus Bronze und Eisen rühmliches Zeugnis ablegen.
Zweifellos waren die Kelten in unserem Mainland ein bodenständiges, geistig regsames, wirtschaftlich entwickeltes, gewerblich tätiges, künstlerisch veranlagtes und bildungsfähiges Volk, das die Nachbarn an Kultur überragte. Als die Nation auf der Höhe stand und vom Thüringer Wald bis zu den Alpen herrschte, vereinigte wohl noch ein König die zentrale Macht in seiner Hand. Dafür zeugt, dass heute noch sein Titel „Kini“ für König in Altbayern allgemein gang und gäbe ist. Im Englischen heißt der König King, die Königin Queen (sprich Kin). Zwar hatten die westlichen Kelten keinen König, als Julius Cäsar die Eroberung Galliens in Angriff nahm; dort war aber das Druidentum noch lebendig und unter seiner Beihilfe gelang es der Tatkraft des Verzingetorix, die Kelten zur Verteidigung ihres Vaterlandes zu sammeln, so dass der Römer acht Jahre benötigte, um den Widerstand der hartnäckigen Gegner vollends zu brechen. Und auch das gelang ihm erst, als er einen zwischen den Druiden und dem Adel ausgebrochenen Zwist zu seinen Gunsten ausnutzen konnte. Um eine neue Erhebung zu verhindern, forderte er die Auslieferung des Verzingetorix, den er im Triumphzug zu Rom aufführen und dann hinrichten ließ. Den östlichen Kelten war kein solcher Führer erstanden. Wohl hatten sie wie alle keltischen Völker einen ausgebildeten Wachpostendienst und dieser genügte auch, um die Bevölkerung vor Gefahren zu warnen und sie zur Abwehr aufzurufen, nicht aber um den Mangel einer umfassenden Wehrorganisation zu ersetzen. So wurden sie allmählich auf das mittlere Maingebiet zusammengedrängt und erlagen dann den von Norden her vordringenden Deutschen.
Französischen Historikern gebührt das Verdienst, in die verworrene Geschichte der Kelten Ordnung und Zusammenhang gebracht zu haben. Nach ihrer Darstellung sind die Deutschen aus militärischen und wirtschaftlichen Gründen zuerst in die Rheinebene und erst dann in das Berg- und Hügelland des Maingebietes vorgedrungen, weil dieses ihnen größere Hindernisse bereiten konnte. Ohne einen solchen gewaltigen Druck von feindlicher Seite hätten die senonischen Gallier sich kaum dazu veranlasst gesehen, ihre schöne Heimat, eines der fruchtbarsten und gesündesten Gefilde des mittleren Frankreichs, das von den Vogesen bis ins Yonnegebiet reichte, zu verlassen und ums Jahr 390 v. Chr. mit Kind und Kegel den abenteuerlichen Zug über die Alpen zu unternehmen. Sie schlugen die Römer, erschienen vor Rom und steckten es in Brand, verschafften aber den Gänsen des Kapitols den unsterblichen Ruhm, durch ihre Wachsamkeit dieses gerettet und hierdurch den Römern einen Friedensvertrag verschafft zu haben, der in seiner Ausführung als Vorbild des von den Nachkommen der Kelten erzwungenen Versailler Friedens von 1919 gelten kann. Als nämlich dem Häuptling Brennus das ausbedungene Gold vorgewogen wurde, warf er sein Schwert in die Waagschale, um noch mehr zu erpressen. Nach ihrem Abzug von Rom nahmen die Kelten in Mittelitalien Besitz von dem ertragreichen Lande Umbrien. Hundert Jahre später schlossen sie ein Bündnis mit den Etruskern und anderen benachbarten Völkerschaften gegen die Römer, von denen sie aber diesmal besiegt und dauernd unterworfen wurden. Ihr Land wurde Provinz unter dem Namen Sena Gallia (heute Sinagaglia).
In der nämlichen Zeit, da die Gallier im nördlichen Italien gegen Rom sich erhoben, rückten die Deutschen vom Norden her in Thüringen vor. Ein Teil der Eingeborenen wendete sich zur Flucht, während ein anderer Teil blieb. Deutsche Geschichtsschreiber nehmen nun an, dass die Flüchtlinge den Weg nach Westen zu ihren Stammesgenossen jenseits des Rheins eingeschlagen haben. Französische Militärschriftsteller hinwiederum halten das für unwahrscheinlich, weil bereits deutsche Völker entlang dem Rheinstrom zwischen die westlichen und östlichen Kelten sich geschoben hatten, wodurch die Flüchtlinge wohl aus den Krallen des Teufels entronnen, aber in die Hände des Belzebub gefallen wären. Glaubhafter ist wohl die Annahme, dass die Flüchtlinge vom Main zu ihren aus Oberitalien nach Südungarn und Bosnien ausgewanderten Landsleuten gezogen sind und dort jene Bewegung in Fluss gebracht haben, die in der Geschichte als der Zug Brennus II und seiner 200000 Kelten nach Mazedonien und Griechenland bekannt ist. Von den Griechen im Jahre 279 v. Chr. bei Delphi geschlagen, wandte sich ein Rest in der Stärke von 20000 Mann nach Kleinasien. Nach wiederholten Kämpfen mit den Eingeborenen, dann mit den Römern ließen sie sich in der ihnen zugewiesenen Provinz Galatien nieder. Dank ihrer natürlichen Begabung, einem keltischen Erbteil, erlernten sie bald die in Kleinasien geltende griechische Verkehrssprache, so dass sie von den Römern Gräcogalli (griechische Gallier) genannt wurden. Dahin kam dann auch der Apostel Paulus auf seinen Missionsreisen. Sein Brief an die Galater ist ein Beweis, dass die von ihm Bekehrten nicht wie anderwärts Juden, sondern Heiden waren, die von den ihm überall nachreisenden Sendboten der orthodoxen Pharisäer zum Abfall von der neuen Lehre gebracht werden sollten. Durch den heiligen Hieronymus erfahren wir, dass die Galater noch im vierten Jahrhundert außer griechisch noch keltisch sprachen. Er war erstaunt, in Trier die gleiche Sprache zu treffen wie bei den Galatern in Kleinasien. Wie einst in unserem Franken, so trieben die Kelten auch in Kleinasien Ackerbau und Viehzucht und pflegten besonders alle Zweige des Handwerks.
Deutsche Geschichtsschreiber verlegen die gänzliche Besitznahme des Maingebietes durch den deutschen Volksstamm der Thüringer in das 3. Jahrhundert. Der Franzose Déchelette, der hervorragendste Forscher auf diesem Gebiet, verlegt in seinem „Manuel d'Archéologie préistorique” dies Ereignis in das zweite und erste Jahrhundert vor Christus. Der Sturz des Druidentums war aber schon vorher erfolgt. Der Pariser Akademiker Salomon Reinach spricht in seiner vortrefflichen „Histoire des Religions“ die Meinung aus, dass die aristokratische Druidenherrschaft rechts des Rheins ungefähr im dritten Jahrhundert vor Christus beseitigt wurde, als der durch das Vordringen deutscher Völkerschaften hervorgerufene äußere Druck eine demokratische Bewegung im Inneren hervorrief. Diese mehrfach angezweifelte Meinung des französischen Gelehrten, dessen Buch noch vor dem Weltkriege erschienen war, erfuhr bald eine Bestätigung in der jüngsten Zeit. Haben wir sie doch an uns selbst in Deutschland als eine Wirkung äußerer Einflüsse erlebt. Hier wurde der erste Stand, der Offizierstand, ebenso ausgeschaltet, wie die Kelten ihre Standesherrschaft abgeschüttelt haben, als deren Ansehen und Gewicht durch den Druck von Außen schwand. Mit dem Sturz des Druidentums, in dem ebensoviel Selbstbewusstsein wie Bildung vereinigt war, ist aber sicher der nationale Zusammenhalt des Keltentums gelockert, die Eigenbrödelei der selbständigen Gemeinden vergrößert und die militärische Widerstandskraft des sonst kampfsüchtigen Volkes vermindert worden. Die höhere Kultur ist eben nicht immer das Element, um ein älteres Kulturvolk vor der höheren Gewalt jungendkräftiger Barbaren zu schützen, zumal wenn jahrhundertelange Nachbarschaft und Handelschaft die wirtschaftlichen Beziehungen gefördert, die geschlechtlichen Verbindungen begünstigt und hierdurch die Eigenart der einheimischen Rasse geschwächt haben. Im Gegensatz zu den Kelten rechts des Rheins erhielt sich das Druidentum links des Rheins noch durch längere Zeit. Denn als der römische Feldherr Julius Cäsar Gallien (das heutige Frankreich) eroberte, traf er es dort noch als eine einflussreiche Kaste an. Die römischen Kaiser bereiteten allerdings auch dort der Druidenherrschaft ein gewaltsames Ende, aber ihre Geschlechter bestanden fort und mit ihnen hat sich dort vieles von dem vorrömischen Glauben und Gebrauch erhalten. Auch bei uns deuten manche Namen und Erinnerungen an, dass die Druiden nicht mit Stumpf und Stiel ausgerottet wurden.
Über die Abstammung des Wortes Druiden sind schon viele Deutungen versucht und ganze Doktorschriften darüber verfasst worden. Man hat, wie das noch heute bei der Erforschung der Völker-, Orts- und Personennamen häufig geschieht, die Erklärung weit hergeholt und sich bis nach Persien, Indien und China verirrt, statt sie in der nächsten Nähe ihrer Heimstätte zu suchen. Wahrscheinlich stammt, wie englische Forscher meinen, der Name von dem keltischen Dru oder Tru ab, das Wahrheit, Weisheit, Treue, Glauben, Gott und Herr bedeutet. Die Druiden sind also die Gelehrten und Priester, deren Streben nach dem Guten, Edlen, Schönen und Erhabenen gerichtet ist. Der römische Feldherr und Staatsmann Cäsar schildert sie in seiner Schrift über den Krieg in Gallien (dem heutigen Frankreich) als die durch geistige und wissenschaftliche Überlegenheit herrschende Klasse. Pomponius Mela, ein Zeitgenosse Cäsars, der sein Buch über die Lage des Erdkreises um 43 v. Chr. verfasst hat, nennt die Druiden magistri sapientiae, Lehrer der Weisheit. Der Naturforscher Plinius, der beim Ausbruch des Vesuvs 79 umgekommen ist, nennt sie Medici, d. h. Ärzte, Suetonius (70-140) Mathematiker, Tazitus (64-117) nach dem Vorgang des Plinius Magier d. h. Astronomen, Seher, Wahrsager.
Diodor, ein Zeitgenosse Cäsars, hatte die Druiden Saroniden genannt. Philologen haben das Wort von dem altgriechischen Wort Saronis, das eine alte Eiche bedeutet, aber zur Zeit Diodors längst verschollen war, abgeleitet, ja sogar mit dem Saronischen Meerbusen und der mittelalterlichen Hautkrankheit Sarreuna in Verbindung gebracht. Saronides ist aber die griechische Form für das keltische oder altbritische Seronyddion, womit die großen Astronomen bezeichnet wurden. Der griechische Schriftsteller Strabo (geb. 60 v. Chr.) bezeichnet die Druiden einmal mit dem griechischen Wort Mantes, ein andermal mit dem gleichbedeutenden lateinischen Wort Vates, das einen Seher, Sterndeuter, Weissager und Propheten bedeutet, genau wie das ähnlich lautende keltische Wort Fad oder Faidh (der Wahrsager), das sich als Personennamen Fath, Bath, Beth mit zahlreichen anderen keltischen Worten bis auf den heutigen Tag in unserem Franken erhalten hat.
Diogenes Laertius im 3. Jahrhundert nennt die Druiden mit dem griechischen Wort Semnothei, das soviel wie Gottesmänner oder Priester bedeutet. Karl Barth erwähnt in seiner Schrift „Die Druiden der Kelten“, dass Semnos ein keltisches Wort sei und im Wallischen den Erforscher der Zukunft (also auch einen Vates) bezeichnet. Die anderen Deutungen sind kaum haltbar. Auf einem in der Pariser Kathedrale Notre Dame 1711 ausgegrabenen Stein sind die Druiden Senani genannt. Französische Philologen brachten das Wort mit Senex (der Alte) und Senior in Beziehung. Richtiger ist wohl die Bezeichnung Senani als Semnothei des Diogenes zu betrachten. Ammianus Marcellinus setzt an die Stelle der Semnothei das griechische Wort Eubarges (Euarges) d. h. die Reinen, die Heiligen. Ammianus starb um 390, lebte also in einer Zeit, da die Druiden längst aus Frankreich vertrieben waren. Aber die ihnen von griechischen und lateinischen Schriftstellern nachträglich verliehenen Ehrentitel sind der Beweis, welch ausgezeichneten Ruf die Druiden als Lehrer in den von ihnen unter der römischen Herrschaft in Gallien begründeten Kollegien wie als Menschen durch ihre vorbildliche, tugendhafte Lebensführung hinterlassen hatten.
Französische Forscher leiten den Namen von den keltischen Worten De und Rhouid ab, das einen von Gott (De, lateinisch Deus) Redenden, also einen Theologen bedeutet. Im Isländischen heißt Truthia Gott, daher der Name Trutmann, Gottesmann. Im Irischen wurde in der christlichen Zeit aus dem Drui, Draoithe der Zauberer. Wie in anderen Ländern machten auch in Irland die Priester der herrschend gewordenen Religion aus den Göttern und Priestern der unterdrückten Religion verächtliche Wesen, Götzen und Zauberer. Im mittelalterlichen Latein erhielt sich aber der Drut, Drutes in der Bedeutung als Freund, Vertrauter, Vormünder. Auch im althochdeutschen Evangelienbuch des Mönches Otfried, der im 9. Jahrhundert im Kloster zu Weißenburg gelebt hat, heißt Druttines, Druth der Vertraute des Herrn Jesus. Karl der Große spricht in einer Verordnung (Capitulare Caroli C tit. 23 § 4) von dem comitatu drudorum et vassorum, dem Gefolge der getreuen Herren und ihrer Vasallen. Von dem Trudert und den Druden, die im späteren deutschen Hexenglauben eine Rolle spielten, wird noch die Rede sein. Ebenso von den Barden, jenen Erben der Druiden, die Gesang und Dichtkunst pflegten.
Die Druiden waren, um es in Einem zu sagen, die Gottesgelehrten, die Lehrer und Sänger, die Inhaber des gesamten Wissens, Astronomen und Astrologen, Propheten und Wahrsager, Gesetzgeber und Richter, Mathematiker und Baumeister wie die Chaldäer bei den Babyloniern, die Brahmanen bei den Indern, die Rabbiner bei den Juden, Pythagoras, Solon und andere Philosophen bei den Griechen. Ihr Gottesdienst war ein reiner Naturdienst. Die Kelten bauten sowenig wie die Deutschen Tempel, ihr Tempel war ein Hain, das ist eine geheiligte, gegen das Betreten von Unberufenen gefeite Waldstätte, wie sie uns bis zum heutigen Tag auf der Mainberger Markung erhalten blieb. Hain ist ein keltisches Wort wie der Main, beide sind eines Stammes und gehören zusammen. Main heißt im Französischen die Hand, im Englischen die starke Hand und wird in unserem Volksmunde heute noch ebenso wie im Französischen als Mähn ausgesprochen. Der Main mit seinen fünf starken Krümmungen ist die symbolische Hand, die ihre fünf Finger segnend über das schöne Frankenland ausstreckt und den Berg mit dem heiligen Hain liebreich umfasst, ein poetischer Gedanke, der zu den Empfindungen sich eignet, die uns an diesem wundersamen Ort umwehen und unsern berühmten Landsmann, den Dichter Friedrich Rückert, zu der Ode begeisterten:
Dir im Scheiden einen Gruß,
Mainberg, dessen Zinne blinket
Golden über'm Silberfluss.
Wenn nicht diese Berge wären,
Wäre nicht der Fluss so schön.
Und nur weil sie sich verklären
In dem Fluss, sind schön die Höh'n.
Weil sich mit dem Main der Weinberg,
Mit dem Weinberg schmückt der Main,
Darum heißt die Stelle Mainberg,
Schönster Berg- und Stromverein!
Die Erinnerung an den Druidenhain ward im Volke durch allerlei Sagen festgehalten, so durch das öftere Erscheinen von drei Gestalten in langen weißen Gewändern, aus denen die Dichtung drei geisterhafte Jungfrauen gemacht hat. Eine andere Sage erzählt uns Johann Heinrich von Falkenstein in seinen Nordgauischen Altertümern und Denkwürdigkeiten (Schwabach 1734). In der Umgebung von Schweinfurt habe in einem Hain nächst dem Main eine Erzfigur gestanden, der die Bewohner den Namen Lollus gegeben hatten. Sie habe einen nackten Jüngling mit gelbem krausem Haar dargestellt. Um den Hals trug er auf die Brust herabhängend einen Kranz von Mohnsamenkapseln. Mit der linken Hand hielt er einen Weinbecher, in dem Kornähren steckten. Mit der rechten Hand griff er nach dem Mund und fasste mit Daumen und Zeigefinger die Zunge. (Loll heißt heute noch im Englischen etwas heraushängen lassen.) Der Hain sei mit einer Umzäunung umgeben gewesen, wo das Volk zu gewissen Zeiten Trauben und Kornähren zu opfern pflegte. Johann Lorenz Bausch zitiert in seiner chronologischen Sammlung über Schweinfurt einen Brief des Priesters Sebastian Franck, Pfarrer zu Geroda, vom Jahre 1651, eine Beschreibung des Lollus, der ein Götze der Franken gewesen sei und die Jugendkraft, die Fruchtbarkeit und Zufriedenheit versinnbildlicht habe. Das Halten der Zunge deute die Schweigsamkeit an, denn viel Reden mache so wenig glücklich wie viel Reichtum. Nützlicher sei, die Zunge im Zaum und in Allem Maß zu halten.
Auch andere Gelehrte bemächtigten sich dieser Überlieferung. Wenn aber die Figur wirklich einmal im Hain gestanden hat, so war sie sicherlich kein Frankengötze, da die fränkischen Eroberer, die im 8. Jahrhundert das mittlere Maingebiet besetzten, bereits Christen waren und christliche Priester mitbrachten. Dass das Haupthaar des Lollus gelb war, ist noch kein Beweis, dass er deutscher Herkunft war. Denn auch die Kelten hatten gelbe oder rote Haare oder färbten sie rot. Das Festhalten der Zunge war zudem eine Eigenart keltischer Bildwerke. So schildert der griechische Schriftsteller Lukian (ums Jahr 170) ein keltisches Götzenbild, das er als einen Herkules bezeichnet, der an einer Kette die Schar seiner Gläubigen an sich gezogen habe und diese Kette sei an seiner Zunge befestigt gewesen. Der französische Gelehrte Salomon Reinach meint in seiner Geschichte der Religionen, durch die an der Zunge befestigte Kette habe der Künstler die Beredsamkeit bezeichnen wollen, die bei den Kelten hochgehalten wurde. Die keltischen Priester und Lehrer aber, die Druiden, hielten ihre Schüler vor allem auch zu strenger Verschwiegenheit an.
Heinrich von Falkenstein berichtet weiter, dass die vom hl. Kilian zum Christentum bekehrten Einwohner den Lollus umgestürzt und im Main versenkt haben. Als sie aber von der Ermordung ihres geliebten Apostels hörten, seien sie zu den alten Göttern zurückgekehrt, hätten sich ein neues Götzenbild des Loll gießen und es auf dem Platze aufstellen lassen, das noch heute im Kataster der Schweinfurter Markung den Namen Löllein trägt. Später sei die Figur vernichtet worden, aber der Name Loll hat sich im fränkischen Volksmund als verächtlicher Ausdruck für einen geistig minderwertigen Menschen — den Lölli — erhalten. In Passau zeigt man einen in der Außenmauer des Domes eingefügten Lölli, der dort den Namen Passauer Tölpel führt. Beide Namen sind gleichbedeutend und ihre Gleichheit ist auf die Verachtung zurückzuführen, die von den christlichen Priestern den heidnischen Götzenbildern gewidmet wurde. Man findet diese Erscheinung in allen Landen, wo das Christentum die herrschende Religion wurde. Der Geistlichkeit musste doch alles daran liegen, die Neigung zum Rückfall ins Heidentum zu unterbinden.
Man braucht nicht an solchen Sagen hängen zu bleiben. Aber die klassischen Örtlichkeiten, an denen sie kleben, bilden für den geistigen Beobachter Etappen, um ihre Umgebung mit Bildern und Gestalten zu beleben, die den gewöhnlichen Augen verborgen sind und dazu anregen, dem Zusammenhang der Religionen und Kulturen nachzugehen. So führt uns der Aufenthalt in dem Eichenhain bei Mainberg den von den Druiden gepflegten Gedanken an die Unsterblichkeit nahe, der sich in anderen Religionen in dem Glauben an die Seelenwanderung oder an die Wiederauferstehung ausdrückt, ein Glaube, der viel älter ist als das griechisch-römische Schrifttum, auf dem unser ganzer humanistischer Bildungsbetrieb seit einem Jahrtausend beruht. Die meisten unserer Religions- und Kulturhistoriker beschränken sich freilich darauf, die Ähnlichkeit christlicher Lehren mit griechisch-römischen Kulten und deren orientalischen Vorfahren nachzuweisen, statt das uns näher liegende Druiden- und Bardentum zum Vergleich heranzuziehen. Einzelne von ihnen versteifen sich noch darauf, das germanische Heidentum mit einem idealen Nimbus zu umgeben. Gewiss war die stärkere Betonung des Deutschtums bei dem Mangel nationalen Bewusstseins eine erzieherische und politische Notwendigkeit. Aber sie erzeugte doch eine gewisse Einseitigkeit und Voreingenommenheit in der Behandlung und Erfassung der höheren Zusammenhänge der Geisteskultur. Vor allem ließ sie uns verkennen, dass die Menschheit vielleicht eine andere schönere und bessere Entwicklung genommen hätte, wenn das Druidentum in Deutschland erhalten geblieben oder wenigstens in Frankreich nicht durch die römischen Gewalthaber vertrieben worden wäre. Die klösterliche Abgeschlossenheit, die der Druidenschule eigen war, hat doch auch in Griechenland die Verallgemeinerung des Wissens und der Moral, die der Schule des Pythagoras eigen waren, nicht zu hindern vermocht.
Julius Cäsar hat uns mit einigen Strichen ein Bild von der eigentümlichen Tätigkeit der Druiden als Lehrer und Erzieher hinterlassen. Ammianus Marcellinus spricht von ihren Unterrichts-und Bildungsanstalten, die wohl förmliche Gelehrtenschulen waren, ähnlich den ägyptischen Mysterien, dem pythagoreischen Bund, den Bauhütten und Baubrüderschaften der Steinmetzen oder „Freimaurer“ im Mittelalter. Er verglich die Brüderschaft der Druiden ausdrücklich mit jener der Pythagoräer, setzte also eine Art von Lebensgemeinschaft voraus. Über den Inhalt und die Art ihrer Lehre deckten die Druiden den Schleier des Geheimnisses. Die Schüler mussten gleich den Jüngern des Pythagoras alles durchs Ohr lernen. Die Druiden wollten wahrscheinlich verhindern, dass etwas von ihrer Lehre und ihrem inneren Wesen unter das Volk dringe. Offenbar wollten sie den alten Volksglauben nicht erschüttern noch hierdurch Verwirrung unter die minder gebildeten Geister bringen, die die philosophischen Lehren kaum fassen konnten. Aber sie wirkten trotzdem durch ihr Beispiel auf ihre Umgebung unverkennbar und nachhaltig. Cäsar musste dies erfahren, als die Gallier unter Verzingetorix zum vereinten Aufstand gegen die römischen Legionen sich erhoben, Cäsar spricht auch öfter von einem Divitiakus, doch erfahren wir erst durch seinen Zeitgenossen Cicero, dass dieser ein Druide und berühmter Weissager war. In seiner Beschreibung des Gallischen Krieges weiß indessen Cäsar nichts von den bösen Nachreden über das Druidentum zu berichten, die später auftauchten. Man sagte ihnen nicht bloß einen tollen Aberglauben nach, der ihrem Wissen und Lehren gar nicht gleich sah, sondern beschuldigte sie auch, dass sie Menschenopfer darbringen. Sie sollen ihre Opfer in dichte Weidengeflechte eingebunden und dann verbrannt haben. Richtig ist, dass sie ihre Toten, die sie nicht beerdigten, verbrannt und deren Überreste dann der Erde übergeben haben. Daher stammt der Name des im Weltkrieg vielgenannten Berges „Toter Mann“ bei Verdun. Schon der erste römische Kaiser, Oktavianus Augustus, erließ strenge Weisungen gegen die Druiden. Kaiser Claudius (41-54) hatte einen besonderen Zorn auf sie, da er sie wohl für die Organisatoren des starken Widerstandes halten möchte, den der unfähige Herrscher bei seinem ehrsüchtigen Unternehmen, Britannien zu erobern, fand. Er maßregelte die Druiden und erließ ein Verbot gegen die angeblichen Menschenopfer. Sein Zeitgenosse Lukanus gibt in seinem Gedicht „Pharsalia“ eine phantastische Schilderung eines Druidenhains und der unheimlichen Blutopfer:
Siehe, da stand ein Wald, seit urvordenklichen Zeiten
Nie vom Beile verletzt, mit dicht verschlungenen Ästen
Wehrt er in schattiger Kühle dem Strahle der Sonne und hütet
Heilige Nacht. Nicht Pane, der Bauern Beschützer, beherrschten,
Nicht die mächtigen Sylphen noch gütige Nymphen den Urwald.
Nein, ein barbarischer Kult mit grausam dampfenden Altar.
Jeglicher Baum troff menschliches Blut unheimlichen Göttern.
Ja, wenn Glaube verdient der Wunderglauben der Vorzeit,
Mieden die Vögel sogar auf seinem Gezweige zu sitzen,
Mied es das Wild zu lagern im Hain. Nie wagte der Wind sich
Rüttelnd an ihn, nie zuckte ein Blitz aus schwarzem Gewölke
Nieder zu ihm, nie regt in den Blättern sich säuselnd ein Lufthauch,
Sondern es zittert das Laub in eig'ner Bewegung erschauernd
Während aus schwärzlichen Quellen und trüb das Wasser dahinrinnt.
Traurig starren geformt aus unbehauenen Stämmen
Ohne Kraft und Gewalt die Bilder der finsteren Götter.
Schauder erregt die Verlassenheit, der vermorschenden Stöcke
Bleichere Färbung. Noch größere Furcht verbreitet der Gottheit
Ungewohnte Gestalt, denn fremde Götter erzeugen
Durch das Geheimnis heilige Scheu. Auch meldet die Sage,
Von Erdbeben durchhöhlt aufstöhne die Wölbung des Bodens.
Aber vom Falle erhöben sich neu die Bäume; im Feuer,
Ohne zu brennen, erstehe der Hain, es ringelten Drachen
Sich um die Stämme und flögen umher, die Leute vermieden
Hier in der Nähe den Boden zu bau'n, den Ort des Entsetzens
Überlassend der göttlichen Macht. Ob die Sonne im Laufe
Schreite zur Mittagshöh', ob finster über dem Himmel
Brüte die Nacht, — es scheue sogar der Priester des Ortes
Nähe, aus Sorge, er möge dem Herrn des Waldes begegnen.
Diese gräuliche Schilderung einer Weihestätte der Druiden stimmt freilich nicht mit den Bemerkungen des römischen Feldherrn Julius Cäsar überein, der bloß von heiligen Stätten der Druiden spricht. Cäsar war eben ein nüchterner Soldat, der die Dinge in der Wirklichkeit beobachtete, Lukanus ein Dichter, der sie in der Phantasie sah und an phantastische Sagen glaubte. Lebte er doch zu Zeiten des Kaisers Nero, da bereits auch die Christen beschuldigt wurden, dass sie Menschenopfer darbringen. Übrigens war das Druidentum damals in Gallien bereits im völligen Verfall. Sein Hauptsitz war außer Irland das südliche und westliche Britannien geworden. Dorthin wanderten auch die aus, die sich tiefere Kenntnis von der Lehre der Druiden verschaffen wollten. Cäsar hatte die Druiden als einen trotz ihrer Bescheidenheit und Zurückgezogenheit mächtigen und einflussreichen Stand bezeichnet und dieser Umstand scheint mehr als die ihnen nachgeredete Grausamkeit die Ursache gewesen zu sein, weshalb die Nachfolger Cäsars, die Kaiser Augustus und Claudius, die doch gegen griechische und orientalische Religionen sehr duldsam waren, aus politischen Verdachtsgründen gegen die keltischen Mysterien Maßregeln ergriffen. Das Geheimnis, die Abgeschlossenheit und der Zusammenhalt, der diese in gleicher Weise umgab wie die Liebesmahle der Christen, erregten den Verdacht der römisch-heidnischen Priesterkonkurrenz wie der zahlreichen politischen Spitzel, die die unwahrsten und unsinnigsten Verdächtigungen aufnahmen und den Behörden hinterbrachten.
Der Druidenbund hielt eben den nationalen Geist der Bevölkerung gegenüber der Fremdherrschaft aufrecht und bildete einen Kitt, der die Hoffnung auf Befreiung vom römischen Joche nicht absterben ließ. Da die geheime Arbeit des Bundes zwar nicht fassbar, aber fühlbar ward, so ordneten die Kaiser Maßregeln an, die sich auch auf die Ordnung des Schulwesens in Gallien erstreckten. Vermöge ihrer höheren Kultur und Bildung hatten nämlich die Druiden die Sprache der Eroberer sich zu eigen gemacht und überall in den Städten lateinische Schulen errichtet, in denen sie auch unter der römischen Herrschaft ihren Einfluss und Geist auf die Jugend weiter übertrugen. An den blühenden Druidenschulen wurden die Schüler des Wissens ihrer Lehrer nur dann vollkommen teilhaftig, wenn sie sich nach mehrjähriger Probezeit — Cäsar sprach von einer zwanzigjährigen Dauer des Vertrauens ihrer Vorgesetzten würdig erwiesen hatten und in die Mysterien (Geheimlehren) eingeweiht waren. Mit der Verbreitung des Christentums, entstand aber den Druiden und ihren Schulen in Gallien ein neuer Feind. Und schließlich sahen sich die Kaiser veranlasst, die Druiden über den Kanal nach England zu vertreiben, wo sie Dank ihrer Bildung wieder als Professoren auftreten konnten und ihre Kollegien als Akademien bezeichneten. Gegen Ende des 3. Jahrhunderts verließen die letzten Druiden vor dem vereinten Hass der heidnischen und christlichen Gegner das gallische Land, das sie wohl mehr als tausend Jahre beherrscht hatten. Aber mit ihrem Abzug starb in Gallien ihr Geist nicht aus. (Über das fernere Schicksal des Druidentums wird bei den Barden berichtet.)
Von der Lehre der alten Druiden selbst ist keine einzige schriftliche Mitteilung auf uns gelangt — ein Beweis für die Treue, womit sie das Schweigegebot hielten. Durch die mündliche Art zu lehren sollte die Aufmerksamkeit der Schüler angeregt, ihre Auffassung gestärkt, ihr Verstand geschärft, das Heilige der Lehre dem Geiste tief und unvertilgbar eingeprägt und vor jedem Missbrauch geschützt werden. Der bloß mündliche Unterricht mit Ausschluss schriftlicher Aufzeichnungen erforderte vor allem beim Lehrer die Ausbildung des Vortrages. Der Ton macht die Musik, den Gesang und die Rede. Daher erklärt sich auch die große und erfolgreiche Tätigkeit der irischen Missionäre in Deutschland. Bei uns entscheidet noch heute selbst bei Besetzung der Hochschulkatheder der Nachweis einer schriftlichen Arbeit, weshalb es öfter vorkommt, dass die Schüler mit den ersten Prüfungsnoten sich (um ein Bismarckwort zu gebrauchen) dumm studieren und selten eine fremde lebende Sprache, ja nicht einmal die eigene Muttersprache, schön und richtig sprechen lernen, eben weil sie diese nicht durchs Ohr, sondern durch die Schrift lernen mussten. Indessen lernten auch die Druidenschüler schreiben. Ihre Schriftzeichen glichen den griechischen, weshalb man auf den Gedanken kam, dass die Druiden bei dem griechischen Philosophen Pythagoras, der im 6. Jahrhundert vor Chr. in Unteritalien lebte, in die Schule gegangen sind. In der Tat bestand zwischen den Lehren und Lebensgewohnheiten beider Schulen eine große Ähnlichkeit. Auch erstreckte sich der Unterricht der Druidenschüler nicht etwa bloß auf die Theologie, sondern wie in der griechischen Philosophenschule des Pythagoras auf das Gebiet der Mathematik, Physik, Astronomie und Philosophie, ja sogar auf Arzneikunst und Politik. Die Unterweisungen und Lehrergebnisse wurden in dreifache und dreigegliederte Sätze oder Verse gefasst. Von diesen Triaden sind uns einige überliefert, so das Gesetz:
„Ehre Gott, scheue das Böse, sei ein Mann.“
„Richtig denken, richtig sprechen, richtig handeln, empfiehlt den Mann.“
„Der Gesang soll den Verstand bilden, das Herz veredeln, die Leidenschaft mäßigen.
Nach den römischen Schriftstellern umfasste die Hauptlehre der Druiden: Gott, Welt, Seele. Diese Lehre musste vor dem abergläubischen Volke geheim gehalten werden und war nur den Eingeweihten bekannt. Schält man den Kern der druidischen Theologie aus den Mitteilungen der Römer und Griechen heraus, so ergibt sich der Glaube an einen ewigen allmächtigen Gott, dessen Vorsehung die großen Geschicke der Menschheit lenkt und dessen Verehrung neben der Ausübung des Guten eine Hauptpflicht des Druiden ist. Der zweite Glaubenssatz umfasst die Welt, die aus Nichts entstanden, aber unvergänglich ist, bis einstens Feuer und Wasser alles überwältigen. Das dritte Dogma lautet: die Seele ist unsterblich, doch hat sie nach dem Tode des Menschen Wanderungen durchzumachen, um nach einer bestimmten Zeit zu neuem Leben wiedergeboren zu werden. Die druidische Lehre von der Seelenwanderung unterscheidet sich von jener der Inder, Ägypter und späteren Rabbiner dadurch, dass sie es nicht gleich diesen für gleichgültig hielten, ob die Seele in den Körper eines Menschen, eines Tieres, einer Pflanze oder gar eines Steines gekleidet sei. Die druidische Lehre zielte darauf ab, dass die seelische Gedanken- und Gefühlswelt nicht mit dem einzelnen guten und schöpferischen Menschen sterbe, sondern in anderen als bewusstes oder unbewusstes Erbstück auferstehe und fortlebe. Der Tod erscheint als eine Wiedergeburt, die eine Kette der Unsterblichkeit des Menschengeistes bildet. Aber auch der böse Menschengeist stirbt nicht mit dem körperlichen Tode seines Inhabers. Er muss als Mensch auf Erden wandern und pilgern, büßen und sich reinigen, bis er wirklich gereinigt und befähigt sei, wieder in den Himmel und das Licht einzuziehen. Das ist die Lehre der alten Druiden. Ihr dritter Glaubenssatz ist nur eine andere Form der christlichen Lehre von dem Fortleben der Seelen, von der Bestrafung der Bösen und der Auferstehung der Toten. In einem uralten christlichen Gedicht aus der britischen Bardenzeit, die an die Druiden sich anschloss, finden sich über die Religions- und Morallehre der letzteren mehrere gleichreimige Vierzeiler, die einem Abkömmling eines Druidengeschlechtes in den Mund gelegt werden und lauten:
Mit Vorsatz das Schlechte begeh'n,
Im bösen Entschluss besteh'n,
Das heißt man Sünde und Vergeh'n.
Gott lieben mit rechtem Mut
Und beten mit wahrer Glut
Schafft ewig Heil und zeitlich Gut.
Über Vergehen innige Reue
Auf Gnade hoffen in Treue,
Dass Frieden stets die Seel erfreue.
Da die Druiden auch die ärztliche Kunst betrieben, so legten sie großes Gewicht auf die Kultur der Medizinalpflanzen, die sich als keltisches Erbteil bis heute in Franken erhalten hat. Zu den alten vegetarischen Heilmitteln, deren Gebrauch sie in die Volksmedizin einführten, gehörten u. a. drei Pflanzen, deren Namen von den Druiden stammt: Die Grindwurz oder der spitz-blätterige Ampfer (rumex acutus), im deutschen Norden die Bardenwurzel genannt; die Alpraute (fumaria officinalis), im deutschen Norden Drud oder Thrud genannt; der Drudenfuß oder keulenförmige Bärlapp (Cycopodium clavatam), dessen Samenstaub das bekannte Blitzpulver gibt. Außerdem werden bei Plinius u. a. noch genannt: das Benediktenkraut (centaurea benedicta), ein kräftiges Gegengift; die Tollkirsche (belladonna), die Alraunwurzel (Mandragora), die als magische Pflanze noch bis in die Neuzeit im Gebrauch war, der Knoblauch, das Blutkraut, der Blätterschwamm, die geheimnisvolle Pflanze Selago, die Veronika (Ehrenpreis oder Grundheil), die bei Unterleibsleiden als Tee gebraucht wird, der Kümmel, dessen Absud bei Harnbeschwerden von Mensch und Tier gute Dienste leistet, der Saft der Arnika (Wohlverleih), der als Wundmittel Wunder wirkt, die Hauswurz (Sempervivum), die bei Verbrennungen den Schmerz lindert und das Allheilmittel Eisenkraut. Bei Krankheiten der Rinder und Schweine wurde das schwarze Bilsenkraut, die Semiole oder Küchenschelle und andere Pflanzen angewendet. Als meist gepriesenes Heil- und Zaubermittel benützten die Druiden die Mistel der Roteiche, der sie magische Kraft zusprachen. Die Mistel der Steineiche, die sehr selten ist, wurde unter heimlichen Zeremonien von den Druiden in weißen Gewändern gesammelt, mit einer goldenen Sichel losgelöst und in weiße Stoffe gefüllt. Die hohe Meinung von der Mistel erhielt sich als Erbteil der Druiden bei uns bis durch das ganze Mittelalter und in England bis zum heutigen Tage. In einem uralten Kodex der Münchener Staatsbibliothek wird uns der Gebrauch der Mistel, die heute noch in England zu Weihnachten die Stelle des deutschen Christbaums vertritt, also beschrieben: „Das sybendt Gericht von Backwerk was (war) ain gartten umbzeintt (umzäunt) und auf dem zawn (Zaun) saßen Vögel, und in der Mitt gieng ain guldener myßlpawm (Mistelbaum) auff, daran hiengen pirne und confect und ain klaine wälische nuß.“ — Als mit der fortschreitenden Forstkultur und der Ausrottung der alten Eichbäume die Mistel mehr und mehr in unseren Wäldern verschwand, trat die Tanne an ihre Stelle. Wir dürfen also in der Mistel den Vorläufer und Stammvater des Christbaumes erblicken. Mit dem immergrünen Mistelzweig aus dem heiligen Eichenhain begrüßten einst die Druiden die winterliche Sonnenwende, wie wir heute zur nämlichen Zeit unterm Tannenbaum den aufsteigenden Stern aus dem Osten feiern. Der Christbaum ist uns auch ein Beweis, dass wohl herrschende Stände und Geschlechter vergehen, dass aber ihr Geist und ihre Sitten eine Wiederauferstehung feiern. So bewährt sich auch hier das Wort des altgriechischen Philosophen Heraklit des Dunklen: Panta rhei — alles fließt, alles bewegt und verändert sich, doch geht es nicht verloren.
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