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II.

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Unsere Altphilologen, denen die Gegner des humanistischen Gymnasiums den Garaus machen wollen, verteidigen das Erbe der Alten, unter dem sie vor allem den lateinischen Sprachschatz verstehen. Sie verweisen auf die Menge der lateinischen Worte, die in die deutsche Sprache übernommen wurden. Diese Übernahme datiert nicht etwa erst aus der Zeit, da die klassische Bildung bei uns allenthalben gepflegt wurde, sondern begann schon lange vor der Geburt des alten Reiches deutscher Nation, als die deutschen Völker am Rhein Untertanen des römischen Imperiums wurden. So wird es verständlich, dass fast alle Worte die mit dem Staat, dem Militär, dem Rechts-, Steuer- und Münzwesen, der Religion und Kirche zusammenhängen, römischen Ursprungs sind, da diese Gebiete den mit jenen Kulturerrungenschaften nicht gesegneten Deutschen fremd waren. Unter den lateinischen Lehnworten begegnen uns deshalb auch solche, die mit der Bodenkultur zusammenhängen. Nicht bloß Pflanze und Frucht sind römischen Ursprungs, sondern auch Birne, Kirsche, Pflaume, Kohl und Rettig, Rose und Lilie, Wein und Most. Zum Gartenbau gehören die Küche und das Kochen. Beide Worte stammen aus dem Lateinischen, ebenso Butter und Semmel, Essig und Öl, Pfeffer und Senf. Auf den Hausbau beziehen sich die Worte Weiler, Platz, Markt, die Pfalz, Straße, Pflaster, Mauer, Dom, Pforte und Pfosten, Keller, Turm, Kalk, Ziegel, Schindel, tünchen u. a. m. Dazu kommen Namen der Hauseinrichtungen wie Tisch, Kiste, Sack, Spiegel, Kette, Becher, Schüssel usw. Die den deutschen Ansiedlern unbekannte Schreibkunst ist vertreten durch die Worte Papier und Karte, Tafel und Brief, Griffel, Tinte und Siegel. Selbst das Wort schreiben stammt aus dem Lateinischen. Die Heilkunde wird durch die Worte Arzt, Pflaster und Büchse als ein römischer Sprössling bezeichnet. Von den zahllosen lateinischen und griechischen Worten, die in unsere wissenschaftliche, technische und Handelssprache noch in der Neuzeit übernommen wurden, wollen wir gar nicht reden, da auch andere moderne Sprachen die gleiche Eigentümlichkeit aufweisen.

Das Erbe der Alten umfasst aber, was selbst den wenigsten Gebildeten bekannt ist, noch mehr als die Überreste des lateinischen und griechischen Sprachschatzes. Denn vor den Römern und vor den Deutschen saß in unseren Gauen das Volk der Kelten, das zahlreiche Spuren seiner Kultur in unserem Lande und in unserer Sprache, insbesondere in der Mundart unseres Frankenlandes hinterlassen hat. Ich nenne es das Erbe der Druiden, weil dieser Stand vermöge seiner Bildung, Organisation und Tätigkeit der hervorragende Träger der nationalen Kultur war. Von dem Dasein der Kelten und ihrer Einwirkung auf die deutschen Nachbarn und nachherigen Herren zeugt noch heute die Menge der keltischen Fluss-, Flur-, Orts- und Personennamen, die sich im ehemaligen Ostfranken, wie die fränkischen Könige das von ihnen eroberte Maingebiet einschließlich Thüringen benannten, erhalten hat. Aus der Menge der Personennamen, die ich bei meinen Forschungen zur Herausgabe meines Werkes „Schloss Mainberg“ in Urkunden, Akten und allerhand Schriften gefunden, habe ich ein Verzeichnis angelegt und mit entsprechenden Bemerkungen versehen. Diese keltischen Sprachreste sind ein Beweis, dass die Deutschen für viele Dinge, Berufe und Hantierungen keine eigenen Namen hatten und darum die Bezeichnungen des kulturell höher stehenden Volkes in ihre Sprache übernahmen. Anderseits wurden auch Worte und Namen deutscher oder anderer Abstammung keltisiert, so dass ihre Herkunft oft schwer zu bestimmen ist. Mit Recht sprechen darum unsere Geschichtsschreiber von einer keltisch-thüringischen Periode. Selbst die im siebenten Jahrhundert einsetzende Eroberung des Landes durch die Franken änderte daran nicht viel, nur traten zu den keltischen noch die lateinischen Lehnworte, die die neuen Eroberer mit den Errungenschaften der römischen Kultur aus Frankreich mitgebracht hatten. Obschon sie auf ihre deutsche Rasse und Sprache etwas hielten — sie gaben ihren Ansiedlungen wie ihren Zwingburgen nur deutsche Namen — so erhielt sich trotzdem der alte Dialekt mit dem keltischen Einschlag bei der Masse des unterworfenen Landvolkes, was aber von den Sprachforschern viel zu wenig oder gar nicht beachtet wurde.

Der keltische Einschlag zeigt sich aber noch in anderen völkischen Eigentümlichkeiten. Gerade in Franken lassen die Merkmale des Typus, der Kopf- und Körperbildung, der Haar- und Hautfarbe, der Aussprache und Tongebung, dann die Äußerungen des Temperaments und Charakters, Einrichtungen und Gewohnheiten der Wirtschaftsführung, auch gewisse geistige Anlagen und Richtungen, Lebensart, Sitten, Gebräuche, Trachten und Mundarten die keltischen Spuren erkennen. Es ist zum Beispiel ein großer Unterschied zwischen den Gestalten und Gesichtern der weiblichen Bevölkerung rings um Bamberg und jener in unserer Gegend. Dort erkennt man an den drallen Körperformen, den schwarzen Stichelhaaren, den breiten Stirnen, den hervorstehenden Backenknochen und gelblichen Gesichtern die Abstammung von der slavisch-wendischen Bevölkerung, deren Verdeutschung erst im zwölften Jahrhundert begonnen hat. Noch im fünfzehnten Jahrhundert wurde in der Bamberger Gegend wendisch gepredigt. Die Verdeutschung der keltischen Bevölkerung liegt um Jahrhunderte hinter jener der wendischen zurück. Aber die Merkmale der älteren Kulturrasse sprechen noch heute aus den meist schlanken Gestalten, den kleinen Füßen, den länglichen, fein geschnittenen irischen Gesichtern, den dunklen, schelmischen Augen der Dorfschönen mit ihrer Vorliebe für farbige Kleider, dem glänzenden Schmuck und den eleganten frei getragenen Haarfrisuren, während die Frauen wendischer Abkunft ihre Haarbüschel unter einem großen Kopftuch verbergen. Wer viel unter fremden Völkern gereist und sich aufgehalten hat, dem ist sicher die Ähnlichkeit vieler von unseren fränkischen Bauernmädchen mit jenen in der Bretagne, Wales und Irland aufgefallen.

Bezeichnend für Charakter, Beruf und Kultur der im Frankenland angesiedelten Völkerschaften ist, dass die meisten Namen keltischer Abkunft, die nach der Angabe des gelehrten Augustinerpaters Alfons Abert in seiner von den kirchlichen Oberen verpönten Schrift „Franken“ auf bert, fert, gert, ert, bret, fred und fried endigen, von einer landwirtschaftlichen oder gewerblichen Beschäftigung abgeleitet wurden, während die auf ward, wart, hart, art, halt, bald, hold, polt endigenden fränkischen Namen eine militärische oder amtliche Tätigkeit bezeichnen. In diesem Unterschied drückt sich der Charakter der fränkischen Eroberer; die ein unterjochtes Volk beherrschten, zur Genüge aus. Auch belehrt uns die Forschung, dass Namen keltischer Herkunft auf ert, bert usw. vor dem Jahre 1400 höchst selten in den Städten, die nur von fränkischen Ansiedlern bewohnt wurden und auf die Reinheit ihrer Rasse hielten, auftauchen. Erst nach dem fränkischen Städtekrieg 1400, in dem der gewalttätige Würzburger Fürstbischof Gerhard von Schwarzburg mit dem reinrassigen fränkischen Bürgertum aufräumte, sehen wir die Träger keltischer Namen in den Städten in größerer Zahl auftauchen. Manche dieser Namen sind ganz verschwunden, da deren Träger ausgestorben sind oder deutsche und christliche Namen sich beigelegt oder nach der Sitte des Reformationszeitalters ihre Namen latinisiert oder gräzisiert haben. Eine größere Anzahl der keltischen Personennamen hat auch durch Weglassung des Schlussbuchstabens oder der ganzen Endsilbe oder durch Austausch mit einer fränkischen Endung (art, bold usw.) die Spuren ihrer Herkunft und ihres aufgezwungenen Untertanenverhältnisses verwischt. So wurde aus Eckert ein Eck, aus Blümert Blüm oder Blum, aus Gressert Kreß, aus Höpfert Hopf oder Höpflinger, aus Schackert Schack, aus Humbert Humbold, aus Rossert Rossat oder Rosa, aus Bullert Bull oder Buhl, aus Herbert Herbart, aus Burkert Burkard oder Burk, aus Hebert Heberer, aus Possert Possart, aus Bollert Boll, aus Schuckert Schuck, aus Buchert Buch, aus Marken Mark oder Merk, aus Beckert Beck, aus Baggert Back, aus Engert Engel, aus Trabert Trapp, aus Bronsert Bronsart, aus Billert Bill, aus Kippert Kipp, aus Klaibert Klebert, aus Ruckert Ruck und Rock, aus Dippert Dippold, aus Rauschert Rauscher, aus Roschert Roscher, aus Dennert Dennerlein, aus Tannert Tanner und Tannera, aus Seibert Seifried, aus Krackert Krakhard, aus Weckert Weck, aus Wigert Weigert, aus Tellert Tell oder Till, aus Gäbert Gäb usw.

Die Namensbildung ist noch viel mannigfaltiger, als uns in den gelehrten Werken von Kleinpaul, Bähnisch, Leier u. a. vorgetragen wird. Mit dem Aufschwung der mittelalterlichen Städte, die Zuzug fremder Handwerker erhielten, wurden viele Leute lediglich nach dem Heimatlande benannt, von wo sie herstammten. Da treffen wir die Sachs, Schwab, Baier, Heß, Brandenburger, Rhein und Rheinisch, Böhm, Österreicher, Unger, Ruß, Welsch und Welscher, Schweizer, Elsässer, Holländer u. a. Ihre ursprünglichen Familiennamen wurden in der neuen Heimat durch ihre Herkunft ersetzt. So berichtet der berühmte Nürnberger Künstler Albrecht Dürer in seiner 1524 niedergeschriebenen Familienchronik, dass sein Großvater in Ungarn beheimatet war, sein Vater nach Nürnberg auswanderte, während dessen Bruder Niklas Dürer als Goldschmied in Köln sich niederließ und dort den Namen Unger annahm. Noch häufiger wurde der Personenname nach dem Heimatsort gebildet. Es gibt deren nach Hunderten, bei uns in Bayern namentlich solche auf ing und inger. Der Name Mainberger findet sich schon vor Jahrhunderten in Nürnberg. Die nach Ortsnamen gebildeten Judennamen stammen erst aus dem 18. Jahrhundert, als die Israeliten aus polizeilichen Gründen gezwungen wurden, deutsche Namen zu wählen. Sie wählten aber nicht nur wirkliche Ortsnamen, sondern auch erdichtete wie Goldstein, Veilchenstein, Nordschild, Silberstein, bei denen es wohl vergeblich wäre, eine Karte zu Rat zu ziehen. Als nach dem Aufblühen der deutschen Städte die bürgerlichen Berufe und Handwerke in Aufschwung und Ansehen kamen, wurde auch die ständische Beschäftigung wieder zum wichtigen Unterscheidungsmerkmal. Anstelle der Bezeichnungen keltischer Herkunft traten jetzt die deutschen: Ackermann, Baumann, Futterer, Meder (Mähr), Fischer, Bader, Bäcker, Brauer, Schneider, Schuster, Zimmerer, Küfer, Binder oder Büttner, Maurer, Glaser, Müller, Schreiner, Wagner, Hafner, Schmied, Amtmann, Kannengießer, Keller (Verwalter der Zehentböden und Weinkeller), Freibot (Kuppler), Hauptmann, Kammerer (Kassenverwalter), Richter, Schreiber usw. Auch altdeutsche Namen fanden sich, vor allem sämtliche fränkische Namen, die im Nibelungenlied vorkommen und auch in fränkischen Ortsnamen sich finden. Daneben gab es Namen, die mit dem Christentum zu uns kamen, so z. B. Adami oder Adel, Endres (Andreas), Donle (Anton). Bartelme (Bartholomäus), Christl (Christof), Dietz (Dietrich), Feh oder Feyh (Sophie), Balzer (Balthasar), Simmerl (Simon), Jäckle (Jakob), Hans (Johann), Heiner und Heinz (Heinrich), Steffel (Stefan), Jörg (Georg), Leisel und Leyß (Elisabeth), Mars (Markus), Karches (Eucharus), Lenz (Lorenz), Jobst (Jodokus), Mathes (Mathäus), Melcher (Melchior), Klaus (Nikolaus), Ambros (Ambrosius), Rudi (Rudolf), Veit und Veitl (Vitus), Basil (Sebastian), Wenz (Wendelin), Hardl (Leonhard). Es gibt bei uns sogar Bauern deutscher Abstammung und Rasse, die Kohn heißen. Der Name ist aber nicht gleichbedeutend mit dem hebräischen Namen Cohen, Kochem, Kahn oder Kohn, sondern ist die Abkürzung für Konrad, wie Fritz für Friedrich, Sepp für Joseph, Mart oder Mert für Martin.

Wie man hieraus sieht, hatten unsere Ahnen das Bestreben, auch die fremdsprachigen Namen zu verdeutschen. Erst mit der völligen Herrschaft der römischen Sprache in der Kirche, Justiz und Schule, ganz besonders im Zeitalter der Renaissance, das heißt der wiederauflebenden Begeisterung für die alten Griechen und Römer, die man den Humanismus nannte, fingen die Gebildeten an, fremdsprachige Namen sich zuzulegen und die deutschen Namen lateinisch und griechisch umzumodeln und so wurde aus dem Schneider ein Sartor, aus dem Schuster ein Sutor, aus dem Wagner ein Rutor, aus denn Schwärzer ein Melanchthon, aus dem Holzmann ein Xylander, aus dem Zimmermann ein Faber, aus dem Hirt ein Pastor, aus dem Bäcker ein Pistor, aus dem Maler ein Piktor, aus dem Senf ein Sinapius, aus dem Bauer ein Agrikola. Mit der Reformation und ihrer eifrigen Verehrung der Bibel nahmen besonders fromme evangelische Leute auch altjüdische Namen wie David, Josua, Samuel, Saul usw. an. Als nach dem Dreißigjährigen Kriege der französische Einfluss in Deutschland das Bürgertum übertünchte, gab es Familien, die ihre Namen französisierten und mit ihrer Anbetung des Fremdtums bis auf den Hund und die Katze kamen, die sie Ami, Scholi, Lotte u. dgl. tauften. Mit dem Jahr 1870 besann sich das deutsche Volk wieder auf sich selbst und sein Reichskanzler Bismarck brachte als Staatsmann die deutsche Sprache wieder zu Ehren. Nach seiner Entlassung trat aber ein Rückfall ein, indem anstelle der Französelei die Engländerei trat, die uns aber im Weltkrieg mit Skorpionen heimgezahlt wurde. So zeigt uns auch die Namenforschung das Deutschtum in aufsteigender und erniedrigender Stellung.

Den Franken war das Deutschtum im Blut gelegen, sonst hätten sie nicht vor zwölfhundert Jahren die überlegene Kraft besessen, alle deutschen Stämme zu umfassen und ihnen ihr Gebot aufzuzwingen. Und ihrem deutschen Bewusstsein und Willen gaben sie auch durch die Namen Ausdruck, die sie den von ihnen im eroberten Lande gegründeten Orten und Burgen gaben. Während es bei uns noch in der neuesten Zeit Mode war, Schlösser, Landhäuser, Gasthöfe, Bäder und Geschäftsschilder mit französischen oder englischen Namen und Aufschriften zu verschandeln und dadurch den bedientenhaften Geist vor aller Welt zu zeigen, besaßen die alten Franken die stolze Eigenart, vor allem ihren Burgen deutsche Namen zu geben, die sie dem Boden entnahmen, wo sie einst die rote Fahne mit dem schwarzen Adler aufgepflanzt hatten. Darum bestrebten sie sich auch in Ostfranken die keltischen Worte und Namen möglichst zu verdeutschen und die verschiedenen Gewerbe mit deutschen Bezeichnungen zu benennen. Trotzdem blieb der seit Jahrhunderten wirkende Einfluss der keltischen Sprache in unserer fränkischen Volksmundart fortbestehen. Er zeigte sich besonders in der Menge der einsilbigen Wörter und namentlich in der auffälligen Gewohnheit, dass beim Infinitiv der Zeitwörter nur der einsilbige Stamm gesprochen und die bei den eigentlichen Franken und den übrigen Deutschen übliche Endsilbe „en“ weggelassen wird. So sagt man nicht: machen lassen, sondern: lass mach usw. Diese Redeform, ein Erbteil aus der keltischen Zeit, findet sich auch noch in England und Frankreich. Es fehlt auch bei uns nicht an keltischen Ausdrücken, so sagt man statt „hüben und drüben“ häufig noch „häßt agäst“ (das englische against = gegen, gegenüber). In der Rhön befiehlt der Bauer seiner Tochter: Hol a Läpper Brönn — das heißt einen Krug Wasser usw. Wer vergleichende Sprach- und Dialektstudien getrieben hat, der wird mir beipflichten, dass außer der Volkssitte und dem Volksaberglauben nichts standfester ist als die Volksmundart, die die Worte in der ursprünglichen Aussprache, Satzstellung und Bedeutung von Geschlecht zu Geschlecht überliefert, selbst wenn sie in Schriftstücken amtlich geändert oder irrtümlich verdorben wurden. So hat sich der ursprüngliche Dialekt der bayerischen, sächsischen, fränkischen und schwäbischen Auswanderer, die sich vor Jahrhunderten in Ungarn und Siebenbürgen angesiedelt hatten, unversehrt erhalten. Weil man aber bei uns auf diese Besonderheiten der Aussprache keine Rücksicht nahm, fand man für viele Namen gar keine, für andere eine ganz falsche Deutung. Darum wurde die Forschung nach der Herkunft vieler Familiennamen ungemein erschwert. Sie leidet eben immer noch an der deutschen Erbsünde, dass sie nicht beim Volk in die Schule geht, nicht an ihm und aus ihm lernt, sondern in die Ferne schweift, obschon das Gute und Richtige am nächsten liegt. Hierdurch wurde eine heillose Verwirrung angerichtet. Statt die für die Volkskunde so wichtige Namensforschung zu erleichtern, wurden deren Schwierigkeiten noch gehäuft. Allerdings ist es für Gelehrte norddeutscher und fremdländischer Abkunft — und gerade diese gelten auch für die mitteldeutsche Sprachforschung als Autoritäten — kaum möglich, die verschiedenen mitteldeutschen Mundarten mit ihrer eigenartigen Aussprache, Betonung und Wortdeutung mit dem Ohr zu packen, mit dem Verstand zu fassen und mit der Feder zu erklären.

Daher kommen dann die schiefen Ansichten und falschen Darstellungen in gelehrten Werken. So findet der Sprachforscher Dr. Albrecht Wirth bayerische Ortsnamen im Kaukasus (!) wieder und will damit die Völkerwanderung vom Kaukasus in die Alpenländer erklären. Der Gipfel des Unsinns wird von ihm erstiegen, indem er den Ort Leoni am Würmsee mit den Lebuini im Kaukasus in Verbindung bringt, obschon es feststeht, dass der königlich bayerische Kapellmeister Leoni in dem Ort Assenbuch ein Landhaus besaß, das später als Wirtshaus Leonihaus hieß und dem Ort seinen Namen gab. Sogar den Münchener Schimpfnamen Pazi leitet Professor Wirth von dem kaukasischen Batsi und der Silva Bacenis des Tazitus, statt vom — Lumpazi ab. Andere Gelehrte leiten viele Bezeichnungen unterfränkischer Personen-, Orts- und Flurnamen, statt ihrem Ursprung auf dem heimischen Boden und Volke nachzugehen, von lateinischen, angelsächsischen, gotischen und wendischen Wortstämmen ab, obwohl die Römer, Angelsachsen, Goten und Wenden unser Unterfranken niemals besetzt, also auch hier ihre Sprache nicht verbreitet haben. Selbst der fränkische Pfarrer Anton Schumm, der Verfasser des Unterfränkischen Ortsnamenbuches, hat in der Mundart seines Volkes nicht den Urquell seiner Forschungen erkannt. So kam er auch nicht dazu, die Irrtümer in den Wörterbüchern der nichtbayerischen Gelehrten, welche ihr Licht über Mittel- und Süddeutschland erstrahlen ließen, noch die argen Fehler der Katastereinträge und Kartographen zu korrigieren. Um nur einige markante Ortsnamen zu erwähnen, leitet er das Dorf Eckarts von „Eckhard“, das heißt von Eck (die Eiche) und Hard (der Wald) ab. Das Dorf hat aber bis zur Katasteranlegung Mäckers (von dem Mäckern der dort heimischen Ziegen hergeleitet) geheißen und heißt heute im Volksmunde nicht anders. Zeitlofs leitet Schumm von dem Personennamen „Zeitlof, Diedlof und dieses von dem gotischen Thiud oder Theut, einem den Kelten und Thüringern unbekannten Gott oder sagenhaften Helden“, ab. Das Dorf hieß aber bis zur Geburt des Katasters und heißt heute noch im Volksmunde Zeiles (von Zeile, nach der Bauart des Dorfes). Detter leitet Schumm gleichfalls von Theut, „Ort eines Deutschen“, ab, statt von Detter (dem Euter der Kühe und Ziegen), wovon auch Dettelbach, Dettingen und Duttenbrunn abstammen, denn Detter hat wie Dutten die gleiche Bedeutung und heute noch heißt in Altbayern Dutten das Euter. Die Gelehrten behaupten aber, dass all diese Ortsnamen von Thiud oder Theut abstammen. Und Einer schrieb es vom Andern ab. Die Summe dieser übereinstimmenden Meinungen und Behauptungen kristallisieren sich dann in der gelehrten Welt und bei ihren Nachbetern zu einem feststehenden Zeugnis der unfehlbaren wissenschaftlichen Autorität. Eine Änderung und Besserung trat bei uns erst mit der Gründung des „Vereins für Volkskunde“ durch den Würzburger Prof. Dr. Brenner (†1920) und den leider zu früh verstorbenen Volksschullehrer Schmidtkonz ein, die beide um die Erklärung der Orts- und Flurnamen ein großes Verdienst sich erworben und auch mir wertvolle Anregungen gegeben haben. Das Verständnis des Volksmundes ist und bleibt die Voraussetzung für die Sprach-, Heimat- und Volkskunde. Sehr schön sagt Ludwig Bechstein:

Es ist ein Völkergut, dir aufgespart,

Was Volkesmund durch mich dir offenbart,

Vertrauend leg ich das in deine Hut,

Veracht es nicht und halt es treu bewahrt:

Das ist der Volksmund, der bedeutsam spricht,

Oft in der Rede schüchtern, einfach, schlicht;

Doch streuend reichliche Gedankensaat,

Oft reicher als manch prunkendes Gedicht.

Die noch lebenden Träger keltischer Namen brauchen sich ob ihrer Herkunft keineswegs zu schämen. Im Gegenteil dürfen sie sich rühmen, dass ihre Stammbäume so alt sind wie unsere Zeitrechnung, also um tausend Jahre älter als die der ersten fränkischen Adelsgeschlechter, die keineswegs aus der ursprünglichen Bevölkerung hervorgegangen sind, sondern aus der Führer-, Beamten- und Nachkommenschaft der fränkischen Eroberer. Der Mangel an schriftlichen Urkunden und Quellenwerken ist kein Beweis gegen unsere Annahme. Denn sichere und über jeden Zweifel erhabene Dokumente liegen nicht einmal der Genealogie unserer ältesten Dynasten- und Adelsgeschlechter zugrunde. Bei den bäuerlichen und bürgerlichen Familien, sogar bei solchen, welche seit drei oder vier Jahrhunderten zum Ritterstand oder Patriziat zählen, lassen sich Stammbäume nur selten und schwer über das 15. Jahrhundert, viele kaum bis ins 16. und 17. Jahrhundert zurückführen, da die pfarramtlichen Matrikelbücher erst auf Anordnung des Konzils von Trient in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts angelegt, nicht selten ungenau und lückenhaft geführt oder durch Elementarereignisse, Kriege, Unverstand, Fahrlässigkeit oder andere Ursachen zu Verlust gegangen sind. Die keltischen Namen legen anderseits Zeugnis dafür ab, dass die Ahnen ihrer Träger von Urbewohnern abstammen, die die ersten Lehrmeister der deutschen Eroberer waren. Sie widerlegen auch jene Gelehrten, die behaupten, dass es in unserem Lande niemals Druiden gegeben habe. Ich will hier nicht einmal die alten überlieferten Sagen als Beweismaterial vorführen, auch keinen besonderen Wert darauf legen, dass Hartmann Schedel (um 1500) sechs in der Pfortenmauer der Kirche des Klosters Spainshart befestigte Statuen für Druiden hielt und dass vor 200 Jahren in der Nähe von Zwickau eine antike Tafel mit der griechischen Inschrift gefunden wurde: Dürbaleus Druidoon Megistos, d. h. Dürbaleus, Großmeister der Druiden1. Mehr Beachtung verdienen die bereits erwähnten Pflanzennamen, sowie Ortsnamen wie Trunstadt, Trudering u. a. Ein echt keltischer Personenname ist der bei uns vorkommende Name Trudert, den auch ein bei Freiburg im Breisgau um das Jahr 650 ermordeter irischer Missionär führte. Er stammt von Tru ab, dem Stammwort der Druiden. Da nach ihrer Vertreibung zweifellos der religiöse Opferdienst fortdauerte, so war der Trudert ein Ersatz für die verjagten Priester. Der Trudert war wohl auch ein Nachfolger im ärztlichen Beruf, den die Druiden ausgeübt hatten. Sicher war ihnen auch die Anwendung der von griechischen Priester-Ärzten angewandten Suggestion und Hypnose bekannt, womit sie Hysterische und Geisteskranke heilten, böse Geister beschworen und bannten. Darum wohl galt in Altbayern der „Truder“ als Hexenmeister oder Hexenbanner. Außerdem war er auch nach dem Vorgang der Druiden der Wahrsager, auf den schon in der Schrift des Römers Tazitus „Germania“, dann in einem Erlass Kaiser Karls des Großen hingewiesen wird. Danach riss der Trudert einen Zweig von einem fruchtbringenden Baum ab, brach von ihm mehrere Reiser ab, zeichnete sie durch gewisse Merker, warf sie auf ein weißes Tuch, hob sie nach verrichtetem Gebet mit gegen Himmel gewandten Augen auf und sagte dann aus der Lage der Merkzeichen seinen Spruch her. Diese Art der Wahrsagerei hat sich noch bei den Kelten in England erhalten, wo aus Mistelzweigen am Heiligen Abend ebenso geweissagt wird wie bei uns in der Neujahrnacht beim Bleigießen. Mag aber aus dem Trudert wie aus anderen Ersatzleuten der verjagten Druiden im Laufe der Zeit ein Zerrbild der druidischen Bildung und Vornehmheit geworden sein, so zeugt doch auch der Name an sich für das Dasein des Druidentums.

Mehr noch als der Trudert reden mehrere bei uns vorkommende Familiennamen von dem einstigen Dasein der Druiden. Diese waren nämlich in drei Klassen abgeteilt, deren eine die eigentlichen Druiden — die Priester — bildeten, die andere die Foidh, die als Propheten weissagten, während die dritte Klasse, die Barden, die Sangmeister bildeten. Der Name Foidh hat sich in dem Personennamen Voit erhalten. Die Voit sind keine Voigt oder Vogt. Dieser Name stammt von dem lateinischen Titel advocatus, dem Rechtsvertreter und Sachwalter eines Grafen, der dessen Amt als Stellvertreter, meist als Burghauptmann oder Burgvogt, versah. Außer den Voit kommen noch die Bard oder Barth bei uns vor. Der Name Veth oder Väth, der ebenfalls bei uns vorkommt ist gleichbedeutend mit Voit. Die Bezeichnung Foidh hatte sich im Bardenbund, dem Erben und Nachfolger des Druidenbundes, in O'Fith umgemodelt. Die O'Fiths oder Ovaten waren die Ehrenmitglieder des Barbenbundes. Das O vor dem Personenamen bedeutet im Keltischen, wovon es auch in den irischen Sprachgebrauch übergegangen ist, den Sohn. O'Connel ist der Sohn des Connel, O'Donawan der Sohn des Donawan usw. Die deutschen Soldaten aus Frankenland, die den Namen Voit, Feth oder Väth tragen und in englischer Gefangenschaft waren, erzählen, dass sie von den englischen Offizieren und Unteroffizieren nur als Fith angesprochen und gerufen wurden. Gebildete Engländer sprachen gelegentlich ihre Verwunderung über diese Namen aus und fragten unsere Soldaten, ob ihre Voreltern irischer oder keltischer Abstammung seien.

Von den Druidinnen, die nach dem Niedergang des Druidenordens auftauchten, aber keine angesehene Stellung als Priesterinnen hatten und, wie Pomponius Mela berichtet, als Zauberinnen und Hexen galten, stammen die Druden oder Truden ab, die in unserem Volksaberglauben, der neben der Volksmundart und Volkssitte das zäheste Leben hat, heute noch fortleben. Die Druden sind weibliche Unholde, die sich in allerlei furchtbaren Gestalten nächtlicher Weile auf die Brust der Schlafenden legen und das so genannte Alpdrücken verursachen. Der Aberglaube an die Druden wird in kirchlichen und kaiserlichen Kundmachungen aus der Zeit des hl. Bonifazius und Karls des Großen näher geschildert. Die Leute glaubten, dass sie die Lüfte zu beherrschen, Kieselstürme zu verursachen, die Früchte und die Milch hinwegzunehmen oder wiederzugeben und die Zukunft vorherzusagen vermöchten. Um sich selbst vor Schaden zu schützen, zogen sie bei ihren Geisterbeschwörungen zirkelförmige Furchen um sich, um sich die Geister vom Leibe zu halten, eine Vorsicht, die auch heute noch jene albernen Leute gebrauchen, die das Christofeles- oder Kolmanusgebet beten, das bekanntlich hieb-, schuss- und stichfest macht und gegen alle Gefahren schützt. Viele trugen auch Figuren aus Messing oder Holz oder Säckchen mit Alraunwurzeln oder Heilkräutern am Halse, um Unglück und Krankheiten abzuwenden, eine Gewohnheit, die sich in Form von Skapulieren und Amuletten ins Christentum übertrug, weil die neu angehenden Christen, wie Bonifaz, der Apostel der Deutschen, an den Papst Zacharias schrieb, sich weigerten, solche Gehänge abzulegen, da sie selbst in Italien und Rom getragen wurden. Der Glaube an die Druden beherrschte trotz aller Verbote das ganze deutsche Mittelalter und zur Zeit des 30-jährigen Krieges erschien in Nürnberg sogar eine „Druidenzeitung“, die viele Abnehmer und Nachbeter fand.

Den Druiden oblag auch der Beruf als Ratgeber und Lehrer. Auch dieser Beruf ist nach ihrer Vertreibung nicht ganz verloren gegangen. Ein Überbleibsel der Druiden war der Kunert, der Weise oder Ratgeber, der eine ähnliche Rolle spielte wie die Weisen oder Philosophen im alten Griechenland. Darum wohl ist auch der Name Kunert so selten, er begegnete mir nur ein einziges Mal in einem alten Lehenbrief. Er stammt von dem keltischen Wort kun, englisch con = wissen, raten. Kunert ist der gleiche Name wie Konrad. Es gibt bei uns, wie bereits bemerkt, uralte deutsche Bauernfamilien, die Kohn und Kuhn heißen. Der Kunert war auch der Geschlechtsführer, das Haupt einer Sippe. Das altdeutsche Wort Künne heißt Geschlecht. — Ratgeber in der Gemeinde war noch der Meinert. Der Name stammt von Min, englisch mean (sprich mien), das glauben und raten, meinen heißt. Das altdeutsche Wort menen d. i. führen oder lenken, vielleicht auch Minne und Minnesänger steht damit in Beziehung. — Ein anderer Ratgeber war noch der Gisbert (von gis, englisch guess, das güß ausgesprochen wird und raten, vermuten, glauben, meinen, denken heißt). Außer dem Kunert, Meinert und Gisbert erscheint noch der Tellert als Volkslehrer. Wie die Druiden schriftliche Aufzeichnungen verschmähten und ihre Schüler nur redend unterrichteten, so lehrte auch der Tellert. Der Name kommt von dem keltischen Tell = der Erzähler, ein Wort, das heute noch im Englischen die gleiche Bedeutung hat und als Personenname in der Schweiz wie im Norden Deutschlands — auch als Till — bekannten sagenhaften und historischen Persönlichkeiten eigen war. Sein Beruf erklärt sich aus der Vorliebe der Kelten für schöne Rede und Vortragskunst. Wie die Inder und Araber ihre Märchenerzähler, die Griechen ihre wandernden Rhapsoden und Rhetoren hatten, so die Kelten ihre Barden, die zugleich Dichter und Sänger waren. Als sie mit dem Priesterstand, dessen Mitglieder sie waren, das Land verlassen mussten, trat als Ersatz der Tellert auf. Er war der Mann, der durch eine ausgebildete Sprechweise ebenso vorbildlich auf seine Zuhörerschaft wirkte wie die Philosophen: im alten Hellas auf ihre Schüler. Der Tellert war auch der volkstümliche Gesanglehrer, der mit einer eigentümlichen Harfe, die mit drei Saitenreihen bespannt war, seine Lieder und Sagen begleitete. Dieses Instrument, womit auch die alten Barden spielten, heißt nach dem Kellert bei den Kelten in Wales heute noch das Tellyn. Es hat einen Umfang von fünf Oktaven und ist im vorigen Jahrhundert durch Pedale verbessert worden. Bei dem Volk in den Bergen von Wales ist es heute noch das Lieblingsinstrument, um das sich Jung und Alt — im Sommer im Freien, im Winter in den Spinnstuben — zu Tanz und Gesang versammeln. Sie singen im Chor oder auch abwechslungsweise nicht selten Spottverse aus dem Stegreife nach Art der Schnadahüpfeln in Altbayern. Die goldene Harfe mit silbernen Saiten auf blauem Grunde war auch von jeher das Wappen von Irland.

Die Pflege der Musik, die zum Beruf der Druiden gehört hatte, erhielt sich nach deren Vertreibung bei uns nicht bloß durch den Tellert, sondern auch durch den Baggert oder Backert. Das Wort hat nichts mit Beckert, dem Bäcker, zu tun, sondern stammt von bag = Sack. Der bei uns noch häufige Personenname Backert erinnert an den Dudelsack, das nationale Instrument der Kelten, das in Franken sich noch bis ins 18. Jahrhundert erhielt, heute noch bei den ländlichen Tanzmusiken in Irland und Wales gespielt wird und auch noch in England wie in Schottland gebräuchlich ist. Der Dudelsackpfeifer ist sogar der eigenartige Spielmann bei den schottischen Regimentern. Der Dudelsack heißt bei den Kelten Bagtell und bei den Engländern Bagpipe = Sackpfeife. Bei uns hat sich das Wort als Backpfeife für Ohrfeige (Ohrpfeife) erhalten, deren Wirkung manchmal in einer dem Dudelsack ähnlichen Schwellung des Backens besteht. Alle diese Worte sind stammlich verwandt. — Eine Ergänzung zum Tellert und Baggert war der Gäbert, Gebert oder Geipert, von dem Keltischen ins Englische übergegangenen Wort gab (sprich gäb), das schwätzen und fabulieren bedeutet und eine Verwandtschaft mit dem englischen Wort gay = fröhlich, lustig hat. Die Druiden erzogen ihr Volk nicht zu trübseligen Ohrenhängern, denen die Welt als ein Jammertal erschien, sondern ließen dem angeborenen Frohsinn der Leute sein Recht. Darum erscheint der Gäbert als der Spaßmacher, der Humorist, der durch drollige Einfälle, launige Späße, lustige Lieder, witzige Anekdoten und allerlei Zauberkünste seiner Umgebung einen munteren Zeitvertreib verschaffte. Der Name Gäbert und andere Namen keltischer Abkunft sind auch in Frankreich ebenso heimatberechtigt wie bei uns. Vielleicht in Erinnerung an die ursprüngliche Herkunft des Namens Gäbert legten die Franzosen ihrem berühmtesten Gelehrten des 10. Jahrhunderts, dem Bischof Gebert oder Gerbert, der als Papst den Namen Silvester II. (999-1003) führte, die Eigenschaft eines Zauberers bei und die Römer behaupteten gar, dass ihn der Teufel geholt habe. Der deutsche Gäbert hat sich bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts in den Spinnstuben unserer Frankendörfer erhalten, wurde aber samt den Spinnstuben durch die fanatischen Umtriebe, Hetzereien und Verfolgungen weltfremder Zeloten, die gegen den natürlichen Verkehr der Geschlechter maßlos eiferten und geiferten, ausgerottet. Durch die Zunahme der geheimen Sünden, widernatürlichen Laster und die traurigen Folgen des Weltkrieges (Heiratsflucht, Geburtenrückgang usw.) wurden jene verkehrten und übertriebenen Anschauungen gedämpft und allmählich wieder zur Vernunft und Natur zurückgeleitet. — Außer dem Gäbert sorgte in jeder Gemeinde ein Vollert (von fol, englisch fool) als Poltergeist und Auftreiber, namentlich bei Hochzeiten, für Spaß und Scherz, außerdem noch der Laffert (von laff), ein anderer Eulenspiegel, der die Leute zum Narren hielt.

Die Druiden übten auch die ärztliche Kunst aus, die sie wie alle ihre Wissenschaften mit dem Schleier des Geheimnisses umgaben. Nach der Vertreibung der Druiden sank der ärztliche Beruf zum Handwerk und Pfuschertum herab. Unter den Medizinmännern nahm der Beineinrichter, der die gebrochenen Glieder einrichtete, die erste Stelle ein. Er hieß Limbert, von dem keltischen Wort limb, das im Englischen zergliedern heißt. Für die inneren und Hautkrankheiten gebrauchten die Kelten die volkstümlichen Haus-, Sympathie- und Zaubermittel, von denen mancherlei noch heute gebraucht werden. Unter ihnen befanden sich außer dem Pfriemenkraut namentlich noch geistige und gärende Getränke. Eine hervorragende Bedeutung hatte das Gill (Erdefeu), wovon der Gilbert, der Apotheker, seinen Namen hatte. Aus den Blättern, Blüten und Fruchten des Gill wurde eine Universalmedizin bereitet und außerdem zu einer Universalsalbe verwendet, die bei uns noch bis ins 18. Jahrhundert gebraucht wurde. — Neben dem Menschenarzt erscheint der Tierarzt, der Lippert, der nicht bloß die Pferde und Schweine lippelte (beschnitt) und die Tierarzneikunde betrieb, sondern auch nach der alten Meinung „was für die Tiere gut ist, das kann auch für den Menschen gut sein“ die Menschen in die Kur nahm, sowohl gebrochene Glieder einrichtete, als auch Medizinen, Salben und Zaubertränke für Mann, Weib und Kind bereitete. Als Spezialarzt übte der Helfert (von help = helfen) als Geburtshelfer die ärztliche Praxis aus. Später ist aus ihm ein Helferich geworden. Für alle möglichen Gebresten des Leibes und Geistes wurde auch der Witschert oder Wütschert, der Hexenmeister oder Hexenbanner beigezogen. Der Wütschert kommt als Personennamen bei uns noch öfter vor, ohne dass Jemand eine Ahnung von seiner Herkunft hat. Er stammt nämlich von dem keltischen Wort Witsch ab, englisch witch, das noch heute die Hexe heißt. Was eine Witsch ist, das erzählt uns in Buchers „Karfreitagsprozession“ ein Pater Kapuziner: „Ist zu mir auch einmal eine gekommen und hat's gewagt und sich schon hinaufg'legt g'habt auf mich nach aller Schwere. Ich merk's aber, rumpl auf und gleich J. N. R. J. (im Namen Jesu) und nach dem Weihbrunnkrügel tappt. Witsch ist's draus g'wesen.“ — Bruder Berthold von Regensburg, der im 13. Jahrhundert seine Predigten niedergeschrieben hat, erwähnt neben dem Gickelvech (Gockelvieh) den Wütschenbrün (das Totenkäuzlein). Etwas später führt Konrad von Megenberg, der seinen Namen von seiner Geburtsstätte Mainberg oder Majenberg abgeleitet hat, in seiner Naturgeschichte, dem ersten deutsch geschriebenen Werk dieser Art, den Wütsch oder Wutsch als den Nachtvogel, Steineul, Strix oder Ama an, der bekanntlich heute noch von den abergläubischen Leuten als Totenkündiger gefürchtet wird. Das mittelalterliche Hausbuch nennt den gelbblühenden Ginster (Pfriemenkraut, Spartium) das Witschen, das stellenweise auch Hexenkraut genannt wird. Auf Besen aus Pfriemkraut fahren die Hexen in der Trudennacht — Walpurgisnacht, 1. Mai — aus und halten auf Kreuzwegen und gewissen Orten wie auf dem Blocksberg ihre Kränzchen und Tänze ab. Das junge Volk auf dem Lande pflegte bei diesem Anlass auf dem Kuhhorn zu tüten und mit der Geißel zu schnalzen, um die Unholden auszuplatschen. Eine aus der keltischen Zeit stammende Sitte, auf den Türschwellen, Türen und Bettstellen das Fünf- oder Sechseck — den Drudenfuß — anzubringen, um die bösen Geister und Hexen abzuhalten, ist bis heute geblieben. Nur wird seit längerer Zeit anstelle des Drudenfußes ein dreifaches Kreuz mit den Anfangsbuchstaben der Hl. drei Könige C. M. B. (Caspar, Melchior, Balthasar) angebracht. (Über das Fünf- oder Sechseck siehe Näheres in dem Kapitel über die Pythagoräer und ihre Zahlenmystik.)

In einem altvlamischen Volkslied, dem Toveressenlied (Zauberlied) wird der Hexenspuk geschildert. Darin kommt die Stelle vor:

Om middernacht by mondenscheen

Der Druiden lag oft zynen steen,

Daar kwam de jonckvrouw door den bosch

De rave kraayt, den uil vliegt los!

Zu Deutsch:

Um Mitternacht bei Mondenschein

Der Druide lag auf seinem Stein,

Da kam die Jungfrau durch den Busch,

Der Rabe krächzt, die Eul' fliegt husch!

Julius Cäsar hat uns wohl von den Druiden berichtet und ihren großen Einfluss angedeutet, aber sie nicht in Verbindung mit den Auswüchsen des Volksaberglaubens gebracht, denen nachher die Kelten und ihre Besitznachfolger verfallen sind. Das war die eine der bösen Folgen, die überall eintreten, wo die Intelligenz gewaltsam ausgeschaltet wird. Mit der Vertreibung der Druiden war anstelle des gebildeten Priestertums der Aberglaube, anstelle der wissenschaftlichen Bildung die Einbildung, anstelle der ärztlichen Kunst die Pfuscherei, anstelle des gesunden Menschenverstandes die Hexerei getreten. Während die orientalische Kirche von den zahlreichen Hexen-Prozessen und Massenbränden verschont blieb, mit denen die römische Kirche ihren Ruf schändete, hat ein französischer Bischof sogar die Jungfrau von Orleans, die Retterin des Vaterlandes und Nationalheilige, auf den Scheiterhaufen geliefert. Die meisten Opfer aber hat der Hexenwahn gerade in den Fürstentümern des ehemaligen Keltenlandes im ganzen Gebiet des Mains, insbesondere in der fränkischen Hauptstadt Würzburg gefordert, bis der Schwedenkönig Gustav Adolf 1631 dem abscheulichen Unfug und Unflat ein für allemal ein Ende machte. Auf den Hexenwahn trifft das Wort des Dichters Geibel zu:

Glaube, dem die Tür versagt,

Steigt als Aberglaub ins Fenster:

Wenn die Götter ihr verjagt,

Kommen die Gespenster.

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Das Erbe der Druiden

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