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Mein Leben:


Geistige Orientierung

Wenn ich meine Lebensintention auf eine Kurzformel bringen wollte, würde ich mich im Kern als religiösen Sucher bezeichnen. Die zentrale Devise meines Lebens ist in dem Satz Jesu enthalten: „Suchet zuerst das Reich Gottes, und alles andere wird euch dazugegeben werden.“ Da ich im katholischen Oberbayern aufgewachsen bin, war ich als Kind überzeugt, dass es eigentlich den meisten Menschen darum ging, denn das war ja die Botschaft Jesu. Die vielen Menschen, die in die Kirche gingen, würden wohl seiner Botschaft zu folgen versuchen, so dachte ich. Erst allmählich begriff ich, dass es den meisten recht ferne lag, die Botschaft Jesu so ernst zu nehmen und sie in ihrem Leben umzusetzen. Für mich stellte sich als junger Mensch konsequenterweise die Frage, ob ich diesen Weg nur in einem Kloster oder auch in einem normalen Leben verwirklichen kann und mir ahnte, dass man dem konkreten Leben nicht ausweichen dürfe, dass man seinen Glauben in diesem konkreten Lebensalltag unter Beweis stellen müsse.

So wird es nicht verwundern, dass ich als Beruf Religionslehrer wählte, eine Möglichkeit, die sich in den 60er Jahren erst allmählich für Laientheologen eröffnete.

Ich war wohl kein sehr guter katholischer Religionslehrer, jedenfalls nicht in den Augen der kirchlichen Obrigkeit. Schon früh (mit etwa 17 Jahren) beschäftigte ich mich mit Zen-Buddhismus, fühlte mich von Meister Eckehart angesprochen und später vom Taoismus. Mein Horizont war damit echt katholisch, das heißt allumfassend. Es ging mir ganz zentral um die unmittelbare Beziehung zu Gott, und Anleitungen dazu fand ich im Zen-Buddhismus mehr als im traditionellen Christentum. Sehr wohl aber fand ich im Neuen Testament gleiche Elemente, wie sie auch in anderen Religionen, gerade in den mystischen Richtungen, zu finden waren. Das „Es schießt“ von Eugen Herrigel in der „Kunst des Bogenschießens“ war für mich gleichbedeutend mit „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ eines Paulus. Diesen Zustand zu erreichen, war mir Lebensziel.

Ich bewunderte Zen-Schüler, die ihr Leben damit verbrachten, tagaus tagein vor einer Wand zu sitzen und sich dem Lösen von Koans zu widmen. Ich war überzeugt, dass es dabei um die Überwindung unseres normalen Denkens ging, dass ein Durchbruch zum wahren Sein nur erfolgen könnte, wenn das normale Bewusstsein überstiegen würde.

Mit Koans aber konnte ich mich nicht anfreunden, ich versuchte es mit Meditations- und Konzentrationsübungen und merkte, wie unfähig ich war, auch nur eine Sekunde „gedankenlos“ zu sein. Immer stand ich im Mittelpunkt des Handelns, ich war es, der die Absicht hatte, absichtslos zu werden und damit war immer ein Teil meines Geistes außerhalb. Es war immer ein Beobachter vorhanden, der mich anhielt, antrieb und mahnte, wohl das, was S. Freud als Über-Ich bezeichnen würde. Und der Beobachter stand immer außerhalb des Vorgangs und mir war klar, dass volle Konzentration nur zu erreichen war, wenn es keinen Beobachter mehr gäbe. Aber wie war das zu bewerkstelligen?

Psychologischer Hintergrund:

Ich bin sicher ein introvertierter Typ (nach C. G. Jung), d. h., mich interessierte das Innenleben viel mehr als das Außen, die Welt. Der Introvertierte ist sehr mit sich beschäftigt, die Welt und der andere Mensch interessieren ihn nicht wirklich. Ich kenne keine Untersuchung, die den Anteil der Introvertierten an der Schizophrenie aufzeigt; ich würde meinen, dass er sehr hoch ist. Der Introvertierte kennt die Tiefe; Oberflächlichkeit ist ihm verhasst. Die Welt und ihr Getriebe ängstigen ihn und bleiben ihm fremd. Genau das sind wichtige Kennzeichen in der Schizophrenie: Es sind in der Regel Menschen, die Probleme in der Sozialisation haben, die als Kind lieber allein spielen, sich zurückziehen und Einzelgänger sind. Sie fühlen sich fremd in dieser Welt.

In der Schizophrenie läuft der Betroffene aber Gefahr, von der Tiefe verschlungen zu werden. Seine Aufgabe ist es, in die Welt hinauszutreten, und das erfordert ein ungeheures Kämpfen.

Der Extravertierte lebt in der Welt und fühlt sich in ihr heimisch, aber ihm fehlt die Tiefe, das Leben bleibt oberflächlich. Ob daraus Schizophrenie entstehen kann, wäre mir interessant zu wissen.

Dass aus der Introversion Schizophrenie entsteht, scheint mir fast unausweichlich, da mit ihr eine starke Selbstbespiegelung Hand in Hand geht, eine nahezu ausschließliche Beschäftigung mit sich selbst.

Zunehmend merkte ich, wie sehr ich in allem um mich selbst kreiste und mir war von der Religion her klar, dass es genau darum ging, dieses Um-sich-selbst-Kreisen, diese Egozentriertheit, zu überwinden. Es dauerte lange, bis ich mir eingestand, dass ich in meinem Bemühen, den religiösen Weg zur Ichlosigkeit zu gehen, sehr ichhaft war, dass dies meine Weise war, das Ich zu leben und ins Spiel zu bringen. Ich wollte andere bekehren, war überzeugt davon, dass nur religiöses Leben richtiges Leben ist, und entdeckte, dass genau dies die Weise war, in der mein Ich zur Geltung kam.

Schizophrenie als Chance

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