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Vulnerabilität
ОглавлениеNahezu ein Hauptkennzeichen Schizophrener ist die Verletzlichkeit. Vulnerabilität ist eine Haupteigenschaft des Ichs. Da es keinen Halt hat, wie noch zu zeigen sein wird, wirkt jeder verbale Angriff, jede Kritik, jede Nichtbeachtung existenziell bedrohend. Jede kleinste Kritik verletzt; wenn Dinge nicht genau so sind, wie man sie sich vorstellt, z. B. dass jemand nicht pünktlich erscheint, wird es als Beleidigung empfunden und erregt einen zutiefst. Die Toleranz ist nahezu null. Wenn Dinge nicht genau der Vorstellung entsprechen, die man von ihnen hat, z. B. der Geschmack eines Gerichts oder die Farbe der Vorhänge, die die Frau gekauft hat, dann gerät man in äußerste Erregung. Ein schief hängendes Bild ist genau so unerträglich wie die Unordnung im Zimmer der Tochter. Selbst der eigene Verstand, der das vielleicht verurteilt, kann an der Erregung nichts ändern. Man ist nicht Herr darüber und auch das beunruhigt.
Ein verletzlicher Mensch gerät leicht in Panik, wenn sich die Dinge, die nicht seinen Vorstellungen entsprechen, häufen und er sich nicht in der Lage sieht, einzugreifen. Hier steht das Erleben der Ohnmacht im Vordergrund. Ohnmächtig zu sein, die Dinge geschehen lassen zu müssen ohne eingreifen zu können, ist einem verletzlichen Menschen unerträglich. Er gerät aus dem Gleichgewicht, wenn sich Ereignisse häufen, die über ihn hinwegrollen und in denen er sich als Rädchen in einem großen anonymen Getriebe erlebt. Der Mensch im Ich meint, alles selber machen zu müssen und ist dann überfordert, wenn er eine Fülle oft divergierenden Informationen nicht mehr ordnen kann. Das führt schließlich dazu, dass er „durch eine unbegrenzte Zahl nicht mehr zu verarbeitender Eindrücke überwältigt wird“ (Häfner, S. 250) Umgangssprachlich haben wir durchaus Ausdrücke dafür, wenn einem die Dinge über den Kopf wachsen, man also völlig kopflos umherrennt, was ebenfalls viele Menschen kennen, in der Schizophrenie aber zum Zusammenbruch führt.