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Das Ziel der Evolution

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Wenn man die evolutionäre Entwicklung betrachtet, dann ist unbestritten, dass eine zunehmende Komplexität stattgefunden hat. Am Anfang des Lebens stehen Einzeller, heute – am derzeitigen Ende der Evolution - liegt im menschlichen Gehirn ein hochkomplexes Gebilde vor. Viele Wissenschaftler weigern sich, von Höherentwicklung zu sprechen. Ich aber rede nicht als Wissenschaftler, sondern als Mensch, der lebenslang versucht hat, Welt, Mensch und Gott aus seiner eigenen Geschichte heraus zu verstehen. Von da her steht meine Auffassung in klarem Gegensatz zu der heute üblicherweise von Wissenschaftlern vertretenen Anschauung, dass „die Evolution von Zufallsereignissen angetrieben wird, dass sie kein Ziel verfolgt oder eine Richtung besitzt“ und „dass es zu keinem Zeitpunkt … so etwas wie eine Notwendigkeit (gab)“ (Metzinger 87) (Ich halte diese Aussagen wissenschaftlich nicht für verantwortlich, denn es ist kein Wissen, sondern lediglich eine Meinung!)

Ich bin überzeugt, dass das Unternehmen „Welt“ mit seiner Entwicklung des Lebens bis hin zum menschlichen Bewusstsein – nicht zur Gestalt des Menschen! – eine Sinnrichtung hat.

Und insofern ist es für mich unabweisbar, dass dem ganzen Kosmos (Kosmos heißt „Ordnung“) ein Plan innewohnt. Als Teilhard de Chardins Gedanken in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts bekannt wurden, war ich davon begeistert: Dass die Materie die Außenseite ist, die eine Innenseite hat, nämlich den Geist, der die Entwicklung der Materie vorantreibt, war für mich wie eine Offenbarung. Das hat mir zutiefst eingeleuchtet und ich bin heute noch von der Richtigkeit dieser Idee überzeugt. Dem ganzen materiellen Sein wohnt eine treibende Kraft inne, die die Entwicklung vorantreibt, ausgehend vom materiellen Sein zu den ersten Formen des Lebens, weiter zu Pflanzen, Tieren und dann zum Menschen. Aber auch dem Menschen wohnt immer noch diese vorantreibende Kraft inne. Es ist mit ihm noch nicht die letzte Entwicklungsstufe erreicht. Die derzeitige Entwicklungsstufe besteht in einem bewussten Leben als Ich. Bewusstes Leben gibt es schon in früheren Lebensformen, denn wenn sich ein Tier im Spiegel erkennt, liegt Bewusstsein vor. Aber das Ich-Sein, sich als eigenständiges, von anderen getrenntes Wesen zu erleben, gibt es vielleicht so erst beim Menschen. Jedenfalls ist es der Mensch wie kein anderes Lebewesen vor ihm, der durch sein Ich-Sein die Erde und beginnend auch den Weltraum zu beherrschen versucht. Ganz nach dem Bibelwort: „Machet euch die Erde untertan“, aufgeschrieben vor 3000 Jahren, hat der Mensch seinen Siegeszug angetreten und sich alles untertan gemacht. Das Ergebnis sehen wir heute. Der Mensch muss heute vor sich selbst Angst haben. Er sägt an dem Ast, auf dem er sitzt, und es wird spannend im Verlauf der nächsten Jahrzehnte, wohin das führt, ob er fähig ist, das Herunterfallen noch abzuwenden.

Den Grund für die Tragödie des Menschseins sehe ich in seinem Ich-Sein.

Aber dieses Ich-Sein sehe ich nicht als die letzte Stufe der Entwicklung an. Die Entwicklung treibt den Menschen weiter voran, sie treibt ihn über sein Ich-Sein hinaus; sie zwingt ihn, sein Ich-Sein hinter sich zu lassen, zu transzendieren. Die Transzendierung des Ichs ist aber nur möglich durch einen Zusammenbruch des Ichs. Diese nächste Stufe, die erreicht werden soll, wird von Teilhard de Chardin „Christogenese“ genannt, also das Hervortreten des Christus. Teilhard de Chardin war Jesuitenpater, er war Wissenschaftler und gläubiger Christ, deshalb nannte er die nächste Stufe in der Entwicklung Christogenese. Er hat in Jesus von Nazareth die Verwirklichung und Vorausnahme dieses neuen Entwicklungsschrittes gesehen. Ich möchte das erweitern: Ich sehe diese neue Entwicklungsstufe in einer Reihe von anderen Menschen ebenfalls erreicht: in Buddha, Lao-tse, Meister Eckhart, Rumi. Es sind Menschen, in denen sich die Transzendierung, also das Überschreiten, das Hinter-sich-Lassen des Ichs ereignet hat. Ich könnte auch heute lebende Menschen nennen, die aber nur solchen Leuten bekannt sind, die sich mit spiritueller Literatur befassen: Karl Renz, Rick Linchitz, Douglas Harding (der ist 1909 geboren und möglicherweise schon gestorben).

Welche Bewandtnis es mit der Transzendierung des Ichs hat, soll im Folgenden aufgezeigt werden.

Spiritualität - ganz ohne Spiritualität

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