Читать книгу "Den Schlippern keine Schnitte ... !" 2024: 55 Jahre Samtgemeinde Freren - Anton Wiechmann - Страница 10

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3. Gewachsene Ansprüche erfordern neue Formen der staatlichen Organisation - Die Intentionen der Gebiets- und Gemeindereform

Lobende Worte findet Karl-Heinz Brümmer, der erste Oberkreisdirektor des Landkreises Emsland für die Gemeindestruktur aus älteren Zeiten:

„Ich habe sie noch kennengelernt, die alten Bürgemeister, die sich hundertprozentig für ihre Gemeinde verantwortlich wußten. Diese Bürgermeister kannten ihre Gemeinde. Sie waren für die Bürger immer ansprechbar. Dienstzeiten gab es nicht. Dank noch von dieser Stelle an die alten Bürgermeister, die Hervorragendes für unsere Gesellschaft und unseren Staat geleistet haben.“

So schreibt er kurz vor seinem Tod im Jahr 1991 in einem 64-Seiten umfassenden Buch, das er selber nicht mehr herausgeben konnte und von seiner Frau vollendet werden musste9. Mit solch schmeichelhaften Zugeständnissen räumt er der „guten alten Zeit“, seinen Respekt ein, als das Gemeindebüro noch auf dem Schreibtisch im Wohnzimmer des Bürgermeisters Platz fand und die standesamtlichen Hochzeiten auf dem Sofa daneben vollzogen wurden.

Die Zeiten haben sich geändert, und die Ansprüche sind gestiegen. Kaum ein Haus wird heute bezogen, ohne dass vorher Spezialisten für Wand- und Deckengestaltung sowie für Inneneinrichtung und Beleuchtung eingesetzt worden sind. Arbeitsteilung, Spezialisierung und Professionalität hat auf allen Gebieten Einzug gehalten, weil überall auch erhöhte Ansprüche an die Qualität gestellt werden. Das gilt auch für die öffentliche Verwaltung. Auf Profession sind heute auch die Gemeinderäte und Bürgermeister der kleinen Gemeinden angewiesen, ohnedem könnte kaum ein verwaltungs- und gerichtsverwertbares Protokoll einer Ratssitzung zustande kommen. In nahezu jeder Sitzung der Gemeinderäte muss auf das Fachwissen der führenden Mitarbeiter der Samtgemeindeverwaltung zurückgegriffen werden. So ist in jeder Ratssitzung mindestens eine dieser Personen anwesend, manchmal zwei oder noch mehr.

Nach dem Wiederaufbau in der Nachkriegszeit und im Laufe der „Wirtschaftswunder“-Jahre ließen sich die Entwicklung des steigenden Wohlstands und damit die wachsenden Ansprüche voraussehen. Als erster brachte das der Karlsruher Juristentag im Jahr 1964 zum Ausdruck10.

„Vor allem die Probleme der Gemeinden des ländlichen Raumes standen dort im Mittelpunkt der Diskussion über die Kommunalreform. Der Göttinger Professor für Staats- und Kommunalwissenschaften Werner Weber, der später die Reformkommission in Niedersachsen leiten sollte, ging in seinem Beitrag der Frage nach: ´Entspricht die gegenwärtige kommunale Struktur den Anforderungen der Raumordnung?´“11

Im März 1965 stieg das Land Niedersachsen ein mit dem Auftrag an den Landesinnenminister, „unter dem Gesichtspunkt optimaler Leistungsfähigkeit Vorschläge für eine Verbesserung der Verwaltungsstruktur des Landes Niedersachsen, insbesondere für eine kommunale Gebietsreformzu erarbeiten.“12

Grob zusammengefasst kommt die daraufhin gebildete Kommission („Weber-Kommission“) zu folgenden Feststellungen:

• Wesentliche Zukunftsaufgaben, wie die Bauleitplanung, die Wasserversorgung, die Müll- und Abwasserbeseitigung, die Schaffung und Betreuung sozialer Einrichtungen, der Schulbau und der Sportstättenbau können von kleinen Gemeinden nicht bewältigt werden.

• Die Bevölkerungs- und Erwerbsstruktur wird sich in zunehmendem Maße verändern, weg von der Landwirtschaft hin zum handwerklichen und industriellen Bereich. Das bedeutet Landflucht der erwerbstätigen Bevölkerung, während alte und nicht mehr arbeitsfähige Menschen zurückbleiben.

• Die kleinen und kleinsten Gemeinden, die wegen mangelnder Gewerbestruktur auch finanziell ausbluten, können die gestiegenen Bedürfnisse der Bürger nicht mehr zufriedenstellen. Die Lebensqualität in den ländlichen Gebieten mit Bezug auf Daseinsvorsorge, Sport und Kultur wird im Vergleich zu den großen Städten abfallen. Die Gleichheit der Lebensverhältnisse ist nicht mehr gewährleistet. Das schon vorhandene Stadt-Land-Gefälle wird zunehmen.13

Es ging auch darum, „die Verwaltung in ihrem Gesamtgefüge zu reformieren“14, also um eine Reform im landesweiten Kontext und im überörtlichen Zusammenhang. Mit Blick auf die einzelne Gemeinde stellte sich damit die Aufgabe, einen Spagat zwischen zwei Antipoden zu bewerkstelligen. Einerseits mussten die 4218 Gemeinden in Niedersachsen zu Einheiten mit leistungsfähiger Größenordnung zusammengefasst werden. Immerhin fast die Hälfte davon verfügte über weniger als 500 Einwohner15. Andrerseits sollten dabei Bürgerbindung sowie Bürgernähe nicht zu kurz kommen und in bestmöglicher Weise erhalten werden. Es galt, das Optimum einer Gemeindestruktur herzustellen, die von der Größenordnung her in der Lage ist, sich den Herausforderungen des Strukturwandels zu stellen. Dabei sollten die gewohnten Bindungen der Bürger und ihre Beharrungstendenzen zu den hergebrachten Strukturen nicht zu sehr herausgefordert werden. Identifizierung sollte weiterhin möglich sein, so dass die Bürgerinnen und Bürger sich in ihrer Gemeinde wohl fühlen können.

Für die geographischen Verhältnisse im Bereich der heutigen Samtgemeinde Freren hätte das gut zur Bildung einer Einheitsgemeinde führen können. Mehr noch, die Stadt Freren mit ihren 5000 Einwohnern liegt in der Mitte. Die vier kleinen Gemeinden darum herum verfügen über Einwohnerzahlen von knapp 1000 bis unter 2000. Ihre Flächen grenzen alle direkt an das Gebiet der Stadt an. Die Entfernungen der Dorfzentren vom Zentrum Freren halten sich in einem mäßigen Rahmen. Damit bot sich eine Voraussetzung für die Bildung einer Einheitsgemeinde, die geradezu als geographisches Ideal angesehen werden kann. Und diese Form der Gemeinde wäre das bevorzugte Modell der Weber-Kommission gewesen. Und es wäre im Sinne des Karlsruher Juristentages wohl auch als das sinnvollste Modell anzusehen.

Heiner Schüpp über die Weber-Kommission:

„Sie sah in der einheitlichen kommunalen Verantwortlichkeit durch einen Rat und einen Hauptverwaltungsbeamten den geeigneten und leistungsfähigen Träger, der die gemeindlichen Aufgaben mit einem Höchstmaß an Effektivität erfüllen konnte.“16.

Und mit 10.000 Einwohnern insgesamt wäre eine „Einheitsgemeinde Stadt Freren“ immer noch von recht mäßiger Größenordnung gewesen.

Dass es dazu nicht kam, hat seine Gründe.

9Oberkreisdirektor Karl-Heinz Brümmer: Entstehung und Entwicklung des Landkreises Emsland. Hrsg. von Edith Brümmer im Eigenverlag (ohne ISBN) Lingen 1992 (weiterhin: Brümmer), S. 15-16

10Brümmer, S. 12;

11Schüpp, S. 528

12Brümmer, S. 12

13Vgl. Schüpp, S. 530, sowie: Verwaltungs- und Gebietsreform in Niedersachsen. Gutachten der Sachverständigenkommission (1969) (weiterhin: Sachverständigenkommission), S. 28-31

14Schüpp, S. 529

15Vgl. Schüpp, S. 530

16Schüpp, S. 530



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