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Kapitel 2 Olivia

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Während ich vor dem Spiegel in meinem Badezimmer stehe und mich für das Training der Nashville Defenders zurechtmache, schleichen sich die Erinnerungen an das vergangene Wochenende in mein Bewusstsein. Nachdem ich die Party verlassen hatte, nahm ich mir fest vor, keinen Gedanken mehr an Logan Carter zu verschwenden. Wie man sieht, ist mein Plan gescheitert, weshalb ich mich seufzend ergebe und das Geschehene nun zum zigtausendsten Mal Revue passieren lasse.

Über Jacobs Geburtstagseinladung hatte ich mich sehr gefreut. Vor allem, weil ich meine Mädels schon so lange nicht mehr gesehen hatte. Leider kommen unsere Treffen in der letzten Zeit viel zu kurz. Seitdem meine beste Freundin Addison mit dem Kapitän der Defenders, Mason Campbell, verheiratet ist und von ihm ein Kind erwartet, steht sie im Fokus der Öffentlichkeit und hetzt von einem Termin zum nächsten. Das Leben als Spielerfrau beansprucht sie mehr, als ursprünglich von ihr angenommen.

Harper und Amelia, ebenfalls sehr gute Freundinnen, schuften sich im Krankenhaus zu Tode, weil sie kurz vor ihrer Facharztprüfung stehen. Und Evelyn, unsere blonde Schönheit, hetzt von Casting zu Casting, um endlich den ganz großen Durchbruch als Model zu schaffen. Vor einer Weile, als wir alle noch Studentinnen waren und unsere Leben größtenteils aus Partys, Jungs und Vorlesungen bestand, war es wesentlich einfacher, unsere Termine unter einen Hut zu bekommen.

Da ich am Samstag ein paar Gläser Sekt zu viel intus hatte, seilte ich mich von unserer Clique ab, um einen klaren Kopf zu bekommen. Ich brauchte einen Moment zum Durchatmen. Von dem Alkohol, der mir an dem Abend sofort ins Blut übergangen war, wurde mir ganz schummerig zumute. Ich trinke nicht sehr oft und vor allem Sekt steigt mir immer sofort zu Kopf. Klüger wäre es, wenn ich künftig einen großen Bogen darum mache, doch er schmeckt einfach viel zu gut.

Wenn ich an die eigenartige Begegnung unter der großen Eiche abseits des Geschehens zurückdenke, läuft es mir noch immer abwechselnd heiß und kalt den Rücken herunter. Logan Carter, der fleischgewordene Traum vieler Frauen und Baseballgott der Nashville Defenders, hat mich vollkommen überrumpelt.

Um meine Schwindelgefühle in den Griff zu bekommen, suchte ich mir ein ruhiges Plätzchen, visierte einen Punkt in der Ferne an und versuchte mich auf meine Atmung zu konzentrieren, als plötzlich, wie aus dem Nichts, Logans Lippen auf meinen lagen. Ich erinnere mich noch schwach daran, dass er vorher mit mir sprach. Was er allerdings genau zu mir sagte, weiß ich nicht mehr. Vermutlich sind seine Worte aufgrund meines starken Schwipses an mir abgeprallt.

Jedoch möchte ich festhalten, dass es nie im Leben so weit gekommen wäre, wenn ich im vollständigen Besitz meiner geistigen Fähigkeiten gewesen wäre. Schließlich sind wir seit Neustem nicht nur Freunde, sondern auch Arbeitskollegen. Auch wenn ich ihn überaus attraktiv finde und schon seit einer Ewigkeit heimlich für ihn schwärme, habe ich meine Prinzipien. Ich würde niemals etwas mit einem Arbeitskollegen anfangen. Beziehungen oder Liebschaften im Job sind ein absolutes Tabu.

Vor sechs Monaten beendete ich mein Studium der Sportwissenschaften an der Vanderbilt University und schob direkt im Nachgang eine Weiterbildung im Bereich Physiotherapie hinterher. Als ich diese erfolgreich abgeschlossen hatte und nicht wusste, wie es nun jobtechnisch weitergehen sollte, war Addisons Ehemann so nett und legte ein gutes Wort für mich bei der Führungsebene der Defenders ein. Der Club suchte so schnell wie möglich einen Fitness- und Athletikcoach, da mein Vorgänger von heute auf morgen das Handtuch geworfen hatte. Ich malte mir überhaupt keine Chancen aus, als Mason mit dem Vorschlag um die Ecke kam. Auch dann nicht, als man mich zu einem Vorstellungsgespräch einlud. Ich war völlig von den Socken, als mir das Management einen Vertrag anbot. Mir ist klar, dass ich das Mason zu verdanken habe, der seinen Einfluss als Kapitän geltend gemacht hat.

Ich bin dem Verein wahnsinnig dankbar für diese einmalige Chance. Dieser Job ist mein ganz persönlicher Jackpot. Wenn ich meine Arbeit gut mache und sich das in der Branche herumspricht, kann ich mir einen Namen machen. Die Erfahrungen, die ich bei einem der Top Clubs der Liga sammeln kann, sind unbezahlbar.

Einziges Hindernis, das sich mir in den Weg stellen könnte, ist Logan. Seit einer Ewigkeit bin ich nun schon in ihn verknallt. Genauer gesagt, seit unserem Kennenlernen am College. Logan und sein Team waren am Campus unterwegs, um für den Sport zu werben. Als sich die Werbeveranstaltung dem Ende zuneigte, sprach Evelyn die Jungs an und lud sie zur abendlichen Studentenverbindungsparty ein. Wir alle hatten damit gerechnet, dass sie ausschlagen würden, doch taten sie das nicht. Seit diesem Abend sind wir zu einer großen Clique zusammengewachsen.

Vor meinem Arbeitsantritt bei den Defenders habe ich mir geschworen, dass ich mich abseits des Spielfelds von Logan fernhalte, ihm bei unseren Cliquentreffen soweit es eben geht aus dem Weg gehe und meine Gefühle für ihn unterdrücke, was mir zunehmend schwerer fällt. Ich habe geglaubt, dass ich mit „Aus den Augen, aus dem Sinn“ über ihn hinwegkomme. Das ist leider nicht passiert. Mein Verlangen nach ihm wächst mit jedem Tag etwas mehr.

Gott, zur Hölle mit mir und Logan Carter. Wieso spricht ausgerechnet er all meine Sinne an? Warum sind es die verbotenen Früchte, die so gut schmecken?

Vermutlich deswegen, weil er teuflisch attraktiv ist mit seinen dunkelbraunen Haaren, der stattlichen Größe von über zwei Metern, dem wahnsinnig muskulösen Körper, seinen tätowierten Armen und den unglaublich faszinierenden schokobraunen Augen. Wenn er mich damit anschaut, mich mit seinen Blicken gefangen nimmt, habe ich immer das Gefühl, er könne bis auf den Grund meiner Seele blicken.

Als er sich auf der Party direkt vor mir aufgebaut hatte, durchflutete mich augenblicklich ein angenehmes Gefühl des Kribbelns. Mit einem Mal stand mein ganzer Körper unter Hochspannung. Dieses Empfinden war so intensiv, so einnehmend, dass ich alles andere um mich herum, und auch das, was er zu mir sagte, ausblendete. Es war, als hätte es nur noch ihn und mich auf der Welt gegeben, und dieses Rauschen in meinen Ohren.

Meine Beine hinderten mich am Weggehen. Regungslos blieb ich stehen, gefangen in meinen Gefühlen, und schaute ihn an. Solange, bis er mich aus heiterem Himmel mit einem Kuss überfiel. In dem Moment, als sich unsere Lippen berührten, war es mir völlig egal, dass wir Arbeitskollegen sind. Verdammt, ich wollte nichts sehnlicher, als von ihm in Besitz genommen zu werden.

Erst behandelte er mich grob. So, als wolle er mich für irgendetwas bestrafen. Sein Mund lag hart und unnachgiebig auf meinem. Doch dann wurde er immer sanfter, beinahe einfühlsam, weshalb ich mich an seiner Lederjacke festklammerte und all meine unausgesprochenen, heimlichen Sehnsüchte in unseren Kuss legte. Logans warme, weiche, Lippen auf meinen zu spüren, war das Beste, was mir in meinen sechsundzwanzig Lebensjahren je wiederfahren ist. Ich gehe sogar so weit, zu behaupten, dass er einer der begnadetsten Küsser auf diesem Planeten ist.

Zu meiner Enttäuschung endete der Kuss keine zehn Sekunden später genauso abrupt, wie er begonnen hatte. Seufzend löste er sich von mir, schüttelte den Kopf, schob mich an den Schultern von sich und stapfte davon, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Völlig von der Rolle blieb ich allein zurück.

Schockiert und gleichzeitig im siebten Himmel angekommen, schloss ich die Augen und strich mir mit den Fingerspitzen über den Mund, die Lippen waren noch ganz feucht von unserem Kuss. Wie paralysiert lehnte ich mich gegen die Rinde des Baumes, atmete tief durch, um mein wildklopfendes Herz zu beruhigen, und dachte gleichzeitig über Logans Verhalten nach.

Jetzt, wo ich mich auf den Weg zum Training machen muss, ist mir etwas mulmig zumute. Auf der einen Seite freue ich mich darauf Logan wiederzusehen, doch auf der anderen habe ich Angst, dass dieser Kuss unser Arbeitsverhältnis beeinflusst. Da er regelrecht vor mir geflohen war, weiß ich auch gar nicht, wo wir im Moment stehen. Auch wenn ich seine Nähe über alle Maße genossen und mich unglaublich geborgen in seinen Armen gefühlt habe, ist mir dennoch bewusst, dass der Kuss ein Fehler war. Das darf sich nicht wiederholen.

Es wird demnach vermutlich das Beste sein, wenn ich aufhöre mir den Kopf über Logan zu zerbrechen und einfach so weitermache, wie davor. Vermutlich interpretiere ich viel zu viel in die Sache hinein.

Seufzend betrachte ich mein Spiegelbild. Meine Wangen sind gerötet. Allein der Gedanke an Logan, bringt mein Blut in Wallung. Aber das hat ab sofort ein Ende. Wir sind Freunde und basta.

Auf Makeup habe ich weitestgehend verzichtet, da es beim Schwitzen verläuft. Meiner Meinung nach gibt es nichts Unattraktiveres, als wie ein Waschbär auszusehen, weil Wimperntusche oder Lidstrich verschmiert sind. Meine Haare habe ich mir zu einem französischen Zopf geflochten und mir den Pony mit einer Haarklammer zur Seite weggesteckt, sodass meine hohe Stirn, die ich alles andere als sexy an mir finde, freiliegt.

Zufrieden mit meiner optischen Erscheinung, verlasse ich das Badezimmer und gehe in den Flur meiner kleinen, aber dennoch passablen Wohnung im Herzen Nashvilles. Etwas unter Zeitdruck, was für mich total unüblich ist, weil mir Pünktlichkeit unglaublich wichtig ist, schultere ich meine Sporttasche und verlasse das Apartment, um mich auf den Weg zur Bushaltestation zu machen. Bevor ich durch das Treppenhaus streife, überprüfe ich noch einmal gewissenhaft, ob ich die Tür zu meinen vier Wänden auch wirklich abgeschlossen habe. Ein Spleen, den ich wohl nie ablegen werde. Immer muss ich alles doppelt und dreifach kontrollieren. Meine Mädels machen sich regelmäßig über meinen Kontrollzwang lustig, aber so bin ich nun mal. Eine kleine Mrs. Monk.

Da ich im Stadtzentrum lebe, sind die Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel nur einen Steinwurf entfernt. Ich muss lediglich die Hauptstraße überqueren und schon bin ich am Ziel. Genau aus diesem Grund habe ich mir bis lang auch noch kein Auto zugelegt.

An der Jefferson Lane angekommen, muss ich nicht lange auf den Bus warten. Bereits nach wenigen Augenblicken stoppt er an der Haltestelle. Als sich die Türen öffnen, bedaure ich es etwas, dass ich kein Auto besitze. Die Leute stehen so dicht aneinandergedrängt, dass kaum mehr als ein Blatt Papier zwischen ihre Körper passt. Die Klimaanlage kommt wie üblich nicht gegen die Hitze des Sommers an, weswegen es nach Schweiß riecht.

„Augen zu und durch“, sage ich zu mir selbst und quetsche mich in den überfüllten Bus.

Eine gute halbe Stunde später erreiche ich das Außengelände der Defenders. Beim Pförtner, der das Grundstück bewacht und vor ungebetenen Besuchern schützt, zeige ich meinen Arbeitsausweis vor und eile dann in das Gebäude. Auf direktem Weg begebe ich mich zur Damenumkleide.

Dort angekommen, tausche ich Jeansshorts und Shirt gegen ein bequemes Sportoutfit ein und schlüpfe anschließend in geeignetes Schuhwerk. Darauf wird besonders viel Wert gelegt. Vermutlich deswegen, weil das Trainingsgrün mehr gekostet hat, als meine Eigentumswohnung samt Inventar.

Es sind sogar drei Mitarbeiter angestellt, die sich täglich um die Pflege des kostenbaren Rasens kümmern.

Auf dem Flur befinden sich Spinde, in die man seine Wertsachen wegsperren kann. Ich verstaue meine Klamotten in der Tasche, schultere sie und verlasse die Kabine. Nachdem ich die Tür zugezogen habe und mich zum Gehen abwenden möchte, rempelt mich jemand unsanft an.

„Ey, pass gefälligst auf, wo du hinläufst“, faucht mich eine mir fremde Frau an.

Wegen des Zusammenpralls ist mir die Tasche von der Schulter gerutscht. Da ich den Reißverschluss nicht zugezogen hatte, liegen jetzt meine Habseligkeiten auf dem Fußboden verteilt.

„Verdammt, Lindsey, was ist denn dein Problem? Du bist in Olivia hineingerasselt. Fahr deine Krallen ein und entschuldige dich bei ihr“, sagt William zu ihr, der zu uns gestoßen ist. Sofort geht er in die Hocke und sammelt meine Sachen auf.

Lindsey lacht kurz auf. „Wieso sollte ich?“ Fragend zieht sie eine Augenbraue in die Höhe, zuckt mit den Schultern und scheint sich keiner Schuld bewusst. „Wäre sie nicht blindlinks auf den Flur gestürmt, wäre der kleine Unfall sicherlich nicht passiert. Augen auf, Lady“, wendet sie sich zynisch an mich und verzieht genervt ihr puppenhaftes Gesicht.

„Meine Güte, was läuft nur falsch mit dir? Kannst du dich nicht einmal menschlich verhalten?“, möchte William wissen und überreicht mir meine Tasche. „Sorry, Liv, ich entschuldige mich stellvertretend für Lindsays schlechtes Benehmen bei dir. Vermutlich hat sie nicht gelernt, wie man das macht.“

„Musst du gerade sagen, William. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“ Ein triumphierendes Lächeln umspielt ihre Mundwinkel. William war bekannt, als der amtierende Bad Boy des Teams. „Du kannst von Glück sagen, dass du in der letzten Saison einer Suspendierung entkommen bist. Anstatt mir eine Moralpredigt zu halten, solltest du lieber die Klappe halten und vor deiner eigenen Haustür kehren. Wie hieß das kleine Flittchen noch gleich, mit der du in flagranti von einem Paparazzo auf dem Herrenklo im Restaurant erwischt wurdest? Hilf mir mal bitte auf die Sprünge, denn ich komm nicht drauf. Ach, egal.“ Sie winkt ab. „Gott, war das vielleicht ein Skandal. Herrlich, deine Nachlässigkeit hat mir damals echt den Tag versüßt.“ Damit lässt sie uns stehen und stolziert auf ihren High-Heels davon.

„Wow, sie scheint nicht gerade dein größter Fan zu sein“, witzele ich, um die frostige Stimmung ein wenig aufzulockern. „Danke für deine Unterstützung, William, aber das wäre nicht nötig gewesen. Ich habe vier ältere Brüder und musste sehr früh lernen, meine Ellenbogen einzusetzen.“ Wegen meines Kommentars lacht er. „Wer war das überhaupt? Ich habe sie noch nie zuvor gesehen. Gehört sie zur Crew?“

„Nein. Sollte man ihr einen Job anbieten, hänge ich meine Handschuhe an den Nagel. Du durftest soeben die reizende Bekanntschaft von Logans aktuellem Betthäschen machen.“

„Logan hat eine Freundin?“, bricht es unüberlegt aus mir heraus, wofür ich mir noch im selben Atemzug selbst ins Knie schießen möchte.

Was geht es mich an, ob er eine Beziehung führt? Absolut nichts. Hoffentlich klang meine Frage nicht allzu schockiert, denn ich kann es nicht gebrauchen, missverstanden zu werden und dass er denkt, ich hege Interesse an seinem Kumpel. Zumal der die größte Plaudertasche im Team ist. Vertraut man ihm ein Geheimnis an, weiß es hinterher jeder.

„Na ja, nicht direkt. Ich würde Lindsey nicht als seine Freundin betiteln, sondern eher als aktuelle Gespielin. Wir Jungs haben echt keinen Schimmer, was er an dieser Zicke findet. An ihrem freundlichen Wesen kann es definitiv nicht liegen, dass er sie noch immer datet. Meiner Meinung nach ist selbst eine Kakerlake ein angenehmerer Zeitgenosse, als sie.“ William wirft einen Blick auf seine Fitnessuhr. „Sorry, ich muss zusehen, dass ich auf den Platz komme. Wenn ich schon wieder zu spät zum Training erscheine, teert und federt der Coach mich. Wir sehen uns.“

„Überhaupt kein Problem. Ich komme sofort nach“, rufe ich ihm hinterher, als er sich bereits von mir entfernt.

Es ist schön mitanzusehen, wie William sich zu einem regelrechten Vorzeigespieler gemausert hat. In der Vergangenheit hat er eine Menge Mist verzapft. Wenn ich an die Wochen zurückdenke, in denen sein Fehltritt auf der Herrentoilette durch die Medien ging, läuft es mir noch immer eiskalt den Rücken herunter. Die Nummer auf dem Klo hätte ihn um ein Haar seine Karriere bei den Defenders gekostet. Umso glücklicher macht es mich, dass er sich nun wieder gefangen zu haben scheint.

Ich schließe meine Sachen weg. Seufzend massiere ich mir meine Schläfen, da ich ein wenig Kopfschmerzen habe, bevor ich mich auf den Weg nach draußen zum Trainingsplatz mache.

Seitdem ich weiß, dass Logan so etwas Ähnliches wie eine Freundin hat, ziehen immer wieder die Bilder unserer aufeinander krachenden Lippen an meinem geistigen Auge vorbei, doch ich möchte sie nicht mehr sehen. Ich gebe alles, um sie zu verdrängen.

Wie schon von mir gemutmaßt, habe ich dem Kuss viel zu viel Bedeutung geschenkt. Wahrscheinlich war Logan genauso angeheitert wie ich und hat schlichtweg die Kontrolle über sein Handeln verloren. Bestimmt kann er sich nicht einmal mehr an unser Aufeinandertreffen erinnern. Irgendwie stimmt mich diese Vorstellung traurig, auch wenn ich weiß, dass es das Beste ist, einen dicken Haken dahinter zu machen und keinen Gedanken mehr an ihn zu verschwenden.

Kurz bevor ich die Ausgangstür erreiche, sehe ich Logan und Lindsey vor dem Büro des Coaches stehen. Da uns nur wenige Meter trennen, kann ich erkennen, dass sie sich streiten. Logans Gesichtsausdruck ist wütend. Er gestikuliert aufgebracht mit den Händen. Auf seiner Stirn hat sich eine tiefe Furche gebildet, da er seine Augenbrauen zusammenzieht. Die Schultern sind angespannt und die Lippen geschürzt. Ich kann sehen, dass er nun die Hände zu Fäusten ballt und die Zähne aufeinander presst, so wie seine Kiefermuskulatur mahlt. Ich zwinge mich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, doch meine Beine machen mir einen Strich durch die Rechnung. Mit jedem Schritt, den ich mich den beiden nähere, verringere ich das Tempo.

Gott, was ist denn nur mit mir los? Wieso fällt es mir so schwer sie zu ignorieren, mich um meinen eigenen Kram zu kümmern und ihnen Privatsphäre geben? Was ist aus meiner Einstellung, meine Nase nicht in fremde Angelegenheiten zu stecken, geworden? Normalerweise bin ich überhaupt nicht neugierig und gönne jedem seinen Freiraum, doch bei Logan scheint sich meine Rationalität permanent in den Urlaub zu verabschieden. Sobald er in meiner Nähe ist, werfe ich all meine Prinzipien über Bord. Und das macht mir Sorgen.

Zur Hölle damit. Ich will wissen, weshalb die beiden sich streiten.

Ich gehe vorbei, nicke ihnen kurz zu und biege dann in die Damentoilette ein, die sich direkt neben dem Büro des Trainers befindet. Die Tür lasse ich einen spaltbreit offenstehen, damit ich das Wortgefecht mitverfolgen kann.

Ich schäme mich dafür, dass ich mich hier drin verstecke und sie belausche, weil sich das nicht gehört. Könnten mich meine Mädels so sehen, würden sie mir mit Sicherheit den Kopf waschen.

„Keine Ahnung, wie ich es überhaupt mit dir aushalte, Logan. Man sollte mir die Humanitarian Service Medal für meine Ausdauer und meine Geduld verleihen“, zickt Lindsey ihn an. „Ich könnte jeden haben. Verstehst du? Jeden.“

„Nein, mich könntest du garantiert nicht haben“, vernehme die Stimme von Noah Scott, einem von Logans Kumpels. „Ich stehe nämlich überhaupt nicht auf erpresserische Weiber.“

Komisch, wo kommt der denn her? Da ich nicht sehen kann, was sich auf dem Flur abspielt, denke ich, dass er an den beiden vorbeigehen wollte, sich dann aber in den Streit eingemischt hat. Würde Noah auf jeden Fall ähnlichsehen, denn er verfügt über einen extrem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und hat es sich zur Aufgabe gemacht, im Team für Harmonie zu sorgen.

„Boah, Noah, zieh Leine. Dich würde ich selbst dann nicht mit der Kneifzange anfassen, wenn du der letzte Mann auf diesem Planeten wärst“, faucht Lindsey ihn an. „Außerdem ist das hier eine Unterhaltung zwischen Erwachsenen. Die Kleinkinder treffen sich draußen im Bälleparadies. Also, hopp, hopp, verschwinde von hier oder du lernst mich von meiner ungemütlichen Seite kennen.“

„Echt jetzt? Du kannst noch eine Schippe drauflegen? Oh mein Gott, ich dachte, ich kenne bereits die komplette Bandbreite deiner Launen. Verdammt, da habe ich mich wohl geirrt. Aber in einem Punkt stimme ich dir zu. Ich verziehe mich lieber“, erwidert er. Noah scheint sich von den beiden zu entfernen, denn ich höre Schritte.

„Kannst du mir jetzt bitte endlich mal dein merkwürdiges Verhalten der letzten Tage erklären, Logan?“ Ungeduldig tippelt sie mir der Fußspitze auf die Fliesen. „Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Meine Nageldesignerin wartet auf mich. Du hast am Telefon gesagt, dass du dich bei mir meldest, aber bisher ist nichts dergleichen passiert. Vergebens wartete ich auf ein Lebenszeichen von dir. Stattdessen musste ich mal wieder die Initiative ergreifen, quer durch die Stadt fahren, den Pförtner mit meinen weiblichen Reizen bezirzen und dich zur Rede stellen. Meine Geduld ist am Ende. Also, ich höre.“

„Verdammt, Lindsey, du merkst echt gar nichts, oder?“, höre ich zum ersten Mal Logan sprechen. „Immer geht es nur um dich und deine Probleme. Tanze ich nicht nach deiner Pfeife, bist du eingeschnappt und machst ein riesen Fass auf. Mir reicht es. Wie oft muss ich dir noch sagen, dass es mir zurzeit nicht gut geht? Anstatt mir die Pistole auf die Brust zu setzen, solltest du Verständnis haben und meinen Wunsch nach etwas mehr Luft zum Atmen respektieren. Doch da verlange ich scheinbar Unmenschliches von dir.“ Logan schnaubt. „Am Wochenende hatte ich ausreichend Zeit, um mir meine Gedanken zu machen. Ich denke, dass es das Beste ist, wenn wir ab sofort getrennte Wege gehen und unsere Affäre beenden.“

„Das … das … das ist doch nicht dein Ernst?!“, stammelt sie und zieht lautstark die Luft ein. „Du machst nicht mit mir Schluss, Logan Carter. Wenn hier jemand verlassen wird, dann bist du das. Ich habe dich und deine Probleme satt. Ständig muss ich mir anhören, wie schlecht es dir geht. Weißt du eigentlich, wie abtörnend das ist? Ich wollte keine verweichlichte Pussy im Bett, sondern einen Mann.“

„Danke, für deine Offenheit, Lindsey. Wenn ich so ein Waschlappen bin, dann verzieh dich doch einfach.“

Die soeben Abservierte stößt ein verächtliches Schnauben aus. Kurz darauf klicken auch schon ihre dünnen Pfennigabsätze auf den Fliesen.

Was hat Logan damit gemeint, als er sagte, dass es ihm nicht gut geht? Ist er krank? Hat er Probleme?

Ersteres kann ich ausschließen, immerhin unterziehen sich die Jungs regelmäßigen Tests beim Mannschaftsarzt. Wäre dieser schlecht ausgefallen, wüsste ich davon. Zumindest besprechen wir alle Auffälligkeiten in unseren wöchentlichen Teamsitzungen. Es muss also etwas anderes sein, das ihm auf dem Herzen liegt. Nur was?

Selbstverständlich ist mir auch schon aufgefallen, dass Logan neuerdings immer öfter schlecht gelaunt ist und sich von uns distanziert. Doch es ist nicht das erste Mal, dass er phasenweise ein Tief hat. Außerdem hat jeder mal einen schlechten Tag.

Verdammt, ich bin im Moment echt ratlos, was ich tun soll. Soll ich ihn direkt darauf ansprechen, was bei ihm los ist oder es besser sein lassen? Ich meine, immerhin sind wir befreundet. Was ist verwerflich daran, wenn ich einen Freund wissen lasse, dass ich mich um sein Wohlbefinden sorge? Andererseits steht noch immer der Kuss zwischen uns. Doofe Zwickmühle.

Nur in einem Punkt bin ich mir sicher. Ich kann es kaum aushalten, dass es ihm nicht gut geht. Auch wenn ich es nie laut aussprechen würde, bedeutet Logan mir eine Menge. Er ist mir wichtig.

Da ich weiß, dass Addison den besten Draht von uns Frauen zu ihm hat, sollte ich vielleicht das Gespräch mit ihr suchen. Außerdem ist ihr Ehemann Logans bester Freund. Eventuell weiß sie, was ihm so zusetzt. Schaden kann es auf jeden Fall nicht. Tatenlos zusehen, wie Logan sich immer weiter in sein Schneckenhaus zurückzieht, ist für mich keine Option.

Mit diesem Plan im Hinterkopf fühle ich mich schon ein wenig behaglicher. Ich öffne die Tür und verlasse den Toilettenbereich. Zu meinem Glück steht Logan nicht mehr vor dem Büro des Trainers, denn ich wüsste momentan nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Zum einen wegen des Kusses und zum anderen wegen dem belauschten Gespräch.

Kurz bleibe ich auf dem menschenleeren Flur stehen, sammele mich und meine Gedanken, atme dabei ein paar Mal tief durch und mache mich dann auf den Weg nach draußen, um dem Training der Jungs beizuwohnen. Ich nehme mir ganz fest vor, dass ich mir nicht anmerken lasse, wie sehr mich die Sache mit Logan in Wahrheit beschäftigt.

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