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Teil I 1998 bis zur Wende Viktor Klimas letzter Satz

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Oktober 1998: Im Burgtheater präsentierten die Gebrüder Fellner1 ein neues Magazin: Format. Bundeskanzler Viktor Klima2 (SPÖ) assistierte.

Neulich, im Burgtheater, bei der Präsentation des neuen Nachrichtenmagazins Format. Der Kanzler stand auf dem Podium, sprach den Satz „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam“ und fügte hinzu, er finde das Zerschlagen nicht so gut, ihm seinerseits gefielen die Fellners, die seien mehr fürs Aufbauen. Ich verstand sofort, merkte aber gleich, dass Umstehende und Freunde unsicher über die Bedeutung dessen waren, was sie gerade gehört hatten.

Die erste Bedeutung war leicht zu kapieren. Der Kanzler sprach auf einem Medien-Fest. Das gehört zu jenen Sitten und Gebräuchen der Alpenrepublik, die man anderswo nicht versteht. Hier glaubt man, nur mit den Medien gemeinsam regieren zu können, weil man hier alles nur mit allen gemeinsam machen kann (außer mit dem einen, dessen Ablehnung aber ebenfalls wieder allen anderen gemeinsam ist3). Dass der abgewählte Helmut Kohl4 zum Beispiel seine Spiegel-Feindschaft bis zuletzt pflegte, hat ihm bei seiner Wählerschaft nicht geschadet; im Gegenteil, es hat ihm Kontur verliehen. Hierzulande hingegen werden bereits Präsentationen neuer Produkte von den Polit-Medienakteuren zelebriert wie Staatsakte, für die vorzugsweise Staatstheater zur Verfügung gestellt werden. Die zweite Bedeutung: Der Kanzler kanzelte mich ab. Wirklich? Das hätte vorausgesetzt, ich meinerseits wäre fürs Zerschlagen im Sinne von Zerstören. Mein nunmehr staatsaktfähiger letzter Satz geht aber bekanntlich darauf aus, dass durch gesellschaftsrechtlich korrektes Zerlegen (=Zerschlagen) eines in Österreich übermächtigen Medienverbundes Bedingungen eines fairen Wettbewerbs für alle anderen Marktteilnehmer hergestellt werden.

Ein Schelm, der beim Wort „zerschlagen“ anderes denkt. Der letzte Satz ist eine Forderung für faire mediale Wettbewerbs-Rahmenbedingungen. Mehr als einmal hatte ich die Ehre, dies hier klarzustellen und das staatliche Gewaltmonopol in Erinnerung zu rufen. Denkt man die Sache zu Ende, hat mich Klima in Wirklichkeit durch die Zitierung nicht nur hervorgehoben, sondern sogar bestärkt. In der Folge sagte er zum Beispiel: „Wettbewerb ist etwas, das Österreich verstärkt braucht, auch im Bereich der Medien!“

D’accord, darum geht’s. Realistisch betrachtet, geht es nur mehr darum, gleiche Bedingungen für den Wettbewerb deutscher Medien im Protektorat Österreich herzustellen. Österreichische Medien wird es im Printbereich kurzfristig, im elektronischen mittelfristig nicht mehr geben. In zweiter Linie wird es darum gehen, dem österreichischen Personal eine faire Mitsprachechance zu sichern (obwohl man sich um Medienösterreicher unter Deutschen angeblich wenig Sorgen machen muss). Drittens wird es Weltmarktbedingungen brauchen, damit internationales Medienkapital gegen deutsches antreten kann. Guten Morgen, Herr Gates5. Guten Morgen, Herr Murdoch6.

Ganz kurz habe ich den Satz des Lateiners Klima noch weitergedacht. Zerstören wollte der alte Cato Karthago. Warum wollte er das? Weil sich Rom von aufstrebenden, annähernd gleich starken Stadtstaaten im Mittelmeerraum bedroht sah: In Italien von Capua und Tarent, in Afrika vom aggressiven Karthago. Mit der karthagischen Macht wurden die anderen beiden Städte in einem Aufwischen weggefegt, ihre Bürger versklavt, ihr Eigentum verteilt. Die Basis des römische Weltreichs entstand auf den Trümmern dreier Städte. Zerstören ist Aufbauen.

Klima hielt also ein Plädoyer für Karthago, für den Mut, etwas Neues entstehen zu lassen, Elefanten über die Alpen zu schicken. Hannibal Klima? Das hieße doch: Cato ist Dichand7, die Mediaprint Rom. Der Kanzler hat gar nicht mich gemeint. Vielmehr rief er Cato zu, er solle seine aufstrebenden Konkurrenten nicht ruinieren! Er solle ablassen von seinem destruktiven Weltmachtstreben! In Wahrheit hat der Kanzler die Mediaprint kritisiert. Für diesen Mut ist ihm zu danken.

Er kann ja ernsthaft weder den Falter noch mich gemeint haben. Wir bauen schließlich selber auf. In unserer beharrlichen kontinuierlichen Weise haben wir es mit null Anfangskapital zu einem Verlag gebracht, der fünfzig Arbeitsplätze schafft und heuer hundert Millionen Schilling umsetzt; mit Zerschlagen allein wäre das schwerlich gegangen. Es stärkt uns aber sicher und ermuntert uns in unserer weiteren Arbeit, dass sich das offizielle Österreich hinter uns stellt!

In diesem Zusammenhang noch eine Anmerkung. Aus der Debatte um die Dummheit von Regierenden habe ich mich herausgehalten. Nun ist es Zeit für eine kleine Fußnote. Vor kurzem fand ich folgenden Satz von Goethe: „Es sind nur wenige, die den Sinn haben und zugleich zur Tat fähig sind. Der Sinn erweitert, aber lähmt, die Tat belebt, aber beschränkt.“ In der Tat! Je sensibler, kunstsinniger, empfindlicher einer ist, desto schwerer wird er sich tun, seinen Machersinn geradlinig zum Zug kommen zu lassen. Tatmenschen müssen zumindest in dem Sinn dumm sein, als sie bei ihren Taten den Feinsinn ausblenden, um den Barbaren in sich handeln lassen zu können. Melancholisches Grübeln, saturnisches Zögern gehen mit Zupacken, mit Machen schwer zusammen.

Es wäre ein Missverständnis, Tatmenschen deswegen für dumm zu halten: Sie folgen nicht ihrem Kunst-, sondern ihrem Machtsinn und könnten von ihrem Standpunkt aus mit gutem Recht jeden Künstler dumm nennen, was sie sich aus purer Machtintelligenz aber nicht gestatten. Genau diese Machtintelligenz blitzte in Klimas karthagisch-kathartischem Statement auf. Im Übrigen bin ich der Meinung, die Mediaprint muss zerschlagen werden.

Falter 41/98 vom 7.10.1998

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