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Dr. Haiders Pressestunde

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April 1999: Der Erfolg des FPÖ-Chefs Jörg Haider8 scheint unaufhaltsam. In einer ORF-„Pressestunde“ präsentierte er sich als kommender Machthaber.

Jetzt ist der Mann also Landeshauptmann von Kärnten und wird es bleiben. Sagt er. Niemand glaubt es ihm auch nur eine Sekunde lang. Denn es ist längst egal, was Haider sagt. Er hat schon so viel gesagt. So viel gesagt, was dem von ihm anderswo Gesagten widerspricht, dass es seine Gesprächspartner nicht einmal mehr der Mühe wert finden, es ihm vorzuhalten. Und wenn er einen Notariatsakt anlegte, dass er nichts mehr werden will: desto schlimmer für die Notare.

Was man über ihn sagt, hat also nie den Charakter einer Bilanz, höchstens den eines Zwischenresümees. Zu oft wurde er verabschiedet, zu oft ist er wieder aufgetaucht. Eines wird bei seinem Aufstieg gern übersehen: Nicht Haider ist in die Mitte der Gesellschaft gerückt, die gesellschaftlichen Koordinaten haben sich nach rechts verschoben. Nicht dass er sich gemäßigt hätte und jetzt kein Faschist mehr wäre. Nein, er hat sich modernisiert, und die Politik ist so weit nach rechts gedriftet, dass ihr auch moderne Faschisten in höchsten Ämtern kein Skandal mehr sind. Desto schlimmer für die Politik.

Die Politik, nicht die Gesellschaft ist nach rechts gerückt. „Die Gesellschaft“ gibt es sowieso nicht, höchstens Teilöffentlichkeiten. Wenn es so etwas wie gemeinschaftliche Einstellungen gibt, dann eher auf der Ebene von Reflex und Gespür und von Gefühlen. Das Feingefühl einer Gesellschaft beurteilt die Glaubwürdigkeit, die Intensität der politischen Leidenschaft eines Politikers ganz genau; was der dann will, ist sekundär. Haider will etwas. Das spüren die Leute und das billigen sie, denn sie sind der politischen Routineakte müde. Dass Haider die Macht will und die Demokratie gerade noch als Mittel gelten lässt, diesen Zweck zu erreichen, kümmert sie nicht. Desto schlimmer für die Demokratie.

Wo sind sie, ihre leidenschaftlichen Verteidiger? Sie haben sich in Kaninchen verwandelt, die in der „Pressestunde“ sitzen oder „Pressestunde“ schauen. Dort drin sitzt der Doktorhaider und tut so, als wäre er ein Staatsmann, nur weil er ein Hauptmann geworden ist. Was er tut und was er sagt, waren aber immer schon zwei Paar Schuhe: „Wir werden“, sagt er, „ihnen zeigen, wie man Wohnbaupolitik macht! Die Roten haben fünfzig Jahre lang Wohnbaupolitik gemacht, dann haben sie das Wohnbauressort fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.“ Sie sitzen und sie sagen nicht: Aber in Niederösterreich, da hat die FPÖ doch schon gezeigt, wie man Wohnbaupolitik macht, unter Ihrem Bundesvorsitz, Herr Doktor Haider! Erinnern Sie sich noch an Herrn Rosenstingl?9 Haben nicht Sie diesen Herrn und andere Fürsten der Wohnbaupolitik fallen lassen wie eine heiße Kartoffel?

Niemand sagt es. Desto schlimmer für die Journalisten.

Der Doktor Haider kündigt noch vieles an. Er pfeift zwar auf die EU, wird aber alle EU-Mechanismen nützen, um den Bund zur Raison zu bringen. Überhaupt alle demokratischen Mechanismen. Es gebe nämlich, erklärt Doktor Haider, ein einfaches demokratisches Prinzip in der EU: „Ober sticht Unter.“ Und das gefällt ihm, denn er ist jetzt Ober. Und wenn er wo mal Unter ist, dann erklärt er sich einfach zum Trumpf. Dann sticht halt Unter Ober. So sind sie, das Leben, das Kartenspiel und die Politik.

Und, wie gesagt, die Demokratie. Medien, heißt es, gehören auch dazu. Manche bekommen Presseförderung, damit sie ihr demokratisches Geschäft, die Bürgerschaft unabhängig zu informieren, besser erfüllen können. Daran kann man vieles kritisieren, dass hier die Falschen und auch die Reichen gefördert werden, dass nur Tageszeitungen viel Geld kriegen und so weiter. Doktor Haider sieht das pragmatischer. „Wenn Medien den Kinderscheck“ - sein teures Wahlzuckerl - „nicht unterstützen, werden wir uns bei der Presseförderung etwas einfallen lassen! Sie können ruhig gegen mich schreiben, aber sie brauchen nicht Mittel meines Landes dafür zu verwenden.“ Wer zahlt, schafft an. Dagegen immerhin meldete ein Diskutant, Profil-Chef Christian Rainer, Widerspruch an. Da wurde Haider deutlich. Er halte es für falsch, dass Bundeskanzler und Landeshauptmann „in die Redaktionsstuben hineinfördern“. Vor allem, wenn sie nichts herausbekommen. Lieber rede er, Haider, über Arbeitsplatzförderung. Und er halte es für „obszön, wenn Journalisten 250.000 Schilling verdienen und Kindern 5000 Schilling vorenthalten werden sollen“.

Abgesehen davon, dass Haider selbst obszön viel verdient und obszön viel davon der Steuer und damit den Kindern vorenthält, abgesehen davon, dass die Idee, statt Presseförderung Arbeitsplatzförderung zu setzen, nur den Konzernen nützen würde, abgesehen von der demagogischen Gesamtsauerei habe ich einen derart unverschämten Angriff auf die Meinungsfreiheit in Österreich noch nicht gehört.

Dass Haider dann der Frage, ob sich Milošević10 mit Hitler vergleichen lasse, auswich, verstand sich fast von selbst. Sich von Hitler öffentlich zu distanzieren ist nicht seine Sache. Da sind andere berufen. Schließlich hatte der Mann auch seine guten Seiten: Beschäftigungspolitik, Presseordnung, Autobahnen, Winterhilfswerk, Kinderscheck …

Den Kinderscheck nehme ich zurück. „Jeder ist historisch einmalig“, sagte Doktor Haider, und ich schließe mich ihm an. Als ich nach dieser „Pressestunde“ mit Freunden darüber redete, fanden sie, Haider habe „Kreide gefressen“. Da musste ich doch etwas schlucken. Die Wahrnehmung und die Sache sind zwei Paar Schuhe, aber wenn die erste versagt, geht auch die zweite drauf. Dennoch sage ich allen Mitwirkenden für diesmal herzlichen Dank, auch Ihnen, lieber Leserinnen und Leser, fürs Dabeisein, leider ist Ihre Lesezeit jetzt um. Im Übrigen bin ich der Meinung, die Mediaprint muss zerschlagen werden.

Falter 15/99 vom 14.4.1999

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