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Heil Lexer!
ОглавлениеReinhold Lexer hieß ein Kurzzeitparteiobmann der Kärntner ÖVP (1999–2000). Im Banne Jörg Haiders suchte seine dahinschwindende Partei nach Gegenstrategien.
Vor Jahren hörte ich einem Wiener Professor zu, der als Experte für das Ansehen Österreichs im Ausland galt. Zu viel Mozart, sagte dieser Mann. Sie kennen von uns nur Mozart. Die Trapp-Familie ist beliebt, kein Zweifel, aber hauptsächlich bei der älteren Generation. Nicht bei den Entscheidungsträgern! Den Machern! Den Investoren! Bekümmert blätterte der Fachmann in einer Statistik. Mozart und dann lange nichts, sagte er. Glauben Sie ja nicht, das spielt keine Rolle! Nur mit Lebensart und Gemütlichkeit kriegt man kaum Touristen, geschweige denn Investitionen ins Land! Es geht um den Standort!
Langsam redete er sich warm. Unsere Technik-Kompetenz wäre ja vorhanden, aber wir wissen nicht, wie wir sie denen verkaufen sollen. Niki Lauda? Vergessen Sie den! Der ist auch nur ein Minderheitenprogramm. Adolf Hitler! Das wäre was! Er wisse allerdings, fügte der Professor nach einer Pause hinzu, in der ihm der betretene Gesichtsausdruck seines Zuhörers aufgefallen war, auf Hitler – der ja zweifelsohne ein Österreicher gewesen sei – dürfe man nicht stolz sein.
Er selbst sei kein Nazi, das brauche er wohl nicht zu betonen. Aber wahr sei, was wahr bleibe: Der Russlandfeldzug, ja, die Aufrüstung zum Weltkrieg insgesamt sei doch eine logistische Leistung der Extraklasse gewesen! Wenn man sich werbetechnisch damit nur irgendwie schmücken könnte, wäre viel gewonnen …
Den verrückten Professor hatte ich bald vergessen. Jetzt, emporgewirbelt durch den Kärntner ÖVP-Pallawatsch, tauchte er wieder in meiner Erinnerung auf. Die ÖVP im Sommer wäre zweifellos ebenfalls eine eigene Studie wert. Die „richtige Sau“16 heißt heuer Adolf Hitler. Kaum hatte sich der neue Kärntner ÖVP-Obmann in seinem Sessel zurückgelehnt, begrüßte ihn ein sogenanntes Strategiepapier von 64 Seiten Umfang, das er auszugsweise in der Zeitung nachlesen konnte. Strategiepapiere von Parteien sind meist das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Beschäftigungstherapie für Funktionäre, wenn’s gut geht. Belastungsmaterial für die Presse, wenn man Pech hat.
Die ÖVP hatte Pech. „Vorbild Hitler“ titelte das Magazin Profil, das verdienstvollerweise die Schweinerei aufdeckte und nun das Recht der ersten Empörung lustvoll auskostete. Die Kärntner ÖVP hatte sich den deutschen Konservativen Günter Rohrmoser eingeladen, einen gestandenen Rechten, der Folgendes referierte: „Die Frage politischen Erfolges ist keine Frage der Quantität; um provokative Vorbilder zu bringen: Adolf Hitler war das siebente Mitglied der NSDAP … Mao Tse-tung war das zwölfte Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas … Wie groß die Bewegung am Anfang ist, ist für den in der Zukunft liegenden politischen Effekt völlig gleichgültig.“
Nun hat die Kärntner ÖVP zum Unterschied von Männern, die vor achtzig Jahren in Münchner oder Singapurer Hinterzimmern saßen, bereits eine kleine Vorgeschichte, sodass ihr „politischer Effekt“ eher in der Vergangenheit als in der Zukunft zu liegen droht. Der konservative deutsche Sozialphilosoph Rohrmoser17 spielte bei der ideologischen Vorbereitung der deutschen Wende von Brandt und Schmidt zu Kohl18 seine Rolle; den Kärntner Schwarzen empfiehlt er das für ihn wenig überraschende Rezept, nach rechts zu rücken, Künstler zu diffamieren („diese Schweinereien“, „diese Ungeheuerlichkeiten im Kolig-Saal“ – welche, sagt er nicht) und den Nationalismus aus der Mottenkiste zu holen.
Dann aber kommt’s: „Gemeinsame Partizipation muss mit Symbolen für alle gegenwärtig werden und von allen als Ausdruck dessen empfunden werden, was sie bewegt. Das ist die Wichtigkeit von Symbolen. Und das haben eben die Nazis in einer genialen Weise verstanden … Genau auf diesen (das Profil verbessert stillschweigend in ‚diesem‘) Punkt des rituellen Setzens von Symbolen und Darstellungen ist Hitler genial gewesen.“ Die armen ertappten ÖVPler jaulten auf in Distanzierungen aller Arten, als man ihnen das vorhielt. Der neue Parteiobmann war natürlich gerade am Klo, als Rohrmoser referierte und so weiter.
Dabei könnte bei dieser Passage bis auf den Namen Hitlers jeder moderne Polit-Marketingleiter mit. Worüber regen sich die Betroffenen auf?
Goebbels war ein genialer Regisseur, kein Zweifel. Hitler ein faszinierender Politikschauspieler. Das Stück hatte halt Schwächen, wie ja auch die Technologieoffensive seinerzeit zwar Jobsjobsjobs ohne Ende schuf, sich letztlich aber in der Gesamtkostenrechnung als etwas teuer erwies.
Rohrmoser ist mehr als ein verschrobener Professor! Aber er ist kein Nazi, nur ein bornierter Rechter. Das wirkliche Drama an dieser vorgeblichen Hitler-Affäre besteht darin, dass keiner merkt, wo das Problem liegt. Dass es nämlich einem Extremisten des Marketing wie Hitler darum ging, die Sphäre des Demokratisch-Politischen abzuschaffen. Diese Sphäre besteht in Öffentlichkeit und Verfassung, sie lebt von Diskussion und Argument. Stattdessen setzten die Marketingleute auf Faszination, also auf Überwältigung durch Bilder und Inszenierungen, auf die Aufhebung kritischer Distanz und auf die Ausschaltung der freien Meinungsbildung.
Das Problem ist nicht ein tolpatschiger Hitlerbezug, das Problem ist, dass niemand diesen Unterschied zu erkennen scheint. Was zu diskutieren wäre, sind die Unvereinbarkeiten zwischen Marketing und Politik. Dann könnte man auch darüber reden, ob die ÖVP den Vorschlägen Herrn Rohrmosers folgen und nach rechts driften oder sich mit der von Andreas Khol19 vorgeschlagenen Bürgergesellschaft schwer tun will. So bleibt der Eindruck einer „ordentlichen Beschäftigungspolitik“ der Kärntner ÖVP. Sie beschäftigt Kommentatoren wie mich. Im Übrigen bin ich der Meinung, die Mediaprint muss zerschlagen werden.
Falter 30/99 vom 28.7.1999