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2. Kapitel
ОглавлениеEs war kalt, und es schneite winzige Flocken, die so leicht wie Staub schienen. Die Schneekristalle fielen auf den gefrorenen Boden, hoben sich wieder, bildeten Wirbel, fielen wieder zurück auf die Erde, und sammelten sich in Ecken, wo sie vor dem Wind geschützt liegen blieben, und kleine Haufen bildeten.
Die dunkle Limousine fuhr auf den übersichtlichen, fast dreieckigen Parkplatz, und hielt dicht vor einer braunen Hecke, die jetzt im Winter weder Tier noch Mensch wirklichen Schutz bot.
Die Fahrertür öffnete sich, und Frank Kremer stieg aus. Er streckte sich, und zog den Kragen seines Mantels fester in seinen Nacken. Er war zuletzt vor sechs Monaten auf dem kleinen Friedhof in Hubbelrath gewesen, der direkt an der Hauptsrasse am Ortseingang lag. Er ging schnellen Schrittes auf den Eingang zu, als in der Ferne wieder die Glocken anfingen zu läuten.
Mit einem schnellen Blick auf seine Uhr, stellte er fest, dass es schon 11 Uhr war. Der Gottesdienst am Ostersonntag war jetzt bald beendet, und für eine kurze Zeit würden sich die Strassen wieder füllen, bis die Kirchgänger wieder in ihren behaglichen Behausungen angekommen waren, um mit ihren Familien gemeinsam zu feiern.
Er hatte schon am Morgen seinen Sohn Philipp besucht, und das Geschenk seiner Exfrau übergeben. Am Abend wollte Birgit, mit ihrem neuen Mann, und seinem Sohn, für eine Woche zum Skifahren nach Reit im Winkl fahren. Danach würde Philipp ein paar Tage bei ihm verbringen.
Der Kommissar war hier, im Oktober letzten Jahres, bei der Beerdigung von Karl Koenig gewesen. Er hatte die Mutter von Sarah so gut unterstützt wie er konnte. Trotzdem fühlte er sich immer noch schuldig, dass er damals nicht den Schützen aufgehalten hatte.
Carola Koenig hatte darauf bestanden, bei der Zeremonie im familiären Kreis zu bleiben, was vielen Politikern, und langjährigen Geschäftspartner missfallen hatte. Er hatte dafür gesorgt, dass die Trauerfeier ohne Fotografen und Promiauflauf statt fand, indem er den Bereich von Polizeikräften abschirmen lies. Eine der letzten Amtshandlungen vom damaligen Polizeipräsidenten Manfred Stoll. Carola hatte ihm damals gesagt, dass sie lange genug ihren Mann mit der Öffentlichkeit geteilt hätte, und nun wenigstens bei der Beerdigung einen letzten Augenblick mit ihrem Mann alleine sein wollte. Das konnte Frank nachvollziehen.
Er verlangsamte seine Schritte, die immer noch keine Spuren auf den gepflegten Wegen hinterließen, und suchte nach dem Grabstein der Familie Koenig, in einer der letzten Reihen auf der rechten Seite. Als er die Grabstätte erreichte, sah er, dass schon jemand an der Einfriedung stand, so wie er es gehofft hatte. Frank stellte sich dazu, steckte die Hände in die Manteltaschen, und schwieg. Die junge Frau mit engelsblondem Haar sah ihn kurz an, aber ihr Gesicht blieb unbewegt.
„Wer hat es dir gesagt?“
Der Kripobeamte kniff die Augen zusammen, als ob er dann die Möglichkeit hätte Gedanken lesen zu können.
„Freddie war so freundlich.“
Tatsächlich hatte er sich, mit dem Personenschützer der Familie Koenig, fast angefreundet, da er regelmäßig seine Besuche bei Carola gemacht hatte. Freddie hatte sich schwere Vorwürfe gemacht, dass er nicht da war, um die Familie zu beschützen. Auch Versuche, ihm die Schuldgefühle auszureden, halfen nichts. Der Bodyguard hatte lediglich geantwortet, „es
spielt keine Rolle, ob ich frei hatte, Herr Kremer, es war meine Aufgabe da zu sein, wenn es brenzlig wird. Ich hätte wissen müssen, dass eine Gefahr auf meinen Boss zukommt. Das war mein Job. Meine Routine hat die Katastrophe ausgelöst, aber das wird nie wieder passieren.“
Weitere Gespräche über diesen Tag hatten sie nicht geführt, aber Freddie war dankbar, dass er ab und zu vorbei kam, da die üblichen Freunde ausgeblieben waren, und sich auch keiner der ungebetenen Speichellecker, in die Nähe des Anwesens sehen lies.
Frank sah zu Sarah hinüber. Keine Träne floss über ihr Gesicht, und ihr Blick war starr auf den Grabstein ihres Vaters gerichtet. Sie musste schon eine Weile hier stehen, da sich um ihre Füße schon ein leichter Schneerand gebildet hatte.
„Die Meteorologen sagen, dass es das kälteste Osterfest ist, seit es Wetteraufzeichnungen in Deutschland gibt. Manche Experten glauben, dass es sich dabei schon um Auswirkungen des Klimawandels handeln könnte. Verrückt, nicht?“
Die Blondine sah ihn nicht an.
„Ich hätte nie gedacht, dass du soviel Fernsehen guckst. Es muss langweilig im Büro sein.“
Frank hatte nur versucht, das eisige Schweigen zu brechen. Er hatte Sarah jetzt Monate nicht gesehen, solange sie in der Schweiz in der Reha war, um ihren rechten Arm wieder voll funktionsfähig zu machen. Er hatte eine viele Fragen an seine Partnerin, aber er entschied sich, erst einmal bei den Fakten zu bleiben. Sie standen eine Weile still, und betrachteten den Granitblock, in den der Name des Milliardärs mit goldenen Lettern eingraviert war, und er suchte nach einem erneuten Gesprächsbeginn, war sich aber nicht mehr sicher, ob Sarah mit ihm sprechen wollte.
„Ich habe meinen Vater nicht wirklich gekannt, dass wird mir jetzt klar. Alles war nur eine Fassade für das Unternehmen. Seine Geschäftspartner wussten mehr über ihn, als ich. Wie konnte ich nur so naiv sein?“
Frank war dankbar, dass sie den Anfang gemacht hatte, und er den Versuch unternehmen konnte, ihr zu helfen.
„Ich glaube, dass dein Vater dich schützen wollte, zumindest in den letzten Jahren. Hätte er dem Killer nicht in die Beine getreten, wären wir sehr wahrscheinlich jetzt beide nicht mehr hier.“
Sarah blickte ihrem Partner fest in die Augen, und nickte fast unmerklich mit dem Kopf.
„Erzähl mir, was in den letzten Monaten geschehen ist. Fang bitte mit dem Krankenhaus an.“
Frank hatte vor der Einlieferung von Sarah, in die Klinik, keine greifbare Erinnerung. Alles war verschwommen in seinem Gedächtnis, aber er hatte in den Wochen danach alles rekonstruiert, so gut er konnte, und soweit es seine Behörde zugelassen hatte.
„Du hattest bei deiner Einlieferung in die Klinik fast die Hälfte deines Blutes verloren, und du warst fast sechs Minuten lang klinisch tot, aber das weißt du sicher schon.
Dein Vater kam in dieselbe Klinik, und die Ärzte haben alles versucht, aber er hat sein Bewusstsein nicht wieder erlangt. Freddie und ich haben euch abwechselnd bewacht, bis dein Vater in der Nacht verstorben ist. Danach haben wir uns darum gekümmert, dass du so schnell wie möglich stabil wirst, um dich außer Landes zu bringen. Freddie hat deinen Flug in die Schweiz begleitet, und ich habe hier die Polizistin Maria K. sterben lassen.“
Er machte eine Pause, damit Sarah die ersten Informationen verarbeiten konnte.
„Warum hast du das getan Frank, und wie zur Hölle hast du das hinbekommen? Man kann doch nicht einfach jemanden verschwinden lassen!“
Der Kriminologe überlegte kurz, und entschied sich dann, alles zu erzählen. Sie hatte ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren.
„Alles was ich dir jetzt erzähle, ist inoffiziell, und es wissen mit dir nur vier Personen davon.“ „Ich verstehe“, hauchte sie in die kalte Luft hinein.
„Nachdem du transportfähig warst, bin ich bei deiner Mutter gewesen, die sich von deinem Vater verabschiedet hat, bevor die Ärzte die Maschinen abgestellt haben. Nach allem Anschein nach, ist er höchstwahrscheinlich vergiftet worden. Wir haben eine leere Spritze in seinem Büro gefunden, aber niemand im Labor konnte feststellen, um was für eine Art Gift es sich gehandelt hatte. Von der Flüssigkeit selbst, war auch nicht mehr genug vorhanden, für eine Untersuchung, und auch bei der Analyse der Blutproben deines Vaters konnte keine Substanz gefunden werden, die Organversagen und Hirntot auslöst. Der Pathologe steht noch vor einem Rätsel.
Wie du weißt, ist dein Vater offiziell an Herzversagen gestorben, bei einem Überfall in seinem Haus. Dabei ist eine Polizistin erschossen worden, die auf eigene Faust in einem Fall ermittelt, und ihrerseits bei dem Schusswechsel den Einbrecher getötet hat. Ich war nicht im Dienst, sondern befand mich schon im Urlaub. Manfred Stoll hat mich gedeckt, allerdings nicht ganz freiwillig. Ich hatte ihm gedroht, seine Verbindung zu deinem Vater öffentlich zu machen. Einem Untersuchungsausschuss wollte er sich nicht stellen, der ihm zum Schluss die Pension gekostet hätte. Stoll hat sich sehr schnell entschieden, seinen Ruf zu retten, zumindest was davon übrig war, um anschließend aufgrund der fehlerhaften Untersuchung bei der „Soko Caravan“ zurückzutreten.
Wie er das mit dem Ministerpräsidenten geregelt hat, wollte ich dann nicht mehr wissen. Nachdem die Story stand, wollte ich mich um den Killer kümmern, aber der war schon, durch einen Fehler in den Unterlagen, zur Einäscherung freigegeben. Angeblich eine Personenverwechslung. Sein Fahrzeug ist ebenfalls vom Polizeigelände verschwunden, ohne jede Spur. Da war Freddie mit dir schon auf dem Weg in die Schweiz, mit dem Privatjet deines Vaters.
Das ist die Kurzversion der Geschichte. Bevor du mich das fragst. Natürlich waren das keine Zufälle, oder Bürokratenfehler. Jemand hat professionell hinter dem Attentäter aufgeräumt, aber offiziell, hat das alles Stoll auf seine Kappe genommen. Seitdem bin ich einigermaßen kaltgestellt in der Dienststelle, und habe nur noch administrative Aufgaben, aber keine eigenen Fälle mehr. Allerdings habe ich die Zeit nicht verschwendet, sondern versucht hinter den Kulissen weiter zu recherchieren. Es gibt ja immer noch ein paar Leute, die mir einen Gefallen schulden.“
Sarah hatte während des ganzen Monologes, in seine Augen gesehen, und richtete jetzt ihren Blick in den Himmel, als ob sie feststellen wollte, woher die Schneeflocken wirklich kamen.
„Hast du mit Jeffries vom FBI Kontakt gehabt?“
„Ja, aber die haben weder Benjamin Timm gefunden, noch konnten sie uns in dem Fall weiter helfen, da vom Killer weder Fingerabdrücke, DNA, oder gar Fotos existieren. Zudem gab es keinerlei Anhaltspunkte, wo sich Timm aufhalten könnte, oder ob er noch lebt. Da ist dann auch das FBI machtlos.“
Frank trat auf der Stelle, um die kalten Füße wieder warm zu bekommen, und wagte einen Versuch, seine Partnerin hier loszueisen.
„Lass uns zu deiner Mutter fahren, mir wird langsam kalt hier, und sie würde dich bestimmt gerne wieder sehen.“
Sarah schüttelte den Kopf.
„Ich kann jetzt nicht in das Haus, noch nicht. Lass uns zu mir fahren, und wir trinken einen Kaffee. Du warst ja sowieso noch nicht bei mir zu Hause, und ich brauche noch etwas Zeit zum Nachdenken. Vielleicht habe ich dann noch ein paar Fragen an dich“, fügte sie tonlos hinzu. Er nickte, und sie verließen den Friedhof in Richtung Parkplatz.
Frank umklammerte die Tasse mit beiden Händen, als ob er sich daran festhalten konnte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er stand vor der Balkontür in Sarahs Wohnung, und sah, wie die Sonne langsam hinter den dicken Schneewolken, im trüben Nachmittagslicht, versank. Unablässig schneite die weiße Pracht auf Düsseldorf nieder, und kaum ein Auto war jetzt unterwegs. Nach einer langen Unterhaltung, bei der seine Partnerin viele Fragen zu seinen privaten Ermittlungen gestellt hatte, herrschte jetzt schweigen. Der Fall war bereits vor Monaten an ein anderes Team übertragen worden, und die Rekonstruktion aller Fakten war schwierig.
Sarah kam aus der Küche, setzte sich auf die Kante des Esstisches, nippte an ihrem Tee, und sah, gemeinsam mit Frank, dem Schneefall zu.
„Das Essen ist gleich fertig. Möchtest du einen Rotwein zum Essen?“
Frank zuckte unsicher mit den Schultern, sah aber unentwegt aus dem Fenster. Er war nervös, jetzt wo der private Teil des Besuches anfing. Die Wohnung war gemütlich eingerichtet, die Böden waren aus Holz, und in einer Ecke des Wohnzimmers stand ein kleiner Ofen, den Sarah mit ein paar Holzscheiten zum Leben erweckt hatte, und von dem eine angenehme Wärme ausging.
Er wusste nicht, was er erwartet hatte. Eine kühle Atmosphäre mit Designer Möbeln, teuren Bildern an den Wänden, und Marmorböden? Nichts davon stimmte, alles war normal, wie man es sich selber vorstellen würde, und auch leisten konnte. Er kämpfte mit seinen Gefühlen, die eine andere Richtung einschlugen, als er es gewollt hatte. Seit Sarah in die Schweiz geflogen war, hatten sie keinen Kontakt gehabt, und er hatte sich eingeredet, dass seine Gefühle für seine Partnerin, nur eine Überkompensation für den nervenaufreibenden Fall waren. Ihm erschien es, als ob Sarah über die Monate der Abwesenheit gar nicht nachdachte, sondern da weiter machte, wo sie am Tag der Schießerei stehen geblieben waren.
„Such dir einen Wein aus, und öffne ihn schon mal für uns. Gläser findest du im Schrank neben dem Regal.“
Frank war froh eine Aufgabe zu haben, und suchte mit Akribie einen Wein aus, obwohl er nicht die geringste Ahnung davon hatte. Schließlich entschied er sich für einen italienischen Rotwein. Sarah kam in das Zimmer, und stellte ihre Teller auf den festlich gedeckten Tisch.
„Ich hoffe, dass ich ein gutes Tröpfchen ausgesucht habe.“
Sarah lächelte ihn an.
„Die sind alle gut, aber der Wein passt prima zum Lamm. Lass uns essen, bevor es kalt wird.“
Sie aßen stillschweigend, aber es war nicht unangenehm. Beide sahen sich unentwegt an, und es wirkte, als ob sie gegenseitig ihre Gedanken und Gefühle erraten wollten. Schließlich brach Sarah das Schweigen.
„Gleich kommt noch ein Klassiker im Fernsehen. Die Zehn Gebote, mit Charlton Heston. Den können wir doch gucken, und es uns auf dem Sofa bequem machen.“
Frank schnaufte zustimmend. Er schaltete nicht oft seinen Fernseher an, aber den Film kannte sogar er aus seinen Kindertagen. Sarahs Sofa war eines dieser gigantischen Dinger, die aussahen, als ob sie für Riesen gemacht worden waren. Für seinen Geschmack, sah es schon eher aus wie ein großes Bett, aber es konnte nicht Schaden sich ein bisschen berieseln zu lassen.
„Das Essen war ausgezeichnet. Ich hätte nicht gedacht, dass du so gut kochen kannst.“ Sarah sah Frank an, und zog die Stirn leicht in Falten.
„Ja, ich habe anscheinend verborgene Talente, die du noch nicht kennst. Aber ich kann dich beruhigen. Das Essen gab es jedes Jahr bei uns zu Hause, und das Rezept hat mir meine Mutter vor Jahren gegeben. Du siehst also, ich habe mein Pulver schon fast verschossen, aber ich überlebe.“
Sie zwinkerte ihm zu, und Frank hätte sich fast verschluckt, als er loslachen musste.
Nach dem Essen machten es sich die beiden auf dem Sofa gemütlich, bei einer Tasse Kaffee, und ein paar Keksen. Nach einer Weile war Sarah eingenickt, und ihr Kopf war auf die Schulter von Frank gerutscht, der es sich in der Ecke des Sofas bequem gemacht hatte. Er bewegte sich ein wenig, um Sarah nicht unsanft aus ihrem Schlummer zu wecken.
„Es ist schon spät“, flüsterte er, „und es ist wohl besser, ich fahre jetzt nach Hause, und lasse dich in Ruhe schlafen.“
Die Blondine machte die Augen nicht auf, aber antwortete mit leiser, schlaftrunkener Stimme.
„Bitte lass mich heute nicht alleine in der Wohnung, und bleib hier.“
Er wartete noch auf weitere Mitteilungen, aber außer tiefen, und ruhigen Atemzügen, hörte er nichts mehr von Sarah. Er zog eine der Decken von der Lehne des Sofas, und deckte sie, und sich, damit zu, und sah Charlton Heston weiter dabei zu, wie er den Pharao von Ägypten, und sein Heer, in das geteilte Rote Meer fahren ließ. Das waren noch Zeiten, als man Schurken so von der Bildfläche verschwinden lassen konnte, dachte er bei sich.
Frank erwachte, als die Wohnungstür ins Schloss fiel. Er konnte hören, wie sich Sarah in der Küche zu schaffen machte, und warf einen Blick auf seine Uhr. Es war schon 9 Uhr vorbei. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal so lange geschlafen hatte. In der Nacht war er hoch geschreckt, als der Fernseher von alleine ausgegangen war. Wahrscheinlich über eine Zeitschaltung. Sarah hatte noch geschlafen, und er hatte sie zugedeckt, ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht gestrichen, und war wieder fest eingeschlafen, bis jetzt.
Er rappelte sich langsam hoch, streckte sich, und setzte sich auf die Sofakante. Sarah war über den Flur in ihr Schlafzimmer gegangen, und wieder zurück in die kleine Küche. Sie kam nach wenigen Augenblicken in das große Wohn- und Esszimmer, und trug einen weißen Bademantel, wie es sie auch in den teuren Hotels gab.
„Guten Morgen, Schlafmütze. Ich hoffe du bist ausgeruht, und hast Lust auf ein üppiges Frühstück. Aber zuerst wird geduscht.“
Damit verschwand sie wieder im Flur, und huschte ins Badezimmer. Frank saß unschlüssig auf der Sofakante, und versuchte die Situation einzuordnen, als Sarah nach ihm rief.
„Kommst du?“
Er hatte immer noch seine Sachen von gestern an, stand jetzt aber auf, und steuerte in Zeitlupe das Badezimmer an. Er zog die Tür weiter auf, und wollte gerade den Raum betreten, als Sarah den Frotiermantel auszog. Er blieb wie angewurzelt stehen, als sie sich nach ihm um blickte.
„Willst du die Sachen anbehalten?“, fragte sie schnippisch.
Sie betrat die große, ebenerdige Dusche, und drehte das Wasser an. Aus einem riesigen Duschkopf strömte jetzt eine Art Dschungelregen, unter den sich die hoch gewachsene, schlanke Blondine stellte, nachdem die Temperatur zu passen schien. Sie ignorierte jetzt, dass er immer noch im Eingang stand, ließ aber die Kabine ein Stück offen stehen.
Frank kam langsam ins Bad, begann seine Sachen auszuziehen, und ordentlich über einen Stuhl zu hängen. Er stand mit dem Rücken zur Nasszelle, als er seinen Slip auszog, drehte sich dann um, und ging zur Dusche. Sarah sah hoch, und lächelte.
„Für einen Mann deines Alters, bist du noch gut in Form.“
Frank hatte einen trockenen Hals, und blieb eine Antwort schuldig. Er betrat die gläserne Kabine, und stellte sich vor Sarah, die nur wenig kleiner war als er. Er blickte ihr in die Augen, und sein Blick wanderte hinab, über ihren Oberkörper, bis zu der Narbe auf der rechten Seite ihres Brustkorbes, kurz unter ihrem Schlüsselbein. Er ließ seine Hand über der Narbe schweben, und sah Sarah dabei wieder in die Augen. Sie nickte, und schloss ihre Augen. Frank strich vorsichtig mit dem Zeigefinger über die verletzte Stelle, und Sarah erschauerte.
„Die haben wirklich gute Arbeit geleistet. Die Narbe ist fast nicht zu sehen, bis auf den dünnen, rosa Strich. Hast du noch Schmerzen?“
Sie schüttelte den Kopf, und machte wieder die Augen auf. Sie legte ihre Hände um seine Schultern, und schmiegte sich an ihn. Frank strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, und küsste sie auf die Lippen. Sarah entspannte sich, und erwiderte seine Zärtlichkeiten. Ihre Bewegungen waren eine perfekte Choreografie, wo es keine Unstimmigkeiten gab, was als nächstes geschehen sollte.
Sie seiften sich gegenseitig ein, küssten sich wieder, bis Sarah die Dusche abstellte. Frank angelte sich ein großes Handtuch vom Halter, trocknete sie ab, und legte sich dann das Badetuch um die Schultern. Er folgte ihr ins Schlafzimmer.
An der rechten Wand des Zimmers, stand ein großes Bett aus dunkelbraunem Holz, das vier mächtige Pfosten hatte, die annähernd zwei Meter hoch waren, und über die ein Baldachin gezogen war, der wie Vorhänge an den vier Seiten des Bettes herunterhing.
So hatte sich Frank immer Betten von Königen und Kaisern vorgestellt, zumindest im Mittelalter. Er drückte Sarah an sich, bewegte sie in Richtung Bett, und legte sie sanft auf die Bettdecke. Beide sahen sich fortwährend in die Augen, während ihre Hände das Liebesspiel begannen.
Den Vormittag verbrachten sie im Schlafzimmer, nur von einer kurzen Frühstückspause unterbrochen. Sie hatten seit der gemeinsamen Dusche kein Wort mehr miteinander gesprochen, lagen jetzt im Bett, und sahen zum Dachfenster hinaus, wo wieder der Schneefall eingesetzt hatte. Sarah hatte sich an seine Schulter gelegt, und streichelte seine muskulöse Brust.
„So habe ich mich seit meiner Jugend nicht mehr gefühlt.“
Sie sah ihm in die Augen.
„Wie denn, Frank?“
Er dachte einen Moment nach, wie er seine Gefühle in einem Wort zusammenfassen konnte, aber ein einziges Wort schien ihm nicht angemessen zu sein.
„Ich fühle mich, als ob mir mein Leben lang etwas gefehlt hätte, ohne das ich es wusste, und jetzt habe ich es gefunden. Jetzt fühle ich mich … vollkommen. Verstehst du mich?“
Sarah küsste ihn als Antwort zärtlich auf den Mund. Frank löste seine Lippen, und sah lange in ihre klaren, blauen Augen.
„Ich liebe dich Sarah.“
Die Blondine lächelte geheimnisvoll, wie die Mona Lisa auf Da Vincis Meisterwerk.
„Ja, ich weiß“, hauchte sie ihm auf die Lippen, „und ich liebe dich schon seit langem.“