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Warm-up

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- Er erwartete den Zimmerboy mit dem Aufruf zum Abendessen. Mit lauter Stimme rief er: Herein!

Zu seiner Überraschung betrat Isabelle bereits fertig für den Abendempfang gekleidet den Raum.

- Er erhob sich: Isabelle, du? Ich dachte, du wärest mit dem Empfang der anderen Gästen beschäftigt. Aber schön, dass du kommst. Vielleicht können wir noch etwas plaudern. Ich wüsste so gerne, wer sonst noch als Gast geladen ist.

- Wir haben noch etwas Zeit. Wir erwarten noch Familie Sämann. Sie haben eben aus dem Auto angerufen. Sie stecken irgendwo im Stau und werden sich etwas verspäten.

- Dann setze dich noch etwas zu mir. Wir könnten vor dem großen Ansturm der Gäste noch in Ruhe ein Glas Champagner leeren.

- Gern.

Sie setzte sich ihm gegenüber und schlug ihre Beine lässig übereinander. Sie hatte wirklich schöne Beine und wusste das. Sie schien vollkommen entspannt und war sich ihrer anziehenden Wirkung durchaus bewusst. Er öffnete die Flasche, die sich in dem silbernen Kühler befand. Vorsichtig schenkte er den perlenden Inhalt in die Gläser. Sie stießen auf einen erfolgreichen Abend an.

Er fand, dass sie an diesem Abend besonders gut aussah. Sie trug ein schwarzes, hautenges, etwas gewagtes Kleid, das ihre Figur vorteilhaft betonte. Obwohl er sie gut kannte, erfreute er sich immer wieder an ihrem Anblick. Er fand sie noch immer sehr sexy und freute sich auf den weiteren Abend. Er spürte, dass sie an diesem Abend noch Bedeutungsvolles erleben würden. Große Chancen und Herausforderungen erwarteten sie, wenn sie sich gemeinsam den Aufgaben stellen würden.

- In erster Linie war er begierig zu erfahren, wer zu diesem Abendessen eingeladen war. Er wollte neue interessante Leute kennenlernen, die für seine beruflichen Ambitionen wichtig sein könnten: Zunächst einmal herzlichen Dank für die Einladung, sagte er und blickte ihr lächelnd in die Augen. Diese strahlenden blauen Augen zogen ihn in seinen Bann. Ganz besonders in diesem Augenblick. Er hätte sie gern in den Arm genommen.

- Du musst dich nicht bei mir, sondern bei unserem Gastgeber bedanken, sagte sie mit freundlicher Zurückhaltung. Graf Ebersbach wird kommen, sobald der letzte Gast eingetroffen ist. Du solltest dich beeilen, wenn du ihn sprechen willst, denn er bleibt bei solchen Anlässen nie lange. Er ist sehr beschäftigt.

- Das versteht sich, aber ich gehe wohl recht in der Annahme, dass du bei der Auswahl der Gäste ein kräftiges Wort mitgeredet hast. Insoweit gebührt der Dank auch dir.

- Der Graf und ich entscheiden das gemeinsam. An erster Stelle rangieren unsere langjährigen Kunden, denen wir für die Treue zu unserem Hause zu Dank verpflichtet sind.

- Zu diesem erlesenen Kreis der Champagner-Kunden zähle ich nicht, sagte er mit gespielter Bescheidenheit, wobei es die Wahrheit war. Du wirst also ein anderes Motiv für meine Anwesenheit gefunden haben.

- Das stimmt schon. Aber der Graf hat mich auf dich angesprochen. Irgendjemand hat ihm von dir berichtet, dass du ein ausgezeichneter und erfolgreicher Berater seist. Und außerdem möchte er bei geselligen Veranstaltungen immer ledige Herren dabei haben, damit für die Damen etwas zum Flirten anwesend ist. Und da fiel die Wahl auf dich.

- Er zeigte sich an diesem Thema sehr interessiert und ließ den Champagner in seinem Glas kreisen: An welche Damen hätte er dabei in Sonderheit gedacht?

- Sie beobachtete ihn aufmerksam, denn sie wusste, dass er Interesse an schönen Frauen hatte: An erster Stelle wohl an Julia Sämann. Sie ist die Tochter des Seniorchefs der Sämann Firmengruppe. Chemisch-Pharmazeutische Werke, München.

- Er nickte: Eine charmante und gleichzeitig auch kompetente Frau.

- Du kennst sie? Woher? Isabelle war überrascht.

- Unsere Beratungsfirma hat vor ein paar Jahren einen Start-up-Wettbewerb für junge Biotech-Firmen ausgeschrieben. Sie war Grundlagenforscherin, hat nach dem Studium eine Firma gegründet und sich an dem Wettbewerb beteiligt. Wir haben sie mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Sie war in jeder Hinsicht die Beste von allen Bewerbern: Ihre Geschäftsidee war brillant, ihre Business-Pläne waren sorgfältig durchdacht und ausgefeilt. Ihre Präsentation war einfach super. Während dieser Zeit haben wir oft miteinander gesprochen. Und woher kennst du sie?

- Ich habe ihr junges Unternehmen mit Risikokapital versorgt, sagte Isabelle und strich sich mit der Hand durch ihr langes Haar. Ich kannte ihren Vater seit vielen Jahren, mit dem ich verschiedentlich auf dem Gebiet der steuersparenden Kapitalanlagen, wie zum Beispiel Bauherrenmodelle und Hedgefonds zusammengearbeitet habe.

- Das ist interessant. Ich freue mich, dass ich sie hier wiedersehe. Ich habe schon eine Weile nichts mehr von ihr gehört. Möchte gern wissen, was aus ihr und ihrer Firma geworden ist. Weißt du, was sie jetzt macht?

- Genau weiß ich es nicht, sie soll noch immer in der Arzneimittel-Forschung tätig sein. Ihr Vater sagt, sie lebe in Nicaragua. Dort habe sie ein Forschungsinstitut.

- Ist sie verheiratet?

- Nicht, dass ich wüsste. Es hat mich auch nicht sonderlich interessiert. Bei dir scheint das anders zu sein.

- Er wehrte ab: Reine Neugier. Ich möchte immer wissen, ob eine schöne Frau gebunden ist oder ob sie sich allein durchs Leben schlägt. Du kennst sie gut?

- Du scheinst noch im vorigen Jahrhundert zu leben. Heute braucht eine Frau keinen Ehemann, um erfolgreich zu sein. Im Gegenteil, ein Mann ist Frauen oft auf der Leiter nach oben im Wege.

- Man könnte sich gegenseitig helfen und sich stützen, wenn einer mal aus der Balance gerät.

- Mag sein, aber selbstbewusste Frauen kommen ganz gut allein zurecht. Zu dieser Gruppe gehört Julia. Ich kenne die Familie Sämann schon seit ein paar Jahren. Am besten den Senior: Wolfgang Sämann hat ein paar Geldanlagen zum Steuersparen mit meiner Hilfe gemacht. Es waren sehr erfolgreiche Investitionen. Er hat dabei gutes Geld verdient.

- Der Berater witterte eine Chance: Das klingt gut. Auf diesem Fundament ließe sich ein solides Gebäude errichten.

- Ich denke, du solltest dich mit Herrn Sämann unterhalten. Er ist ein sehr netter und umgänglicher Mann. Wir kennen uns seit vielen Jahren gut, er ist mein Patenonkel. Mein Vater war mit ihm befreundet. Jahrelang hatten wir kaum Kontakt. In den letzten Jahren habe ich mich verstärkt um ihn gekümmert, denn es geht ihm gesundheitlich nicht gut.

- Was fehlt ihm denn?

- Er leidet unter einer chronischen Nieren-Insuffizienz.

- Das ist eine heimtückische Krankheit. Warum wendet er sich nicht an seine Schwester oder an seine Tochter?

- Er versteht sich nicht besonders mit seiner Schwester. Er fürchtet, dass sie ihm nicht wirklich helfen würde. Ich glaube, er fürchtet sogar, dass sie in Wirklichkeit sein Ableben herbeisehnt. Er misstraut ihr. Und seine Tochter ist weit weg und kommt nur selten nach Deutschland.

- Kannst du ihm helfen?

- Ich glaube schon. Er leidet oft unter Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Atemnot, Ödemen und Schmerzen. Ich helfe ihm, so gut ich es kann. Zudem habe ich das Gefühl, dass er auch in seiner Firma Hilfe gebrauchen könnte. Es wäre mir recht, wenn du dort Fußfassen könntest.

- Ich will versuchen, sein Vertrauen zu gewinnen.

- Du solltest auch seine Schwester Ingrid kennenlernen. Sie ist die graue Eminenz im Hintergrund und spinnt die Fäden in der Familie.

- Was macht sie?

- Sie leitet das Elisabeth Krankenhaus. Es gehört zu der Sämann-Gruppe. An der Gruppe ist sie mit einem Drittel des Grundkapitals als Kommanditistin beteiligt.

- Das ist ein maßgeblicher Anteil. Was ist sie für ein Typ?

- Sie tritt betont jugendlich auf. Des Öfteren trägt sie Netzstrümpfe und ziemlich kurze Kleider. Nicht nur privat, auch in der Klinik.

- Ist die Kleidung in ihrer Position nicht etwas unpassend? Er versuchte sich eine nicht mehr ganz junge Ärztin im Minikleid und Netzstrümpfen vorzustellen. Mit dieser Vorstellung hatte er Schwierigkeiten.

- Man kann es unpassend nennen. Aber ihr gefällt es. Sie liebt die Aufmerksamkeit der anderen, besonders der Männer, und sie hat schöne Beine.

- Ist sie verheiratet? Das war eigentlich eine belanglose Frage. Und doch musste er sie stellen. Es war fast wie ein Reflex bei ihm. Er wollte seine Chancen erkunden.

- Nein, aber die ist nichts für dich, sagte sie leicht konsterniert.

- Warum? Ist sie gebunden?

- Ich kenne dich. Ich weiß, auf welche Art von Frauen du stehst. Du brauchst eine jüngere Frau, sagte sie und blickte ihn herausfordernd an.

- Du meinst, so eine wie Julia?

- Isabelle ging das Thema langsam auf die Nerven: Vielleicht, das könnte durchaus sein, aber auch sie ist nichts für dich.

- Du wirst immer etwas an anderen Frauen auszusetzen haben, die sich in meiner Reichweite befinden, sagte er unwirsch.

- Nicht unbedingt. Es kommt auf die Umstände an.

- Also, was ist mit Julia?, beharrte er. Ist sie noch in ihrer Firma tätig? Guido konzentrierte sich weiterhin auf sein Anliegen: Er wollte seine Chance nutzen, in die Interna der Firma einzudringen, und wissen, wo er den Hebel anzusetzen hatte. Und deshalb musste er wissen, welchen Wirkungskreis die anwesenden Personen hatten. Er unterschied sorgfältig zwischen Zeitverschwendern und für seine berufliche Karriere wichtigen Persönlichkeiten. Julia könnte in der Zwischenzeit durchaus zu einer wichtigen Persönlichkeit geworden sein, dachte er. Das Potenzial dazu hatte sie in jedem Fall.

- Nicht direkt. Aber sei vorsichtig. Sie ist keine Frau, die man so einfach im Sturm gewinnen kann. Sie ist wählerisch, selbstbewusst und wird eine steile Karriere machen. Jetzt leitet sie ein Forschungsinstitut.

- In der Firma ihres Vaters? Das war nun die für ihn entscheidende Frage: Musste er Julia gewinnen, wenn er für die Sämann Gruppe tätig werden wollte? Oder war sie nur für ihre eigene Firma tätig? Er musste mehr über die Interna der Familie erfahren. Was hielt die Familie zusammen? Wer verfolgte welche Interessen? Waren es nur finanzielle Interessen oder waren es persönliche Bindungen? Es würde nicht leicht sein, an diesem Abend die Antworten zu finden. Also müsste er versuchen, einen ersten Kontakt für weitere Gespräche herzustellen.

- Möglich. Man kann es nicht ausschließen. Es hängt davon ab, wie sich die Firma entwickelt.

- Du sprichst von ihrer eigenen Firma oder von der ihres Vaters? Diese Unterscheidung war für ihn wichtig.

- Von beiden. Wenn ich es recht verstanden habe, dann arbeiten die beiden Firmen auf bestimmten Gebieten zusammen. Sie arbeitet auch für die Klinik der Schwester. Sie haben gemeinsame Interessen. Sie entwickeln ein neues Medikament gegen die Niereninsuffizienz. Deshalb ist sie nach Nicaragua gegangen. In den dortigen Zuckerrohr-Plantagen ist diese Krankheit besonders weit verbreitet.

- Sagtest du nicht, dass Herr Sämann einen Sohn hat? Ist auch er in der Firma tätig? Kommt er auch zum Essen?

- Isabelle schien etwas ungehalten zu sein und nahm einen Schluck aus ihrem Glas, als wollte sie einen aufkommenden Ärger hinunterspülen: Sein Sohn Hinrich war auch eingeladen, sagte sie, aber er hat ohne Begründung abgesagt. Jedenfalls hat er mir keinen Grund genannt.

- Merkwürdig. Dann muss es etwas sehr Wichtiges gewesen sein. So eine Einladung schlägt man nicht grundlos aus.

- Sie zuckte mit den Schultern: Ich habe keine Ahnung. Ich kenne ihn wenig und kann ihn nicht beurteilen.

- Für Guido wurde die Situation immer unübersichtlicher: Wenn Julia in Nicaragua gebunden war, dann schied sie aus dem Kreis der Entscheider in der Sämann Gruppe aus. Er musste es herausfinden. Warum war Hinrich nicht gekommen? War er der Juniorchef, die graue Eminenz im Hintergrund? Wer würde die Firma künftig leiten? Lange Zeit würde der Alte die Firmenleitung nicht mehr behalten können. Aber Hinrich war nicht gekommen. Das verwunderte ihn sehr: So ein gesellschaftliches Ereignis sagt man nicht so einfach ab. Vor allem dann nicht, wenn man sich auf eine künftige Führungsaufgabe in einer bedeutenden Firma vorbereitet. Dazu gehören die sozialen Kontakte. Ohne Kontakte ist man einsam und verloren.

- Nicht alle schätzen den öffentlichen Auftritt so wie du. Der kleine Seitenhieb war nicht zu überhören.

- Er gab ihn zurück: In diesem Punkt stehen wir uns in nichts nach.

- Sie lenkte ab und nahm noch einen kühlen Schluck, sie wollte keine sinnlose Kontroverse über die Frage, wer von ihnen den stärkeren Hang zur öffentlichen Darstellung hatte. Besonders an diesem Abend nicht: Das Thema wollen wir jetzt nicht erörtern, sagte sie mit Bestimmtheit.

Guido war das nur recht und konzentrierte sich auf sein eigentliches Anliegen: Er wollte die Familie Sämann genauer kennenlernen, die er nur aus der Ferne kannte. Er wollte wissen, wo er den Hebel ansetzen musste, um seinem Ziel näher zu kommen: Ein Beratungsauftrag. Er wusste, dass der Sämann-Clan eine einflussreiche Unternehmerfamilie war. Er wollte wissen, was aus dem jungen Start-up-Unternehmen von Julia geworden war. Hatte er damals das richtige Gespür für Menschen und ihr Erfolgspotential gehabt? Er wollte sich bestätigt sehen und hatte noch ein anderes Ziel vor Augen: Er wollte CEO (Chief Executive Officer) in seiner Firma werden. Diese Position versprach ihm Einfluss in seiner Beratungsgesellschaft. Mit dieser Position würde in die ersten Kreise der Gesellschaft aufsteigen. Er könnte sich als Kunstmäzen, als anerkannter Sammler moderner Kunst und als gesuchter Sponsor auf Charity-Veranstaltungen präsentieren. Er würde vielleicht auch zum Kanzler- oder Präsidenten-Berater ernannt werden. Und dazu brauchte er noch ein paar weitere Aufträge. Er stand kurz vor dem ersehnten Ziel. Er gehörte zu dem engeren Führungskreis, aus dem sich der künftige CEO rekrutieren würde. Es galt, nach weiteren Chancen Ausschau zu halten. Sein besonderes Interesse richtete sich auf die anderen Gästen: Wen hast du sonst noch eingeladen? Kenne ich jemand?, erkundigte er sich.

- Gut möglich, aber du solltest möglichst alle Gäste kennen, wenn du in die einflussreichen Kreise unseres Landes eindringen willst. Da ist zum Beispiel Herr Doktor Pauli. Inhaber der Pauli-Gruppe, Maschinenbau, Chemische Erzeugnisse und Bekleidung, mit Sitz in Krefeld. Ein weit gefächertes Konglomerat von einzelnen Firmen.

- Den kenne ich. Zu seinem Firmen-Imperium gehört die Modefirma Kamper. Ich habe vor Jahren einen Beratungsauftrag für seine Firma durchgeführt. Meine Tätigkeit war sehr erfolgreich. Ich wurde am Ende meiner Beratung zum Generalbevollmächtigten der Kamper Gruppe bestellt. Das kam damals für mich als jungen Berater vollkommen überraschend. Es war eine ungewöhnliche Situation: Im Grunde ließ sich das mit meinen Aufgaben als Berater nur schlecht vereinbaren. Damals stellte ich mir vor, was passieren würde, wenn ich Entscheidungen träfe, die zu Schadenersatzansprüchen meines Klienten gegen mich führten. Aber mein mir damals vorgesetzter Partner beruhigte mich und riet mir, den Auftrag nach bestem Wissen und Gewissen durchzuziehen. In ganz kritischen Situationen könnte ich ihn zu Rate ziehen, sagte er. Aber es ging alles gut. Ich habe die Firma aus den damals bestehenden finanziellen Schwierigkeiten herausgeführt.

- Das klingt gut, dann könnt ihr von alten Zeiten plaudern und habt viele Anknüpfungspunkte. Sie war es zufrieden. Auf diese Weise brauchte sich Isabelle keine Gedanken um die Unterhaltung ihrer Gäste zu machen. Nichts fürchtete sie mehr, als eine gelangweilte Gesellschaft, die nichts mit sich selbst anzufangen wusste. Das Schlimmste war, wenn sich einer der Gäste zum Alleinunterhalter aufspielte, um längere Gesprächspausen zu überbrücken, und halbseidene Witze zu erzählen. Das kam tatsächlich gelegentlich vor besonders wenn Amerikaner anwesend waren. Unweigerlich passierte das, wenn einer aus dem Show-Business anwesend war. Er folgte dann dem unwiderstehlichen Drang, sich selbst zu inszenieren, was die anderen in die Rolle der unfreiwilligen Statisten drängte, die die Situation nicht immer als besonders prickelnd empfanden: Kommt Doktor Pauli allein?

- Nein. Seine Frau Johanna ist auch dabei. Sie soll mal seine Sekretärin gewesen sein. Jetzt leitet sie die Modegruppe seiner Firma.

- Ach, die? Ich kenne sie. Sie war damals unsere Team-Sekretärin. Eine sehr zuverlässige und auch charmante Frau, sagte Guido mit vielsagendem Lächeln. Sie hatte ihm oft geholfen, wenn es um eine Präsentation ging, und die Overheadfolien noch nicht fertig waren. Damals hatte er noch kein Team zu seiner Unterstützung.

- Offensichtlich in jeder Hinsicht eine erfolgreiche Frau, sagte Isabelle und fragte sich, ob er wohl etwas mit ihr gehabt hatte.

- Das wird sich herausstellen. Wer weiß, wie es der Firma heute geht. Jedenfalls bin ich gespannt, sie wiederzusehen. Sie wird sich verändert haben, schließlich sind seit unserem letzten Treffen gut zehn Jahre ins Land gegangen. Damals war sie sehr schlank und trug ihr schulterlanges Haar offen. Das stand ihr gut.

- Hoffentlich hat sie dich in guter Erinnerung behalten. Ihre Haare sind jetzt etwas graumeliert. Aber es steht ihr gut. Du bist auch nicht jünger geworden, sagte sie mit etwas anzüglichem Lächeln.

- Wie charmant du heute bist, sagte Guido, wir sind immer gut miteinander klargekommen. Sonst hatten wir keine engeren Berührungspunkte.

- Das hoffe ich sehr. Schließlich war sie eine Mitarbeiterin deines Klienten. Da wahrt man gehörigen Abstand, sagte Isabelle und sah ihm forschend in die Augen.

- Es gibt bei uns eine eiserne Regel: Don’t put your pen into your Company’s ink. Wir halten uns daran. Es hat sich in den Jahren nicht geändert. Das gehört zu unseren ethischen Standards. In diesem Punkt verstand er keinen Spaß und konzentrierte sich auf die Gästeliste.

- Du weißt jetzt, wer die wichtigsten Gäste sind, fuhr sie fort, denn das kritische Thema wollte sie nicht weiter vertiefen. Es bleibt noch ein weiterer Gast zu erwähnen: Es ist Horst Grünberg, ein Bekannter meines Ex. Er ist Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag. Du wirst ihn wahrscheinlich kennen.

- Das Tischtelefon läutete. Isabelle nahm den Hörer ab und ordnete sich gewohnheitsmäßig ihre Frisur. Eilfertig antwortete sie: Wir kommen sofort.

Sie erhoben sich aus ihren Sesseln und betrachteten sich noch einmal kritisch im großen Wandspiegel, der mit seinem reich geschnitzten barocken Rahmen das Entree zierte und bis zum Boden reichte. Isabelle kontrollierte noch einmal ihre Frisur und den Sitz ihres Kleides: Wie gefällt dir mein Kleid?

- Er betrachte sie aufmerksam und musste nicht schwindeln, denn sie sah wirklich bezaubernd aus: Es steht dir ausgezeichnet, sagte er. Und er erfreute sich an dem Anblick ihrer tadellosen Figur, die durch das gewagte Abendkleid besonders vorteilhaft zur Wirkung kam. Er fand, dass sie sich im Laufe der letzten Jahre zu ihrem Vorteil verändert hatte. Sie hatte leicht zugenommen und war etwas weiblicher geworden.

- Sie lächelte zufrieden, wendete sich ihm zu und rückte die Fliege an seinem Smoking-Hemd noch ein wenig zurecht, die etwas nachlässig auf halb acht zeigte. Zufrieden wandten sie sich zum Gehen und verschlossen die Tür sorgfältig hinter sich. Niemand sollte sich Zugang zu den persönlichen und vertraulichen Beratungsunterlagen verschaffen können. Das allerdings war eher unwahrscheinlich, denn alle Beschäftigten in dem Schloss waren auf Verschwiegenheit und Loyalität gegenüber dem Gastgeber und seinen Gästen verpflichtet. Eine routinemäßige Vorsichtsmaßnahme, auf die Konselmann nirgends und zu keiner Zeit verzichtete. Also auf in den Kampf!

Ein Kampf? Nein, eher ein Wettstreit um die beste Präsentation der eigenen Stärken. Darum ging es. Zu gewinnen war kein Preis, aber soziale Anerkennung und Prestige.

Das Doppelkonzert

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