Читать книгу Meister der Pyramiden - Artjom Maier - Страница 8
Kapitel 6
ОглавлениеMey hatte es nicht sehr weit von der Hütte des Meisters bis zu ihrem Roller den sie an einer nahen Straße abgestellt hatte. Langsam wurde es aber dunkel und sie war froh, dass Guan Tai mitgekommen war.
„Woher kennst du eigentlich den Onkel?“, fragte Guan Tai und brach die Schweigebarriere, die zwischen den beiden herrschte.
„Das ist eine etwas seltsame Geschichte.“
„Ich mag seltsame Geschichten.“
Mey schaute kurz nach hinten als ob sie überprüfen wollte, dass den beiden keiner folgte. „Meine Eltern sind vor einigen Jahren in die Stadt ausgewandert, um besser zu verdienen und ich blieb bei meiner Oma im Dorf. Meine Oma hat einen kleinen Obststand und lebt praktisch von dem, was sie selbst anbaut und verkauft. Ich helfe ihr natürlich aber damit wir etwas mehr Geld haben arbeite ich noch als Kellnerin in einem Restaurant. Die Geschäfte da laufen sehr gut, weil dort auch sehr viele Touristen essen. Eines Tages ist meine Oma sehr krank geworden. Um die Rechnungen für die Medizin zu begleichen musste ich also sehr viele Überstunden machen, meine Eltern haben leider auch nicht viel Geld übrig. Eines Abends, es hat ziemlich stark geregnet, war das Restaurant leer. Ich sah einen seltsamen Mann auf der Straße, der gar keine Schuhe trug und sich in Richtung unseres Restaurants begab. Er ging zu uns herein bat um etwas Reis und ging dann wieder. Irgendwie tat er mir leid, also folgte ich ihm und sagte ihm, er solle mit mir kommen, damit ich ihm Schuhe kaufen könnte. Er hat mich kurz angeschaut und folgte mir in einen nahegelegenen Laden. Ich hatte keine Ahnung, dass er sich ausgerechnet teure Markenschuhe aussuchen würde, aber ich wollte ihm dann doch den Gefallen tun“, erzählte sie lächelnd.
Auch Guan Tai musste lächeln.
Mey überlegte kurz, dann sprach sie weiter:
„Ich glaube es war gleich am nächsten Tag, da kam derselbe Mann, wieder ohne Schuhe, und fragte im Restaurant nach mir. Eine Kollegin hat mich gerufen und als ich rauskam sah ich einen Beutel voller Kräuter da liegen, der Mann war jedoch verschwunden. Ich wollte gleich wieder reingehen, aber plötzlich tauchte dieser Mann doch wieder auf.“
Mey schmunzelte.
„Er hat sich hinter einem Baum versteckt! Dann sagte er sowas wie: „Muss man dir denn das Offensichtliche erklären?! Die Kräuter sind für deine Großmutter!“ Mir stockte das Herz, woher wusste er von meiner Oma? Hat er mich verfolgt? Er kam näher und plötzlich bemerkte ich, dass er weder streng gerochen hatte noch irgendwie ungepflegt aussah, ich musste mich fast schämen weil ich am Abend zuvor angenommen hatte, dass er ein Obdachloser sei. Plötzlich wurde mir klar, dass er ein daoistischer Meister ist. Ich wusste es einfach!“
-Der Meister hat es dir mitgeteilt, so wie er mich hierherbestellt hat, er kommt eben ohne Worte aus, er hat einen starken Geist,- dachte Guan Tai.
„Ich stand also da und wusste nicht was ich als nächstes sagen soll. Der Mann deutete noch einmal auf den Beutel mit den Kräutern und ging. In dem Beutel lag noch ein Blatt Papier mit genauen Anweisungen wie man diese Kräuter dosiert. Als ich die Geschichte meiner Oma erzählt habe war, sie sehr froh über dieses Geschenk. Nach einer Woche ging es ihr bereits viel besser, nach zwei hat sie schon wieder im Garten gearbeitet und jetzt nach zwei Monaten ist sie fitter denn je, würde ich sagen.“
„Und wie ging’s dann weiter, wie hast du den Onkel kennengelernt?“
„Als ich meiner Oma diesen Daoisten beschrieben habe, hat sie gemeint sie kenne ihn. Schon als Kind will sie ihn gesehen haben und auch später in ihren 50ern und sie meint, dass er seit dem kein Jahr älter aussieht. Sie meint die Leute sagen er sei 200 Jahre alt!“, lachte Mey. Mit einem Mal wurde ihr Blick ernst und neugierig zugleich: „Ist er das?“
-Wenn du bloß wüsstest.-
Guan Tai lächelte, „die Leute reden viel!“
Mey und Guan Tai liefen mittlerweile sehr langsam.
„Ich wollte natürlich so einen echten daiostischen Meister kennenlernen, vor allem wollte ich mich für seine Hilfe bedanken. Ich bin dann in ein nahegelegenes Kloster gegangen und habe dort nach ihm gefragt. Keiner dort kannte ihn, aber als ich enttäuscht zurückging stand er plötzlich, wie aus dem nichts, vor mir. Ich habe angefangen mich herzlichst zu bedanken aber irgendwie rutschte mir ein Satz raus, den ich zuvor gar nicht sagen wollte. Ich fragte ihn, ob er mir das Dao erklären könnte! Er lachte und sagte mir ich solle morgen wieder kommen. Seitdem unterrichtet er mich ein wenig. Er zeigt mir einige Kräuter und wie man meditiert.“
Sie schaute auf Guan Tais Reaktion, weil es ihr peinlich war, vor jemandem zuzugeben, dass sie meditierte. Keine ihrer Freundinnen wusste davon. Guan Tai verzog jedoch keine Miene.
„Du siehst eigentlich ganz anders aus als ich es mir vorgestellt habe“, sagte Mey. Guan Tai war ziemlich groß und sehr sportlich gebaut. Seine Frisur war auch sehr modern, an den Seiten hatte er ganz kurzes Haar aber einen langen etwas zur Seite gelegten Scheitel. Sein Kinn sah muskulös aus und sein Blick war stets klar und fokussiert. Er trug weiße Turnschuhe zu einer hellen Jeans und einer schwarzen Lederjacke.
„Wie meinst du das?“
„Ich habe eben gedacht, dass ein Daoist, der du ja vermutlich bist, weil der Meister von dir oft als Schüler spricht, etwas…naja...“ Mey suchte die passenden Worte wollte es aber nicht weiter vertiefen, „...einfach anders aussieht.“
„Du meinst etwas weniger cool“, scherzte Guan Tai und bekam dafür von Mey einen leichten Schlag auf die Schulter.
„Also, wenn der Meister 200 Jahre alt ist und er jedoch gleichzeitig dein Onkel ist, musst du auch schon ziemlich alt sein!“, scherzte Mey.
„Alt! Ich bin erst 27.“
„Hum. Und was machst du sonst so?“
„Zurzeit studiere ich.“
„Du studierst, bist du nicht schon etwas zu alt dafür?“, machte Mey mit ihren Späßen weiter.
Guan Tai lächelte verlegen. „Ich bin auf einer Kung Fu Schule aufgewachsen. Seit meinem 8. Lebensjahr habe ich in der Nähe des Shaolin Tempels trainiert, später dann in Wuhan und in den Ferien kam ich oft den Onkel besuchen, der mich auch trainiert hat. Als ich die Schule verließ wollte ich unbedingt Action Star werden und ging nach Hongkong um mich dort als Stuntman zu versuchen. Der Job führt aber zwangsläufig zu Verletzungen und ich stellte fest, dass das Film Business doch nichts für mich ist. Ich habe dann sogar mit dem Gedanken gespielt das Dao zu studieren und Mönch zu werden. Mein Vater fand diese Idee aber nicht besonders gut und schlug mir vor ich solle Trainer werden oder zur Polizei gehen. Aber am liebsten wäre es ihm, wenn ich studiert hätte. Eines Tages stand dann in Wuhan der Onkel vor meiner Tür. Ich erzählte ihm von meinen unglücklichen Ausflug ins Filmgeschäft und dass ich überhaupt nichts mit dem Leben anzufangen weiß. Ich dachte er würde mich bei meinem Vorhaben Mönch zu werden unterstützen, aber das tat er nicht. Er sagte damals: Guan Tai, das Leben eines Mönchs ist nichts für dich, zumindest vorerst nicht. Dein Leben ist die Kampfkunst und Sport. Kannst du das nicht weiter studieren? Ich sagte erst mal nichts, später am Abend fiel mir jedoch ein, dass es in Wuhan eine sehr gute Universität gibt, wo man tatsächlich Sport studieren kann. Und das mach ich jetzt seit einem Jahr. Ich bin tatsächlich einer der ältesten dort aber ich kann dafür auch sagen: der in dem Film dort, der vom Dach stürzt oder der brennt, das bin ich.“
Mey lächelte. „Also bist du zufrieden?“ Sie blickte nach vorne, nicht weit von den beiden entfernt stand ein rosafarbener Roller.
„Ja, ich denke im Moment ist es das Richtige für mich.“
„Das ist toll!“
Mey blieb vor dem Roller stehen.
„Wir sind da, dort steht mein Roller.“
Guan Tai begutachtete den Roller.
„Rosa, was?“
„Der ist süß, nicht wahr?“
„Kommst du nochmal hierher um den Onkel zu besuchen?“, fragte Guan Tai.
„Irgendwann die Woche noch.“
Mey stieg auf ihren Roller.
„Sag mal ist der Meister wirklich dein Onkel?“
„Nun ja, wir sind verwandt, es ist etwas kompliziert“, Guan Tai´s Antwort klang zwar nach einer Ausrede, aber Mey hakte nicht weiter nach. Sie startete den Roller, verabschiedete sich und dankte für die Begleitung. Dann fuhr sie los.
„Du hast das Licht vergessen!“, rief Guan Tai hinterher. Das Licht ging an und Mey winkte und lächelte Guan Tai zu.