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Kapitel 7
ОглавлениеWenn man keinen Fernseher hat und gerade keine Freunde da sind, wenn man nicht einmal Strom hat, um Licht einzuschalten und ein Buch zu lesen, dann geht man ziemlich früh ins Bett. Genau das tat Guan Tai nachdem er wieder in der Hütte angekommen war. Im Dunkeln machte er noch einige Kung Fu und Qigong Übungen und ging schon bald darauf schlafen. Am nächsten Tag holten die ersten Sonnenstrahlen den jungen Mann sehr früh aus den Federn. Er stand auf und machte gähnend einige Boxhiebe in die Luft, eine Art Morgentraining. Jedoch hörte er nach fünf, sechs, Hieben wieder auf und ging aus der Hütte geradewegs zu dem kleinen Bach, der nicht weit von der Eingangstür gemächlich dahin floss. Guan Tai wusch sich sein Gesicht mit dem kristallklaren Wasser, welches so klar und so frisch schien, dass es eine Schande wäre nicht davon zu trinken. Und es schmeckte köstlich, Guan Tai konnte nicht genug davon kriegen. Er spürte wie dieses Wasser seinen ganzen Körper wach und stark machte. Ja, das Wasser machte ihn richtig munter so dass er doch noch Lust verspürte sein morgendliches Training weiter zu führen.
Auf einmal hörte er Schritte und das Rascheln von Kleidung hinter sich. Als er sich umdrehte sah er seinen Meister, der sich ihm näherte. Er sah aus wie immer. Dichtes dunkles Haar, buschige Augenbrauen, eine breite Nase und ein weiser Blick. -Er sieht kaum älter aus als 40, wie macht er das?-
„Onkel!“, rief er voller Freude darüber den Mann zu sehen.
„Guan Tai“, der Meister packte Guan Tai mit beiden Händen an den Schultern und lächelte sanft, „wie geht es dir!?“
„Alles ist in Ordnung! Wieso hast du dieses Gewand an?“ Guan Tai sah den Meister meistens in ganz normaler Kleidung, doch heute trug er eine lange gelbe Robe und eine schwarze Kopfbedeckung. Das Gewand eines daoistischen Magiers.
„Später“, entgegnete der Meister. „Komm gehen wir ins Haus“, er setzte sich in Bewegung und ging auf die Hütte zu. Guan Tai folgte ihm. Als der Meister die Hütte betrat, legte er eine Stofftasche ab die vor gelben Zetteln überzuquellen schien. Guan Tai folgte der Handbewegung des Meisters mit seinem Blick und wunderte sich ein wenig über das, was er in der Tasche sah.
„Wie läuft dein Training?“, wollte der Meister schließlich wissen.
„Sehr gut!“, sagte der Schüler munter.
„Und meditierst du auch täglich?“
Guan Tai zögerte etwas und kratzte sich am Kopf. „Täglich wäre etwas übertrieben…“
„Das ist schade“, unterbrach der Meister, „aber bald wird sich das wahrscheinlich ändern. Du weißt ja, dass du nur durch einen starken Geist, einen starken Körper haben kannst. Nur der Geist lässt dich weitermachen wenn die Muskeln zittern und nicht mehr können.“
Guan Tai nickte und zeigte sich einsichtig. Beide schwiegen einen kurzen Moment. Schließlich sollte die kleine Unterweisung des Meisters sich setzen. „Und wie geht’s dir Onkel?“, brauch Guan Tai das schweigen.
Der Meiste lächelte und setzte sich auf den Holzstuhl. „Gut, sehr gut! Mein Geist hält meinen Körper jung.“ Er zeigte auf die Tasche mit dem gelben Papier drin, die er gerade erst abgelegt hatte. „Wie du siehst habe ich einige Talismane vorbereitet, sie werden uns bei unserer Reise behilflich sein.“
„Welche Reise?“, wunderte sich Guan Tai, der vermutete der Meister spräche hier von einer spirituellen Reise. Vor solchen Reisen hatte Guan Tai den höchsten Respekt, denn viele waren sehr hart. Eine solche Reise hatte ihn als 8 jährigen Jungen tief in die Berge geführt, wo er allein 9 Tage hatte überleben müssen. Das war eine harte Zeit für ihn gewesen. Er hatte zwar überlebt, war danach jedoch fast zwei Wochen krank. Bei einer weiteren „Reise“ wurde er in ein dunkles Zimmer gesteckt, indem er zwei volle Tage in völliger Dunkelheit meditieren sollte, natürlich ohne Pausen geschweige denn etwas zu essen oder Schlaf. Und obwohl der Meister sehr gerne auf Pilgerreise ging, nahm er Guan Tai so gut wie nie mit, warum auch immer. Doch darüber war Guan Tai andererseits auch froh. Wandern könnte er ja auch alleine, dazu bräuchte man keinen Lehrer, der einen unterweist. Und deshalb kam er ja auch hierher: um in den alten Künsten unterwiesen zu werden. Anfangs war es die Kampfkunst, später die Meditation. Dann wurden die daoistischen Klassiker erläutert und natürlich vieles mehr. Das letzte Mal als er den Meister besuchte gab es eingehende Unterweisungen im Feng Shui einer Kunst, die die Daoisten von je her praktizieren. Doch die Antwort, die der Meister auf die Frage gab, hatte Guan Tai so nicht erwartet.
„Wir gehen nach Ägypten“, gab der Meister zurück.
„Ägypten?“, fragte er verständnislos. „Du willst mit mir eine echte Reise nach Ägypten machen?“
Der Meister nickte, sein Blick verriet nichts.
„Onkel, was wollen wir in Ägypten?“
„Setz dich erst mal hin“, jetzt hatte der Meister wieder einen seiner typischen Gesichtsausdrücke, der jedes Mal auftauchte, wenn er jemandem eine Art Geheimnis anvertrauen wollte.
„Weißt du, vor ein paar Tagen da habe ich eine sehr lange Meditation gehabt“, fuhr der Meister fort, nachdem Guan Tai sich auf die Matratze setzte. „Im Laufe der Meditation hatte ich ein sehr merkwürdiges Gefühl, eine Art Vorahnung dass in Kürze etwas passiert, was die Harmonie im Universum stört. Zuerst wollte ich es ignorieren, es hat mich nicht sonderlich interessiert. Doch dieses Gefühl wurde immer stärker, also habe ich beschlossen dem nachzugehen. Ich habe dann die ganze Zeit Visionen vom Weltraum empfangen, konnte mir aber keinen Reim darauf machen. Ich wollte schon aufhören als ich Zeuge eines Ereignisses wurde, das mich dazu veranlasst nach Ägypten zu gehen.“ Der Meister atmete müde durch. „Manche Menschen maßen sich an sie könnten tun und lassen was sie wollen, aber ihre Unwissenheit könnte sie selbst ins Verderben bringen. Guan Tai“, der Meister schaute ihm in die Augen. „Diese Menschen habe eine Tür geöffnet, die wir unbedingt schließen müssen.“ Der Meister schwieg. Guan Tai wusste, der Meister hatte ihm alles gesagt, was er sagen wollte, und weiteres Nachfragen würde nichts bringen. Trotzdem versuchte er es.
„Was für eine Tür?“
„Wir reisen, wenn es geht noch heute Abend ab. Ich werde dir auf unserer Reise alles erklären. Bis dahin musst du dich in Geduld üben.“
Guan Tai musste über das seltsame Vorhaben des Meisters lächeln: „Onkel, wie willst du überhaupt nach Ägypten kommen? Man braucht dazu viel Geld und um ein Flugticket zu kaufen, brauchst du einen Ausweis, hast du überhaupt einen?“
„Einen Ausweis? Sowas brauche ich nicht! Wir werden aber auch keines von diesen Flugdingern benutzen.“
-Oh nein, er will doch nicht,- Guan Tai hatte einen Gedanken der ihm ganz und gar nicht gefiel.
„Onkel du willst doch nicht zu Fuß nach Ägypten? Dazu würden meine Ferien gar nicht ausreichen.“
„Dafür haben wir leider wirklich zu wenig Zeit. Obwohl ich nichts davon halte Fahrzeuge zu benutzen, die auf dem Prinzip der Zerstörung basieren, sehe ich leider keine andere Wahl: wir fahren mit der Eisenbahn.“
„Mit dem Zug? Ich bezweifle, dass von hier einer nach Ägypten fährt“, konterte Guan Tai.
„Aber es gibt doch einen nach Tibet, nicht wahr?“, sagte der Meister mit einem verschwörerischen Lächeln.
„Sicher, aber Ägypten liegt nicht mal annähernd neben Tibet“, antwortete Guan Tai in einem belehrenden Ton.
„Um nach Ägypten zu kommen, müssen wir nach Tibet, Punkt!“ Der Meister erhob sich, ging zur Tür, so dass Guan Tai nur seinen Rücken sah, dort blieb er im Türrahmen stehen und schaute wortlos hinaus ins Freie.