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V.

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Als der Zug in die Halle des Frankfurter Bahnhofs lief, sagte Frau Resi:

„Das erste, was ich jetzt tue, ich lege mich bis mittags ins Bett.“

Frau Adele erwiderte gähnend:

„Ich kann mich auch kaum auf den Beinen halten.“

Aber die rassige, überschlanke Elisabeth reckte sich und rief:

„Ihr reist nicht zu eurem Vergnügen! Also nehmt euch zusammen.“

Der Zug hielt.

„Wer wird wohl zu unserem Empfang an der Bahn sein?“ fragte Adolf.

„Die liebe Familie“, erwiderte Resi — „die mich nicht riechen kann.“

„Was denn?“ fragte Elisabeth — „existieren außer dem Papa etwa noch Onkel und Tanten?“

„Du wirst staunen“, erwiderte Resi, „was du heute alles zu sehen und — zu küssen bekommst!“

„Ich denke nicht daran .....“

„Aber die anderen denken daran — und die sind in der Überzahl.“

Wirklich standen da zwei feine, alte jüdische Damen, von denen eine den Arm erhob, als sie die Barone v. Rosen-Geldberg mit ihren Frauen am Fenster sah.

„Die Tanten!“ rief Resi spöttisch — und Elisabeth meinte:

„Die sehen gar nicht so übel aus.“

„Ihre Familie ist älter als deine“, erklärte Richard.

„Inwiefern?“ fragte Elisabeth erstaunt — und er erwiderte, während er zu den alten Damen hinüberwinkte:

„Insofern es auch einen jüdischen Adel gibt.“

„Mach keine Witze, mir ist nicht danach zumute.“

„Der sich“, fuhr Richard fort, während er seiner Schwägerin aus dem Wagen half, „im Lauf der Jahrhunderte freilich mehr mit Pflege der Kultur als mit Raubbau beschäftigt hat.“

„Im Ghetto?“ erwiderte Elisabeth spöttisch.

„Vielleicht beschäftigt ihr euch jetzt statt mit jüdischer Kulturgeschichte mit euern Tanten“, erklärte Resi und wies auf die beiden alten Damen, die nicht, wie Elisabeth erwartet hatte, die Arme ausstreckten, um ihre Neffen zärtlich an sich zu ziehen, sondern sehr reserviert dastanden und ihnen nur kühl die Hände reichten.

Da sie Elisabeth nicht kannten, so stellte Richard sie vor. Er nannte zwei Namen — wohl absichtlich so leise, daß man sie nicht verstehen konnte. — Die Damen reichten Elisabeth die Hand — und eine von ihnen sagte:

„Mein Bruder freut sich sehr, daß Sie kommen. Ich habe den Auftrag, Sie alle in seinem Namen zu begrüßen.“

„Wie geht’s Papa?“ fragte Richard.

„Er ist von einer geistigen Frische, die man selbst bei jüngeren Menschen selten findet.“

Die drei Neffen fühlten sich getroffen und sahen ängstlich ihre Frauen an, während die Dame fortfuhr:

„Er arbeitet noch täglich vier bis fünf Stunden — liest Bücher und sammelt kostbare Gläser — mit derselben Liebe wie vor dreißig Jahren.“

„Bewundernswert ist das“, sagte Elisabeth — während Resi erklärte:

„Ich verstehe nicht, wie man in dem Alter noch Gefallen daran haben kann, zu sammeln. Man erschwert sich doch damit nur den Abschied.“

„Daran denkt er nicht“, sagte die Tante mit dem jüdischen Namen, den Elisabeth nicht verstanden hatte. Und sie wollte hinzufügen: das überläßt er Gott — unterdrückte es aber mit Rücksicht auf Elisabeth, obschon Gott ja eigentlich neutral war.

Den kleinen Iwan Tetenborn, der in einiger Entfernung stand, übersah sie absichtlich. Denn da er sich jedesmal verbeugte, wenn ihn zufällig ihr Blick traf, so wußte sie, daß er zu ihnen gehörte. Aber sie hatte zuviel Seltsames über die modernen Ehen in Berlin, vornehmlich über die ihrer Neffen, gehört, um nicht zu fürchten, daß der Herr in irgendeiner Form in eine der drei Ehen hineinspielte. Damit aber wollte sie nichts zu tun haben. Sie warf ihm daher einen Blick zu, der ihn veranlaßte, den Abstand zwischen sich und der Gruppe noch um ein paar Schritte zu vergrößern.

Vor dem Bahnhof standen drei Autos. Zwei davon waren für die Rosen-Geldbergs bestimmt, während das dritte den beiden Damen gehörte.

„Wohnen wir zu Haus?“ fragte Ernst, — und dies „zu Haus“ wirkte auf Elisabeth so fremd, daß sie zum ersten Male seit ihrer Ehe eine Distanz zwischen sich und ihrem Manne fühlte.

„Euer Vater dachte, für eine Nacht sei es bequemer, vor allem für euch, im Hotel zu wohnen.“ — Elisabeth atmete auf. — „Er hat daher Appartements für euch im Frankfurter Hof bestellt.“

„Ausgezeichnet“, sagte Resi. — Und da die Tante eben dicht bei den Autos wieder den kleinen Herrn auftauchen sah, so fragte sie:

„Wieviel seid ihr denn?“

„Wir sechs und dann drei Zofen“, erwiderte Richard.

„Und der Herr da?“

„Richtig, Tete!“ rief Resi — „der ist uns unterwegs zugelaufen.“

Iwan Tetenborn war herangetreten und verbeugte sich. Richard stellte ihn vor. Die beiden Damen bewegten nur leicht die Köpfe.

„Sie sind mit meinem Bruder, dem alten Baron, befreundet?“ fragte die Tante.

„Ich habe leider nicht den Vorzug, ihn persönlich zu kennen.“

Die Dame wandte sich an ihre Neffen und sagte:

„Euer Vater hat den Wunsch, den heutigen Abend allein mit euch zu verbringen — auch wir werden daher an der Feier, die übrigens nur in einem kleinen Essen besteht, nicht teilnehmen.“

Die drei Schwägerinnen lächelten sich zu — Iwan Tetenborn, der noch immer den Hut in der Hand hielt, wandte sich an die alten Tanten und sagte:

„Vielleicht, daß die Damen mir dann die Ehre erweisen .....?“

„Was für eine Ehre?“ fragte die Tante, die stets auch für ihre Schwester sprach, beinahe ängstlich.

„Als meine Gäste bei einem kleinen Essen im Frankfurter Hof den Geburtstag ihres Herrn Bruders zu feiern.“

Die Tanten waren sprachlos — die Schwägerinnen lachten laut — Richard sagte:

„Ich glaube, Tete, Sie haben die Namen meiner Tanten nicht verstanden: die eine heißt Fuld und die andere Cohnheim — ohne das leiseste ‚von‘ davor.“

„Aber“, wehrte der kleine Herr, dessen jüdische Herkunft unverkennbar war, ab und verbarg nur schlecht seine Enttäuschung — „als wenn ich auf derartige Äußerlichkeiten Wert legte!“

„Ich kenn’ Sie doch, Tete“, sagte Frau Resi ganz ungeniert, — und daß sie ihn richtig einschätzte, verriet er, indem er erwiderte:

„Als ob nicht jeder Kellner und Gast im Frankfurter Hof weiß, daß die Damen die Schwestern des alten Barons v. Rosen-Geldberg sind.“

Die Tante, die immer auch für die andere sprach, verabschiedete sich sehr unvermittelt von ihren Neffen und deren Gattinnen, indem sie sagte:

„Ich schlage vor, ihr sagt alle erst schnell einmal meinem Bruder guten Morgen — Sie natürlich nicht, Herr Tetenborn! — und fahrt dann ins Hotel. Mein Bruder hat das Diner für fünf Uhr festgesetzt, damit ihr den 10-Uhr-Zug nach Berlin noch erreicht.“

Elisabeth fing bereits an, den alten Herrn gern zu haben. Auch Resi, die in Frankfurt weitreichende Beziehungen hatte, dachte:

„Fein! da brauche ich nirgends Besuche zu machen.“

Sie verabschiedeten sich und verteilten sich in die Autos. — Die Zofen standen hilflos herum. — Die beiden Tanten fuhren als erste davon.

„Tete!“ rief Ernst dem kleinen Herrn zu: „Besorge unser Gepäck ins Hotel und kümmere dich um die Zofen!“

„Mit Vergnügen“, rief der zurück und sah etwas enttäuscht den drei Autos nach, die im Schneckentempo davonfuhren.

Die Reichen

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