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VII.

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Als die sechs in das Hotel Frankfurter Hof zurückfuhren, waren sie in einer Stimmung, die sie noch nie an sich beobachtet hatten. Es wäre — zum mindesten von den drei Brüdern v. Rosen-Geldberg — zuviel gesagt, wenn man behaupten wollte, daß sie im Innersten aufgewühlt waren. Dazu war ihr Innerstes wohl zu leer. Aber sie waren aus ihrer Lethargie erwacht und fühlten, daß sie in ihrem Leben, das bisher wie eine ununterbrochene Folge von Schaustellungen und Vergnügungen an ihnen vorübergezogen war, zum erstenmal mehr als die Rolle des Zuschauers spielen sollten. — Die weit temperamentvolleren drei Frauen aber waren geladen mit Aktivität und saßen ihren Männern mit Gefühlen gegenüber, als wenn sie ein Attentat auf sie planten.

„Was hast du vor mit mir?“ fragte Adolf ängstlich — und Frau Adele erwiderte:

„Gerade darüber zerbreche ich mir den Kopf.“

„Ich werde heute nacht kein Auge schließen“, sagte Resi.

„Glaubst du, ich?“ fragte Elisabeth — worauf Adele den Vorschlag machte, statt schlafen zu gehen, in ihrem Salon noch eine Flasche White Horse zu trinken. —

Im Hotelsalon fielen die drei Brüder etwas ermüdet in die Sessel, die um einen kleinen Tisch herumstanden, während ihre Frauen mit erhitzten Köpfen im Zimmer herumliefen.

„Ich hatte schon längst das Gefühl, es müsse etwas mit euch geschehen“, sagte Resi, die jetzt vor den drei Brüdern stand.

„Warum hast du denn nie etwas gesagt?“ fragte Richard.

„Haben wir uns in dem letzten Jahr denn überhaupt auch nur ein einziges Mal unter vier Augen gesprochen?“

„Ist das meine Schuld?“

„Hier steht nicht zur Diskussion, wer schuldig ist, sondern wer die Millionenwerte eures Vaters erbt.“

„Ich zerbreche mir gar nicht erst den Kopf“, sagte Adele — „denn mit Adolf ist doch nichts anzufangen.“

„Glaubst du, mir wird gelingen, aus Ernst einen Johore zu machen?“

„Was für einen Johore?“ fragte Adele.

„Oder wie heißt der japanische Tenor, nach dem sie vor ein paar Jahren alle ganz verrückt in Europa waren? — Es kann auch ein indischer Dichter gewesen sein.“

„Du meinst Tagore“, verbesserte Resi — und Elisabeth erwiderte — ohne im geringsten verlegen zu sein:

„Möglich — ich kenne mich in der indischen Literatur nicht aus — dafür weiß ich um so besser mit Pferden Bescheid.“

„Wenn Richard nicht Richard wäre — ich könnte aus jedem halbwegs normalen Manne einen Bismarck machen“, erklärte Resi.

„Na, normal sind wir doch!“ sagte Adolf.

„Viel zu normal!“ erwiderte Resi — dann trat sie dicht an Adolf heran und sagte:

„Vielleicht, wenn ich dich geheiratet hätte.“

„Nimm ihn dir“, erwiderte Adele.

„Du meinst, wir könnten tauschen?“

„Und wo bleibe ich, wenn ihr tauscht?“ fragte Elisabeth.

„Bei deinem Manne, der im übrigen auch der gescheiteste ist.“

„Ernst gescheit?“ wiederholte Elisabeth und mußte lachen. Sie trat dicht an ihren Mann heran, fuhr ihm mit der Hand durchs Haar und sagte: „Mein guter Junge bist du — aber im Kopf hast du nicht viel.“

„Mehr als meiner“, rief Resi — während Adele zu Richard aufsah und sagte:

„Wenn ich dich zum Manne hätte!“

„Ihr habt eben die falschen Männer geheiratet!“ erwiderte der — und die drei Frauen stimmten zu und sagten:

„Das ist es!“

„Läßt sich leider aber nicht mehr ändern“, sagte Richard.

„Wieso nicht?“ fragte Resi. „Mir käme es auf eine Scheidung mehr nicht an.“

„Nur kein Skandal“, bat Elisabeth — und Adele meinte:

„Man könnte die Umgruppierung ja in aller Ruhe vornehmen. Und wenn sie sich als richtig erweist, später die Konsequenzen ziehen und heiraten.“

„Wir sind drei Paare. Wären wir zwei, könnten wir einfach tauschen.“

„Also müssen wir losen!“ schlug Resi vor.

„Ich lasse keine Lotterie aus mir machen“, widersprach Richard — und auch Elisabeth erklärte:

„So ganz dem Glück wollen wir’s denn doch nicht überlassen. Dazu ist der Einsatz zu hoch. Wenigstens meiner!“

„Spielen wir um sie!“ schlug Adele vor. — „Wie wäre es mit einem Tennismatch?“

„Etwas verrückt“, meinte Resi — „aber es paßt zu uns.“

Der Vorschlag fand Beifall — zumal jede der Frauen glaubte, die beste Spielerin zu sein.

„Ich bin einverstanden“, erklärte Elisabeth, „aber es darf niemand etwas davon erfahren.“

„Einen Unparteiischen brauchen wir auf alle Fälle“, erwiderte Adele und fragte: „Wo ist Tete?“

„Der sitzt vermutlich noch unten und feiert mit unseren Tanten Papas Geburtstag.“

„Die hatten doch abgelehnt.“

„Er wird ihnen erzählt haben, daß er bei Papa zum Frühstück war, und die Tanten werden glücklich gewesen sein, daß sie daraufhin annehmen konnten.“

Richard telephonierte nach dem Speisesaal und fand seine Vermutung bestätigt. Die beiden Tanten waren in rosiger Laune und machten keinerlei Anstalten zu gehen.

Tete, dem Richard sagte, daß er ihn in einer wichtigen Angelegenheit noch heute nacht sprechen müsse, platzte vor Neugier und wünschte die Tanten zum Teufel.

Inzwischen berieten die sechs.

„In Berlin können wir das Tennismatch doch unmöglich austragen“, meinte Elisabeth. „Da gibt es einen Skandal — und ich habe Rücksicht auf meinen Papa zu nehmen.“

„Dann in Baden-Baden“, erwiderte Resi. „Ich wüßte jedenfalls sonst keinen Ort in Deutschland, an dem wir um die Jahreszeit nicht auf Bekannte stoßen und trotzdem den Komfort haben, den wir gewöhnt sind.“

„Aber ich kenne einen!“ sagte Elisabeth und schlug Bad Eilsen bei Hannover vor. „Der schönste Golfplatz ...“

„Wir wollen Tennis spielen.“

„... gute Tennisplätze, das bestgeführte Hotel — vor allem aber wenig Berliner, die diese Perle scheinbar noch nicht entdeckt haben.“

Und da alle begierig waren, dieses Bad kennenzulernen, so ließ Resi mitten in der Nacht eine Verbindung mit dem „Hotel Fürstenhof“ in Bad Eilsen herstellen und verlangte den Generaldirektor Sonnenhof zu sprechen.

„Ich werde Sie mit dem Direktor verbinden.“

„Dem Generaldirektor!“ wiederholte Resi.

Der Nachtportier stellte die Verbindung her.

„Hier Resi v. Rosen-Geldberg. Sagen Sie, Sonnenhöfchen, seit wann schlafen Sie denn mitten am Tage?“

„Aber es ist doch mitten in der Nacht.“

„Gott, was sehen Sie komisch aus!“

„Frau Baronin können mich doch gar nicht sehen!“

„Natürlich kann ich. Also hören Sie, Sonnenhöfchen — Ihr Name ist übrigens köstlich — aber nur bei gutem Wetter ...“

„Ich wüßte wirklich gern, was mir um drei Uhr nachts die Ehre verschafft ...“

„Regen Sie sich nicht auf — sondern notieren Sie — Sie haben doch einen Block am Bett?“ —

„Also was, bitte, soll ich notieren?“

„Daß ich mit einer ganzen Horde morgen nacht ...“

„Mit welchem Zuge?“

„In Autos natürlich — bei Ihnen eintrudle. Und zwar drei Barone v. Rosen-Geldberg mit ihren Frauen, Zofen, Dienern, Chauffeuren, Autos.“

„Was darf ich belegen?“

„Drei Appartements mit je einem Salon, zwei Schlafzimmern und Bädern und das Nötige für die Dienerschaft.“

„Und auf wie lange?“

„Für eine Nacht und den darauffolgenden Vormittag. — Aber was die Hauptsache ist: sämtliche Tennisplätze müssen ab übermorgen für uns reserviert bleiben.“

„Das wird nicht gehen.“

„Es geht!“

„Darüber können wir uns ja noch unterhalten, wenn Sie hier sind.“

„Ausgeschlossen — wir kommen nur des Tennisplatzes wegen.“

„Von Frankfurt nach Eilsen — um Tennis zu spielen?“

„Wenn Sie nichts dagegen haben.“

„Im Gegenteil — ich freue mich — aber außer dem Tennisplatz haben wir hier ...“

„Einen fabelhaften Golfplatz — ich weiß.“

„Und die besten Schlamm- und Schwefelbäder.“

„Die uns nicht im mindesten interessieren.“

„Im Augenblick habe ich allerdings nur ein Appartement ...“

„Sie werden morgen abend drei haben. — Und nun ziehen Sie sich das Deckbett über die Ohren und schlafen Sie weiter! Gute Nacht!“ — Sie hing den Hörer an und sagte: „So, die Zimmer hätten wir, den Tennisplatz auch — wir fahren also morgen früh 5 Uhr 40 nach Berlin ...“

„Es ist bereits halb zwei“, bemerkte Adele.

„Also haben wir noch unendlich viel Zeit. Um 12 Uhr 44 sind wir in Berlin, lunchen im Bristol, bestellen uns für drei Uhr unsere Autos mit Koffern zum Hotel. Gegen neun etwa sind wir dann in Bad Eilsen. Und am nächsten Morgen: Auf in den Kampf!“

„Du tust gerade so, als wenn es dabei etwas zu gewinnen gäbe“, sagte Adele — und Resi erwiderte:

„Für mich ist es schon ein beruhigendes Gefühl, daß ich bei diesem Kampf nichts verlieren kann.“

„Ihr seid sehr frech“, sagte Richard plötzlich. Die drei Frauen stutzten und sahen ihn an, während er fortfuhr: „Aber gerade so gefallt ihr mir. Und wenn Papa nichts weiter erreicht hat, als euch einander näherzubringen, so hat sich die Reise auch gelohnt.“

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und es erschien, müde und strapaziert, Iwan Tetenborn.

„Haben Sie die Tanten auch schön nach Hause gebracht?“ frotzelte ihn Resi.

„Ich habe gesagt, ich fühle mich nicht wohl — sonst hätten sie bis morgen früh Geburtstag gefeiert.“

„Wenn du eine von ihnen heiratest“, sagte Richard — „würdest du unser Onkel werden.“

„Welche?“ fragte Iwan, der es für ernst nahm.

„Am besten gleich alle beide. Du hast doch gute Beziehungen! Du mußt dem Minister glaubhaft machen, daß du bei dem Alter meiner Tanten befürchten mußt, in absehbarer Zeit Witwer zu werden. Dieses Risiko schwächst du ab, indem du beide heiratest, die sowieso ihr Leben lang noch nicht getrennt waren.“

Tetenborn lachte — wie immer, wenn er verlegen war. Mit dem Gedanken, eine von beiden zu heiraten — und er wußte auch, welche — nämlich die, die ständig schwieg — hätte er sich in der Vorstellung, daß er des alten Barons Schwager und der Onkel der drei jungen Barone wurde, abgefunden. Sich aber mit beiden zu belasten, schien ihm untragbar. Während er noch nach einer ausweichenden Antwort suchte, die niemand verletzte, sagte Resi:

„Wissen Sie schon das Neueste, Tete? — Mit uns geht eine große Veränderung vor.“

Tetenborn sperrte den Mund weit auf — und Elisabeth sagte:

„Raten Sie!“

„Eine Veränderung? — Wollen Sie sich die Haare rot färben lassen? Ich las in einem französischen Blatt ...“

„Unsinn! Etwas viel Ernsteres! — und es betrifft nicht nur uns Frauen, sondern alle sechs.“

Tetenborn riet:

„Sie wollen — aus dem Poloklub austreten — das dürfen Sie mir zuliebe nicht tun — oder gar Ihren Wohnsitz nach Paris verlegen — das gesellschaftliche Leben Berlins stände still.“

„Etwas viel Ernsteres.“

„Ja, gibt es das?“

„Wir haben dies Leben satt.“

„Sie wollen sich umbringen!“ rief Tetenborn entsetzt.

„Im Gegenteil! Wir wollen einen Sinn in unser Leben legen.“

„Ja, wie kommen Sie denn auf die Idee? Es ging doch bisher alles gut — auch ohne Sinn. — Wozu plötzlich so revolutionäre Gedanken?“

„Weil wir nicht länger die Frauen von Männern sein wollen, deren einzige Bedeutung darin liegt, daß sie die Söhne des Barons v. Rosen-Geldberg sind.“

„Einzige Bedeutung?“ wiederholte Tete fassungslos. „Als wenn das nicht genug wäre! Alles, was Sie tun, kann die Bedeutung nur herabmindern.“

„Nicht die Geburt — die Leistung macht den Mann“, verkündete Resi.

„Wie kommen Sie plötzlich zu dieser kommunistischen Weltauffassung?“

„Wieso kommunistisch?“ fragte Elisabeth. — Tetenborn erwiderte:

„Das kann ich im Augenblick nicht sagen — aber es klingt so.“

„Kommunismus ist ein Schlagwort“, erklärte Adolf — und da er früher einmal Diplomat gewesen war, so horchten alle auf — „mit dem man feige Seelen ins Bockshorn jagt.“

„Wo hast du das her?“ fragte Resi begeistert. „Ich glaube, aus dir ließe sich ein Lassalle machen.“

„Wieso Lassalle?“ fragte Adolf. „Ein gesellschaftlicher Außenseiter, der nie in unseren Kreisen verkehrt hätte.“

„Hätte Napoleon bei uns verkehrt, als er noch einfacher Leutnant auf Korsika war?“ fragte Resi. „Und was hat er nachher als Kaiser der Franzosen für eine gesellschaftliche Rolle gespielt?“

„Er konnte einladen und verkehren, mit wem er wollte“, bestätigte Elisabeth.

„Also Napoleon!“ sagte Adolf — ohne recht zu wissen, weshalb. Aber Iwan Tetenborn fuhr, als wenn ihm jemand einen Stoß gegeben hätte, zusammen — wich dann ein paar Schritte zurück und sagte — zitternd vor Erregung:

„Jetzt — verstehe ich.“

„Was ist Ihnen, Tete?“ fragte Elisabeth.

„Sie wollen in Deutschland die Monarchie errichten.“

„Wer?“

„Die Dynastie des Hauses v. Rosen-Geldberg wird eine Hausse an allen Börsen der Welt zur Folge haben.“

„Sie kriegen es fertig und verbreiten das.“

„Kein Wort kommt über meine Lippen. — Immerhin läßt sich damit an der Börse morgen viel Geld verdienen.“

Er stürzte zur Tür und verschwand.

Die Reichen

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