Читать книгу Das Herz siegt - Auguste Groner - Страница 7
IV.
ОглавлениеDie Tafel, welche die wackere Frau Hähnlein und Eva mit Hilfe aller Mägde so köstlich als möglich bestellt hatte, verlief in ganz anderer Weise, als die meisten der Festgäste angenommen hatten.
Es herrschte heute an dem schier überreich gedeckten Tisch keine frohe Stimmung und das fand jeder begreiflich, denn Evas seltsames unheimliches Erlebnis wirkte eben jetzt noch in jedem der Anwesenden nach. Und völlig unbegreiflich war den Freunden des Baumeisters, daß dieser sich plötzlich so feindlich gegen Lascienski zeigte.
Eva sprach mit dem Grafen, der ihr linker Tischnachbar war, nur wenig und dieses Wenige in ihr sonst fremder, ganz unsicherer Art. Desto mehr widmete sie sich ihrem Nachbar zur Rechten, dem brandenburgischen Edelmann, der eine zwar nicht lebhafte, aber kluge und angenehme Art zu reden hatte.
Früher, als geplant gewesen, verließen die Gäste die Tafel. Herr von Thorgau und der Magister mit seiner Frau waren von Eva zu einer Schlittenfahrt für den nächsten Tag eingeladen worden. Eva hatte diese Einladung im Beisein des Grafen an die drei ergehen lassen und ihn nicht mit inbegriffen.
Den Kopf stolz erhoben, wandte sie sich an ihren gräflichen Verehrer. „Ihr seid morgen bei dem französischen Gesandten, habt Ihr früher erwähnt. Deshalb habe ich meine Einladung nicht auch an Euch gerichtet.“ Sie wollte sofort wieder zu den anderen reden. Lascienski hielt sie jedoch mit dem Blick fest. „Es ist auch noch ein anderer Grund da, dessenwegen meine stolze Herrin mich derzeit nicht gern um sich sieht“, klagte er.
Da blickte Eva ihm fest in die Augen und erwiderte: „Ihr habt recht, Graf. Es gibt noch einen zweiten Grund, daß Ihr morgen nicht bei uns sein werdet. Ihr habt einen, den ich über alles liebe, beleidigt, habt ihm gedroht …“
„Nachdem er mich beleidigte“, fiel Lascienski ihr leidenschaftlich in die Rede. „Eva, rechnet Ihr dies für nichts?“
„Ich weiß nicht, Herr Graf, was zwischen Euch und meinem Vater steht“, sagte sie ernst, „aber eines weiß ich. Er tut keinem ein Unrecht, Wenn er wieder wie früher zu Euch sein wird, dann …“
Sie redete nicht weiter. Vor Stolz errötend, sah sie auf Lascienski, der sich über ihre Hand gebeugt hatte. Sie fühlte einen heißen Kuß und sah seine tiefe, zeremonielle Verbeugung. Dann schaute sie dem sich rasch Entfernenden lächelnd nach, während der Magister heiter sagte: „Eva, der ließe sich um Euretwillen noch viel mehr gefallen, als was Eurer Vater merkwürdigerweise ihm heute geboten hat. Weißt du wirklich nicht, warum das Unbegreifliche geschah? Wir dachten, dich heute als Grafenbraut zu feiern und die Werbung war ja auch schon im besten Zug, als dein Vater dem Grafen in die Rede fiel.“
„Ich weiß nicht, was zwischen den beiden vorgefallen ist“, sagte Eva ruhig und änderte, sich zu dem Hauptmann wendend, rasch den Gesprächsstoff: „Ihr werdet also bei uns sein, Herr von Thorgau“, meinte sie voll aufrichtiger Liebenswürdigkeit, „und so werdet Ihr die Schönheit des Wiener Waldes kennenlernen, denn das Ziel unserer Fahrt ist unser Landhaus, das am Fuße des Kahlenberges liegt.“
Vor dem Hause unten und in dessen weitem Flur ging es dann eine Weile lebhaft zu, denn etliche der Gäste wurden von ihren Schlitten abgeholt.
Herr von Thorgau und sein Vetter, der Magister, hüllten sich in ihre Mäntel und gingen zu Fuß. Sie redeten über den Verlauf des Festes, dem sie soeben beigewohnt und das zwar glänzend gewesen, dabei sich jedoch keiner seiner Teilhaber so recht wohl gefühlt hatte.
Natürlich redeten sie auch von Eva, die ja der Mittelpunkt des vornehmen Hauses war.
„Viel Herz scheint sie nicht zu haben“, bemerkte der Hauptmann.
Aber Schmutz widersprach ihm. „Du irrst“, sagte er. „Unter armen Leuten mußt du sie schauen, im Spittel, das sie schon seit Jahren regelmäßig heimsucht und darin die Alten und Kranken einen Engel in ihr sehen.“
„Dann schon einen Erzengel“, lächelte Thorgau. „Hätte sie Flügel und ein Schwert in der Hand, könnte man sie leicht für St. Michael halten.“
Der Magister nickte. „Richtig! Sie hat etwas Heldenhaftes in sich. Darum wird sie es wohl überstehen, falls sie nicht Gräfin Lascienska werden sollte.“
Im Hause des Baumeisters fand man nicht so bald den Schlaf. Zwischen Bauernfeind und dem Grafen, der erst viel später als die anderen Gäste gegangen war, hatte es eine stürmische und zwischen Anselmus und Heinrich Traudel eine zwar stille, aber dennoch ebenfalls aufregende Unterredung gegeben. Und so konnten weder Vater und Sohn, noch auch der wackere Geselle bald einschlafen.
Und Eva? Es war schon gegen Morgen und noch ging sie, geschmückt wie beim Feste, in ihrem Schlafgemach umher.
Es war ein wunderschöner Raum. Die mit hellem, reichgeschnitztem Holze bedeckten Wände wurden nur durch einige Felder unterbrochen, die mit lichtblauer, flimmernder Seide bespannt waren. Diese reizvollen Wände umschlossen ihnen gleichwertige Wohngeräte, Schränke und Truhen, ein köstliches Himmelbett, umwallt von schwerer, hellblauer Seide und ein Putztisch, auf welchem es von Silber blitzte.
In diesen Raum paßte Eva Bauernfeind sehr gut und sie war das Schönste darin, war es auch jetzt, da sie bleich und händeringend auf und nieder ging.
Wiewohl sie sich müde fühlte, wie noch nie in ihrem Leben, konnte sie nicht ruhig bleiben. Mehrmals hatte sie sich, der Müdigkeit nachgebend, auf den Polsterstuhl niedergelassen, der vor ihrem Putztisch stand, aber da hatte ihr Gesicht aus dem Spiegel geschaut, dieses blasse Gesicht, aus dem Leid, Angst und quälende Scham sprachen.
Dieser Anblick hatte sie wieder durch das Gemach gehetzt, darin sie bis jetzt ihres Lebens und ihrer Schönheit froh gewesen war.
Wie ein Menschenleben innerhalb einer Stunde sich so ganz verändern, wie sein Inhalt ein so ganz anderer werden kann!
Freilich, vorbereitet war sie darauf, daß irgend etwas Peinliches da war. Schon seit Tagen war ihr Vater so seltsam ruhelos; sie hatte sich schon Sorgen hingegeben, sie hatte auch schon mit Heinrich Traudel, der ihrem Vater sehr nahe stand, über ihn geredet; aber Heinrich war ihren Fragen ausgewichen und einmal — als sie die Frage tat, ob vielleicht Verarmung ihm drohe, da hatte der sonst so stille, bescheidene Jugendfreund laut aufgelacht und höhnisch geantwortet: „Das ist’s nicht. Was ich fürchte, ist — daß Euer Reichtum sich noch vermehren wird.“ Dann war er, als empfände er, schon zu viel gesagt zu haben, davongegangen.
Dann war das Fest und der Überfall, die Werbung und deren Abwehr und dann — dann hatten Lascienski und ihr Vater miteinander geredet und sie war, ungewollt, heimlich Zeugin dieser Unterredung gewesen.
Da wußte sie alles! Und deshalb war sie in ihr Schlafgemach geflüchtet, deshalb hat nicht einmal eine der Mägde mehr zu ihr kommen dürfen, die, einer Irrsinnigen gleich, stundenlang ohne Ruh und Rast auf und nieder rennt wie ein zu Tod verwundetes, schmerzgepeitschtes Edeltier. Als die Uhr von Sankt Stephan sieben Schläge tat, stand Eva eben am Fenster und starrte zu dem herrlichen Turm hinüber, dessen Form schon aus der weichenden Morgendämmerung tauchte.
„Licht wird es, Gott im Himmel! Wie fürchte ich jetzt das Licht!“ murmelte sie. Da rasselte unten das Tor und Hufschlag wurde hörbar. Frater Anselmus, auf einem bescheidenen Klosterklepper sitzend, ritt aus dem Hause.
„Gott sei mit Euch, junger Herr!“ hörte man die tiefe Stimme des Pförtners Peter sagen, und ihr Bruder antwortete: „Bruder Anselmus bin ich, guter Peter. Ein Armer, der in sein armes Kloster zurückkehrt. Gott sei mit euch allen, die ihr in diesem Hause, in dieser trauten Stadt wohnt.“ Die Stimme verhallte, das Rößlein trabte weiter. Es wurde wieder still.
Eva hatte ihrem Bruder einen Abschiedsgruß nachrufen wollen, aber sie tat es nicht. Sie ließ die Hände wieder sinken und murmelte: „Zieh in Frieden, du Kluger, der du den Narrenprunk dieses Hauses hinter dir gelassen hast. Gott ist mit dir, mein Bruder, wer aber wird mit uns sein?“