Читать книгу In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber - Augustin Wibbelt - Страница 55

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»Ich rieche es so gern«, schmunzelte er vergnügt, »ich bin nämlich der Herbst. Nichts anzustreichen im Walde? Da sollt Ihr Euch wundern. Hier, nehmt den großen Topf mit Gelb in die rechte Hand. Gelb brauche ich am meisten. In die linke nehmt den Topf mit Braun, der ist auch ziemlich schwer. Den Topf mit Rot hänge ich mir vorn ins Knopfloch, der ist leicht. Die anderen Töpfchen mit den Mischfarben hänge ich mir der Reihe nach vor den Leib in meinen Gürtel. So, nun kann es losgehen.«

Damit tauchte er seinen Pinsel in Gelb und fuhr über den Feldahorn. Sogleich leuchtete er wie eitel Gold. Dann fuhr er über die Eichen her mit Braun und spritzte etwas Rot auf die Brombeerblätter. Als wir zu den Buchen kamen, fasste er den längsten Pinsel mit beiden Händen und wischte und tupfte und spritzte und sprühte mit allen möglichen Farben. Ich hätte gar nicht gedacht, dass der behäbige Mann so flink sein könnte. Und dabei schwätzte er in einem fort und lachte dazwischen und paffte, dass der blaue Rauch lustig durch den bunten Wald wirbelte. Das graue Spitzbärtchen zuckte munter auf und ab, und seine gesunden roten Backen glänzten ordentlich vor Vergnügen.

»Waldbruder«, sagte er, »weil Ihr ein so guter Mann seid und mir so wacker helft, will ich Euch ein Pläsier machen. Ihr habt wilden Wein an Eurer Klause, der soll leuchten wie Purpur. Ich will mit der Farbe nicht sparen. Und die Dornsträucher daneben will ich Euch vergolden, dass es eine Pracht ist. Wenn Ihr wünscht, mache ich Euch auch einige bunte Tupfen auf Eure braune Kutte.«

Ich bedankte mich und sagte: »Die Kutte wollen wir lieber so lassen, wie sie ist, sonst lacht das ganze Waldgesindel mich aus.«

»Auch gut«, lachte er, »Braun ist eine schöne Farbe, ich mag sie gern leiden. Nur Grün kann ich nicht ausstehen.«

Ich meinte, dann würden wir noch viel Arbeit haben mit den Tannen, denn die wären alle noch grün.

Da zog er ein etwas verdrießliches Gesicht und brummte: »Über die Tannen ärgere ich mich jedes Jahr. Aber ich darf ihnen mit meinem Pinsel nicht nahekommen. Wisset, das liebe Christkind hat es mir verboten, es will zu Weihnachten einen grünen Baum haben. Ich habe mich untertänigst erboten, die Tanne so bunt zu malen wie einen Regenbogen, aber es wollte nichts davon wissen. Nun gut, die Menschen hängen schon allerlei bunten Flitter hinein in den Christbaum.«

Es fing an zu dunkeln, und der Herr Färbermeister machte Feierabend. Er spritzte seine Pinsel aus, dass die gelben und roten Tropfen nur so herumsprühten. All das kleine Kraut haschte danach und rief: »Mir auch! Mir auch!« Und wer einen farbigen Tupfer erwischt hatte, war ganz stolz.

»Aber«, sagte ich, »gehen wir denn nicht ins Feld?«

Er schüttelte mit dem Kopf: »Nein, da steht die junge Saat, die darf ich nicht anrühren. Aber ich gehe noch eben durch den Obstgarten und mache den Birnen ein gelbes Gesicht und den Äpfeln eine rote Backe. Hier habe ich auch noch ein kleines Töpfchen mit Blau, damit will ich die Schlehen noch flink anmalen. Geht nur schon in Eure Klause, Waldbruder, und macht Feuer an. Es wird kühl am Abend. Ich komme gleich nach, und dann setzen wir uns gemütlich zusammen und braten Kartoffeln in der heißen Asche. Weil Ihr mir so fleißig geholfen habt, bringe ich Euch auch eine süße Weintraube mit. Ich weiß wohl, Ihr seid ein Leckermaul, wenn Ihr es auch nicht wahrhaben wollt. Also bis gleich!«

Damit trippelte er flink weiter, und ich ging heim. Was wir uns dann später am Feuer erzählt haben, das waren lange Geschichten, und davon berichtet euer Waldbruder euch vielleicht ein andermal.

In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber

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