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SIEBEN

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Es war nicht für mich. Hätte ich gleich drauf kommen können. Ich hatte in meinem Leben kein Telex bekommen. Schon gar nicht in Afrika.

Ich muss zugeben: Kurzfristig fühlte ich mich geschmeichelt. Dass mich Mireille, ohne mit ihren Grübchen zu zucken, für den Kapitän gehalten hatte.

Die German Imperial Cargo unterrichtete Kai davon, dass sich der Abflug nach Manaus um zwei Stunden verzögern würde. Punkt.

Konnten wir länger schlafen. Auch nicht schlecht.

Doch zuerst würden wir essen gehen. Thiof hieß laut Kai eine lokale Zackenbarschart. In Butter gebraten und mit viel Knoblauch und grobem Salz serviert. Dazu weißer Reis. In einem winzigen Lokal, keine fünfzehn Minuten zu Fuß, mit Blick auf Meer und Sonnenuntergang. Das klang nach einem Plan. Wobei ich mich auch mit weniger zufriedengegeben hätte. Ich hatte einen Wahnsinns-Hunger.

»Was ist, sollen wir?« Kai blies zum Abmarsch.

Wir verließen die Hotellobby und traten durch die Glastüren ins Freie. Es war später Nachmittag. Der Wind hatte nachgelassen und die Sonne brannte nicht mehr ganz so intensiv. Die Luft roch nach Salz und nach irgendetwas, das ich nicht zuordnen konnte. Nicht unangenehm jedenfalls.

Eine afrikanische Familie mit drei Töchtern im Teenageralter kam uns auf der Treppe zum Hotel entgegen. Die Mädchen waren unterschiedlich gekleidet, trugen aber alle Ballerinas im Leoparden-Look. Das fiel sogar mir auf. Kaum hatten wir die Familie passiert, polterte Benny los. Ob ihm jemand erklären könne, wann Ballerinas wieder verschwänden. Er müsse den Anblick nun schon über Jahre hinweg ertragen und sehne sich nach der nächsten Modewelle, die diese Dinger mit sich fortspüle. Daisy erklärte, dass Ballerinas wohl gar nicht verschwänden, schließlich seien sie sehr bequem und sähen auch noch toll aus. Sie hatte das Wort »toll« noch nicht zu Ende gesprochen, schon blies ihr der Gegenwind ins Gesicht. Was genau an diesen Schlappen toll aussähe? Sie verliehen einer Frau die Attraktivität einer watschelnden Ente und verhunzten jede noch so vorteilhafte Figur.

Das Wortgefecht ging ein paar Mal hin und her und ich fragte mich, wieso sich mein Kumpel wegen eines derart unbedeutenden Themas eigentlich um Kopf und Kragen redete. Doch auch Daisy schien partout nicht zurückstecken zu wollen.

»Oh, Prince Charming! Hat er sein Revier nun ausreichend markiert oder sind da Bäume, die er noch nicht angepinkelt hat? Und überhaupt: Ich frage mich, wie jemand Modefragen diskutieren möchte, der zum Abendessen kurze Hosen trägt und den Kragen seines Polohemds aufstellt. Fehlt bloß noch das Handy am Gürtel ...«

Für die nächste Runde befürchtete ich Schlimmstes, als etwas an meinem Hemd zupfte. Ich drehte mich um und sah in ein Paar großer, rehbrauner Knopfaugen. Die Augen gehörten zu einem Mädchen mit Kraushaaren, die wie fingerlange Erdnussflips in alle Richtungen abstanden.

»Hallo, wer bist du denn?«, fragte ich.

»Aidez moi, Monsieur«, antwortete die Kleine. »Aidez moi!«

Das Mädchen war keine sechs Jahre alt, superputzig und erinnerte mich an irgendein Kind aus einer amerikanischen Fernsehserie.

Ich ging in die Hocke und sagte: »Tut mir leid, ich spreche leider kein Französisch.«

Die Kleine quasselte unbeirrt weiter. Hilfesuchend blickte ich in Richtung Daisy. »Verstehst du, was sie möchte?«

»Die Urgroßmutter ist krank. Du sollst mitkommen und ihr helfen.« Daisy beugte sich zu dem Mädchen herab und fragte sie etwas. Die Kleine deutete mit dem Finger daraufhin auf einen Platz, auf dem Jugendliche Fußball spielten. Obwohl wir noch keine fünf Minuten von unserem Hotel entfernt waren, hatte sich die Gegend deutlich verändert. War unser Hotel schon keine architektonische Meisterleistung, hatte sich hierher sicher nie ein Architekt verirrt. Die Häuser des Straßenzugs waren heruntergekommen und schrien förmlich nach Renovierung. Hinter dem Bolzplatz standen Hütten, deren einfache Blechdächer in der Abendsonne funkelten. Das Mädchen deutete unablässig dorthin. Gebetsmühlenartig wiederholte es seine Sätze, während es an meiner Hand zog.

»Sie sagt, ihre Urgroßmutter hat sie geschickt, um einen Arzt zu holen. Du bist Arzt und sollst mitkommen.«

»Was? Ich bin doch kein ... hast du ihr gesagt, dass ich kein Arzt bin?«

»Klar, aber du sollst trotzdem mitkommen, ihre Urgroßmutter stirbt sonst.«

Das war schlecht. Ich griff mir ans Ohrläppchen und begann, es zu massieren. Irgendwie berührte mich die Kleine. Klar, wir waren mitten in Afrika, die Hütten sahen nach Slum aus, aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ein so kleines Persönchen schauspielerte.

»Boah, Leute, machen wir jetzt auf Mutter Theresa oder können wir weitergehen? Mir hängt der Magen sonst wo.«

Benny hatte die Hände in die Hüften gestemmt.

Die Kleine sah zu Benny, dann wieder zu mir. Dicke Krokodilstränen liefen über ihre Wangen.

»Also ich seh mir das auf jeden Fall an«, sagte ich. »Wer weiß, was mit ihrer Oma ist. Vielleicht muss man wirklich einen Arzt rufen.«

»Ich komme mit dir. Du verstehst allein eh nix.« Daisy wandte sich an Kai. »Und ihr könnt ja schon mal vorgehen und bestellen. Wir kommen gleich nach!«

»Hm.« Kai strich sich über das Kinnbärtchen. »Weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, euch allein gehen zu lassen.

»Keine Angst, uns passiert nichts.« Daisy schien Kais Gedanken lesen zu können. »Wenn uns jemand überfallen wollte, dann könnte er das hier genauso tun. Außerdem hab ich ja noch das hier.« Sie klopfte sich auf die Gesäßtasche ihrer Jeans.

Kai sah Daisy einen Moment lange an, dann zwinkerte er ihr zu: »Okay, aber auch nur wegen ... du weißt schon.«

Daisy nahm mich am Arm und sagte: »Komm, lass uns gehen.« Sie nickte Kai zu und hatte es auf einmal eilig.

Die Miene des Mädchens hellte sich schlagartig auf. Sie griff erneut nach meiner Hand. Der Druck ihrer Händchen war erstaunlich fest.

»Brangelina darf man sie nicht zeigen, da wird sie ruck-zuck wegadoptiert«, sagte ich zu Daisy. Ich hatte Mühe, der Kleinen zu folgen, die mich halb hüpfend, halb rennend hinter sich herzog.

Wir überquerten das Fußballfeld. Wenn sich die Jungs über unser Auftauchen wunderten, dann ließen sie es sich nicht anmerken. Sie kickten unter lautem Gejohle weiter. Rötlicher Staub wirbelte auf, als die Spieler um den Ball rangelten, und verlieh der Szenerie einen Hauch von Wild West.

Schon verschwanden wir im Gewirr der Hütten. Ich hatte Probleme, die vielen Eindrücke aufzunehmen. Frauen in bunten Gewändern saßen vor den Behausungen und bereiteten das Abendessen zu. Überall qualmte ein Feuerchen und verräucherte die Wäsche, die auf einer Leine darüber hing. Niemand schien von uns Notiz zu nehmen. Schließlich blieben wir vor dem Eingang einer violett gestrichenen Hütte in der sechsten oder siebten Reihe stehen.

»Maman!«, rief die Kleine und verschwand durch den gemauerten Eingang. Tür gab es keine. Schon war das Mädchen wieder da und winkte uns hinein. Mit gemischten Gefühlen trat ich über die Türschwelle.

Die Hütte maß keine vier Meter im Quadrat und umschloss einen einzigen, karg eingerichteten Raum. Der Boden bestand aus gestampftem Lehm. Durch eine Fensteröffnung fiel das Licht der Abendsonne und zeichnete ein helles Viereck auf die gegenüberliegende Wand. Unter dem Fenster stand ein Bett aus grob zusammengezimmerten Holzlatten. Vor dem Bett auf einem bunten Teppich saß eine Frau. Ich konnte nicht sagen, was ich erwartet hatte, aber das nicht. Sie saß im Schneidersitz und war komplett in schwarze Tücher gehüllt. Auf dem Kopf trug sie einen hohen Turban aus demselben Stoff. Quer über ihren Oberschenkeln lag ein knotiger, uralt aussehender Holzstab. Auf diesem ruhten ihre Hände. Es waren sehnige Hände, deren Haut silbrig schimmerte. Die ganze Szenerie erinnerte mich an einen Italo-Western. Selbst die unvermeidlichen Fliegen waren da. Die Frau ließ nicht erkennen, dass sie unsere Ankunft bemerkt hatte. Sie verströmte eine eigenartige Ruhe. Jetzt erst sah ich, dass die Augen der Frau milchig-weiß waren. Ein seltsamer Kontrast zu ihrer dunklen Haut. Richtig unheimlich.

Plötzlich ertönte ein Schnalzen. Ich zuckte zusammen. Die alte Frau hob den Stock vor ihre Brust, beschrieb damit eine Welle und ließ ihn wieder auf ihre Schenkel sinken.

Die Kleine flüsterte etwas, das ich nicht verstand.

»Wir sollen uns setzen.«

»Ich dachte, sie braucht einen Arzt.« Ich warf Daisy einen fragenden Blick zu, den sie mit einem wenig hilfreichen Schulterzucken beantwortete.

Wieder ertönte das Schnalzen. Während ich darüber sinnierte, wie die Frau bei geschlossenem Mund so laut schnalzen konnte, drängte mich das Mädchen, mich zu setzen. Mir fiel ein, dass es in manchen Kulturen als unschick angesehen wird, seinem Gegenüber die Fußsohlen entgegenzustrecken. Ich presste die Sohlen aneinander und bemühte mich um eine lockere Körperhaltung. Daisy saß in einem perfekten Lotussitz neben mir.

Erst jetzt sah ich die Taschenlampe, die zusammen mit einem Würfelbecher neben der alten Frau lag. Es war eines jener Vorkriegs-Modelle, bei denen man aus dem weißen Licht durch das Verschieben von Knöpfen entweder ein rotes oder ein grünes Licht erzeugen konnte. Schnalzen. Ich fuhr hoch und blickte der Alten in die Augen. Sie fixierte mich. Ihr Blick war direkt, aber nicht unfreundlich. Trotzdem war ich froh, als das Mädchen eine Kerze brachte und anzündete. Irgendetwas vor sich hinmurmelnd, kramte die alte Frau in ihren Gewändern und zog einen Zweig hervor. Sie streckte mir das Ästchen mit drei vertrockneten Blättern entgegen.

Auf ein Schnalzen sprudelte es aus der Kleinen heraus.

»Du musst die Blätter anzünden und mit beiden Händen löschen. Dann zwischen den Handflächen zerreiben.«

»Was genau wird das jetzt?«

Daisy rollte die Augen. »Hast du es noch immer nicht begriffen? Die gute Frau wird dir gleich aus der Hand lesen. Dann schüttet sie Tierknöchelchen aus dem Becher und sagt dir die Zukunft voraus.«

»Woher ...?«

»Zeig mir die ersten fünf Minuten eines Films und ich sage dir, wie er ausgeht. Das hier ist wirklich nicht schwer.«

»Echt?«

»Mach schon. Sonst kommen wir heute gar nicht mehr raus.«

Ich hielt den Zweig über die Kerze. Zögernd bildeten sich an den Blattspitzen bläuliche Flämmchen. Ich bekam einen Puff in die Seite. Die Kleine deutete mir mit gebieterischem Gesichtsausdruck, dass ich nun löschen müsste.

Es ist nicht so einfach, etwas mit beiden Händen auszuklopfen, während man es in einer Hand hält. Ich legte den glimmenden Zweig in die eine Handfläche und schlug sofort mit der anderen darauf. Schnell rieb ich meine Hände hin und her. Offenbar waren alle mit mir zufrieden, denn die Alte schnalzte und die Kleine setzte eine heitere Miene auf.

Als ich genug gerieben hatte, nahm die Frau meine Hände und öffnete sie. Meine Handinnenflächen hatten Farbe angenommen, sie schimmerten silbrig-grau, beinahe metallisch. Die Alte faltete meine Hände, betrachtete sie von allen Seiten und öffnete sie wieder. Mit Daumen und Zeigefinger betastete sie jeden einzelnen Finger, drückte hier, zog dort. Mit dem überlangen Nagel ihres kleinen Fingers fuhr sie sämtliche Linien nach. In ihrem Mienenspiel fand ich keine Anzeichen dafür, wie die Diagnose lautete.

Würde ich den nächsten Morgen noch erleben? Oder war es aus und vorbei?

Plötzlich warf sie den Kopf nach hinten und heulte los.

»Ujujujujujuiiii!«

»Was ist, stirbt sie?« Erschrocken sah ich zuerst Daisy an, dann das Mädchen.

Die Kleine zuckte mit den Achseln.

»Wohl kaum«, murrte Daisy. »Sie kann nichts mehr erkennen.«

»Und was sollen wir jetzt machen?« Ich schaute auf die Alte. Sie wand sich und jaulte immerfort ihr Ujujujujujuiiii. Wie eine Sirene. Es ging mir durch Mark und Bein.

Die Kleine zuckte erneut mit den Schultern. »Weiß nicht.«

Da kam mir der rettende Einfall: »Vielleicht braucht sie Geld?«

»Kann sein.«

Ich sah zu Daisy und erntete einen Mach schon!-Blick. Ich quetschte meine Hand in die Hosentasche und fummelte einen 1000-Franc-Schein hervor.

»Zuviel!«, zischte Daisy. »Die Hälfte reicht.«

Ich kramte weiter. Die Kleine nahm mir das Geld ab und steckte es in den Würfelbecher. Augenblicklich verstummte Oma. Sie nahm die Taschenlampe und schaltete das rote Licht ein. Im Schein der Lampe inspizierte sie den Verlauf meiner Lebenslinien.

»Es war einmal ein König ...«, murmelte die Alte und schaltete die Lampe auf grün. Wieder gab sie sich größte Mühe, jede einzelne meiner Handfalten auszuleuchten.

»... der hatte drei Söhne ...«

Wie kamen wir aus dieser Nummer wieder raus?

»Der König sagte zu seinem ersten Sohn ...« Sie stockte. Dann zog sie meine Hand nah an ihr Gesicht und schnupperte mit geschlossenen Augen an meinem Handballen. Ich hab kein Problem mit Anfassen. Aber irgendwann ist gut.

Daisy hatte die Hand über die Augen gelegt und schüttelte den Kopf. »Daisy Maria Renger«, murmelte sie, »du bist zweiunddreißig Jahre alt. Wie alt willst du eigentlich noch werden, damit du nicht mehr in solche Touri-Fallen läufst?«

Die Alte ließ ihr keine Zeit für weitere Selbstbetrachtungen. Daisy musste übersetzen.

»Ich sehe eine alte Frau. Sie ist krank. Ich sehe auch eine junge, schöne Frau. Sie kreuzt deinen Weg und ... oh, das ist nicht gut!«, flüsterte sie mit getragener Stimme. »Eine Schlange. Hüte dich vor Schlangen!«

Die Alte nahm meine Hände, um sie gleich darauf mit Schwung aneinanderzuklatschen.

»Ein Mann, ein böser Mann ...« Daisy zögerte. »Der Mann ist böse und ... recht ... oder gerecht. Genau versteh ...«

Im Augenwinkel sah ich eine Bewegung. Es wurde merklich dunkler im Zimmer. In der Fensteröffnung war wie aus dem Nichts ein Huhn erschienen, besser gesagt ein Hahn. Die Sonnenstrahlen verliehen dem dunklen Vogel eine hell leuchtende Silhouette. Das Tier drehte den Kopf von der einen Seite auf die andere. Mit jeder Drehung wippte der Kamm hin und her.

Alle starrten auf den Hahn. Dann löste sich ein Schrei. Kein sirenenartiges Ujujujujujuiii, sondern etwas, das ich noch nie gehört hatte. Animalisch und unheimlich, von ganz tief unten. Mit überraschender Geschmeidigkeit war die Alte aufgesprungen und brüllte. So brüllen nur kleine Kinder, deren Aua-Weh seitens der Eltern nicht ausreichend Würdigung findet. Und Menschen, denen der Teufel ausgetrieben wird. Den Hahn schien das nicht zu stören. Er flatterte vom Fenstersims herab und stolzierte auf mich zu. Ein wunderschönes Tier. Dunkelgrün-metallic und keineswegs mager. Urgroßmutter schien dafür kein Auge zu haben. Sie war auf das Bett gesprungen, plärrte und fuchtelte mit ihrem Stock herum. Das Mädchen stand wie versteinert und guckte ihre Uroma mit Augen an, die verzweifelt nach Deutung suchten. Der Gockel war zu mir getappt und hüpfte auf mein Knie.

»Hey!« Unwillkürlich zuckte ich zurück. Der Hahn legte den Kopf auf die Seite und betrachtete mich. Das war zu viel. Hatte die Alte bislang einfach nur gebrüllt, so stieß sie nun Drohungen und Verwünschungen aus. Gegen den Hahn. Oder gegen mich. Das war nicht zu unterscheiden, weil sie mittlerweile mit dem Stock vor meinem Gesicht herumfuhrwerkte. Plötzlich rauschte das Holz hernieder. Der Hahn hatte den Stock kommen sehen und schlug wie ein Wahnsinniger mit den Flügeln. Für einen Moment sah und roch ich nur noch Federn.

»Auuuu!« Der Stocks traf mit einem satten Schnalzen auf meine Kniescheibe. Vom Schmerz her so, als wäre ich volle Kante mit dem Knie gegen die Ecke eines Metalltischchens gedonnert.

Nicht soo gut.

»Komm, ich glaube wir verschwinden«, sagte Daisy und zog mich am Arm. Wütend gackernd flatterte der Hahn im Zimmer umher, die Alte wie eine Gestörte hinterdrein. Federn stoben, Staub wirbelte auf. Die Sache eskalierte. Nun erwachte auch das kleine Mädchen aus seiner Erstarrung und jagte dem Gockel nach.

Wir machten uns vom Acker und traten ins Freie. Während ich mein geschundenes Knie massierte, schritt Daisy bereits voran. Ich humpelte hinterher. Wir kamen an der Nachbarsköchin vorbei, die in Richtung Omahütte deutete und sich mehrmals an die Stirn tippte. Ich meinte, feticheuse und plem-plem herauszuhören.

Kai hatte einen Sauvignon blanc ausgesucht, der wunderbar kühl und frisch schmeckte. Was für eine Wohltat, nach der aufgeheizten Stimmung in der Hütte! Der Wein traf auf leere Mägen und entfaltete dort umgehend seine belebende Wirkung. Der Barsch mundete lecker. Die Knoblauchsalsa hatte die richtige Schärfe und das dazu gereichte Weißbrot knusperte so, als hätte es gerade erst eine Pariser Boulangerie verlassen. Nicht einmal den Sonnenuntergang hätte man kitschiger inszenieren können.

Daisy gab unsere Arztvisite zum Besten. Hatte ich in der Hütte noch das Gefühl gehabt, dass sie sich über die Aktion ärgerte, so unterstrich sie in ihren Erzählungen die Tollpatschigkeit, mit der wir Dämlacke den beiden Schaustellerinnen auf den Leim gegangen waren. Zusammen mit Kai rätselte sie, in welchem Aggregatzustand der Hahn sich auf dem Abendbrot wiederfinden würde. Die Stimmung wurde so ausgelassen, dass sich sogar Daisy und Benny ein paar Bälle zukegelten. Der Ball, der am längsten im Spiel blieb, hieß Topsi meets Langstock. Es herrschte Einigkeit, dass so etwas nur mir passieren konnte. Und Benny orakelte, dass er mein Faible für ältere Dame an Stock schon während unserer gemeinsamen Grundschulzeit erkannt haben wollte.

Alle waren glücklich. Nur ich kaute nach dem Essen weiter.

Der letzte Satz der Feticheuse ging mir nicht mehr aus dem Kopf.


Dschungeltanz

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