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VIER

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»Du wolltest was? Mit ihr Liebe machen?« Benny ließ seinen Löffel zurück in den Reis sinken und stand auf. Grinsend ging er um Jil herum, die am Kopfende unseres Esszimmertisches saß, und beugte sich zu mir herab. Ungeachtet der Tatsache, dass ich gerade eine Gabel Curry in den Mund geschoben hatte, nahm er meinen Kopf zwischen seine Hände und wollte mich auf die Stirn zu küssen.

»Topsi, ich bin sowas von stolz auf dich. Möchtest eiskalt deine Therapeutin aufs Kreuz legen!«

Ich schob ihn weg. »So ein Quatsch! Wie oft soll ich es dir noch erklären? Ich habe nur gesagt, dass sie für ihr Alter recht passabel aussieht. Deswegen muss ich nicht gleich mit ihr ins Bett wollen.«

»Aber schaden würde es nicht! Da könntest du sicher noch was lernen.« Benny breitete die Arme aus wie ein Prediger und sagte in getragenem Tonfall: »Schon bei Lukas heißt es: Die brachliegenden Felder sollt ihr mit eurer Pflugschar bestellen und ihr werdet reiche Ernte halten.«

»Komm, hau doch ab!«

»Jetzt lass die Topsi in Ruhe!« Jil verzog das olivbraune Gesicht. »Ick finde es toll, dass er sie attractive findet. Warum dürfen immer nur die Frauen mit zwanzig gut aussehen? Ick werde mick freuen, wenn ick vierzig bin und eine junge Typ findet mick super!«

»Ich habe ihr das nicht gesagt.«

Jil winkte ab. »Eine Frau merkt das, wenn eine Mann sie sexy findet, glaube mick. Aber das ist okay so.« Sie wandte sich an Benny. »Was heißt actually auf die Kreuz legen? Does it mean buumsen?« Jil kicherte in die vorgehaltene Hand. »Ihr Deutschen habt so lustige Worte.«

Benny streckte ihr den Daumen entgegen. »Dafür, dass du erst seit acht Wochen hier bist, begreifst du ganz schön viel. Fehlt nur, dass wir dein Praxissemester mit Leben füllen. Weißt schon, Praxis und so.«

Es dauerte einen Augenblick bis Jil begriff. Sie wollte ihm auf den Arm klatschen, doch Benny hatte ihre lange Leitung genutzt und war vorsorglich zurückgesprungen. Jil drohte ihm mit der Gabel. »Du, werd mal nicht freck, du. Ick kann immer nock die Zimmer bei die Rote-Kreuz-Schwestern bekommen, wenn ick will. Ick erzähl denen einfack was von sexual harassment und so. Dann du kannst sehen, wer dir kockt eine so leckere Curry. Bitterly weinen wirst du!«

Und damit hatte sie recht. Jil war echt ein Zugewinn für unsere WG. Nicht nur, weil sie unglaublich lecker kochte und coole indische Musik laufen ließ. Jil kam zwar aus Atlanta, ihr Vater aber war gebürtiger Engländer. Und von dem hatte sie den Humor.

»Sag mal, Benny, heute Morgen habe ick in die bathroom eine blonde Frau getroffen, die war schon mal zu Besuck, right?«

»Klar. Inga.«

Jil inspizierte ihre Gabel, die sie zwischen den Fingern hin- und herdrehte.

Die Masche funktionierte, Benny wurde ungeduldig. »Und?«

»Ock, nickts.«

»Was soll das heißen, nichts?«

»Is it was Ernstes?« Jil sah Benny an und hielt sich mit der Gabel abwechselnd mal das eine, mal das andere Auge zu.

»Nicht direkt. Sagen wir mal, sie ist zurzeit meine feste Freie.«

»Lass mick raten, das bedeutet bei dir: Wenn sick keine andere findet, gibst du ihr eine Anruf?«

Ich war gespannt, was Benny antworten würde. Meines Erachtens hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Doch Benny schob sich einen weiteren Löffel Butter-Chicken in den Mund.

»Na, dann ist es ganz good, dass wir ein biscken miteinander gesprocken haben.«

»Über Kamasutra?«

»Pah, du spinnst dock! Ick habe ihr bloß gesagt, dass ick freue mick, in der Fruh mal eine vertraute Gesickt neben mick zu sehen.«

Benny sah auf. »Danke, Jil. Prima gemacht. Jetzt denkt sie, dass ich jeden Tag ne Neue ins Bett zerre.«

»Ja und? Ist dock von die Wahrheit nickt so weit weg, right?«

Benny legte seine Gabel in den Teller und setzte seine Super-Unschulds-Miene auf. Aus Erfahrung wusste ich, dass Frauen diesem Bernhardiner-Blick keine zehn Sekunden standhielten.

»Ich kann nichts dafür, dass ich mich schon sehr früh für Mädchen interessiert habe. Das liegt mir im Blut. Und wenn du von allen Seiten zu hören bekommst, dass du etwas außergewöhnlich gut kannst, dann motiviert dich das natürlich.« Benny kippelte mit dem Stuhl vor und zurück und drückte seine Brust raus. »Außerdem ist das evolutiv betrachtet ein völlig korrektes Verhalten. Seit unsere Vorfahren runter vom Baum und rein in die Höhle ...«

»Naa, Benny, nicht schon wieder Höhle.« Ich hob beide Hände abwehrend in die Höhe. »Ich kanns echt nicht mehr hören. Sei so lieb und erzähl Jil deine Theorie wann anders.«

Benny stutzte. Dann fuhr er fort: »Aber Fakt ist doch: Ich hab halt früher als die meisten kapiert, dass das Ding zu mehr gut ist, als nur um Pusteblumen wegzustrullern.«

Er stand auf und versuchte, sich Kasimir zu schnappen, der auf dem Weg in Richtung Couch war. Gerade als Benny zupacken wollte, drehte sich der Kater blitzschnell um und verpasste Benny mit ausgefahrenen Krallen fauchend eine Rechte.

»Ho, ho, ho – ruhig, Fury!« Benny zog seine Hände zurück. »Schon gut, Alter, alles cool.« Benny betrachtete das blutige Tribal auf seinem Unterarm.

»Du brauckst dick gar nickt darüber zu wundern«. Jil war aufgestanden und ging zu Kasimir. Der ließ sich von Jil ohne Widerstand hochheben und schmiegte sich an ihren Hals. Sein Schnurren war so regelmäßig wie das Rattern einer Singer-Nähmaschine.

»Nack allem, was du mit ihm gemackt hast.«

Meine schlimmsten Befürchtungen bezüglich Benny und dem Kater waren Wirklichkeit geworden. Und es gab keinen Zweifel, Kasimir kam seit dem Tag des Showdowns deutlich breitbeiniger daher. Zumindest, wenn er sich beobachtet fühlte. Wie ein Cowboy, dem man das Pferd unter dem Hintern zusammengeschossen hatte. Und an diesem Handicap war ich nicht gänzlich unbeteiligt.

Kasimir ist ein Kartäuser. Sozusagen der Aston Martin unter den Hauskatzen. Groß, gut gebaut, markanter Unterkiefer. Seidiges, dunkelgraues Fell mit Blaustich. Was Edles halt. Meine Großmutter, die sich zeitlebens von Hirsebrei und abgelaufenem Joghurt ernährte – Gott habe die alte Dame selig – ließ nicht die geringsten Zweifel aufkommen, dass Kasi etwas Besonderes war. Mieze bekam jeden Tag frisch geschabtes Fleisch – Rinderhüfte aufwärts. Einmal die Woche gab es lecker Thunfisch vom Fischhändler. Selbstverständlich in Sushiqualität. Nun hatte ich das Erbe angetreten und war laut Testament verpflichtet, Kasimir bis zu seinem Ableben zu hegen und pflegen. Von Sushi-Qualität stand nichts. Folglich hatte ich sinngemäß zu ihm gesagt: »Kasimir, mein Freund und Kupferstecher, möge der Wind der Globalisierung auch an dir nicht unbemerkt vorbeistreichen. Erbe hin oder her – wir alle müssen den Gürtel enger schnallen.«

Nein, nicht nur des Geldes wegen. Thunfisch in Sushiqualität ist vom Aussterben bedroht. Davon abgesehen ist eine reine Eiweißdiät für Katzen ungesund. Wenn eine Katze in der freien Wildbahn eine Maus zur Strecke bringt, vertilgt sie diese Maus komplett. Und da sich Mäuse vegetarisch ernähren, also quasi vollgestopft mit Kohlehydraten und Ballaststoffen sind, ist eine Mäusediät ziemlich ausgewogen. Der Plan war: allwöchentlich eine reine Fleischmahlzeit durch ein gesamtheitliches Katzenfertigfutter aus der Dose zu ersetzen. IAMS Adult 1+ mit viel Huhn in Sauce, laut Stiftung Warentest die Königin unter den Feuchtfuttern und mit 2 Euro 77 pro Tagesration nicht eben billig. Um es kurz zu machen: Das Stimmungsbarometer in unserer WG sank beträchtlich. An den Feuchtfutter-Tagen wurde Kasi übellaunig und zickig, streckenweise unberechenbar. Außerdem begann er, willkürlich Gegenstände in der Wohnung zu markieren. Männliche Katzen tun das, indem sie ein Bein heben, das Gesicht verziehen wie Bruce Willis in Die Hard und unter offenbar größten Schmerzen eine übelriechende Flüssigkeit herauspressen.

Das ganze Haus roch zunehmend nach Katzenpuff. Eines Abends – ich war ausgeflogen – saß Benny vor dem Fernseher und schaute Two and a Half Men. Kasimir hüpfte aufs Sofa, weiter auf Bennys Bauch und kündigte durch intensives Pfotentreten an, dass er im Begriff war, sich niederzulassen. Benny – abgelenkt durch Charlie Sheen und seinen Spezi – wollte Kasimir streicheln. Kasimir wollte sich in Bennys Hand verbeißen und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Benny schrie auf und schüttelte den grauen Teufel ab, der daraufhin unsanft zu Boden plumpste. Kasimir – stocksauer ob der groben Abfuhr – guckte, ob Benny ihm zusah, und marschierte mit aufgestelltem Schwanz zu Bennys geöffneter Unitasche. Dort hob er das Bein.

Das hätte er nicht tun dürfen. Benny brüllte und schmiss den leeren Pizzakarton nach dem Kater. Zu spät. Bennys feine Kalbledertasche würde nie wieder dieselbe sein.

Von Hauskatern kann man halten, was man mag, aber sie gehören kastriert. Diese Erkenntnis hatte nun ihren Weg zu Benny gefunden. Und da mein Kumpel selbst um halb elf abends nicht lange fackelt, rief er in der Tierklinik an und ließ sich für den nächsten Vormittag einen Termin geben.

»Topsi, dein Telefon«, riss mich genau dieser Kumpel aus meinen Gedanken.

»Wer?«

»Dein Telefon. Sollen wir uns das Biene-Maja-Gedudel noch ein bisschen anhören oder gehst du dran?«

»Nee, gib her.«

»Wie wärs, wenn du dir selber in die Hosentasche greifst? Ich komme von hier aus nämlich schlecht hin.«

»Okaaaay.« Kurz vor der letzten Klingelwelle hielt ich mein Telefon in der Hand. »Horst Hentschel.«

»Hallo Topsi, hier ist Kai.«

Ich überlegte fieberhaft, woher ich diese Stimme kannte. Mit einem Mal machte es Klick. »Servus Kai, wie gehts dir?«

»Ich kann nicht genug klagen, danke der Nachfrage. Und dir?«

»Brillant! Bin auf dem direkten Weg in Richtung Millionär.«

»Dann kann ja nichts mehr anbrennen. Hör mal, Topsi, wir hatten darüber gesprochen, dass du mit auf Tour kommst, wenn es passt. Ich hab einen Flug bekommen, der geht über Dakar nach Manaus und zurück. Drei Tage frei in Manaus. Perfekt für Mitreisende.«

»Manaus? Das liegt doch in Brasilien.« Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Benny aufhorchte.

»Mittendrin, direkt am Amazonas. Weiß auch nicht, was unsere Firma da möchte, aber anscheinend gibt es dort haufenweise Sachen, die unbedingt nach Deutschland müssen. Und so gut bezahlt werden, dass wir sie in unsere Flugzeuge packen.«

»Und wann würde es losgehen?«

»Das ist der Haken an der Sache. Am Freitag, also überübermorgen ...«

»Ui!«

»Und am Samstag drauf bist du wieder im Lande. Ne stramme Woche also.«

»Okaaaay, ne Woche ...«, versuchte ich Zeit zu gewinnen, während meine Gedanken durcheinanderwirbelten. Ich hatte einen Termin mit Prangishvili, einen weiteren bei der Hypnosetante und musste echt viel für den Medizinertest vorbereiten, außerdem ...

»Überleg es dir einfach, und ruf mich zurück. Ich bin morgen den ganzen Tag zuhause.« Kai schien Gedanken lesen zu können.

»Kai, das wäre echt voll die Gaudi, ich muss nur schauen, ob ...«

»Kein Problem, Topsi, gib mir einfach Bescheid.«

»Okay, mach ich. Bis dann.«

Benny und Jil sahen mich an wie Zeus und Apollo, die beiden Dobermänner aus Magnum, als ich das Telefon auf den Tisch legte.

»Kai, der jetzt als Kapitän bei der Fracht fliegt ...«

»... mit dem du Weihnachten in Novosibirsk und Hongkong warst, ich weiß.«

»... hat gefragt, ob ich mitfliegen möchte. Nach Dakar und Manaus.«

»Manaus! Muss der Hammer sein. Hab mal irgendwo gelesen, dass die den brutalen Frauenüberschuss haben. Im Verhältnis 3:1 oder so. Und als weißer Europäer bist du für die voll der Exot. Das wäre mein persönliches Mekka!«

»Wie kannst du da einfack mitfliegen?« Jil hatte ihre Stirn in Fragezeichen gelegt.

»Die haben in ihren Frachtmaschinen zusätzliche Sitze. Genau weiß ich das auch nicht, aber es scheint zu funktionieren. Kai sagt, sie nehmen ständig Gäste mit.«

»Du bist dabei, oder?«

»Richtig passen tut mir das nicht. Ich hab volles Programm nächste Woche ...«

»Hey, Hentschel, jetzt langweil nicht rum. Volles Programm, so ein Schmarrn! So gesehen passt es nie. Logisch fährst du mit. Wenn du nicht fährst, machs ich!« Benny sprang auf und legte eine Kombination aus Zumba- und Merengue-Hüftschwung hin. Die eine Hand wie ein Torero über dem Kopf, die andere wie Michael Jackson in seinen besten Zeiten stabil im Schritt.

»Bo-asch noite, Ma-na-uuuuusch! Tropische Nächte am Amazonas-Strand, isch komme!«

»Wenn du dort solcke Bewegungen mackst, denken die Frauen, dir ist die Vogelgrippenvirus in die Hirn gestiegen.« Jils Gesicht konnte sich scheinbar nicht einigen, ob es lachen oder weinen sollte.

»Keine Sorge, meine Prinzessin aus dem Palast der Winde! Ich verstehe die Frauen und die Frauen verstehen mich. Die Sprache der Liebe ist inter---natio---nal.« Auf international folgten unzweideutige Hüftbewegungen.

»Du und das Liebe, das sind zwei Worte, die nickt zusammenpassen«, meldete sich Jil. »Doesn't fit, understand?«

Benny grinste und antwortete mit weiteren Hüftstößen.

Manchmal frage ich mich, was Leute, die Benny nicht so gut kennen, über meinen Kumpel denken. Sicher nicht, dass er bei den Profs als einer der hellsten und innovativsten Köpfe des ganzen Münchner BWL-Lehrstuhls rangiert.

Apropos BWL. »Du schreibst nächste Woche eine Klausur oder?«, gab ich zu bedenken.

»Scheiß drauf! Klausuren kannst du wiederholen oder schickst jemand anders für dich hin, aber so eine Chance kommt nie wieder. Glaub mir, sowas muss man mitnehmen.«

Eigentlich hatte Benny recht. Das war ja das Schlimme. Der Kerl hatte immer recht. Und kam auch noch durch mit dieser Nummer.

Würde solch eine Gelegenheit wiederkommen? Schwer zu sagen. Ich befand mich mitten in meinem Teilzeit-Monat, die Termine würden sich verschieben lassen und lernen konnte ich auch unterwegs. Vielleicht sogar besser als zuhause, wo ich mich ständig durch irgendetwas ablenken ließ. Tagsüber im Schatten des Hotelpools die Unterlagen des Medizinertests durcharbeiten, abends lecker Essengehen. Zusammen mit Benny und Kai würde die Gestaltung des Abendprogramms recht bunt ausfallen. Schön von einer Kneipe in die nächste. Außerdem kämen mit Senegal und Brasilien gleich zwei neue Pins auf meine Weltkarte.

Ich griff nach meinem Telefon.


Dschungeltanz

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