Читать книгу Falling for Tide - Aurora Rose Reynolds - Страница 3
1. Kapitel
ОглавлениеAria
»Herzlichen Glückwunsch!«, ruft meine Maklerin Sara und klatscht verzückt, als ich nach gefühlt einer Million Unterschriften das letzte Dokument unterzeichnet habe.
Ihre Freude entlockt auch mir ein Lächeln – auch wenn mir klar ist, dass ihre gute Stimmung von den fast fünfzigtausend Dollar Provision herrührt. Zur Hölle, ich wäre auch hellauf begeistert, wenn ich so viel Geld verdienen würde, nachdem ich jemandem nur eine einzige Immobilie gezeigt habe.
»Danke«, sage ich und schaue kurz in ihre Richtung, bevor ich der Anwältin den Stapel Papiere zuschiebe, den sie lächelnd entgegennimmt. Dann rollt sie mit ihrem Stuhl ein Stück zurück und öffnet eine Schublade. Als sie einen Schlüsselbund herausholt, zieht sich mein Magen vor Aufregung zusammen.
Sie grinst. »Herzlichen Glückwunsch auch von mir, Aria.«
Ich umschließe das kühle Metall mit meinen Fingern, das sich daraufhin leicht in meine Handfläche bohrt. Endlich ist es so weit. Nun kann ich mich aufs Weitermachen konzentrieren, und zwar in einem Heim, das nur mir gehört. Mir und niemandem sonst. Ich möchte weinen und gleichzeitig durch den Raum tanzen. »Danke«, murmle ich stattdessen.
»Wollen Sie noch die Kontaktdaten der Baufirma, von der ich Ihnen während unseres Rundgangs erzählt habe?«, fragt Sara.
Das knapp zweihundertdreißig Quadratmeter große Haus, das ich gekauft habe, ist wunderschön. Es liegt am Fuß eines Berges, etwas abseits der Straße, und ist umgeben von sechs Hektar Wald. Als ich es das erste Mal sah, war mir sofort klar, dass es das richtige für mich ist. Nach einem Blick in das Innere kamen mir jedoch Zweifel. Die Vorbesitzer haben den größten Teil der Küche und des Hauptschlafzimmers samt dem Badezimmer vor ihrer Scheidung fertiggestellt, aber der Rest wirkt noch, als wäre es einer 70er-Jahre-Sitcom entsprungen – inklusive verrückter Tapeten, Zottelteppiche und Linoleum. Es wird einiges an Zeit und Geld nötig sein, um alles nach meinen Wünschen umzugestalten.
Das Gute ist, ich habe viel Zeit. Der finanzielle Aspekt ist hingegen etwas komplizierter. Dank meiner Arbeit als Autorin führte ich bisher ein ziemlich sorgenfreies Leben. Zumindest, bis ich mich von meinem Mann scheiden ließ. Da er für mich gearbeitet hat und ich während unserer Ehe für ihn aufkam, muss ich ihm Unterhalt zahlen. Was bedeutet, dass ich nicht nur für mich selbst, sondern auch für einen Mann sorgen muss, an den ich mehrere Jahre meines Lebens verschwendet habe. Ich hätte ihn nie daten, geschweige denn heiraten dürfen.
Warum ist man immer erst im Nachhinein schlauer?
»Geben Sie mir gern die Nummer des Bauunternehmens, aber es kann eine Weile dauern, bis ich mit der Renovierung beginne.«
Mit freudestrahlendem Gesicht drückt sie meinen Arm. »Ich bin sicher, dass man kurzfristig Kapazitäten für Sie finden wird, sobald Sie loslegen wollen.«
Am liebsten würde ich die Augen verdrehen. Seit sie herausgefunden hat, dass ich Autorin bin und mein Pseudonym Spencer Heart lautet, redet sie sich ein, dass ich jemand Berühmtes sei. Was nicht stimmt. Ja, ich habe es einige Male auf die Bestsellerliste der New York Times geschafft und über meine Bücher wurden mehrere Artikel geschrieben. Wenn man aber einem zufälligen Passanten auf der Straße mein Foto zeigt, hätte dieser keine Ahnung, wer ich bin. Himmel, derjenige würde mich wahrscheinlich nicht einmal kennen, wenn man ihm die Titel meiner Bücher nennt, es sei denn, diese Person wäre zufällig einer meiner Leser oder eine Leserin.
Fragt man jedoch die Bewohner dieser Stadt nach Aria Heart, erzählen sie einem von dem reichen Mädchen, das mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurde und wegzog, weil sie dachte, sie sei zu gut für diesen Ort. Dass meine Kindheit alles andere als schön und das schicke Haus mit dem hübschen weißen Lattenzaun nur Fassade war, weiß niemand.
Meine Familie war schon immer gestört und ist es noch. Meine Mutter ist eine gewohnheitsmäßige Fremdgeherin und mein Vater ein gesellschaftstauglicher Alkoholiker. Ich bin eine sechsundzwanzigjährige geschiedene Frau, die zu dem Flecken Erde zurückgekehrt ist, an dem sie aufwuchs. Denn, so traurig es klingen mag, ein anderes Zuhause habe ich nicht.
Trotz der angespannten Beziehung zu meinen Eltern und eines fehlenden lokalen Freundeskreises konnte ich mir keine andere Stadt vorstellen, in der ich nach dem Ende meiner Ehe leben wollte. Zum Glück bin ich in keiner Weise auf meine Familie angewiesen. Allerdings wohnen sie jetzt nur wenige Minuten von mir entfernt, was bedeutet, dass ich mich mit ihnen auseinandersetzen muss, ob ich will oder nicht.
Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück und hebe meine Tasche vom Boden auf. Ich muss hier raus. Nun, da das Haus offiziell mir gehört, möchte ich hinfahren und mich umschauen, und zwar ganz in Ruhe und allein. Vielleicht kaufe ich sogar eine dieser aufblasbaren Matratzen und ein paar Dinge für den täglichen Gebrauch, um heute Nacht dort anstatt in dem Hotelzimmer zu schlafen, das seit einer Woche meine Bleibe ist. Was meine Eltern nicht sonderlich toll fanden. Zuerst spielten sie noch Verständnis dafür vor, dass ich Raum für mich brauche. Aber in den letzten Tagen brachten sie ihr Missfallen durch tägliche Telefonanrufe zum Ausdruck. Ihr Image war ihnen seit eh und je wichtig; dass ihr einziges Kind in der Stadt ist, aber nicht bei ihnen wohnt, könnte Fragen bei ihren angeblichen Freunden wachrütteln, denen sie ausweichen müssten.
Zum ersten Mal ist mir das egal und überraschenderweise fühle ich mich deswegen nicht schuldig. In den letzten sechsundzwanzig Jahren habe ich getan, was von mir erwartet wurde. Bevor ich von daheim wegging, tat ich alles in meiner Macht Stehende, um dem Bild der perfekten Tochter zu entsprechen. Was sich danach nicht änderte. Ich ging auf ein College, suchte mir einen Job und heiratete einen Mann, von dem ich wusste, dass meine Eltern ihn gutheißen würden. Nichts davon machte mich glücklich. Als ich meine Scheidungspapiere unterschrieb, schwor ich mir, meine Zukunft nach meinen eigenen Bedingungen zu gestalten. Ich werde nichts mehr akzeptieren, weil ich das vermeintlich tun sollte, und nie wieder werde ich das Glück eines anderen über mein eigenes stellen.
Das ist mein Leben und ich werde es so leben, wie ich es will.
Bei diesem Gedanken stehe ich auf und schaue zwischen den beiden Frauen hin und her. »Vielen Dank. Wenn Sie noch irgendetwas von mir benötigen, können Sie mich über mein Handy erreichen.« Ich wende mich an Sara. »Ich würde mich freuen, wenn Sie mir den Kontakt zu dem Bauunternehmen vermitteln. Könnten Sie mir die Kontaktdaten per E-Mail zuschicken?«
»Natürlich.«
»Danke.« Ich schiebe mir den Riemen meiner Tasche über die Schulter, verlasse das Büro und gehe zu meinem Auto. Danach fahre ich ins Hotel, checke aus und lege auf dem Weg zu meinem neuen Zuhause einen Zwischenstopp bei Target ein.