Читать книгу Falling for Tide - Aurora Rose Reynolds - Страница 5

3. Kapitel

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Aria

Ich habe es mir mit einer Dose Cola Light und meinem Handy auf der aufblasbaren Matratze gemütlich gemacht und schaue mir lustige Katzenvideos an. Erst in zwei Tagen werde ich einen richtigen Internetzugang bekommen, was gut passt, da morgen mein Heimcomputer, mein Fernseher und meine Möbel geliefert werden. Wenn die Sachen hier sind, kann der Techniker alles Notwendige gleich mit anschließen. Während der letzten Tage habe ich nicht gearbeitet. Der Plan, eine romantische Komödie zu schreiben, wurde mittlerweile von der Idee einer anderen Lovestory ersetzt. Ich bin mir mittlerweile aber auch nicht sicher, ob ich diese Geschichte umsetzen kann, was bedeutet, dass ich keine Zeile zu Papier gebracht habe. Worüber sich meine Agentin und meine Verlegerin überhaupt nicht freuten.

Die Pause hat mir allerdings gutgetan. Obwohl ich über mein Smartphone Zugriff auf meine Autorenseiten und mein Postfach habe, fehlte das Bedürfnis, alle paar Minuten nachzuschauen. Wenn ich E-Mails erhalte, in der Regel von meiner Agentin und meiner Herausgeberin, antworte ich natürlich, aber ansonsten habe ich mich zurückgelehnt und diese dringend benötigte Auszeit genossen.

Es ist mir zudem gelungen, meinen Eltern aus dem Weg zu gehen, indem ich ihnen erzählte, dass der Hauskauf zwar abgeschlossen ist, ich aktuell aber damit beschäftigt bin, die notwendigen Vorbereitungen für das Umzugsunternehmen zu treffen. Sie waren nicht begeistert, aber ich habe sie mit einem Versprechen beschwichtigt, dass wir hier zusammen zu Abend essen, wenn alles eingerichtet ist.

Ich nehme einen weiteren Schluck von meiner Cola Light, um den Kloß in meinem Hals zu vertreiben, ehe ich meine halb volle Dose vorsichtig auf den Boden stelle. Dabei spüre ich leichte Vibrationen, die von unten kommen, und sofort schiebt sich ein Bild von Tide vor mein geistiges Auge, der momentan die Decke im Wohnzimmer ersetzt.

Ich sehe nur allzu deutlich vor mir, wie sich sein dunkelblaues T-Shirt eng um seine definierte Brust, seine Bauchmuskeln und seine durchtrainierten Arme spannt, während er eine Trockenbauwand festhämmert. An den letzten beiden Abenden habe ich beobachtet, wie er den Teppich rausriss und die nasse Decke entfernte. Auch wenn wir nur wenige Worte miteinander wechseln, schaue ich ihm bei der Arbeit zu, ohne dass er es bislang bemerkt hat. Ich versuche, ihm möglichst nicht in die Quere zu kommen, wenn ich aber ehrlich zu mir selbst bin, meide ich ihn.

Als ich ein lautes Krachen und derbes Fluchen höre, springe ich auf und laufe die Treppe runter. Im Wohnzimmer bleibe ich stehen und blicke mich um. An der Wand lehnt ein Stück ramponierte Gipskartonplatte und Tide stemmt eine weitere, intakte Platte über seinen Kopf, während er sich auf die Leiter in der Mitte des Raums zubewegt.

»Ist alles in Ordnung?«

Bei meiner Frage dreht er sich zu mir um. »Ja«, antwortet er ächzend und erklimmt mit gekonnten Schritten die Metallstufen. Rasch eile ich zu ihm, klettere die ersten sechs Stufen hinterher und helfe ihm, die Trockenwand an Ort und Stelle zu halten, als er die Nagelpistole aus dem Gürtel um seine Hüften zieht. »Babe, was zur Hölle machst du da? Geh runter.«

»Nein.« Ich sehe ihn nicht an, sondern steige noch eine Stufe höher, um meine Arme etwas zu entlasten, die unter dem Gewicht der Platte zu zittern beginnen.

»Geh runter.«

»Mach einfach«, zische ich und kämpfe gegen meine schwindenden Kräfte an. Gott, ich muss wirklich mehr trainieren.

»Zum Teufel«, knurrt er, bevor er loslegt. Bei jedem einzelnen Schuss der Nagelpistole zucke ich zusammen. Erst als ich sicher bin, dass es hält, lasse ich los und klettere die Leiter wieder runter. Als Stille eintritt, sehe ich auf und begegne Tides Blick. Er ist wütend. Auch wenn ich ihn nicht gut kenne, entgehen mir der aufgebrachte Ausdruck in seinen Augen und die Anspannung in seinem Kiefer nicht. »Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht?« Der Klang seiner Stimme hallt durch den Raum und erfüllt mich bis in den letzten Winkel.

Ich straffe die Schultern und recke das Kinn. »Ich habe dir geholfen.«

»Mir ist klar, dass du das meinst, Babe, aber was hättest du gemacht, wenn die Leiter unter der Last von uns zwei nachgegeben hätte?«

Mist, das habe ich nicht bedacht.

»Siehst du ... Und was glaubst du, wäre passiert, wenn einer der Nägel abgeprallt wäre und dich getroffen hätte?«

Verdammt. Auf die Idee bin ich auch nicht gekommen. »Ist so was überhaupt möglich?«

»Frag mal meinen Freund Tiny, der kürzlich einen Nagel aus seiner Schulter entfernen lassen musste.«

Autsch.

»Ich habe nur versucht zu helfen«, erwidere ich leise.

»Das tust du, indem du mir nicht hilfst.«

Ich ziehe die Nase kraus. Er hat die ganze Zeit über allein gearbeitet und trotz seiner Kraft sowie Erfahrung ist es offensichtlich nicht einfach, ohne Unterstützung eine Decke anzubringen. »Warum lässt du dir nicht von jemandem helfen?«

»Weil ich hierbei kein weiteres Paar Hände brauche«, antwortet er, schiebt die Leiter ein Stück zur Seite und greift nach der nächsten Platte. Als er sie über seinen Kopf stemmt, beobachte ich das Spiel seiner Muskeln.

Als er jedoch die Metallstufen erreicht, trete ich instinktiv nach vorn und halte den Gipskarton in Waage, damit Tide ihn platzieren kann.

»Ernsthaft?«

Mich nicht noch einmal entschuldigend, warte ich ab, ohne Tide anzusehen. Er stößt ein genervtes Brummen aus, und einen Moment später zucke ich erschrocken zusammen, als erneut das Geräusch der Nagelpistole ertönt. Anschließend klettere ich zurück nach unten. Als sich eine warme, starke Hand um meine Finger schließt, halte ich inne – einen Fuß auf dem Boden, den anderen in der Luft.

»Was habe ich gesagt?«

Vorsichtig linse ich zu ihm hoch und oh Gott. Er wirkte vorhin schon sauer, was aber nichts gegen jetzt ist.

»Ich versuche nur, dir zur Hand zu gehen.«

»Was unnötig ist. Wenn ich Unterstützung bräuchte, würde ich einen meiner Jungs anrufen.«

»Also schön.« Ich werfe meine Arme in die Luft. »Aber lauf nicht heulend zu mir, wenn dir eine dieser Trockenbauwände auf den Kopf kracht und dich ausknockt.«

»Das wird nicht passieren«, meint er und greift nach der nächsten Deckenplatte. Als er wieder bei der Leiter ist, wirft er mir einen Blick zu, um sicherzustellen, dass ich nicht noch einmal Anstalten mache, ihm hinterherzuklettern.

»Ich rühre mich keinen Zentimeter.«

»Ja, und ich wette, es bringt dich förmlich um«, grummelt er, und ich schaue ihn aus zusammengekniffenen Augen an. Er hat recht; es juckt mir in den Fingern, mich in Bewegung zu setzen und ihm zu helfen, aber wenn er ein chauvinistischer Alpha-Mann sein will, bitte sehr ...

»Machen Sie weiter, Sir.« Ich salutiere und entdecke, wie seine Mundwinkel zucken, als er die Stufen hinaufsteigt. Dann beobachte ich voller Ehrfurcht, wie er die Platte mühelos an der Decke festnagelt. Er scheint das wirklich im Alleingang bewerkstelligen zu können.

»Sieh mal einer an, jetzt herrscht plötzlich Ruhe auf den billigen Plätzen.« Grinsend stützt er seine Ellenbogen auf die Leiter. Himmel, er sieht viel zu gut aus.

»Angeben ist kein feiner Charakterzug.«

»Also möchtest du lieber, dass ich bewusstlos auf deinem Wohnzimmerboden ende, ohne Rettung in Sicht, weil du dich weigerst, mir zu helfen?«, neckt er und zieht eine Braue hoch.

»Geh mir nicht auf den Keks.« Ich drehe mich um und höre ihn hinter mir lachen, als ich in die Küche stürme. Ich öffne den Kühlschrank und hole die Zutaten für eines meiner Lieblingsgerichte heraus: ein einfaches Pfannengericht mit Reisnudeln, Hühnchen und Pad Thai-Sauce.

Nachdem das Fleisch, die Nudeln und das Gemüse fertig sind, gebe ich alles in einen Topf und füge die Sauce hinzu. Ich rühre mehrmals kräftig um, bis alles gleichmäßig damit bedeckt ist. Anschließend schnappe ich mir einen Pappteller und spähe hinüber zum Wohnzimmer. Mir ist klar, dass ich mich zurückhalten sollte, was mich aber nicht daran hindert, die halbhohe Wand zu umrunden.

»Ähm«, beginne ich, und als Tide mich ansieht, muss ich mir meine plötzlich schweißnassen Hände an der Vorderseite meiner Shorts abwischen. »Keine Ahnung, ob du schon gegessen hast, aber ich habe gekocht und du kannst gern etwas davon abhaben. Es ist genug da.«

»Ich dachte schon, ich müsste mir selbst zu einer Portion verhelfen, nachdem du nach oben verschwunden bist«, sagt er und kommt auf mich zu. »Es riecht gut.«

»Danke.« Am Saum meines Oberteils herumfummelnd, mache ich auf dem Absatz kehrt, um in die Küche zurückzukehren. »Magst du Thailändisch?«

»Ich habe es noch nie probiert«, entgegnet er, als ich einen weiteren Pappteller aus dem Schrank nehme und ihm in die Hand drücke.

»Sorry, das ist alles, was ich dahabe. Ich kriege meine Sachen erst in ein paar Tagen.«

»Willst du, dass ich mich schlecht fühle?«, fragt er, und ich halte inne – mit einem Pfannenwender voller Nudeln, Gemüse und Hühnchen im Griff. Tide zuckt mit den Schultern. »Ich lebe schon einige Jahre in meinem Haus und benutze immer noch Pappgeschirr. Vermutlich, weil ich ungern abspüle.«

»Du bist ein Mann. Ich bin mir sicher, es ist in deiner DNA verankert, jegliche Art von Putzen zu umgehen.«

»Touché.« Er grinst, und ich lade lachend eine riesige Portion auf seinen Teller, denn in Anbetracht seiner Statur scheint er nicht wenig zu essen. Anschließend reiche ich ihm eine Plastikgabel und eine Wasserflasche, die ich zuvor aus dem Kühlschrank geholt habe.

»Wir haben zwei Sitzmöglichkeiten – entweder die Verandastufen oder den Boden.«

»Die Veranda klingt gut«, meint er, und mit meiner Wasserflasche unter dem Arm geklemmt, gehe ich voraus und öffne die Vordertür. Draußen setze ich mich auf die oberste Stufe, platziere meinen Teller auf meinen Knien und stelle mein Wasser neben mir ab.

»Es ist wunderschön hier draußen«, sagt Tide und lässt sich neben mir nieder.

»Stimmt.« Ich frage mich, ob ich mich jemals daran gewöhnen werde, an einem so traumhaften Ort zu leben. Wenn die untergehende Sonne durch die Blätter der Bäume scheint und Schatten wirft, sieht es aus wie das Setting eines Fantasy-Romans. Als könnte jeden Moment ein Ritter auf einem weißen Pferd den Weg hinaufreiten, während Feen aus den Bäumen stürzen und einen vor dem bevorstehenden Untergang warnen. Kopfschüttelnd wische ich meine Gedanken fort. »Als ich diese Immobilie sah, wollte ich sie haben. Beim Anblick der Innenräume kamen mir jedoch Zweifel.«

»Es hat ein gutes Fundament. Ein paar Erneuerungen sind nötig, aber du hast eine gute Wahl getroffen.«

»Danke.« Ich wickle einige Nudeln mit meiner Gabel auf und nehme einen Bissen. Obwohl ich dieses Gericht oft zubereitet habe, ist es schon eine Weile her, also stöhne ich genießerisch, als sich die köstlichen Aromen in meinem Mund ausbreiten.

»Verdammt, das schmeckt gut«, sagt Tide, und ich drehe mich zu ihm, um ihn anzulächeln. »Ich hatte lange keine hausgemachte Mahlzeit mehr.«

»Hausgemacht würde ich es nicht nennen. Es ist bloß eine Tüte Pfannengemüse, eine Packung Reisnudeln, Hühnchen und eine Flasche Thai-Sauce.«

»Es stammt nicht aus einem Drive-in, was für mich gleichbedeutend mit hausgemacht ist.«

Ich kann nicht anders, als ihn eingehend zu mustern. Er ist keineswegs dünn. Er ist groß und kräftig gebaut, voller Muskeln, die davon zeugen, dass er auf sich achtgibt. Dennoch wirkt er, als würde er auch mal ein Bier trinken und wüsste gutes Essen zu schätzen. Neben ihm fühle ich mich zierlich und auf seltsame Weise weiblicher.

»Ich schreibe dir gern das Rezept auf, dann kannst du es bei Gelegenheit ausprobieren. Es ist wirklich einfach, alles zusammenzuwerfen.«

»Ich nehme mir eigentlich nur Zeit zum Kochen, wenn ich meine Tochter bei mir habe, und sie ist ziemlich wählerisch.«

»Wie alt ist sie?«

»Vier, fast fünf.«

»Das ist ein lustiges Alter«, erwidere ich leise. Meine ehemalige Schwägerin hat zwei Jungen, und als ich mit meinem Ex zusammenkam, war der eine vier und der andere kurz vor dem sechsten Geburtstag. Einige meiner Lieblingserinnerungen sind an jenen Wochenenden entstanden, wenn wir die beiden zu uns nahmen. Selbst wenn ich erschöpft war, als sie nach Hause gingen, habe ich es stets genossen, sie bei mir zu haben.

»Wie alt ist dein Spross?«

»Was?«

»Dein Kind, wie alt ist er oder sie?«

»Ich habe keines«, widerspreche ich mit gerunzelter Stirn und frage mich, warum er das glaubt.

»Du hast gesagt, du wärst für jemand anderen verantwortlich. Da nahm ich an, du hättest welche.«

Meine Wangen fangen an zu glühen, als mir klar wird, wie missverständlich meine Worte zu interpretieren waren. Ich hefte den Blick auf meinen Teller. »Ich habe keine Kinder. Mein Ex-Mann arbeitete für mich und war während unserer Ehe finanziell von mir abhängig. Als wir uns scheiden ließen, verlangte er Unterhalt.«

»Ernsthaft?« Tide versucht nicht einmal, seine Abscheu zu verbergen. »Er hat tatsächlich gerichtlich durchgesetzt, dass du ihn nach der Trennung aushalten musst?«

»So was passiert ständig.« Ich weiß nicht, warum das meine erste Antwort ist. Sollte es nicht sein. Mein Ex Josh ist absolut in der Lage, zu arbeiten und für sich selbst zu sorgen; er möchte nur seinen derzeitigen Lebensstil nicht aufgeben. Da er alleine nicht genug Geld verdient, um das zu bewerkstelligen, erwartet er, dass ich den Rest aufbringe, und leider haben die Gerichte ihm zugestimmt.

»Du hast recht«, murmelt Tide und wendet sich wieder seinem Essen zu. Ich versuche, das Gleiche zu tun, fühle mich aber unbehaglich und verlegen. Jeder Biss kommt mir gezwungen vor. »Meine Ex hat mir Blumen geschickt.«

»Wie bitte?« Ich drehe mich zu ihm um, und er begegnet meinem Blick.

»An dem Tag, als sie mich verließ, schickte sie mir Blumen. Auf der beigelegten Karte stand, dass sie und meine Tochter bereits aus unserem gemeinsamen Haus ausgezogen wären, wenn ich das lese.«

»Autsch.«

»Mich verletzte nur, dass sie mir mein Kind weggenommen hat.« Angesichts des Schmerzes in seiner Stimme zieht sich mein Herz zusammen und ich lehne mich leicht an ihn.

»Es tut mir leid.«

»Bei jedem von uns ist etwas schiefgegangen.« Er stupst meine Schulter mit seiner an und deutet auf seinen Teller. »Aber lass uns damit aufhören und einfach das Essen genießen.«

Ich verbeiße mir ein Lächeln und folge seinem Vorschlag. Glühwürmchen erwachen um uns herum zum Leben und das Zirpen von Grillen erfüllt die Abendluft. Dieser Moment hat etwas Magisches an sich. Dabei sitze ich nur hier mit einem Mann, den ich kaum kenne, und teile eine Mahlzeit mit ihm. Mehr nicht.

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