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DATE MIT NATE

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Die Türen des Hotelaufzugs glitten lautlos auf. Nate rückte nervös sein Basecap tiefer in die Stirn und schlug den Kragen seiner Jacke hoch. Er betrat die Lobby des modernen Hotels, in der nicht das kleinste Detail der Innenarchitektur dem Zufall überlassen worden war. Mit einem raschen Blick vergewisserte er sich, dass der Weg zum polierten, von futuristischen Lampen eines dänischen Designers angestrahlten Rezeptionsdesk, das den Aufzügen gegenüber lag, frei war.

Der Concierge, George, wie Nate anhand des Schildes auf seiner Uniform erkennen konnte, hob den Blick und lächelte ihn erwartungsvoll an.

„Mister Hamilton, was kann ich für Sie tun?“

Nate legte den Zettel mit der Adresse von Salomés Apartment auf den Tresen.

„Können Sie mir bitte ein Taxi rufen, George, das mich zu dieser Adresse bringt?“

„Selbstverständlich. Ihre Agentin, Miss Cary, hat bereits einen Fahrer für Sie ausgesucht. Ich gebe ihm sofort Bescheid.“

Ein älteres Paar betrat das Hotel, und durch die sich langsam schließende Tür war das Rufen einer dicht gedrängten Menschenmenge, die den Eingang hinter einer Absperrung belagerte, zu vernehmen. Nate blickte hoch und schüttelte ungläubig den Kopf. Er kramte auch noch die Sonnenbrille aus seiner Jacke, obwohl er gehofft hatte, das würde nicht nötig sein.

„Kann ich Ihnen sonst noch behilflich sein, Mister Hamilton?“, fragte George aufmerksam und blickte ebenfalls Richtung Eingangstür.

Nate räusperte sich. Er war diesen Trubel um seine Person nicht gewöhnt. Seit der Premiere von Highlander-Resurrection war die Hölle los. Er hoffte, das würde sich mit der Zeit wieder beruhigen. Nate verzog sein Gesicht, als er daran dachte, sich der Meute zu stellen. Dabei wollte er viel lieber in Ruhe der angenehmen Aufregung in seinem Bauch nachspüren, die das bevorstehende Date mit Salomé bei ihm auslöste.

„Gibt es im Hotel einen Blumenladen?“

„Der Fahrer kann Sie an einem vorbeibringen. Ich schlage vor, Sie verlassen das Hotel durch die Tiefgarage, Mister Hamilton. Ihr Fahrer erwartet Sie dort.“

Dankbar hellten sich Nates Gesichtszüge auf. „Besten Dank, George.“

George nickte wieder freundlich, seine Miene blieb ansonsten professionell zurückhaltend. Nate notierte sich innerlich diesen Gesichtsausdruck, falls er jemals die Rolle eines Concierge spielen sollte. Als er sich auf dem Weg in die Garage befand, klingelte sein Smartphone. Im Display war der Name seiner Agentin Cary eingeblendet. Was wollte die jetzt schon wieder? Seufzend nahm Nate ab.

„Hi, Nate. Wie ist die Anprobe gelaufen?“

„Alles okay. Was gibt es?“

„Ich wollte dich nur an die Pressekonferenz morgen früh um neun erinnern. Gegen zwölf mittags gibt es ein Meet & Greet in deinem Hotel mit anschließendem Interview durch einen Reporter der Village Voice, das spätestens um drei Uhr beendet sein dürfte. Deinen Auftritt auf der Charitygala konnte ich, wie gesagt, nicht absagen. Das heißt, der Fahrer holt dich um sieben Uhr im Hotel ab. Auf dem Weg zur Veranstaltung nehmt ihr dann deine Begleiterin für den Abend mit. Wir konnten das neue Amandas Secrets-Model Ivana dafür buchen.“

Nate konnte sich vage an das Gesicht des Models erinnern. „Ivana also. Hmm.“

„Du bist der Stargast des Abends und wirst direkt nach der Begrüßungsrede des Veranstalters auf die Bühne gerufen werden. Es werden ein paar Worte von dir erwartet. Ich habe ein Dossier mit Informationen zusammengestellt und dir gerade gemailt. Mach was draus. Und vergiss nicht: immer schön lächeln und mit allen einflussreichen Damen tanzen.“

Nate verzog genervt sein Gesicht. „Das hatten wir doch bereits besprochen, Cary. Danke trotzdem.“

„Ich dachte nur, eine kleine Erinnerung könnte nicht schaden. Und vergiss bitte bei der Pressekonferenz morgen nicht, was wir abgemacht haben. Weiterhin kein Wort über Liz.“ Carys Mahnung klang spitz. „Außerdem möchte ich dich daran erinnern, dass wir kommende Woche nochmals kurz hier sind. Du hast das Fotoshooting mit der Dream-Man und eine Pressekonferenz zu Highlander-Resurrection 2, bevor du für die Drehvorbereitungen nach Schottland reist. Und denk daran: Seit vorgestern die Premiere von Highlander-Resurrection so ein riesiger Erfolg war, bist du in eine andere Liga aufgestiegen. Also verhalte dich auch danach.“

Nate seufzte. Sollte sein Leben fortan so weitergehen? Irgendwie hatte er sich das anders vorgestellt.

„Ja, Cary. Ist alles vermerkt. War’s das?“

Cary mit ihren feinen Antennen ließ sich nicht so leicht abschütteln. „Wo bist du, und was machst du heute Abend? Ich dachte, ich komme vorbei, und wir gehen die Drehbücher durch. Welche hast du schon gelesen?“

„Ich gehe aus, Cary. Privat.“ Nate wurde ungeduldig. Er war zwischenzeitlich in der Garage angelangt und nahm in dem wartenden Fahrzeug Platz. Der Fahrer kannte offenbar das Ziel, denn er fuhr ohne weitere Fragen los.

„Denk bitte daran, Nate, dass du morgen fit sein musst. Geh früh schlafen.“

Nate schnaubte. Das wurde ja immer grässlicher. Da hätte er ja gleich bei seiner Mama wohnen bleiben können. Um Cary zu ärgern, verfiel er denn auch in denselben gelangweilten Tonfall, mit dem er seiner nervenden Mutter zu Teeniezeiten begegnet war: „Mach ich, Cary. Gute Nacht.“ Bevor Cary noch etwas einfiel, beendete Nate rasch das Gespräch. Er wandte sich an den Fahrer. „Haben Sie eine Idee, wo ich noch eine rote Rose kaufen kann?“


Kurz vor neun meldete der Portier Salomé telefonisch den Besucher.

„Sagen Sie ihm bitte, ich bin gleich unten, Conrad.“

Salomé holte tief Luft, um sich zu beruhigen, und steckte ihre Ohrringe an.

Sie war später als gedacht aus dem Büro weggekommen und hatte nach einer schnellen Dusche ein Turbostyling hingelegt. Ihr fast schwarzes Haar war noch nicht ganz getrocknet. Sie blies ungeduldig ihren gestuften Pony aus ihrer Stirn. Ihre auffallend hellblauen Augen hatte sie mit sanften braunen Akzenten betont und sich für einen dezenten Lippenstift im Nudeton entschieden.

Ratlos hatte sie vor ihrer Kleidervielfalt gestanden. Was sollte sie tragen? Was war angemessen?

Sie wusste so gar nicht, welcher Typ Nate war und in welche Art von Restaurant er sie heute führen würde. Sie hatte ihn bisher nur in schottischer Tracht gesehen. Der Gedanke an sein muskulöses Bein, das unter dem Kilt hervorgeblitzt hatte, ließ sie unruhig werden.

Salomé, die den ganzen Tag in Business-Klamotten verbringen musste, liebte in ihrer Freizeit einen unauffälligen, bequemen Look. Ihre Abendgarderobe für die amerikanischen Veranstaltungen war eher konservativ. Nur in Frankreich gönnte sie sich kleine Extravaganzen. Beim Fest ihres Vaters hatte Nate sie in einem rosafarbenen Hauch von Dior erlebt. Was sollte sie nur für das Date mit Nate anziehen?

Wieder hatte sie über den Reim schmunzelnd das Gesicht verzogen und sich kurzentschlossen entschieden.

Sie unterzog sich einem letzten prüfenden Blick im Spiegel. Der auffällige Gürtel, den sie zum kleinen Schwarzen gewählt hatte, peppte dessen dunklen Look auf. Salomé schlüpfte in schwarze Pumps und warf sich eine leichte Kaschmirstola über, bevor sie sich mit starkem Herzklopfen auf den Weg in die Lobby machte.

Conrad begrüßte sie mit einem strahlenden Lächeln. Er hatte einen Narren an ihr gefressen, insbesondere seit sie ihm jährlich aus ihrem Sommerurlaub in Frankreich einen Korb voll Delikatessen mitbrachte.

„Ah, Miss de Bertrand ...“

Salomé liebte es, wie amerikanisch er ihren französischen Nachnamen aussprach.

„… ich habe heute die Zitronencreme probiert. Einfach köstlich.“

Salomé lachte ihn an und sah sich dann aufgeregt um. Sie runzelte verwirrt die Stirn. Von der Sitzgruppe im Empfangsbereich erhob sich ein Mann in Jeans und Lederjacke, dessen Gesicht unter dem tief ins Gesicht gezogenen Basecap und der Sonnenbrille kaum zu erkennen war. War das etwa Nate?

Während er auf sie zukam, nahm er Brille und Kappe ab, und Salomé blickte in strahlende Augen über dem breit grinsenden Mund.

Das war unverkennbar der Nate, mit dem sie in Südfrankreich den Abend über geflirtet hatte. Er war noch attraktiver, als sie ihn in Erinnerung hatte. Dunkelblonde Locken fielen in seine Stirn. Eine Strähne reichte bis an die hohen Wangenknochen. Ein charmantes Grübchen am Kinn lenkte von der ein wenig zu großen Nase ab. Am meisten fesselte Salomé sein ausgeprägter Mund, bei dem feine Linien darauf schließen ließen, wie gerne dieser Mann lachte.

Er trat dicht vor sie und strahlte eine unglaublich männliche Präsenz aus. Salomé spürte Verlangen in sich aufsteigen. Sie erkannte sich kaum wieder. Es war erstaunlich, welche tief in ihr verborgen geglaubten Seiten dieser Mann zum Leben erweckte. Allein seine Nähe ließ ihre Gedanken in ihr Schlafzimmer wandern. Wie konnte das sein? Sie hatte ihn erst ein einziges Mal gesehen, und doch reagierte ihr Körper mit einer Intensität auf seine Männlichkeit, dass sie nervös wurde. Sie musste sich zusammenreißen, äußerlich gelassen zu bleiben.

„Hi“, krächzte sie und räusperte sich sogleich, um ihre Stimme zu klären.

„Hallo, Schönheit.“ Er neigte sich vor und küsste sie auf französische Art auf beide Wangen.

Salomé wallte ein Hauch seines herben Rasierwassers in die Nase. Er überreichte ihr eine rote Rose. Sie grinste gerührt. Wie schön altmodisch er war. „Ich habe dich kaum erkannt, so ohne Kilt.“

Nates Lächeln vertiefte sich. „Aye, Tracht erschien mir dann doch übertrieben für ein japanisches Restaurant.“ Mit einem Blick auf den neugierig zu ihnen hin schielenden Conrad fügte er hinzu: „Lass uns los. Unser Wagen wartet draußen.“

Er hielt ihr seine Hand hin, die sie wie selbstverständlich ergriff. Seine Finger waren warm und seltsam vertraut. Salomé bat Conrad, die Rose zu versorgen und folgte ihm.

Bevor sie das Haus verließen, setzte er sich zu Salomés Erstaunen wieder die Brille und die Kappe auf und schlug seinen Kragen hoch. Während er vorsichtig nach links und rechts spähte, zog er Salomé eilig zu dem wartenden Fahrzeug. Als sie auf der Rückbank saßen, stieß Nate erleichtert seinen Atem aus. Salomé schmunzelte. Er bemerkte ihre Reaktion.

„Glaub mir, es ist nicht einfach, berühmt zu sein.“

Salomé entfuhr ein Kichern. Sie hatte bereits auf dem Fest seinen Humor bemerkt. „Oh, ja! Als Bruder von Colin Hamilton hat man sicher einige Spießrutenläufe zwischen Paparazzi zu bewältigen.“

Er starrte sie mit offenem Mund an und fuhr sich dann seufzend über sein Kinn. Dabei brummte er irgendetwas Schottisches vor sich hin.

„Mal im Ernst, was soll die Maskerade? Wirst du verfolgt?“

„So kann man es nennen, ja.“

Als er keine weiteren Erklärungen abgab, ließ Salomé das Thema fallen. Sie genoss es, mit ihm durch das nächtliche New York zu fahren, entlang der gigantischen Wolkenkratzer, von denen hier unten nur die imposanten Eingänge in Chrom und Stahl zu sehen waren. Der unablässige Strom von Menschen, die an den Fußgängerampeln zu einem ungeduldigen Halt gezwungen waren, der krasse Gegensatz von extrovertierten Nachtvögeln und armen Schluckern – das alles rauschte an ihnen vorbei, während er immer noch ihre Hand hielt und offenkundig auch nicht vorhatte, diese loszulassen.

Erstaunlicherweise fühlte sich die Berührung vertraut an. Sein Daumen strich sanft über ihren Handrücken und sandte von dort flirrende Signale ihren Arm hoch. Sie sprachen nicht, doch es war ein angenehmes Schweigen. Seine ungewohnte Nähe überschwemmte Salomés Sinne mit Eindrücken: sein würziger Geruch nach einem herben Rasierwasser und seiner Lederjacke. Wie konnte es sein, dass die Wärme, die seine bloße Präsenz ausstrahlte, die Härchen an ihrem Unterarm zu einer Gänsehaut aufstellte?

Salomé nahm jedes Detail glasklar wahr. Die vorbeiziehenden Straßenszenen, der kurz rasierte Nacken des Chauffeurs, eine Fluse auf der Kopfstütze vor ihr. Schon wieder war sie verwirrt darüber, was nur mit ihr los war. Das war ein Date und nichts weiter. Sie war kein Backfisch und auch keine Jungfrau mehr. Bleib cool, Zaza, ermahnte sie sich selbst.

Allzu bald stoppte der Wagen, und wenig später folgte Salomé Nate in ein unscheinbares Lokal, das auf den ersten Blick einen geschlossenen Eindruck machte. Sie schienen die einzigen Gäste zu sein. Nachdenklich blickte sie sich in dem leeren Raum um.

„Bist du sicher, dass die geöffnet haben?“

„Aber ja doch.“

Im selben Moment näherte sich ihnen ein freundlicher junger Mann japanischer Herkunft. „Guten Abend, Mister Hamilton. Es ist mir eine Ehre.“ Neugierig betrachtete er Salomé und begrüßte auch sie freundlich. „Folgen Sie mir, bitte.“

Er führte sie an einen gedeckten Tisch im hinteren Teil des Lokals und rückte Salomés Stuhl zurecht. Als er gegangen war, um die Getränke zu holen, neigte Salomé sich vor.

„Nate, kennst du den Laden hier? Ich meine ja nur, das ist in New York kein gutes Zeichen, wenn wir die einzigen Gäste sind“, flüsterte sie ihm zu.

Nate grinste. „Keine Sorge, Zaza, ich habe alles unter Kontrolle.“

Bei seinen Worten zog Salomé die Brauen hoch. Da er sie weiterhin mit unerschütterlichem Selbstvertrauen anblickte, verbiss sie sich jeden weiteren Kommentar und legte die Serviette auf ihren Schoß.

„Ich hoffe, du nimmst mir nicht übel, dass ich bereits bestellt habe. Es gibt ein hervorragendes Kyoto-Menü.“

Salomé nickte zustimmend. Zu ihrem Erstaunen war der erste Gang köstlich. Sie konnte nun noch weniger verstehen, weshalb der Laden nicht vollgepackt mit Gästen war.

Nate hatte sie beobachtet und prostete ihr lächelnd zu. Das Funkeln in seinen Augen ließ sie einen kurzen Augenblick die Fassung verlieren. Sie spürte ihr Herz bis zum Hals schlagen. Krampfhaft suchte sie nach einem Gesprächsthema, das sie von der Hitze ablenkte, die in ihre Wangen stieg. Nervös nippte sie an ihrem vorzüglichen Wein.

„Weshalb bist du in New York?“, begann Salomé das behutsame Ausfragen, das ihr hoffentlich mehr über diesen aufregenden Date-Nate offenbaren würde.

„Ich habe beruflich hier zu tun.“

Aha, eine kryptische Antwort. Anscheinend liefen die „beruflichen Unternehmungen“ nicht so erfolgreich, sonst würde er doch offener darüber berichten.

„Bist du auch Maler wie dein Bruder Colin?“

Nate wollte gerade die Stäbchen zum Mund führen und hielt inne. „Maler? Nein.“

„Es reicht ja auch, wenn einer in der Familie berühmt und erfolgreich ist“, stichelte Salomé.

Nates Augen weiteten sich. „Da hast du wohl recht, Zaza.“ Vergnügt tunkte er ein Sashimi in die hauseigene Sojasoße.

„Nate, ist dein Job so schlimm, dass du nicht darüber sprechen kannst? Was ist so schwierig daran, mir zu sagen, was du machst?“ Ungeduldig blickte Salomé ihn an.

„Nichts ist schlimm daran.“ Nate zuckte unschuldig die Schultern. „Ich bin Schauspieler.“

Salomé blickte ihn interessiert an. Schauspieler also. Das Aussehen dafür hatte er auf jeden Fall. Vielleicht trat er am Broadway auf? „Und an welchem Theater spielst du?“

Nate verschluckte sich an dem Schluck Sake, den er gerade aus einem der filigranen Schälchen schlürfte. „Meine Theaterzeit liegt schon einige Jahre zurück. Ich bin eher Filmschauspieler.“

Salomé war immer noch nicht zufrieden. „Und kenne ich einen Film, in dem du mitgespielt hast?“

Nate musterte sie und rieb sich sein Kinn. „Wie es scheint … nicht, Zaza.“


Nate blickte erstaunt in die erwartungsvollen hellblauen Augen Salomés. Er konnte es kaum glauben: Es schien, als würde sie ihn nicht kennen. Zunächst war er davon ausgegangen, das wäre für sie alles nur ein Spaß. Vor allem, weil sie immer wieder auf seinen bekannten Bruder Colin anspielte. Diese Fassade würde sich nicht so lange durchhalten lassen, wäre es nur ein Spiel. Davon war er zwischenzeitlich überzeugt.

Salomés Fragen waren ernsthaft interessiert, und sie schaute so unschuldig, dass es ihm in diesem Moment wie Schuppen von den Augen gefallen war: Sie hatte keinen Schimmer, wer vor ihr saß. Kurz überlegte er, ob sein Ego beleidigt sein sollte. Dann überkam Nate ein ungewohnt angenehmes Gefühl: Er hatte mit dieser zauberhaften Frau die einzigartige Chance, nur um seiner selbst willen gemocht zu werden. Mit einer solchen Möglichkeit hatte er, seit er im Fokus der Medien und seiner Fans stand, nicht mehr gerechnet.

Bevor er vor etwa drei Jahren ins Kinofach wechselte, trat er in der Rolle des umschwärmten Oberarztes Dr. Moss in der HBO-Krankenhausserie Medical Statement auf. Im Laufe dieser Zeit war er mehr und mehr ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit gerückt. Er erhielt Fanpost von zumeist weiblichen Fans aus aller Welt. Anfangs hatte er diese Aufmerksamkeit genossen und versucht, jeden einzelnen Fanbrief und jede Facebook-Anfrage persönlich zu beantworten. Als er vor etwa eineinhalb Jahren Opfer einer unglaublich penetranten Stalkerin geworden war, die eines Nachts nackt in seinem Schlafzimmer gestanden und hysterisch gekreischt hatte, sie wollte ein Kind von ihm, war sein Enthusiasmus für die Fans allerdings merklich abgeebbt. Mittlerweile twitterte eine Agentur für ihn.

Sein älterer Bruder Colin, der mit seiner „ernsthaften“ Kunst zu Ruhm gekommen war, hatte für Nates Fernsehbekanntheit nur ein amüsiertes Schnauben übrig.

Nate selbst hatte sich seine Schauspielkarriere auch ernsthafter vorgestellt. Immerhin besaß er ein Diplom der Royal Scottish Academy of Music and Drama, wo er in Glasgow seine Ausbildung gemacht hatte. Bei seinem Aussehen blieb es nicht aus, dass amerikanische Casting-Agenturen recht bald auf ihn aufmerksam geworden waren.

Schotten und auch Iren waren im amerikanischen Fernsehen anscheinend sehr begehrt. Vielleicht lag es auch daran, dass er zur Aufbesserung seiner Einkünfte neben seinem ersten Engagement an einer kleinen Bühne in Edinburgh als Unterwäschemodel seinen durchtrainierten Oberkörper vor der Kamera präsentiert hatte.

Bei seiner ersten Einladung nach L. A. hatte er verblüfft sein Sixpack im Megaformat auf den großen Werbetafeln, die die Straße vom Flughafen säumten, registriert. Ihm war bis dahin nicht bewusst gewesen, dass sein Konterfei und sein Oberkörper am anderen Ende der Welt bereits zu Ruhm gekommen waren. Die Freunde in Edinburgh wollten es dann auch erst glauben, als Nate ihnen ein Foto vom North Beverly Drive schickte, auf dem sein halbnackter Körper die gesamte Hauswand eines Kaufhauses einnahm.

Er hatte sich nicht verkneifen können, die Nachricht mit „Size does matter“, „Größe spielt eine Rolle“, zu betiteln. Sein guter Freund Stuart, ein begnadeter Webdesigner, hatte Nate das Foto damals postwendend verfremdet zurückgeschickt. Nate hatte fassungslos schmunzelnd auf die überdimensioniert aufgeblasenen Lippen gestarrt. Bei seiner schottischen Clique trug er fortan den Spitznamen „Bigmouth“, „Schwätzer“.

Seit seiner Ankunft in L. A. hatte seine Karriere so rasant an Fahrt aufgenommen, dass Nate manchmal nicht hinterherkam. Neben der Krankenhausserie spielte er in kleineren Nebenrollen mehrerer Kinofilme. Letzten Sommer hatte er dann die begehrte Hauptrolle in der Neuverfilmung des Achtzigerjahre-Filmhits Highlander ergattert. Highlander-Resurrection hatte vor zwei Tagen Weltpremiere in New York gefeiert, und seitdem stand Nates Leben kopf.

Er lächelte. Sollte er Salomé erzählen, dass er extra für diesen Abend das gesamte Lokal gebucht hatte?

Nate hätte es auch bevorzugt, im Stimmgemurmel anderer Gäste mit ihr zu speisen, als recht verlassen in dem kleinen Lokal. Solche Normalität war ihm leider nicht mehr vergönnt.

Es wunderte Nate, dass Zaza überhaupt nichts von dem Starrummel um ihn mitbekommen hatte. Seit Wochen waren die Zeitungen, Plakatwände und Busse voll von seinem Konterfei. Selbst auf dem Weg hierher waren sie an einigen Plakaten mit seinem Bild vorbeigefahren.

Zugegeben, er sah auf dem Filmplakat anders aus als in natura. Er war als archaischer Krieger mit piktischer Körperbemalung und zottigen, geflochtenen Haaren abgebildet, der vor seiner glänzenden nackten Brust eine Streitaxt und einen schottischen Dolch kreuzte. Wie konnte es sein, dass eine so intelligente Frau, die mit beiden Beinen fest im Leben stand und eine Position bekleidete, in der jeder Vorsprung an Information zählte, ihn nicht kannte? Was wohl passieren würde, wenn sie realisierte, dass er ein Kinostar war?

Nate wollte es zu gerne herausfinden.

Sie redeten über dies und das, und Nate genoss es, mit dieser schönen, klugen Frau zu reden. Sie schien über viele Themen fundiert informiert zu sein. Merkwürdig, dass Boulevardthemen davon gänzlich ausgeklammert waren.

„Liest du überhaupt keine Zeitung, Zaza?“

Salomé bedachte ihn mit einem spöttischen Blick.

„Selbstverständlich lese ich Zeitung, Nate. Weshalb fragst du? Ich verfolge online die großen Nachrichtenanbieter. Im Büro steht mir zudem täglich eine Auswahl an großen nationalen und internationalen Tageszeitungen zur Verfügung.“

Nate krauste die Nase.

„Und die liest du alle von vorne bis hinten durch?“

„Nein, natürlich nur die Teile, die mich interessieren und die für meinen Job wichtig sind. Hauptsächlich Finanzen und Weltpolitik.“

„Und den Kulturteil? Boulevard, Feuilleton?“

Salomé senkte verlegen den Blick.

„Ja, weißt du, ich habe bei meinem Zeitplan morgens genau zwanzig Minuten, um alle Meldungen des vergangenen Tages zu scannen. Dann beginnen die Meetings. Zu mehr ist keine Zeit. Es sei denn, ich muss abends zu einem kulturellen Event. Meine Assistentin Keira stellt mir morgens ein Portfolio an gezielten Informationen zusammen.“

„Gehst du nie ins Kino? Oder ins Theater?“

Salomé räusperte sich. Dann schüttelte sie den Kopf.

„Ich habe dafür einfach keine Zeit“, flüsterte sie, während sie ihre Stoffserviette glatt strich.

Ihre Verlegenheit rührte eine Saite in seinem Inneren, und er hätte gerne in diesem Moment ihre Hände in seine genommen.

„Und wenn du an einem Kiosk Zeitschriften kaufst … da fallen dir doch sicherlich die Cover der Boulevardblätter auf?“

„Ich kaufe keine Zeitschriften an Kiosken, Nate. Das macht, wenn überhaupt, Keira. Außer in meinen Ferien in Frankreich ...“ Ihr Blick schweifte ab.

Zu gerne hätte Nate gewusst, was ihr gerade eingefallen war.

„Klatsch interessiert mich nicht besonders. Mein Bruder Philippe ist auch schon Opfer dieser Schmierfinke geworden … gerade noch in diesem Sommer.“ Sie verzog geringschätzig das Gesicht. „Das ist wirklich etwas, worauf ich verzichten kann.“

Das konnte Nate sehr gut verstehen.

„Fernsehen wirst du doch sicherlich ab und an?“

„Was soll eigentlich diese ganze Fragerei über meinen Medienkonsum? Arbeitest du nebenher noch für ein Marktforschungsinstitut? Vielleicht solltest du mehr Energie auf deine Schauspielkarriere verwenden.“

Sie zwinkerte ihm zu und gab ihm mit einem breiten Grinsen zu verstehen, dass sie ihn foppen wollte.

„Davon abgesehen: Ja, ich schaue fern, vor allem, wenn ich Sport treibe. In meinem Sportstudio bieten sie alle Nachrichtenkanäle an, wo ich regelmäßig Börseneinschätzungen und Marktentwicklungen verfolgen kann.“

Sie grinste schief. Ihr war bei dieser Aufzählung offenbar selbst bewusst geworden, wie sehr sie sich auf nur ein Thema, nämlich Wirtschaft, konzentrierte. Wie, um sich zu rechtfertigen, deutete sie mit ihren Essstäbchen auf ihn.

„Und wie sieht denn dein Wissen bezüglich Börsenbewegungen und Banken aus?“

Nate konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

„Aye, du hast recht. Wir sind ganz schön verschieden, was das angeht. Ich lese eher den Gesellschaftsteil der Zeitung, und meine Agentin schickt mir tonnenweise Zeitschriften, die sich ausschließlich mit Klatsch und Tratsch beschäftigen.“

Konnte das sein? Bestand ihr ganzes Leben nur aus Banken, Marktanalysen und Finanzen? Was machte sie in ihrer Freizeit? So, wie es klang, hatte sie sowieso kaum Freizeit, wenn sie sich noch beim Sport mit Wirtschaftsthemen beschäftigte.

„Du bist ein seltenes Geschöpf, Zaza“, stellte Nate fest, gab endlich dem Drang nach und legte seine Hand auf ihre.

Stargeflüster

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