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STARGAST DES ABENDS

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Googeln oder nicht googeln? Salomés Finger zuckten, während sie sich diese Frage stellte. Dann siegte die Neugier. Gerade, als sie „Nate“ eingegeben hatte, klopfte es energisch an ihrer Bürotür. Ertappt schloss sie ihr Laptop und überlegte, ob sie vorgeben sollte, ein paar Dokumente auf ihrem Schreibtisch zu ordnen. Wie albern. Sie war erwachsen und konnte googeln, wen immer sie wollte. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf, bevor sie den Besucher hereinbat.

Salomé blickte in Teds besorgte Augen, als er ihr wortlos auf seinem Tablet eine Eilmeldung der Financial Times vorlegte. Ihre Stirn krauste sich tiefer, je weiter sie im Text vorankam. Dann gab sie einen empörten Laut von sich.

„Das darf doch nicht wahr sein! Davon hat er heute früh kein einziges Wort erwähnt.“

„Warum sollte er auch? Er wollte wahrscheinlich noch die letzten Stunden als angesehener Banker genießen und sich in der Bewunderung einer schönen Frau suhlen.“

Salomé verzog ihr Gesicht. Das musste sie Ted lassen: Er hatte es raus, Vorgänge und Motivationen rasiermesserscharf zu sezieren, und traf mit seiner Einschätzung immer genau den Punkt. Sie ärgerte sich über den verlorenen Morgen.

Dieses Frühstücksmeeting mit dem begehrten Fondsmanager Jonathan Hawk, zu dem sie sich heute früh nach einer recht schlaflosen, kurzen Nacht geschleppt hatte, war also überflüssig gewesen. Eine pfiffige Journalistin der Financial Times hatte ihn bei Insidergeschäften überführt, und die Behörden hatten sich sicherlich bereits seiner angenommen.

Schade. Seine außergewöhnlichen Ideen für die Gründung eines neuen Fonds, die er ihr heute früh mit leuchtenden Augen skizziert hatte, hatten Salomé mehr als beeindruckt und sie kurzzeitig das leise Ziehen in ihrem Herzen, wann immer sie an Nates Umarmung gedacht hatte, vergessen lassen. Eigentlich hatte sie heute noch die Rechtsabteilung anweisen wollen, einen reizvollen Exklusivvertrag für Hawk zu entwerfen.

„Glück im Unglück würde ich sagen. Nicht auszudenken, wenn das später herausgekommen wäre und uns die Anleger reihenweise verlassen hätten“, fasste sie das Fiasko abschließend zusammen.

Ted nickte zustimmend und fragte: „Bist du heute Abend auf der Gala?“

„Ja, selbstverständlich. Wir sind schließlich einer der Hauptsponsoren. Mein Bruder Philippe und seine Verlobte werden ebenfalls dort sein. Also denke ich, ich werde auch ein wenig Spaß haben. Komm doch auch. Bei uns am Tisch wäre sicherlich noch ein Platz frei.“

Ted druckste ein wenig verlegen herum, was nichts damit zu tun hatte, dass ein einziger Sitzplatz bei dem Gala-Event die Bank an die fünftausend Dollar kostete.

„Nein, so gerne ich dein Angebot annähme. Aber ich habe heute Jahrestag mit Sarah. Und ich habe ihr versprochen, mit ihr ins Kino zu gehen. Sie will unbedingt diesen neuen Shootingstar in dem Blockbuster, der gerade Premiere hatte, sehen. Sie steht total auf diesen Highlander-Typ.“

Salomé blickte ihn ausdruckslos an. Ted winkte ab, weil er wusste, dass sie mit solchen Themen überhaupt nichts anfangen konnte.

„Ist ja auch nicht so wichtig. Ich bin gleich nach der Mittagspause wie besprochen im Meeting mit Johnson & Abt. Ich hoffe, die zieht sich nicht wieder ewig. Ich schicke dir dann eine kurze Zusammenfassung und wünsche dir auf jeden Fall viel Spaß heute Abend. Wir sehen uns dann Montag, okay?“ Mit einer winkenden Geste verließ Ted den Raum.

Salomé klappte ihr Laptop wieder auf und las sich alle Nachrichtenmeldungen zur Verhaftung von Jonathan Hawk durch.

„Gucklöcher in der Chinese Wall“, lautete ein mehrseitiger Artikel, in dem eine Journalistin ein ganzes Nest an Bankern und Firmenmagnaten ausgehoben hatte, die, entgegen sämtlichen Regeln der Finanzmärkte, ihr Konsortium genutzt hatten, um Aktienemissionen künstlich zu pushen.

Du meine Güte. Salomés Herzschlag erhöhte sich. Hoffentlich würde dieser Finanzskandal die de Bertrand-Bank dBB nicht beeinträchtigen. Selbst wenn ihre Familienbank nicht Teil dieses Bankenkonsortiums war, begleitete sie regelmäßig Start-up-Unternehmen bei ihren IPOs, ihren Börsenstarts. Nicht auszudenken, wenn das Vertrauen der Unternehmen in die Glaubwürdigkeit der Finanzanalysen und Equity Story von dBB geschwächt würde.

Sie wählte die Nummer ihres Vaters Charles, um die Strategie für eine Stellungnahme im Falle der zu erwartenden besorgten Anfragen der Anleger mit ihm abzustimmen.

Ihr Mittagessen ließ Salomé ausfallen und sich von Keira mit einer Suppe aus einem nahen Deli versorgen. Während sie die nicht mehr ganz heiße Köstlichkeit schlürfte, hielt sie inne. Die Verlockung war groß, Nates Namen zu googeln. Sollte sie?

Unerklärlicherweise bereitete ihr der Gedanke Lampenfieber. Gerade deswegen rief sie ihre Vernunft zur Ordnung. Wenn sie sich jetzt ablenken ließ, wäre der ganze Tag verloren. Sie hatte sich mit ihrer zukünftigen Schwägerin Dominique um vier Uhr bei sich zu Hause verabredet. Louis, der begnadetste Visagist Manhattans, würde dort vor der Gala an ihnen den letzten Feinschliff vornehmen. Bis dahin blieb nicht mehr viel Zeit. Dieser blöde Skandal um Jonathan Hawk hatte ihr das für heute geplante Pensum durcheinandergebracht.

Kurz vor vier hetzte Salomé in die Lobby ihres Apartmenthauses. Dominique erhob sich freudestrahlend aus einem der cremefarbenen Sessel im Wartebereich. Conrad folgte ihr und hielt zwei Kleidersäcke im Arm.

„Ah, Miss de Bertrand. Sie haben Ihre rote Rose gestern Abend bei mir vergessen.“

Salomé spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. Dominique hob fragend ihre Augenbrauen. Zu ihrer Erleichterung erschien just in diesem Moment Louis mit seiner Entourage. Nach einer raschen Dusche konnte Salomé ein wenig entspannen und genoss die kundigen Hände von Louis’ Team.

„Das ist ja fast so schön wie bei Inès in Frankreich“, brummte sie genießerisch, als ihr eine Nackenmassage verabreicht wurde. Ihre Mutter verbrachte ihre Sommermonate niemals ohne ihr Beautyteam, und Salomé, Julia und auch Dominique waren ebenfalls in den Genuss dieses Luxus gekommen. Dominique seufzte bei der Erinnerung.

„Ja, das war herrlich. Hier, zur Einstimmung.“ Sie reichte Salomé ein Glas Champagner.

Salomé grinste und prostete ihr zu. Sie freute sich auf den Abend. Er würde sie ablenken. Nate war gestern. Ihr Leben ging weiter und kam ihr gar nicht so übel vor.

„Erzähl schon, Zaza, wer schenkt dir in Manhattan eine Rose? Und noch dazu eine rote?“

Salomé war versucht, Dominique die Wahrheit zu erzählen. Aber sie hatte überhaupt keine Lust, sich den spöttischen Bemerkungen ihres Bruders Philippe auszusetzen, für den der Fakt, dass seine Schwester einen ernsthaften Verehrer hatte, ein gefundenes Fressen wäre. Nicht auszudenken, wenn auch noch ihr Vater davon erfahren würde. Also gab sie sich betont gleichmütig.

„Ach, nur ein Werbegeschenk von einer Ausstellungseröffnung, auf der ich gestern war. Der Künstler kam sich wohl besonders originell vor“, log sie.

Als Salomé aus der Limousine stieg, war die Hektik des Tages wie weggeblasen. Sie fühlte sich wunderschön in ihrer körperbetonenden nudefarbenen Chanelrobe mit den eleganten Schmetterlingsapplikationen. Bisher hatte sie bei solchen Anlässen konservative Abendroben von amerikanischen Designern getragen. Aber die Zeit in Frankreich hallte noch nach, und ihre Mutter hatte ihr das Kleid extra für diesen Anlass geschickt.

Louis hatte seine ganze Kunst in Salomés Styling eingebracht. Sie grinste.

Der Moment früher am Abend, als sie sein Werk an ihr betrachten durfte, war unvergesslich. Louis liebte die Dramatik.

„So, nun noch ein Hauch von Mauve auf deine Lippen. Voilà! Du bist fertig, Salomé!“

Sie hatte ergriffen geschluckt, als sie sich selbst im Spiegel gesehen hatte. Wow! Ihr sonst modern gestuftes, dunkles Haar war wie bei einem amerikanischen Filmstar in weiche Wellen gelegt und harmonierte perfekt mit dem Vierzigerjahre-Stil des Kleides.

„Was hat Louis mit deinen Augen gemacht?“ Dominique drehte begeistert Salomés Gesicht zu sich, damit sie Louis’ Werk genauer studieren konnte.

„Das nennt man Sparkling-Eyes. Siehst du hier, Chérie: Den unteren Lidstrich habe ich mit diesen glitzernden Elementen versehen, das obere Lid mit einem schwarzen Lidstrich.“ Der zufriedene Gesichtsausdruck des Meisters zeigte, wie Louis es liebte, seine Arbeit zu erläutern.

„Das will ich auch haben, bitte, Louis!“ Dominique zog einen Schmollmund, als Louis abwehrend die Hände hob.

„Nein, das passt heute nicht zu deinem Kleid. Dafür habe ich mir etwas anderes für dich ausgedacht. Du wirst begeistert sein, glaube mir, Dominique.“

Dominique hatte gespielt geseufzt und sich Louis’ kundigen Händen überlassen.

Nun also schwebte Salomé neben Philippe und Dominique wie eine Prinzessin in den Veranstaltungssaal des Manhattan Penthouse 5th Avenue. Die Bedenken, für den Anlass zu europäisch overdressed zu sein, zerfielen, als sie die opulenten Roben der anderen Damen begutachtete. Diese Gala war einer der gesellschaftlichen Events des Jahres. Die Reichsten des Landes hatten sich zu dieser humanitären Charity-Veranstaltung zusammengefunden. Und hatte nicht sogar ein Star aus Hollywood sein Kommen angekündigt und sollte den Preis an einen armenischen Arzt im Exil überreichen, der ganzen Scharen von Kindern in Krisenregionen das Überleben gesichert hatte?

Philippe und Salomé waren gerade in ein ernstes Gespräch über den Finanzskandal um Hawk vertieft, als der Organisator der Veranstaltung, Howard Bench, begleitet von zurückhaltendem Applaus der Anwesenden, das Stehpult erreichte und mit einem strahlenden Lächeln um Ruhe bat. Bench war für seine schonungslosen Reden bekannt.

„Liebe Freunde und Gönner. Seien wir ehrlich. Wir sind heute hauptsächlich hier, um unser Gewissen zu beruhigen. Aber was ist an diesem Impuls falsch, wenn wir damit tatsächlich helfen?“

Verhaltenes Gelächter ertönte. Howard Bench fuhr in ähnlichem Stil kurz und treffend fort.

Salomé hing an Benchs frechen Worten und bekam zunächst nicht mit, wie sich am Eingang des Saales ein Raunen erhob. Philippe blickte sich bereits suchend um.

Bench hielt in seiner Rede inne. Dann deutete er begeistert auf den Eingangsbereich des Saales, und jeder im Saal reckte nun den Hals, um zu erkennen, was dort vor sich ging.

„Und kann es schaden, wenn wir uns – nennen wir es unlauterer – Methoden bedienen, um helfendes Geld zusammenzubringen?“, rief Howard Bench in Richtung eines Paares, das in der Saaltür stand.

Salomé konnte außer Silhouetten nichts erkennen, weil sie der Scheinwerfer, der auf das Stehpult gerichtet war, anstrahlte. Sie vermutete, es handelte sich um den Hollywoodstar, und nahm gelassen noch einen Schluck Champagner zu sich.

„Meine Damen und Herren, mit Freude teile ich Ihnen mit, dass wir dieses Jahr einen sehr begabten Darsteller gewinnen konnten, den diesjährigen Outstanding-Contribution-to-Humanity-Award, also unseren Tower, zu überreichen. Begrüßen Sie mit mir Nathan Hamilton und seine wunderschöne Begleiterin Ivana Kalinka.“

Salomés Kopf fuhr herum. Der frenetische Applaus, der nach diesen Worten einsetzte, wurde von dem Rauschen in ihren Ohren übertönt. Wie in Zeitlupe sah sie Nate, mittlerweile von mehreren Spots hell angestrahlt, freundlich nickend durch den Raum schweben. Er trug einen eleganten Smoking, hatte das dunkelblonde Haar zurückgegelt, was seine hohe Stirn betonte, und sah umwerfend aus. Am Arm führte er eine überirdische Schönheit, die mit ihren langen Beinen und den High Heels fast so groß war wie er.

In Salomés Hirn herrschte Leere. Am Rande nahm sie wahr, wie Philippe sich zu ihr neigte.

„Ist das nicht der Nate, der bei uns auf Mirabel war?“

„Stimmt, jetzt erkenne ich ihn auch. Der war doch einer von den Jungs im schottischen Kilt, oder?“, warf Dominique leise ein.

Salomé nickte und konnte den Blick nicht vom Geschehen lösen. Nate führte seine Begleiterin an einen Tisch direkt vor der Bühne, deutete eine leichte Verbeugung an und stieg dann die Stufen hoch.

Fassungslos starrte Salomé die Frau an, die offenbar Nates Freundin war. Also doch! Er hatte eine Freundin. Jetzt hatte sie Gewissheit. Wie konnte er nur! Gestern hatte er es für einen Moment geschafft, sie glauben zu lassen, er wäre ernsthaft an ihr interessiert. Und nun saß da eine andere Frau, unanständig schön, und lächelte Nate hingebungsvoll an.

Er hatte Howard Bench die Hand geschüttelt und sich dem immer noch applaudierenden Publikum zugewandt. Salomé schluckte. Sie hatte den anfänglichen Schock überwunden, und ihr Verstand lief auf Hochtouren. Die einsetzende Erkenntnis ließ sie leise ächzen. Das konnte doch nicht wahr sein. Er war berühmt, und sie hatte es nicht gewusst. Er hatte ja erzählt, dass er Schauspieler sei. Aber er hatte nichts von einem Hollywood-Superstar erwähnt. Kein Wunder, dass er dazu passend die atemberaubend schöne Freundin hatte.

Mit einem Mal ergab sein ganzes geheimnisvolles Verhalten von gestern Abend einen Sinn. Seine Vermummung, dass er nicht zu den Menschenmassen in den Central Park wollte und sie die einzigen Gäste in dem japanischen Lokal gewesen waren. Wie peinlich! Sicherlich hatte er das gesamte Lokal gebucht und sich köstlich über ihre dummen Sprüche amüsiert. Stöhnend verbarg Salomé ihr Gesicht in den Händen.

„Zaza, was tust du? Du zerstörst dein Make-up“, hörte sie Dominique leise murmeln.

Salomé schluckte. Sie brauchte einen Moment für sich. Als sie sich gerade erheben wollte, um die Damentoilette aufzusuchen, fasste Philippe sie am Arm.

„Zaza, das geht nicht. Dein Einsatz kommt gleich.“ Salomé schaute ihn panisch an. Kaum hatte Philippe geendet, erscholl auch bereits Howard Benchs dröhnende Stimme im Raum.


„Meine Damen und Herren! Es ist mir eine besondere Ehre die entzückende Vertreterin des diesjährigen Hauptsponsors dBB zu begrüßen. Salomé de Bertrand, die Präsidentin der de Bertrand-Bank New York!“

Nate sog scharf die Luft ein. Was hatte Howard gesagt? Zaza war hier?

Er blinzelte gegen die Scheinwerfer in die Richtung, in die Howard deutete, und entdeckte sie, halb erhoben an einem der nahen runden Tische. Sie wirkte geschockt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Nate an. Dann schien sie sich zu besinnen. Sie richtete sich auf, zeigte ein strahlendes Lächeln und schwebte wie ein Engel auf Nate zu. Er schluckte.

Wow. Sie sah aus wie eine Göttin. Benommen starrte Nate auf die unzähligen goldschillernden Schmetterlinge, die ihre durch das Kleid betonten Hüften umschwirrten. Irgendetwas war mit ihren Augen. Sie wirkten so groß und klar.

Howard Bench hatte Salomés Hand ergriffen und schien von ihr eine Begrüßung des berühmten Hollywoodstars zu erwarten.

Nate blickte verwirrt auf die von Salomé dargebotene Hand, die er automatisch ergriff. In dem Moment, in dem ihre kleine, warme Hand seine berührte, überkam ihn ein heftiger Impuls, dem er instinktiv nachgab. Er zog sie an sich und küsste erst die eine, dann ihre andere Wange. Im Saal war erneut ein Raunen zu vernehmen, gespickt mit vereinzelten Lachern. Wie gerne hätte er Salomé den erstaunten Ausdruck vom Mund geküsst, der leicht offen stand und ihm verlockend nah war.

Ganz der Showman, neigte er sich erklärend zum Mikrofon und hauchte mit seiner sinnlichsten Stimme, garniert mit seinem weichen schottischen Akzent:

„Bei uns in Schottland habe ich gelernt, dass man Französinnen zur Begrüßung zweimal küsst.“

Er perfektionierte die Rolle des frechen Schuljungen, indem er die Achseln hob und offen in die Menge grinste. Plötzlich fühlte er sich am Revers seines Smokings gepackt. Salomé verpasste ihm nun ihrerseits drei Küsse auf seine Wangen. Zwischen den Küssen blickte sie ihn mit ihren hellen blauen Augen so herausfordernd an, dass ihm ganz schwindelig wurde. Das Publikum johlte bereits.

Dann beugte sich Salomé vor und sagte in ihn perfekt imitierender Stimmlage ins Mikrofon: „Tja, ich bin überhaupt keine Französin. Da musste wohl jemand Mister Hamilton mal beibringen, dass man Schweizerinnen sogar dreimal küsst.“

Der Saal brüllte vor Lachen. Und auch Howard Bench neben ihnen konnte sich kaum gerade halten.

„Köstlich, köstlich!“, wieherte er, während er sich die Lachtränen aus den Augen tupfte.

Beschwichtigend hob Salomé ihre Arme und stellte sich erhobenen Hauptes an das Stehpult. Sie wartete einen Moment, bis sich die Gäste beruhigt hatten, und begann mit ihrer Rede.

„Wie viel schöner ist es, wenn wir sogar lachen, während wir helfendes Geld aufbringen.“ Sie zwinkerte Howard Bench zu, der sie bewundernd ansah. Salomé setzte in gewohnter Souveränität ihre Rede fort und stellte den Anwesenden, ohne auch nur ein einziges Mal Notizen zu bemühen, die Projekte und Errungenschaften der Organisation vor. Unaufdringlich gelang es ihr dabei, das selbstlose Engagement von dBB einfließen zu lassen.

Nate tat, als würde er ihren Worten zuhören. Während er äußerlich den aufmerksamen Filmstar mimte, versuchte er, die Stürme, die diese Frau in seinem Innern ausgelöst hatte, zu bändigen. Er hatte oft gelesen und sogar gemimt, wie es sein würde, aber noch nicht am eigenen Leib erfahren.

Dieser Moment brannte sich für immer in sein Gedächtnis. Salomés kontrollierte Gestik, die sanften Fältchen um ihren Mund, eine vorwitzige Haarsträhne, die sich während des Kusstausches aus ihrer Frisur gelöst hatte und nun ihre hohen Wangenknochen streichelte, das Blitzen ihrer Augen. Sein Blick wanderte unmerklich tiefer und versank im Spiel ihrer zarten Halsmuskeln, streifte die Linie ihrer perfekten Schlüsselbeine und verharrte bei der weichen Wölbung ihrer Brüste, die vom Dekolleté dieses atemberaubenden Kleides sanft nach oben gedrückt wurden.

Nate schluckte. Ihm wurde heiß, und unbewusst griff er sich an seinen Kragen. Plötzlich wurde ihm klar, dass er soeben unter den Blicken des ganzen Saales Salomés Brüste angestarrt hatte. Er riss sich zusammen und fixierte stattdessen ihre gepflegten Hände, die sanft über das Pult strichen und in kontrollierten Gesten ihre Rede untermalten. Als sie sich mit ihrer Hand während eines Zwischenapplauses strahlend die Haarsträhne hinters Ohr schob, war es gänzlich um Nate geschehen.

Er hatte sich zu ihr hingezogen gefühlt, sie begehrt und unbedingt wiedersehen wollen. Als er sie jetzt beobachtete, potenzierten sich diese Gefühle und etwas veränderte sich unmerklich und unwiderruflich in ihm. Er schluckte trocken.

Wie sollte er das nur Liz beibringen?


Der offizielle Teil der Preisverleihung war überstanden. Salomé schmerzte der Kiefer nach dem anstrengenden Dauerlächeln. Howard Bench hatte sie nach ihrer Rede nicht vom Podest lassen wollen. Und so stand sie während der Ansprache von Nate weiterhin im Scheinwerferlicht.

Sie musste zugeben, Nate machte seine Sache mehr als gut. Sie hatte schon befürchtet, er werde den gesamten Abend die Rolle des schottischen Lausbuben beibehalten. Zu ihrer Verblüffung hatte er mit ernster Miene seine Ehre zum Ausdruck gebracht, eine wichtige Rolle an diesem Abend zu spielen, der ihm „ein Herzensanliegen“ sei. Die Worte, mit denen er dem Preisträger den recht klobigen Tower verlieh, ließen durch geschickt platzierte Details darauf schließen, wie gut Nate vorbereitet war.

Nach Nates Rede stürmten die Fotografen und Journalisten zum Podium. Das Publikum, das sich inzwischen erhoben hatte und den Rednern und dem Preisträger mit Standing Ovations zujubelte, verursachte einen solchen Lärm, dass Salomé kaum verstand, was die hektischen Fotografen riefen. Sie stellte sich in Pose, und Nate rückte an ihre Seite. Im ersten Moment wollte sie sich vor ihn schieben, bis ihr wieder bewusst wurde, dass die Fotografen wohl eher ihn als sie ablichten wollten. Daran musste sie sich erst gewöhnen. Welch ein Trubel!


Nate stellte sich ganz dicht neben Salomé und musste ein Grinsen unterdrücken, denn er hatte Salomés Impuls, sich vor ihn stellen zu wollen, deutlich gespürt. Er legte seinen Arm sanft um ihre Schulter, und sofort wurde ihm wieder heiß. Er musste sich extrem beherrschen, um sie nicht hier vor allen Zuschauern und der versammelten Presse filmreif in seine Arme zu ziehen und mit einem besitzergreifenden Kuss zu markieren. Was löste diese Frau nur in ihm aus?


Als Salomé nach ein paar gnädigen Minuten der Besinnung in den Waschräumen an ihren Tisch zurückkehrte, hatte ihr Bruder Nate bereits jovial unter seine Fittiche genommen und dem Star zur Freude der weiteren Tischgäste einen Platz freigeschaufelt.

Auch Nates Freundin saß bereits neben Dominique und unterhielt sich mit ihr. Wie hieß sie noch gleich? Salomé hatte bei ihrem Namen an einen russischen Tanz denken müssen, „Kalin-kakalin-kakalin-kakala“. Wenn ihre Freundin Julia jetzt da wäre, hätte sie mit ihr über diesen Gag kichern können. Höflich begrüßte sie die Schönheit, die ihre Hand besitzergreifend auf Nates Unterarm abgelegt hatte.

Salomé versuchte, den Stich in ihrem Herzen zu ignorieren. Die Frau machte doch einen total unterbelichteten Eindruck! Schönheit hin oder her. Was fand er nur an ihr? Moment mal! War sie etwa eifersüchtig? Wie lächerlich. Sie hatte doch überhaupt keine Besitzansprüche an ihn. Er sah heiß aus und basta. Das dachten mindestens Tausend – oder Millionen! – andere Frauen auch von ihm. Weshalb also nicht sie?

Salomé saß, wie hätte es auch anders sein sollen, direkt neben Nate, der bereits nach wenigen Minuten wie zufällig sein Bein gegen ihres presste. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Was sollte das? Sie hatte nicht vergessen, welche Worte er gestern einer anderen Frau ins Telefon gesäuselt hatte. Diese saß ihm nun direkt gegenüber, und er hatte nicht einmal in dieser Situation den Anstand, sich zurückzuhalten. Er schien sie sogar zu ignorieren. Wie konnte dieser Mistkerl es wagen, derart offensiv mit einer anderen Frau, nämlich ihr, zu flirten?

Bittere Wut schwappte Salomés Kehle hoch, und sie umfasste ihr Besteck fester, um ihr Zittern zu kontrollieren. Nate dachte wohl, nur weil er ein Star war, würde ihn jede Frau willig anspringen. Wenn Salomé ihren Blick hob und die verklärten Gesichter der Frauen im Saal betrachtete, die ihn offen angafften, schien er damit gar nicht falsch zu liegen. Sogar Dominique verhielt sich seltsam aufgesetzt und strich mehrfach in einer betont weiblichen Geste ihre Haare hinters Ohr. Still lauschte Salomé dem Geplauder am Tisch und versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, vor allem die Hitze zu ignorieren, die jede Bewegung seines Beines an ihrem tief in ihren Bauch sandte.

„Was ist los, Salomé? Bist du nicht zufrieden? Du bist sonst bei solchen Anlässen immer so sprühend.“ Salomé fühlte Dominiques musternden Blick auf sich.

„Doch. Ich bin nur ein wenig müde. Es war ein langer Tag.“

In diesem Moment wurde die Hintergrundmusik, die während des Dinners vom Band gekommen war, diskret ausgeblendet, und auf der Bühne nahmen Musiker ihre Plätze ein. Ein dunkelhäutiger Sänger betrat unter höflichem Applaus die Bühne, und schon war der Saal mit tanzbarer Jazzmusik erfüllt. Die ersten Paare begaben sich auf die Tanzfläche. Salomé spürte, wie Nates Bein an ihrem Bein begann, im Takt zu zucken. Auch seine Fingerspitzen trommelten unbewusst im Takt auf die Tischdecke, während er mit Philippe über die anstehenden Dreharbeiten zum zweiten Teil des Highlander-Erfolges sprach. Da näherte sich eine elegante, ältere Dame lächelnd ihrem Tisch.

„Mister Hamilton, würden Sie die Freundlichkeit haben, mit mir zu tanzen?“, richtete sie sich unverblümt an Nate, der sicherlich mehr als halb so alt war wie sie.

Nate lächelte sie höflich an und erhob sich mit einer kurzen entschuldigenden Geste Richtung seiner Freundin, die ihm lächelnd zunickte. Er wandte sich auch Salomé und Dominique zu, als ob er eine Erlaubnis bräuchte, und führte die Dame formvollendet zur Tanzfläche.

Salomé konnte kaum glauben, dass die Begeisterung für Nate anscheinend keine Altersgrenze kannte. Unruhe machte sich bei den weiblichen Gästen breit, als sie Nate auf der Tanzfläche erspähten.

„Mein Gott, kann der tanzen“, wisperte Dominique neben ihr. Der Mund der Verlobten ihres Bruders stand staunend offen.

Salomé schnaubte ungläubig. Das war ja nicht zu fassen, wie gestandene Frauen seinetwegen zu kichernden Teenagern mutierten. Endlich konnte sie sich dazu überwinden, ebenfalls zur Tanzfläche zu schauen. Neidlos musste sie anerkennen, dass Nate sich wie schwerelos gleitend über die Tanzfläche bewegte. Sie wusste, wie gut er tanzen konnte. Bereits auf dem Fest ihres Vaters war sie in den Genuss gekommen, ihn als Tanzpartner zu haben. Was sie allerdings überraschte, war, wie elegant und mühelos seine Bewegungen von außen wirkten.

Sie wandte den Blick ab und fixierte vermeintlich gelangweilt die Blumendekoration auf dem Tisch, in deren Mitte geschickt getarnt ein Lesegerät für Kreditkarten auf seinen Einsatz wartete. Es konnte ja nicht jeder eine Ausbildung zum Musicalstar haben, redete sie sich ein, um das Thema für sich abzuschließen.

Philippe erhob sich und bat Dominique zum Tanz. „Dom, ich kann ja kaum mit ansehen, wie du zur Tanzfläche schielst. Komm, wir tanzen uns ins Geschehen.“

Dominique kicherte und ließ sich willig von Philippe entführen.

„Du musst doch zugeben, dass Nate umwerfend aussieht. Aber du bist natürlich viel, viel schöner“, gurrte sie ihren Verlobten an.

Philippe kniff Dominique dezent in den Hintern und erstickte ihr leises Quieken sogleich mit einem saftigen Kuss.

Salomé lächelte dem schönen Paar hinterher. Philippe hatte sich verändert seit diesem Sommer. Ob es an der Verlobung lag? Er war ausgeglichener als zuvor. Erwachsener. Sie hatte kaum noch das Bedürfnis, ihn aufzuziehen, wie sie es seit ihrer Kindheit nicht lassen konnte. Dabei hatte sie noch im Sommer daran gezweifelt, ob er mit Dominique zusammenbleiben wollte, so heftig hatte er mit Julia geflirtet.

Die Geschehnisse des Sommers hatten anscheinend ihre Wirkung gezeigt. Salomé lächelte versonnen.

Philippe hatte viel zu verarbeiten. Immerhin hatte ihr Vater diesen Sommer Philippe und ihr einen Halbbruder, Mathieu, präsentiert und Philippe damit als Erbfolger entthront. Wobei das nicht stimmte: Mathieu zeigte keinerlei Interesse an der Bank oder dem Vermögen der de Bertrands. Oder lag es an Philippes grässlichem Unfall in der Nacht des Festes, ihn besonnener werden und reifen zu lassen? Vielleicht hatte auch das längst überfällige Gespräch, das Philippe mit Dominique geführt hatte, den entscheidenden Schalter bei ihm umgelegt.

Als die beiden an der Tanzfläche angekommen waren, erwachte Salomé aus ihren Gedanken, und ihr wurde mit einem Male bewusst, dass sie mit Nates Freundin allein am Tisch saß. Es wäre unhöflich gewesen, nicht mit ihr zu sprechen. Sie verspürte allerdings nicht die geringste Lust dazu. Sie hatte inzwischen mitbekommen, dass Ivana ein berühmtes Amandas Secrets-Model war, was bedeutete, den Olymp im Modelhimmel erreicht zu haben. Eine Sache interessierte Salomé an ihr allerdings doch. Sie überlegte gerade, wie sie Ivana geschickt darüber aushorchen könnte, wie lange sie denn schon mit Nate zusammen war, als eine tiefe Stimme hinter ihr erklang.

„Darf ich bitten, Miss de Bertrand?“ Salomé hob den Kopf und sah in das attraktive Gesicht des Arztes, der den Tower überreicht bekommen hatte.

„Ja, gerne, Doktor Hagopian.“ Lächelnd ergriff sie seine Hand und beschloss, diesen Abend trotz ihres inneren Aufruhrs zu genießen.


Nate sah Salomé aus dem Augenwinkel heraus mit dem gut aussehenden Arzt tanzen. Wie er ihn beneidete. Ihr Gesicht strahlte, und sie schien seine Aufmerksamkeit zu genießen. Sie wirkte nicht mehr so angespannt wie während des Dinners. Weshalb nur benahm sie sich so verhalten ihm gegenüber? Salomé nahm es ihm doch nicht etwa übel, sie nicht bereits gestern über seine Bekanntheit aufgeklärt zu haben?

Er sehnte sich danach, mit ihr zu tanzen. Verflucht! Hoffentlich ebbte der Ansturm dieser aufdringlichen Frauen bald ab. Aber was tat er nicht alles dafür, die Spendierfreudigkeit für den guten Zweck in die Höhe zu treiben. Cary hatte ihm nochmals eingeschärft, dass er nach der überwältigenden Premiere von Highlander-Resurrection in einer anderen Liga spielte. Auftritte zu Charityzwecken würden von nun an zu seinen laufenden Verpflichtungen gehören.

Eine gefühlte Ewigkeit beglückte er Damen auf der Tanzfläche, mit denen er eigentlich nicht tanzen wollte. Jedes Mal, wenn ein Lied endete, tippte ihm schon die nächste auf die Schulter. Sein aufgesetzter Charme, mit dem er seine Rolle perfekt ausfüllte, erschien ihm selbst schal. Dem glücklichen, teilweise törichten Lächeln seiner Tanzpartnerinnen nach fiel das anscheinend nicht auf.

Nate spürte den unbändigen Drang, Salomé von der Tanzfläche zu reißen und in einer dunklen Ecke irgendwo in diesem Gebäude mit seinem echten Charme schwindelig zu machen. Nur sie und er. Allein.

Das Lied verklang, und Nate konnte es kaum fassen, dass nicht bereits mit den letzten Takten eine Hand auf seiner Schulter die Ablösung ankündigte. Mit einem galanten Handkuss verabschiedete er seine selig lächelnde Tanzpartnerin und suchte Salomé. Es versetzte ihm einen leisen Stich im Magen, als er sie immer noch in den Armen dieses Arztes entdeckte. Die beiden unterhielten sich anscheinend so angeregt, dass sie das Ende des Songs gar nicht wahrgenommen hatten. Dabei glitten sie auch noch mühelos über das Parkett. Ein schönes Paar! Nate konnte ein Knurren gerade noch unterdrücken. Mit wenigen Schritten war er bei ihnen.

„Doktor Hagopian, darf ich Ihre charmante Tanzpartnerin für den nächsten Tanz entführen?“

„Selbstverständlich, Mister Hamilton.“

Hagopian nickte Salomé kurz zu und übergab ihre Hand an Nate. Sein höflicher Blick konnte nicht über den Missmut hinwegtäuschen, sie einem anderen Mann zu überlassen.

Salomé lächelte ebenfalls freundlich, selbst noch, als sie Nate in die Augen schaute. Also war sie doch böse darüber, sie nicht über sich aufgeklärt zu haben. Nate nahm sich vor, alle Register seines Charmes zu ziehen, um ihr wieder das Funkeln in die Augen zu zaubern, das ihn auf Mirabel bereits so fasziniert hatte.

Er spürte ihre Hüfte an seiner Hand. Ihr zartes Parfum stieg ihm in die Nase, und ihr Duft löste eine ganze Kaskade von Begehren aus. Gerade wollte er dieses himmlische Wesen näher an sich ziehen, als die Band unerklärlicherweise das Stück unterbrach und ein Gong ertönte. Die tanzenden Paare wandten sich neugierig dem Podest zu, auf dem ein strahlender Howard Bench stand und wartete, bis das Stimmengemurmel abebbte. Frustriert entließ Nate Salomé aus seinen Armen. Als Howard die volle Aufmerksamkeit des Saales hatte, neigte er seinen Kopf über das Mikrofon. Sämtliche Augen waren erwartungsvoll auf ihn gerichtet.

„Meine Damen und Herren. Entschuldigen Sie bitte die Unterbrechung. Sie dürfen gleich weitertanzen. Soeben wurde ich informiert, dass die Spendensumme des heutigen Abends die Summe von zehn Millionen Dollar erreicht hat. Das ist doch einmal einen Zwischenapplaus wert, finden Sie nicht?“

Die Gäste brachen in begeisterten Beifall aus. Zehn Millionen waren auch für die anwesenden High Networth Individuals eine ordentliche Summe, vor allem wenn man bedachte, dass der Abend noch andauerte und weiter gespendet werden konnte.

Nate allerdings biss sich vor Ungeduld auf die Lippe. Er konnte es kaum abwarten, den Tanz wieder aufzunehmen und allein mit Salomé zu reden. Endlich erklangen Howards erlösende Worte: „Das wollte ich nur mitteilen – und nun viel Spaß noch.“

Die Band stimmte die ersten Takte eines Cole-Porter-Songs an, und Nate wandte sich charmant lächelnd zu Salomé um, die Arme bereits halb geöffnet. Sein Lächeln gefror, als neben ihm nicht Salomé, sondern Howard Benchs Frau stand. Diese interpretierte Nates Geste in ihrem Sinne und begab sich sogleich begierig in seine Arme. Verzweifelt blickte Nate sich um und machte Salomé am Rand des Parketts aus, wo sie gerade von Howard Bench zum Tanzen geführt wurde. Nate seufzte. Was nicht ist, kann ja später noch werden, versuchte er, sich aufzumuntern.

Sein Wunsch ging nicht in Erfüllung. Es wurde spät, und Nates Einsatz bei der Damenwelt fand kein Ende. Irgendwann bemerkte Nate, wie Salomé, Philippe und Dominique vor Howard Bench und seiner Gemahlin standen. An ihren Gesten erkannte er, dass das Trio sich verabschiedete. Salomé wandte sich suchend Richtung Tanzfläche, und als sie ihn entdeckte, hob sie die Hand, um ihn zum Abschied zu grüßen.

In diesem Moment wurde es Nate zu bunt. Galant führte er seine Tanzpartnerin an den Rand der Tanzfläche. Selbst ihm kam die Ausrede, die ihm auf die Schnelle einfiel, fadenscheinig vor, aber es war ihm egal. Leider hielt ihn Howard Bench, von dem er sich verabschieden musste, länger auf, als ihm lieb war. Er riss sich zusammen, nicht im Laufschritt aus dem Saal zu stürmen.

In der Eingangshalle erhaschte er gerade noch einen Blick auf Salomés Schmetterlingsrobe, bevor die Eingangstür hinter ihr ins Schloss fiel.

„Zaza!“, rief Nate laut, obwohl er wusste, dass sie ihn nicht hören konnte.

Einige der umstehenden Ballbesucher beäugten ihn neugierig.

Entgegen jeder Vernunft lief er los und durchmaß die Halle mit langen Schritten. Als er die Glastür passierte, setzte sofort ein ohrenbetäubendes Gekreische ein. Nate nahm es nicht wahr. Er war ganz auf die anfahrende Limousine konzentriert.

„Zaza!“, rief er nochmals.

Der Wagen hielt. Mit einem Surren öffnete sich die abgedunkelte Scheibe. Salomé blickte ihn fragend an. Nicht nur, dass die Dinge, die er ihr soeben noch dringend hatte sagen wollen, ihm nicht über die Lippen kamen. In diesem Moment wurde ihm bewusst, wie viele Augen ihn beobachteten.

„Ich wollte mich noch von dir verabschieden“, sagte er deshalb nur.

Salomé reichte ihm wortlos ihre Hand, die er fast verzweifelt ergriff. Die Limousine fuhr an, und ihre Hand entglitt ihm. Nate starrte wie in Trance den Rücklichtern des Fahrzeugs hinterher. Dann begann er blinzelnd wahrzunehmen, dass um ihn herum die Hölle ausgebrochen war. Die Ordner hatten alle Hände voll damit zu tun, die ekstatische Masse hinter der Absperrung zu halten. Ein Blitzlichtgewitter regnete auf ihn nieder.

„Nate, Nate! … Hierher! … Nate, ich lieeeebe dich!“, rief die wogende Menge ihm zu.

Obwohl ihm überhaupt nicht danach zumute war, setzte er sein lausbubenhaftes Lächeln auf, ergriff ihm entgegengestreckte Hände, ließ sich für Selfies umarmen und fand sogar einige charmante Worte gegenüber den aufdringlichen Reportern, die ihm ihre Mikrofone unter die Nase rammten.

Innerlich allerdings war er ganz woanders. Er konnte das Bild von Salomé, wie sie mit dem Arzt getanzt hatte, nicht abschütteln. Was dieses für ihn bis dahin unbekannte Gefühl zu bedeuten hatte, darüber wollte er allerdings lieber nicht nachdenken. Fakt war: Diesen Abend hätte er sich anders gewünscht. Ganz anders.

Das unterschwellige Brennen der Eifersucht hielt an, als ihm einfiel, dass seine heutige Begleiterin noch irgendwo sein müsste. In diesem Moment trat Ivana lächelnd nach draußen und hängte sich bei ihm ein. Es hatte schon Vorteile, wenn man einen Profi für eine solche Veranstaltung dabeihatte. Keine Fragen, keine Vorwürfe, keine Diskussionen. Zusammen posierten sie noch eine Weile für die Journalisten und Fotografen, bevor er seinen Fans ein letztes Mal zuwinkte, in seine eigene Limousine stieg und ins Hotel zurückfuhr.

Stargeflüster

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